Fortbildung Quantenphysik I Schuljahr 2001/2002 Handreichung zum Quantencomputer M. Renner Der Quantencomputer Der entscheidende Vorteil eines Quantencomputers gegenüber einem herkömmlichen, klassischen Computer besteht darin, dass er in der Lage ist, bestimmte Problemstellungen der Praxis (Faktorisierung einer großen Zahl, Suche eines Elements in einer sehr großen Liste) in einer um ein Vielfaches kürzeren Zeit zu lösen. Wie kommt dieser Geschwindigkeitsgewinn zustande? 1 0 Beim modernen klassischen Computer werden Informationen in Form von Bits 0 oder 1 dargestellt, wobei ein Bit jeweils entweder den Wert 0 („Strom fließt nicht“) oder den Wert 1 („Strom fließt“) annehmen kann. Bei Berechnungen wird Bit für Bit verschoben und mit Hilfe mikroelektronischer Schaltungen (meist NAND-Gatter) verändert. Die Bits werden in sogenannten Registern angeordnet, ein 8-Bit-Register (1 Byte) besteht aus 8 aneinandergereihten einzelnen Bits. Ein solches Register befindet sich stets in einem ganz bestimmten Zustand und kann damit genau eine der Zahlen 0 bis 255 (= 28-1) darstellen. Beispiel: 8-Bit-Register: 01110101 entspricht der Dezimalzahl 117 Ein Quantencomputer basiert auf der Grundlage von sogenannten Qubits 01 (Quantenbits), die durch Quantenobjekte (z.B. Atomkern mit Spin) repräsentiert werden. Aufgrund des quantenmechanischen Prinzips der Superposition kann sich 0 und 1 ein solches Quantenobjekt in einer Überlagerung aller seiner Zustände gleichzeitig befinden. Ein einziges Qubit kann daher die beiden Zustände 0 und 1 gleichzeitig annehmen und damit auch beide Informationen gleichzeitig speichern. Ein Register aus 8 Qubits produziert damit alle 28 = 256 Zustände gleichzeitig. Ein Register aus n Qubits kann daher 2n Informationen zur gleichen Zeit enthalten. Beispiel: Der Superpositionszustand von n Qubits enthält die Informationen aller 2n Zustände: Superpositionszustand 01 01 01 01 01 01 01 ... 01 0 0 0 0 0 0 0 ... 0 Zustand 1 1 0 0 0 0 0 0 ... 0 und Zustand 2 ... und ... und 1 1 1 1 1 1 1 ... 1 Zustand 2n Jede Operation, die auf ein solches Register aus Qubits angewendet wird, wirkt damit auf alle parallel existierenden Zustände gleichzeitig. Man spricht hier von Quantenparallelismus, der Rechner wird zu einem massiven Parallelrechner. Beispiel: Anwendung der Operation F(x) = x + 1 auf ein 2-Qubit-Register 0 0 Ausgangszustand 0 0 0 1 1 1 1 0 Superposition F(x) F(x) ==xx++1 1 0 1 1 0 0 1 0 1 Superposition 1 0 Ergebniszustand Ein großes Problem bringt jedoch die Dekohärenz mit sich. Jeder Messprozess und damit jeder Eingriff von außen zerstört die Superposition, der Quantenparallelismus geht verloren. Der Quantencomputer muss deshalb perfekt von der Außenwelt abgeschirmt werden, was eine große technische Herausforderung darstellt. Das Auslesen des Ergebnisses einer Rechnung stellt einen solchen quantenmechanischen Messprozess dar, der jede Superposition von Zuständen in einen einzigen möglichen, jedoch zufälligen Endzustand überführt. Welcher Zustand das ist, legt dessen Wahrscheinlichkeitsamplitude fest. Je größer diese ist, desto wahrscheinlicher ist es, bei einer Messung genau diesen Zustand zu erhalten. Hierbei fällt dem Algorithmus zur Lösung einer bestimmten Problemstellung eine besondere Bedeutung zu. Ein solcher Fortbildung Quantenphysik I Schuljahr 2001/2002 Handreichung zum Quantencomputer M. Renner Algorithmus muss die quantenmechanischen Prozesse berücksichtigen und heißt daher Quantenalgorithmus. Die Qubits, die eine Superposition von Zuständen bilden, sind nicht mehr unabhängig voneinander, sie sind verschränkt, d.h. sie beeinflussen sich gegenseitig und können die Wahrscheinlichkeitsamplituden ihrer Zustände verändern. Ein Quantenalgorithmus muss nun Operatoren so einsetzen, dass ein bestimmter Zustand, z.B. das Ergebnis eines Suchalgorithmus, eine hohe Wahrscheinlichkeit hat und die anderen durch Interferenz einen Wert nahe null. Eine Messung würde dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dem gesuchten Ergebniszustand führen. Es kann dabei unter Umständen notwendig werden, dass eine Rechnung hinreichend oft hintereinander durchgeführt werden muss, um die Wahrscheinlichkeit für das Auslesen des richtigen Ergebnisses zu erhöhen. Bisher sind zwei Quantenalgorithmen bekannt: der Shor-Algorithmus /1/ zur Faktorisierung großer Zahlen in ihre Primfaktoren und der Grover-Algorithmus /3/ zur Datenbanksuche. Die Realisierung von Quantenrechnern befindet sich noch im Anfangsstadium. Vielversprechende Experimente haben jedoch bereits gezeigt, dass ein Quantencomputer auch praktisch möglich sein kann. Ein Quantencomputer, bestehend aus einem 7-Qubit-Register, wurde u.a. bereits realisiert und damit die Zahl 15 in ihre Primfaktoren mit Hilfe des Shor-Algorithmus zerlegt. Hierbei wurde das Verfahren der Kernspinresonanz-Spektroskopie ausgenutzt, wobei sich der quantisierten Energiezustände der Kernspins in einem externen Magnetfeld und der Superposition dieser Zustände bedient wird. Der Quantencomputer wurde hier durch das Molekül C11H5F5O2Fe gebildet (siehe nebenstehende Abbildung) /7/. Die Spineinstellungen der Atomkerne bilden hier die Zustände 0 und 1 des Qubits. Die direkte magnetische Wechselwirkung zwischen den Atomkernen des Moleküls bildet die Verschränkung der Qubits, welche dann zu einer Änderung der Wahrscheinlichkeitsamplituden führen und die Anwendung eines Quantenalgorithmus erlauben kann. Durch die unterschiedlichen Positionen der Atome im Molekül und die daraus resultierende unterschiedliche Beeinflussung der Kernspins durch die Umgebung können über eine Feinabstimmung eingestrahlter Radiofrequenzen gezielt nur bestimmte Atome im Molekül adressiert und somit für eine Quantenrechnung präpariert werden. Weitere vielsprechende Möglichkeiten der Realisierung eines Quantencomputers sind Ionenfallen /2, 8/, Halbleiter Quanten-Dots /8/, Atome in optischen Resonatoren /2, 8/ usw. Quantencomputer werden wahrscheinlich nicht den klassichen PC ersetzen, sondern für spezielle Anwendungen in der Wissenschaft und Forschung eingesetzt werden. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringen wird... Literatur: /1/ Audretsch, Jürgen (Hrsg.): Verschränkte Welt – Faszination der Quanten, WILEY-VCH Verlag GmbH, 2002 /2/ Briegel, Hans-Jürgen; Cirac, Ignacio; Zoller, Peter: Quantencomputer. In: Physikalische Blätter 55 (1999) Nr. 9, S. 37 – 49 /3/ Dr. Rink, Jürgen: Quäntchen für Quäntchen. In: c’t (Zeitschrift) 1998, Heft 16, S. 150 ff. /4/ Gershenfeld, Neil; Chuang, Isaac L.: Flüssige Quantencomputer. In: Spektrum der Wissenschaft, August 1998, S.54 ff. /5/ Gross, Michael: Quantencomputer lernen rechnen. In: Spektrum der Wissenschaft, Juni 1998, S. 16 ff. /6/ Rempe, Gerhard: Ein Molekül aus einem Atom und einem Photon. In: Spektrum der Wissenschaft, August 2001, S.16 ff. /7/ http://www.stp-gateway.de/Archiv/archiv450.html /8/ http://dev.vdi-online.de/vdi/pdf/tz/publikation/quant_it/1.pdf (bis 18.pdf) /9/ http://www.quantencomputer.de /10/ http://www.rz.uni-frankfurt.de/~pospiech/q_comp.html /11/ http://www.ap.univie.ac.at/users/fe/Quantencomputer /12/ http://www.rz.uni-frankfurt.de/~pospiech/denkbar.htm