UNIVERSITÄT TRIER „Was könnte denn der Titel der Arbeit werden?“ Endbericht des studentischen Forschungsprojektes Nachhaltige Regionalentwicklung Sommersemester 2003 und Wintersemester 2003/2004 Version – 2 – vom 25.01.2004 1. Einleitung (Carmen) ......................................................................................... 3 2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux (Sylvia) ............................................. 6 2.1 Die regionale Ebene zur Messung von Nachhaltigkeit ................................. 6 2.2 Gebietsabgrenzung ........................................................................................ 7 2.3 Geschichte ..................................................................................................... 8 2.4 Der Bestand der vier Kapitalarten in der Region .......................................... 9 2.4.1 Naturkapital/ Ressourcen ....................................................................... 9 2.4.2 Wirtschaft ............................................................................................. 10 2.4.3 Humane Faktoren ................................................................................. 10 2.4.4 Soziale Faktoren ................................................................................... 11 3. Nachhaltige Entwicklung (Christian)............................................................ 12 3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit.................................................................... 12 3.2. Nutzungsintensität der Ressourcen ............................................................ 14 3.2.1.Starke Nachhaltigkeit ........................................................................... 15 3.2.2 Schwache Nachhaltigkeit ..................................................................... 15 3.2.3 Funktionale Substituierbarkeit ............................................................. 17 3.3 Realisierung des Nachhaltigkeitskonzepts .................................................. 17 4. Ansätze zur Wohlstandsmessung und Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung .................................................................................. 22 4.1 Wohlstandsmessung über des Bruttoinlandsprodukt (Helge) ..................... 22 4.2 Alternative Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit (Helge)............................................................................................................... 24 4.3 Weitere Ansätze zur Messung von nachhaltiger Entwicklung (Jessica) ..... 26 4.3.1 Der Pressure State Response Ansatz .................................................... 26 4.3.2. Der Ansatz des BBR ........................................................................... 27 4.3.3. Der Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung ............................... 30 5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren .... 33 5.1 Das Vier-Kapital-Modell (Wu Ling) .......................................................... 33 5.1.1 Darstellung des Vier-Kapital-Modells ................................................. 33 5.1.2 Genauere Beleuchtung der vier Kapitalarten ....................................... 35 5.1.3 Welche Anwendungsmöglichkeit ergeben sich für das Vier-KapitalModell? ......................................................................................................... 36 5.1.4 Operationalisierung des Vier-Kapital-Modells über Nachhaltigkeitsindikatoren ........................................................................... 37 1 5.2 Konzeptionelle Grundlagen für eine indikatorengestützte Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung (Helge).................................... 38 6. Analyse der Vier Kapitalbereiche (ARBEIT DER VIER GRUPPEN) ...... 45 7. Analyse der Beziehungen zwischen und innerhalb der Kapitalbereiche (ARBEIT DER VIER GRUPPEN) .................................................................... 45 8. Fazit .................................................................................................................. 45 Anhang: Der Indikatorensatz für die Großregion Saar-Lor-Lux (Kay) ....... 46 1 Die Grundlage für das Indikatorenblatt.......................................................... 46 2 Der Aufbau des Indikatorenblatts .................................................................. 47 Literatur ............................................................................................................... 48 2 1. Einleitung (Carmen) Im Rahmen dieser einjährigen PbSF-Studie im Hauptstudium (Thema „Nachhaltige Regionalentwicklung“) erforschten Studierende der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften den Gegenstand der nachhaltigen Regionalentwicklung innerhalb der Großregion Saar-Lor-Lux. Ziel der vorliegenden Studie ist die Ermittlung des aktuellen Zustandes der Großregion und die Aufarbeitung der nachhaltigen Entwicklung seit 1990. Es soll im Verlauf der Arbeit die Frage beantwortet werden, ob sich die Region nach dem Leitbild der schwachen oder starken Nachhaltigkeit entwickelt. Anhand von statistischen Daten können die einzelnen Regionen der Großregion Saar-Lor-Lux miteinander verglichen werden und Defizite bzw. Rückstände in einzelnen Bereichen ersichtlich werden. Durch diese Studie soll das Thema „Nachhaltige Regionalentwicklung in Saar-Lor-Lux“ der Bevölkerung zugänglich gemacht werden, eine Diskussion belebt, sowie eine zukünftige Partizipation der Bevölkerung ermöglicht werden. Der Arbeit liegt die Nachhaltigkeitsdefinition („sustainable developement“) der Brundtland-Kommission zugrunde. Diese beschäftigte sich zwischen 1983 und 1987 mit der Verbesserung der gesellschaftlichen Wohlfahrt in der Gegenwart und Zukunft. In dem 1987 veröffentlichten Endbericht der Kommission wird eine nachhaltige Entwicklung beschrieben als eine „Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“.1 Es spielen hierbei sowohl die inter-, als auch die intragenerationale Gerechtigkeit eine wichtige Rolle. Grundlage der Studie ist das Vier-Kapital-Modell, auf dessen Basis ein System von Nachhaltigkeitsindikatoren entwickelt wird. Die Bestände der vier Kapitale (Sach-, Human-, Natur- und Sozialkapital) werden von Indikatoren abgebildet, welche die besonders relevanten Entwicklungen der Kapitale abbilden sollen. Die Anforderungen an die gewählten Indikatoren sind weiterhin Präzision in der Abbildung sowie Praxisnähe und Anwendbarkeit. Da jedoch die zur Messung der idealen Indikatoren benötigten Daten u.a. aus finanziellen Gründen nicht erhoben werden konnten, wird auf ähnliche und geeignete Hilfsindikatoren zurückgegriffen, deren Daten der Forschungsgruppe zur Verfügung stehen. Zunächst wird die untersuchte Modellregion (Saar-Lor-Lux) detailliert beschrieben und auch unter dem historischen Gesichtspunkt skizziert und die für die Studie relevante Entwicklung aufgezeigt. Der aktuelle Bestand der vier Kapitale, aufgegliedert in die – noch zu erläuternden - vier Kapitalbereiche, ermöglicht an dieser Stelle zunächst einen Überblick über den Untersuchungsgegenstand der Studie. Es wird erkennbar, warum die Wahl der 1 Hauff, Volker (Hg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht). Greven, S.46. 3 Analyse von Nachhaltigkeit auf regionaler Ebene und nicht auf nationaler oder gar auf globaler Ebene durchgeführt wurde. Die Betrachtung eines grenzüberschreitenden Raumes ist eine Besonderheit im Vergleich zu vorhandenen Studien, dies wirft jedoch Probleme auf. Bspw. im Hinblick auf die unterschiedliche Verfügbarkeit von Daten in den einzelnen Ländern. Darauf folgt eine genauere Erläuterung des Begriffes Nachhaltigkeit. Sie beinhaltet die ausführliche Definition auf Grundlage des Brundtland Berichtes. Die Konzepte der starken und schwachen Nachhaltigkeit, sowie die Substituierbarkeit von Ressourcen werden dargestellt. Weiterhin folgt eine Erörterung der Realisierung des Nachhaltigkeitsprinzips mit einem Übergang vom theoretisch dargestellten zur praktischen Anwendung. Im weiteren Verlauf werden verschiedene Ansätze zur Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung dargestellt. Hierbei werden die zur Messung von Wohlstand und Wohlfahrt möglichen Indikatoren kritisch erläutert. Außerdem folgen die Darstellungen des Pressure State Response Ansatzes und des BBR Ansatzes mit dessen Zielsetzungen. Weiterhin werden die Handlungsfelder bzw. die Zielsetzungen der Bundesregierungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung der gesamten Bundesrepublik aufgezeigt. Der von der Projektgruppe ausgewählte Vier-Kapital-Ansatz wird anschließend in seinen theoretischen Grundlagen vorgestellt. Auch auf die Fragen, der Anwendungsmöglichkeiten des Modells in der Praxis und der damit verbundenen Operationalisierung der Kapitale über Nachhaltigkeitsindikatoren wird eingegangen. Die allgemeinen und konzeptionellen Grundlagen für eine indikatorengestützte Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung folgen, mit Berücksichtigung der theoretischen Ansprüche und Anforderungen an die zur Analyse verwendeten Indikatoren. Auch auf Besonderheiten und Problemfelder wird eingegangen, wie zum Beispiel die mögliche Aggregation von Indikatoren. Weiterhin erfolgt die Analyse von Nachhaltigkeit in den vier Kapitalbereichen für die Region Saar-Lor-Lux mit Hilfe der gewählten Indikatoren. Auf jeden Kapitalbereich wird einzeln eingegangen und die Besonderheiten bzw. einzelne Problemfelder erörtert. Anschließend werden die gemessenen Indikatoren von den Idealindikatoren abgeleitet. Die gemessenen Indikatoren werden durch je ein Indikatorenblatt pro Indikator veranschaulicht. An dieser Stelle erfolgt eine ausführliche Beschreibung, die Auswahlmotive werden erläutert und die Daten zum Indikator aufgeführt. Darauf folgt die Analyse der Beziehungen zwischen den Kapitalbereichen. Besonders wichtig sind hier die Wechselwirkungen innerhalb sowie zwischen den einzelnen Kapitalien, die sogenannten Trade-Offs und Win-Wins. Die Entwicklungstendenzen der Großregion werden anschließend mit Hilfe von Diagrammen und Nachhaltigkeitsspinnen visualisiert. 4 Im Fazit wird anhand der zuvor gewonnenen Informationen eine Aussage über die nachhaltige Entwicklung der Region Saar-Lor-Lux möglich. Es wird eine Antwort auf die Frage gegeben, ob sich die Großregion in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung, vor dem Hintergrund der zuvor angeführten Daten, bewegt. Außerdem sind an dieser Stelle Vorschläge für eine Erweiterung und Vertiefung der vorliegenden Arbeit zu finden. 5 2. Regionale Perspektive – Saar-Lor-Lux (Sylvia) Zunächst wird aber auf die Region als solches näher eingegangen. Hierbei wird zuerst eine Eingrenzung des Begriffes „Region“ vorgenommen, bevor die geschichtlichem und aktuellen Gegebenheiten im Untersuchungsgebiet dargestellt werden. 2.1 Die regionale Ebene zur Messung von Nachhaltigkeit In dieser Arbeit wird Bezug genommen auf die regionale Ebene. „Die Region ist eine geografische Verräumlichung unverräumlicher Phänomene physischmaterieller (Ökonomie, Ökologie), sozialer und psychischer Art“.2 Die Gestaltung dieses Raumes kann anhand von lokalen Entwicklungen wie Arbeitsteilung stattfinden. Aber auch andere Merkmale wie bspw. der Kontext der Region in der nationalen und internationalen Entwicklung und die Interaktion mit anderen Regionen oder die Stoffkreisläufe können zur Gestaltung herangezogen werden.3 Die Grenzziehung zwischen den Regionen wird durch die Verflechtungen der Regionen untereinander und die Mobilität der Bürger erschwert.4 Eine genaue räumliche Abgrenzung der Region ist für die Vergleichbarkeit der Daten aber ein wichtiges Merkmal.5 Die hier verwendete Definition der Region Saar-Lor-Lux orientiert sich an den heute gültigen politischen Grenzen der Teilregionen, obwohl dieses zur Folge hat, dass die untersuchte Region größer ist als die Kernregion, in der die regionale Identität am stärksten ist. Dadurch wird von einer verbesserten Datenlage ausgegangen, da auf der politischen Ebene der Teilregionen, die statistischen Ämter alle untersuchten Daten verfügbar machen können. Die regionale Identität entsteht aus dem Zusammenspiel von gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Ereignissen in einem Gebiet.6 Der geschichtliche Verlauf der Großregion belegt eindrucksvoll das dieses Zusammenspiel nicht immer harmonisch verlief. Trotzdem ist über die politischen Grenzen hinweg eine Identität der Menschen mit ihrer Umgebung und der angrenzenden Gebiete entstanden. Die wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen sind hier gewachsene Strukturen und nicht nur durch die Globalisierung entstanden, die diese heute weiter fördert.7 Seit den 80er Jahren gibt es in den EU-Mitgliedsstaaten einen Trend zur Dezentralisierung und Globalisierung.8 Die Globalisierung führt unter anderem zu einer Bedeutungszunahme der regionalen Ebene aufgrund der Überschaubarkeit.9 2 Zitat: Majer, Helge; Bauer, Joachim u.a.(1996), S.15 Majer, Helge; Bauer, Joachim u.a.(1996), S.15 4 Majer, Helge; Bauer, Joachim u.a.(1996), S.20 5 Majer, Helge; Bauer, Joachim u.a.(1996), S.15 6 Greif, Michael (2000), S.37 7 Greif, Michael (2000), S.35 8 Greif, Michael (2000), S.53 9 Greif, Michael (2000), S.38ff 3 6 Daher wächst auch die Bedeutung der Region für nachhaltige Entwicklung.10 Auf den Begriff der Nachhaltigkeit wird im dritten Kapitel noch näher eingegangen. Die Notwendigkeit auf globaler Ebene zu handeln wird zwar anerkannt, ist aber mittelfristig nicht umzusetzen. Die Vorzüge auf regionaler Eben sind die unmittelbare Nähe und die damit verbundene verbesserte Chance, dass sich die Bürger mehr für das Thema Nachhaltigkeit interessieren. Auch sind die Verantwortlichen besser zu identifizieren und die überschaubaren Verhältnisse ermöglichen eine Kooperation und verantwortungsbewusstes Handeln.11 2.2 Gebietsabgrenzung Wie oben bereits erwähnt wird die Großregion Saar-Lor-Lux untersucht. Sie besteht aus den Teilregionen Rheinland-Pfalz, Saarland (BRD), Wallonien (Belgien), dem Großherzogtum Luxemburg und Lothringen (Frankreich). Diese europäische Modellregion wurde zum einen ausgewählt, weil die Universitätsstadt Trier in der untersuchten Region liegt und die Autoren dieses Berichtes ein verstärktes Interesse an der hiesigen Situation haben. Ein weiteres Argument für diese Region sind auch die Standortvorteile, da durch die unmittelbare Nähe zum Untersuchungsgebiet die Kommunikationskosten niedrig gehalten werden konnten. Außerdem wurden bereits vorhandene Kontakte mit den entsprechenden Institutionen ausgebaut und genutzt und gebietsabhängige Gepflogenheiten waren bekannt und konnten positiv beeinflusst werden. Diese Modellregion ist weiterhin zum Untersuchungsgebiet gewählt worden, da hier die Verflechtungen wirtschaftlicher und sozialer Aspekte über die Staatsgrenzen hinaus sehr ausgeprägt sind. Dies hängt vor allem mit dem geschichtlichen und politischen Hintergrund dieses Gebietes zusammen. Schon 1944 gab es im Bereich der Benelux-Staaten die Idee eines wirtschaftlichen Zusammenschlusses, in dem die Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik umgesetzt werden sollte.12 Die starken Verflechtungen sind auch darin ersichtlich, dass 1971 die Regierungen der betreffenden Teilgebiete des Großraumes Saar-Lor-Lux eine Kommission einrichteten, welche sich bis heute mit der Planung und Organisation der grenzübergreifenden Raumordnung beschäftigt. Seitdem wurde diese Kooperation weiter ausgebaut und weitere Institutionen wie bspw. die statistischen Landesämter bemühen sich um eine überregionale, über Staatsgrenzen hinweg gehende Zusammenarbeit.13 Durch diese bestehenden Kooperationen, vor allem seitens der statistischen Ämtern und deren Abgleichung der Daten, war es möglich, auch über die 10 11 12 13 Greif, Michael (2000), S.60 Majer, Helge; Bauer, Joachim u.a.(1996), 18ff Erbe, Michael (1993), S.307ff Siehe auch Großregion vom 13.01.04 7 Staatsgrenzen hinweg die Indikatoren im gesamten Gebiet gleichwertig auszurichten (das heißt, in den Gebieten können die selben Indikatoren benutzt werden, da zur Berechnung dieser die gleichen Grundlagen verwendet wurden). Dennoch war die Datensammlung aufgrund der verschiedenen Amtssprachen und der noch nicht vollständigen Angleichung der statistischen Systeme eine besondere Herausforderung. 2.3 Geschichte Die Großregion hat eine politisch sehr ausgeprägte Geschichte, die sich sowohl innerhalb der einzelnen Teilregionen als auch über die heutigen Grenzen hinweg abspielte. Das Bundesland Rheinland-Pfalz wurde 1946 durch Verordnung der französischen Militärregierung aus den Gebieten bayrische Pfalz, dem linksrheinischen Teil von Hessen- Darmstadt und der preußischen Rheinprovinz geschaffen. Die Landesverfassung wurde 1947 verabschiedet. Ende der sechziger Jahre wurde eine Gebietsreform durchgeführt und die drei heutigen Regierungsbezirke Trier, Koblenz und Rheinhessen-Pfalz entstanden.14 Das heutige Saarland hat in den letzten 200 Jahren acht Mal seine Nationalität gewechselt (Deutsch-Französisch).15 Diese Tatsache prägt auch heute noch das soziale und gesellschaftliche Gefüge im Saarland. Im 2. Weltkrieg wurde die Region, als Standort wichtiger Industriebetriebe stark zerstört. 1945 wurde das heutige Bundesland zu einem Teil der französischen Besatzungszone und 1946 wurden weitere Gebiete von Rheinland-Pfalz an das Saarland angegliedert. Seit dem Ende der vierziger Jahre versuchten die Franzosen verstärkt das Saarland zu einem eigenständigen Staat zu etablieren, bis sich im Oktober 1955 die Mehrheit der Bevölkerung in einer Abstimmung für die Angliederung an die Bundesrepublik Deutschland aussprach.16 Luxemburg wurde als Grafschaft das erste Mal 963 erwähnt und 1354 zum Herzogtum erhoben. 1441 ging es an das Haus Burgund zurück und später an die Habsburger. Als Folge des spanischen Erbfolgekrieges wurde es zu einem Teil der österreichischen Niederlande und fiel 1795 gemeinsam mit diesen an Frankreich. Im Jahre 1815 kam es aufgrund des Wiener Kongresses zu einer Personalunion mit den Niederlanden. 1839 trat Luxemburg mehr als die Hälfte der Fläche an Belgien ab und erlangte dadurch mehr Autonomie. In beiden Weltkriegen wurde es von Deutschland überrannt und gab 1948 mit dem Eintritt in die BeneluxZollunion und 1949 mit Beitritt zur Nato seine Neutralität auf. Luxemburg ist 14 siehe: www.thomas-henn.de/wissen/rheinland-pfalz.htm vom 7.12.03 siehe: http://bund.de/Verwaltung-in-Deutschland/Bundeslaender/Saarland-.5314.htm vom 7.12.03 16 siehe: www.thomas-henn.de/wissen/saarland.htm vom 7.12.03 15 8 eines der sechs Gründungsmitglieder der EU und trat 1999 der Europäischen Währungsunion bei.17 Die Zwangsvereinigung von Flandern und Wallonien zum unabhängigen zentralistischen Einheitsstaat Belgien im Jahre 1830 führte schnell zu inneren Spannungen und ultrarechten Bewegungen.18 Wallonien gehörte zu den ersten europäischen Regionen, die industrialisiert wurden. Nach dem 2. Weltkrieg und dem Niedergang der Industriezweige verlor Wallonien jedoch ihre Funktion als wirtschaftliche Antriebskraft Belgiens.19 Auch das Gebiet Lothringen, bzw. Lorraine war ein Streitpunkt zwischen Deutschland und Frankreich und wechselte daher oft die nationale Zugehörigkeit. Während des 2. Weltkrieges wurde Lothringen erneut von Deutschland annektiert. Die Bevölkerung Lothringens reagierte mit einem passivem Widerstand. 1944 wurde Lothringen von den amerikanischen Invasionstruppen befreit und ist seitdem wieder französisches Staatsgebiet.20 2.4 Der Bestand der vier Kapitalarten in der Region Diese geschichtliche Entwicklung hat auch heute noch einen großen Einfluss auf die sozialen Gefüge und damit auch auf die Politik und Wirtschaft in der Region. Im folgenden Abschnitt sollen daher die daraus resultierenden Ergebnisse aufgezeigt und die Region in den Bereichen Natur, Wirtschaft, soziale und humane Komponente mit Hilfe einiger statistischer Kennzahlen dargestellt werden. 2.4.1 Naturkapital/ Ressourcen Die Großregion Saar-Lor-Lux umfasst insgesamt eine Fläche von ca. 65.400 km². Die größte Teilregion ist Lothringen mit ca. 23.500 km². Danach folgen Rheinland-Pfalz (19.900 km²) und Wallonien (ca. 16.800 km²). Das Saarland und Luxemburg besitzen mit jeweils ca. 2.600 km² die kleinsten Flächen.21 Die Nutzung der Fläche stellt sich wie folgt dar. In der Großregion werden ca. 49% der Fläche landwirtschaftlich genutzt. Über die Hälfte der Fläche in Luxemburg (56%), Lothringen und Wallonien (je ca. 52%) ist durch Landwirtschaft gekennzeichnet. Der Anteil der bewaldeten Fläche beträgt in der Großregion und auch in Lothringen 35%.Im Saarland, in Luxemburg und Wallonien beträgt der Anteil der Fläche je ca.33% und in Rheinland-Pfalz ca. 40%. Die Siedlungs- und Verkehrsdichte ist im Saarland relativ am höchsten und beträgt hier ca.19% der Fläche.22 17 siehe: www.Lotharingia.de/lexikon/Geschichte_Luxemburgs vom 13.01.04 siehe: www.rbi-aktuell.de/Nation/minderheiten-startseite/Belgien/belgien.html vom 6.12.03 19 siehe: www.Lotharingia.de/lexikon/Wallonien vom 7.12.03 20 siehe: www.schaepp.de/lothringen vom 7.12.03 21 siehe: www.grossregion.lu/html_de/grande_region/main.html vom 7.01.04 Zahlen von 2002 22 Daten eigene Berechnung auf Grundlage der Daten von 2001 unter www.grossregion.lu/html_de/grande_region/index.html vom 7.01.04 18 9 Auch die nicht erneuerbaren Ressourcen sind sehr unterschiedlich verteilt. Steinkohlelager werden, bzw. wurden im Saarland, in Wallonien und Lothringen abgebaut. Eisenerzvorkommen gab es vor allem in Lothringen aber auch in Luxemburg. Der Weinbau blüht vor allem in Rheinland-Pfalz und Luxemburg. In Lothringen hingegen wurden auch Steinsalzvorkommen, Kalkstein, Stein, Ton, Lehm und Holz als Ressourcen ausgeschöpft.23 2.4.2 Wirtschaft Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2001 für die Großregion Saar-Lor-Lux 239.393 Mio. €. Nahezu die Hälfte des BIP werden in Rheinland-Pfalz (91.789 Mio. €) und dem Saarland (24.539 Mio. €) mit gesamt 116.328 Mio. € erwirtschaftet. Wallonien konnte 2001 ein BIP von 56.015 Mio. € und Lothringen ein BIP von 45.827 Mio. € realisieren. Das geringste BIP erzielte Luxemburg mit 21.224 Mio. €. Wenn man das BIP allerdings auf die Einwohner umrechnet ergibt sich für Luxemburg mit 48.287 € je Einwohner das höchste BIP in der Großregion. Auf dieser Berechnungsgrundlage sind Rheinland-Pfalz und das Saarland mit einem BIP pro Einwohner von 22.715 € und 22.997 € ungefähr gleich stark, während Wallonien mit 16.809 € und Lothringen mit 19.832 € BIP je Einwohner noch weit unter dem Durchschnitt von 21.392 € BIP je Einwohner zurückliegen.24 Die meisten Erwerbstätigen waren 2001 im Tertiären Sektor beschäftigt. In Luxemburg arbeiteten ca. 76% im Dienstleistungsbereich. Wallonien liegt mit einem Anteil von 74% ebenfalls deutlich über dem Gesamtdurchschnitt von 70%. In den anderen Teilregionen sind je ca. 68% der Erwerbstätigen im dritten Sektor tätig. Die Landwirtschaft bietet dagegen nur 2,5% der Erwerbstätigen Arbeit in der Großregion. Im Saarland spielt die Landwirtschaft keine große Rolle mehr, denn hier sind nur 0,9% aller Erwerbstätigen in diesem Sektor beschäftigt. Den prozentual größten Anteil an Beschäftigten in der Landwirtschaft mit 2,9% bzw. 2,8% aller Erwerbstätigen ist in Rheinland-Pfalz, bzw. Lothringen zu finden. Diese relativ hohen Anteile lassen sich zumindest in Rheinland-Pfalz mit dem traditionellen Weinbau erklären. Im Allgemeinen gibt es in der Großregion die Tendenz dahin, dass der tertiäre Sektor sich vergrößert.25 2.4.3 Humane Faktoren In der Großregion leben insgesamt 11.228.522 Menschen. Die wenigsten davon, nämlich nur 444.050 Menschen wohnen in Luxemburg. Die Bevölkerungsdichte beträgt hier wie auch in der Gesamtregion 172 Einwohner pro km². Mit 415 Einwohner pro km² ist die Bevölkerungsdichte im Saarland am größten und dass obwohl hier „nur“ 1.066.470 Einwohner leben. In Rheinland-Pfalz hingegen leben 23 siehe: Internetquellen von Fußnote 3-9 siehe: www.grossregion.lu/grande_region/economie.html Daten von 2001 vom 7.01.04 25 siehe: www.grossregion.lu/grande_region/main.html Daten von 2001 vom 7.01.04 24 10 mit 4.049.066 Bewohner die meisten Menschen. Die Bevölkerungsdichte liegt leicht über dem Schnitt der Großregion bei 204 Einwohner pro km². In Lothringen ist die Bevölkerungsdichte mit 98 Menschen pro km² am geringsten, obwohl hier 2.310.376 leben. In Wallonien leben 3.358560 Menschen, was einer Bevölkerungsdichte von 199 Personen pro km² entspricht. Im Humankapital zählt aber nicht alleine der Bestand an Personen, sondern auch der Bildungsstand. Dieser wird im allgemeinen durch die vorhandenen Abschlüsse dargestellt. Im Schuljahr 2001/2002 gab es in der Großregion 326.984 Schüler und Studenten an Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten.26 2.4.4 Soziale Faktoren Die sozialen Faktoren sollen einen Überblick über die Zufriedenheit und Sicherheit der Menschen geben. Da diese Werte aber nur schlecht zu messen sind werden hier nun einige Daten dargestellt die indirekt auf diese Dinge schließen lassen wie bspw. die Erwerbsquote, die Arbeitslosenquote und die Zahl der Ärzte pro 10.000 Einwohner. Die Erwerbsquote betrug 2001 im Schnitt 52% bei den Männern und 36% bei den Frauen. Auffällig war bei den Männern, dass 56% in Rheinland-Pfalz und nur 47% in der Wallonie erwerbstätig waren, während bei den Frauen in Rheinland-Pfalz fast 40% und in der Wallonie nur 32% erwerbstätig waren. Die Arbeitslosenquote bewegte sich zwischen 10,6% in Wallonien und 2,4% in Luxemburg. In der Großregion insgesamt waren durchschnittlich 7,4% der Erwerbspersonen ohne Arbeit.27 In der Region Saar-Lor-Lux sind ca. 32 Ärzte für 10.000 Einwohner zuständig. In Luxemburg gibt es je 10.000 Einwohner die geringste Anzahl an Ärzten (26). Im Saarland sind pro 10.000 Einwohner mit 38 die meisten Ärzte vertreten.28 Dieses zugegeben sehr statistische Abbild der Region gewährt nur eine kurzen Überblick. Eine genauere Einschätzung wird in den Kapiteln 5 und 6 gegeben, in denen die Region systematisch erfasst und auf Nachhaltigkeit hin analysiert wird. 26 siehe: www.grossregion.lu/grande_region/main.html Daten von 2001 vom 7.01.04 siehe: www.grossregion.lu/grande_region/main.html Daten von 2001 vom 7.01.04 28 siehe: www.grossregion.lu/grande_region/main.html Daten von 2001 vom 7.01.04 27 11 3. Nachhaltige Entwicklung (Christian) Nachdem nun im 2. Kapitel ausführlich die Gegebenheiten in der Region SaarLor-Lux beschrieben wurden, ist es jetzt an der Zeit zu fragen, wie ein Nachhaltigkeitskonzept, speziell aufgrund der Lokalen Agenda 21, in dieser Region aussehen könnte. Dazu wird im ersten Teil dieses Kapitels der Begriff der Nachhaltigkeit näher beleuchtet und die Brundtland-Definintion kritisch anderen Definitionen gegenübergestellt. Der zweite Teil dieses Abschnitts der Arbeit diskutiert umfassend die verschiedenen Nachhaltigkeitsphilosophien aus, und daraus resultiert die Funktionale Substituierbarkeit. Im dritten Teil wird schließlich das Vier-Kapital-Modell abgeleitet und am Ende kurz eine Zielsetzungsstrategie erläutert. 3.1 Der Begriff der Nachhaltigkeit Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft des 18. Jh. und wird heute als Übersetzung des englischen Wortes „Sustainability“ verwendet. Nachhaltigkeit bedeutete damals, dass nur so viel Holz eingeschlagen werden durfte wie im Wald wieder nachwachsen konnte. Ziel war eine zukunftsbetrachtende Schonung von Primärenergieträgern um eine langfristige Versorgung zu gewährleisten. Im Laufe der Zeit wurde dieses Leitbild auch auf andere Bereiche im umweltwissenschaftlichen Kontext ausgeweitet. Vor allem heute werden unter nachhaltiger Entwicklung in der deutschen Literatur folgende verwandte Begriffe angeführt: - Dauerhaft umweltgerechte Entwicklung - Ökologisch-dauerhafte Entwicklung - nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung - zukunftsfähige Entwicklung etc.29 Im auslaufenden 20. Jahrhundert wurde der Begriff sustainable development in den Abschlussbericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung aufgenommen. Die Verfasserin Dr. Brundtland stellte heraus, vor welchen Herausforderungen das Prinzip der Nachhaltigkeit nun steht und in welchen Verantwortungsbereich es fällt. „Die Menschheit hat die Fähigkeit, Entwicklungen nachhaltig zu machen - zu gewährleisten, dass sie die Bedürfnisse der gegenwärtig lebenden Menschen erfüllt, ohne dadurch die Lebensgrundlage zukünftiger Generationen auf das Spiel zu setzen."30 Zeschmar – Lahl, B (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachenerstiftung.de/2000/Definitionen.htm (3.12.2003). 30 Hauff, Volker (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht), Greven, S.46. 29 12 Zentrales Argument ist die sogenannte inter- und intragenerative Gerechtigkeit. Um zukünftigen Generationen alle Optionen zu gewährleisten, muss die heutige verantwortliche Generation anfangen nachhaltig zu handeln. Der Bericht hat maßgeblich dazu beigetragen, dass bisher getrennt betrachtete Problembereiche wie Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkriese, etc. nicht durch einzelne Maßnahmen gelöst werden können, sondern in einem Wirkungsgeflecht gesehen werden müssen.31 Es geht um die integrative Betrachtung ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte. Diese werden zum ersten Mal als untrennbare Einheit gesehen. Die Aussage des Berichts bringt vielerlei Probleme auf ökologischer, sozialer und kultureller Basis mit sich, die ein sowohl regionales als auch globales langfristiges Handeln erfordern32 (siehe Kapitel 3.3). Sowohl der Brundtland-Bericht als auch die Agenda 21, ein globaler bzw. nationaler/ lokaler Aktionsplan der einzelnen Abteilungen der Vereinten Nationen und Staatregierungen, für Gebiete in denen Menschen in die Umwelt eingreifen können,33 haben der Nachhaltigkeit auf der Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCED)1992 in Rio de Janeiro schließlich zum Durchbruch verholfen: Wirtschaftswachstum, aber auch Sozial- und Umweltverträglichkeit sollen langfristig gewährleistet sein.34 Ähnlich sah es 1991 die INTERNATIONAL CHAMBER OF COMMERCE (ICC): Wirtschaftliches Wachstum sei eine Grundvoraussetzung zur Verwirklichung des Umweltschutzes. Aus diesem ergeben sich weitere, andere Ziele.35 (für Kritik siehe unten) Auch die Europäische Union verfolgt das Ziel, nachhaltiges, also langfristiges Wirtschaftswachstum mit dem Umweltschutz zu verbinden. Hohe Umweltschutznormen stimulieren dabei Innovationen und Geschäftsmöglichkeiten,36 da sich Institutionen und Konzerne ständig auf den aktuellen Stand der Umwelttechnik bringen müssen. Da diese Normen bis jetzt aber noch nicht ausreichend durchgesetzt sind, ist es für die Konzerne offensichtlich immer noch gewinnmaximierender auf die Umwelt entweder kaum oder gar nicht Rücksicht zu nehmen. Unter dieser gedanklichen Voraussetzung ergeben Umweltinnovationen zur Kostenreduzierung keinen Sinn. Hauff, Volker (Hrsg.) (1992): Global denken – lokal handeln, Köln, S. 163ff. Zeschmar – Lahl, B. (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachenerstiftung.de/2000/Definitionen.htm (3.12.2003). 33 Vereinte Nationen (2002): http://www.un.org/esa/sustdev/documents/agenda21/index.htm (15.1.2004). 34 Günter, Mario (2002): Allgemeine Problemstellung zur Operationalisierbarkeit, sozialen Relevanz und Anwendungsmöglichkeiten von Kriterien und Indikatoren nachhaltiger Entwicklung, in: Eitel, B.; Gebhardt, H.; Glaser, R.; Meusburger, P. (Hrsg.); Kriterien und Indikatoren als Instrumentarium nachhaltiger Entwicklung, Heidelberg, S. 16. 35 Günther, E.; Schuh, H. (2000): Definitionen, Konzepte, Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung, Dresden, S. 14f. 36 Europäische Union (2000): Tätigkeitsbereiche der Europäischen Union Umwelt, http://europa.eu.int/pol/env/overview_de.htm (3.12.2003). 31 32 13 Wirtschaftswachstum ist selbstverständlich in Regionen, in denen die Befriedigung der Grundbedürfnisse nicht gewährleistet ist, aus dem jeweiligen Nachhaltigkeitskonzept nicht wegzudenken. Zur Wohlstandsverbesserung wäre in diesem Falle ein überproportionales Wirtschaftswachstum zum Bevölkerungswachstum wünschenswert, d.h. trotz Ansteigen der Population erhöht sich das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und pro Jahr. Es könnten, aus dieser Sichtweise heraus, die zusätzlichen Einnahmen aus dem Wirtschaftswachstum für die Umsetzung der Nachhaltigkeit verwendet werden. Für die Verfasser dieser Arbeit aber gelten Wachstum und Nachhaltigkeit in Form von Umweltschutz zwar nicht unter allen Umständen als Widerspruch an sich, doch oft beeinflusst das eine jeweils das Andere auf eine negative Weise. Eine Strategie nach dem Motto „get rich and clean up later“ hat den Nachhaltigkeitsgedanken sicherlich nicht verstanden. Da Ressourcen nur in begrenztem Maße vorhanden sind, resultieren daraus die Grenzen des Wachstums. Die Definition der SUSTAINABLE PERFORMANCE GROUP passt da schon besser in das Konzept der Nachhaltigkeit: In die unternehmerische Wertschöpfung sollen ökonomische, ökologische und soziale 37 Wertschöpfungspotentiale einbezogen werden. Umweltschutz ist vielleicht eher eine Voraussetzung für langfristiges Wachstum. Kurzfristiges Wachstum im herkömmlichen Sinne ist oft umweltschädlich. Schließlich sollte im Rahmen der Nachhaltigkeit von Entwicklung und nicht von Wachstum gesprochen werden, also von qualitativer Veränderung und nicht von quantitativem Wachstum.38 3.2. Nutzungsintensität der Ressourcen Wie soll das Nachhaltigkeitskonzept nun letztendlich aussehen? Wie im vorangegangenen Kapital bereits erwähnt, existiert ein langfristiges Wachstumsproblem. Nach Meadows gibt es für diese „Neuen Grenzen des Wachstums“ nur eine Lösung: Verbesserung der Ressourcenproduktivität, Wachstumsdrosselung oder gar Wachstumsverzicht.39 Natürlich sollten auf der einen Seite die Ressourcen Verwendung finden um damit das ökonomische Alltagsleben aufrecht zu erhalten, andererseits hat vor allem die Natur einen so hohen Lebenserhaltungswert, dass speziell der zerstörerische Abbau der natürlichen Reserven in der heutigen Zeit Probleme mit sich bringt. 40 Dieses Konfliktpotential zwischen starker und schwacher Nachhaltigkeit soll nun im 37 Günther, E.; Schuh, H. (2000): Definitionen, Konzepte, Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung, Dresden, S. 15. 38 Szerenyi, Timea (1999): Zur Operationalisierung von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung, Köln, S. 9. 39 Maedows, D.H., Meadows, D.L. und Randers, J. (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Die Lage der Menschheit: Bedrohung und Zukunftschancen, Stuttgart, S. 33. 40 Becker, B. (1996): Ethnical Norms and Values behind the Concept of Sustainability, in: Wolff, P. (Hrsg.); Der Tropenlandwirt, Witzenhausen, S. 35. 14 Einzelnen ausdiskutiert werden. Das Ergebnis ist schließlich die Funktionale Substituierbarkeit. 3.2.1.Starke Nachhaltigkeit Hier geht man entweder von der Nicht-Substituierbarkeit oder der Substituierbarkeit durch identische Stoffe des natürlichen Kapitals aus. Wichtig ist die strikte Artenerhaltung und ein strikter Verzicht auf die Ausbeutung nicht erneuerbarer Ressourcen. Ist momentan, aufgrund von globalen Knappheiten, ein künftiger Ressourcenengpass zu erwarten, so müsste zu Gunsten der nachfolgenden Generationen ein Verzicht geleistet werden. Man konzentriert sich hier auch auf die physischen Auswirkungen der Ökonomie auf andere Gesellschaftsbereiche, sogenannte Trade-Offs, bei denen die Verbesserung in einem Bereich automatisch zu einer Verschlechterung in einem anderen Bereich führt;41 und dies sollte unter allen Umständen vermieden werden. Allerdings käme das Wirtschaftsleben zum Erliegen. Langfristig könnte keine Generation unmittelbaren Nutzen aus einer nichterneuerbaren Ressource ziehen. Aufgrund der fehlenden Effektivität dieses Nachhaltigkeitsprinzips sollte die Nutzung an funktionsäquivalente Potentialentwicklungen gekoppelt sein.42 3.2.2 Schwache Nachhaltigkeit Die schwache Nachhaltigkeit stellt ein Konzept der vollkommenen bzw. nutzenorientierten Substituierbarkeit des natürlichen Kapitals dar. Unter dieser Prämisse würde das Kriterium der Nachhaltigkeit bei der Ersetzung einer Ressource nicht verletzt werden.43 Nach Solow müsste man ökonomisch auf ein Prinzip schließen, welches die Produktionskapazität für eine unbestimmte Zukunft schützt. Extreme Vertreter dieser Nachhaltigkeitsthese, meist sind es Neoklassiker, wie Barnett und Morse, sehen die Möglichkeit der Substitution bei jeder Ressource. Dadurch, dass jede Generation der jeweils nachfolgenden einen Produktivitätsfortschritt hinterlässt, würde eine endliche Ressource (siehe Kapitel 1) entsprechend durch die „invisible hand“ ohne Verluste für die menschliche Wohlfahrt ersetzt werden.44 Die Welt kann ohne natürlichen Ressourcen weiterexistieren, und es wäre keine Katastrophe.45 Der Produktionsfaktor Boden könnte ohne weiteres durch Arbeit und/oder Kapital ausgeglichen werden. 41 Daly, H. (1991; 1996): Redirecting the Economy toward Commmunity, the Environment and a sustainable Future, Boston, S. 40. 42 Ewringmann, D. (1999): Sustainability – Leerformel oder Forschungsprogramm, Köln, S. 31. 43 Szerenyi, Timea (1999), S. 13. 44 Critical Review (1993): Free Market environmentalism: turning a good servant into a bas master, in: Daly, H. (Hrsg.):Ecological Economics and the Ecology of Economics, Northampton (USA), S. 42. 45 Martínez Alier, J. (1992): De la economia ecológica al ecologismo popular, in: Angel Gilando, M. (Hrsg.): Crecimiento Económico, Madrid, S. 126. 15 Wichtig ist nur, dass die monetäre Summe aller Kapitalarten gleich bleibt. Naturkapital kann somit durch Sachkapital ohne weiteres ersetzt werden. Weiterhin neigen die Anhänger dieser Nachhaltigkeitsthese dazu, den überdimensionalen Verbrauch des Naturkapitals durch das Prinzip der Diskontierung zu rechtfertigen. Mit anderen Worten, es wird davon ausgegangen, dass gegenwärtige Güter und Nutzen erheblich höher bewertet werden als zukünftige. Diese Sichtweise wird stark kritisiert, da man hier annehmen muss, dass zukünftige Generationen nicht mit Sicherheit über bessere Problemlösungsmöglichkeiten verfügen.46 Dass die neoklassischen Substitutionsregeln so nicht gelten, bewies 1971 Georgescu-Roegen. Dieser Bioökonom traf zwei Annahmen: I. Der aus dem Physikunterricht bekannte Energieerhaltungssatz besagt, dass Materie und Energie vom Menschen weder kreiert noch vernichtet werden kann. Weiterhin existiert ein Austauschlimit zwischen Energie/ Materie und der restlichen Energie-/ Materiemenge. Während der ökonomischen Umwandlung verwendet man die aus der Natur kommenden natürlichen Ressourcen und Emissionen jeglicher Art werden ausgestoßen. Georgescu-Roegen spricht hier von „Niedriger Entropie“, wenn die Materie/ Energie in den Prozess eintritt und von „Hoher Entropie“, wenn sie den Prozess wieder verlässt. Es existiert also sowohl frei verfügbare Energie und Materie als auch Energie, die niemals verwendet werden kann und darf. Hieraus ergibt sich unmittelbar die zweite Annahme.47 II. Wenn sich die Energie in einem geschlossenen System nach außen verflüchtigt hat, so ist das Umkehren dieses Vorgangs ohne externe Einflüsse nicht möglich (Zum besseren Verständnis sei hier ein Beispiel angeführt: Geschmolzene Eiswürfel in einem Glas werden auf Wunsch nicht wieder automatisch zu Eiswürfeln). Schließlich verringert sich die freie Energie eines geschlossenen Systems unwiderruflich bzw. die nicht verfügbare Energie erhöht sich auf eine progressive Weise. Mit anderen Worten, bei jedem ökologischen und ökonomischen Prozess muss mehr Input verwendet werden als Output herauskommt.48 Von daher entsteht ein immer größer werdendes Defizit. Die menschliche Ökonomie zentriert sich in der niedrigen Entropie der Umwelt. Die Umwelt an sich ist sehr knapp.49 Zeschmar – Lahl, B. (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachener stiftung.de/1106129877616253/Definitionen/SRU,%202002.htm (3.12.2003) 47 Martínez Alier, J. (1992), S. 127. 48 Martínez Alier, J. (1992), S. 127. 49 Ebenda, S. 128. 46 16 Dies ist die Auffassung der ökologischen Ökonomie. Sie ist ökozentriert und bildet eine Gegenposition zur neoklassischen Umweltökonomie und der Auffassung einer Substitutionsmöglichkeit von Naturkapital. Dieser Standpunkt und seine Folgen werden im folgenden Unterkapitel näher erläutert. 3.2.3 Funktionale Substituierbarkeit Bei der funktionalen Substituierbarkeit werden bestimmte natürliche Funktionen künstlich ersetzt und andere erhalten. Partiell sind alle Kapitalia gegeneinander ersetzbar, aber eben nicht vollständig.50 Wenn man bis ans Ende aller Tage abschätzen kann, wie viele Ressourcen noch gebraucht werden, so könnte man diese Menge kalkulieren und entsprechende Ersetzbarkeitsregeln festlegen. Die Umwelt ist wegen der Entropie-Theorie unbedingt zu schonen; nur so sorgt die Natur für langfristiges wirtschaftliches Wachstum. Das Problem ist aber, dass zukünftige Substitutionsmöglichkeiten nur schwer abzuschätzen sind. Es ist ungewiss, ob bestimmte Funktionen verschiedener Kapitalia in Zukunft überhaupt notwendig sind, während andere Nutzenfunktionen, die heute unbekannt sind, für künftige Generationen von entscheidender Bedeutung sein könnten. Eine vorübergehende Beanspruchung von nicht regenerativen Ressourcen kann aber sinnvoll sein, wenn dadurch entsprechende Vermögenswerte für zukünftige Generationen geschaffen werden.51 Schließlich sollte die Summe aus natürlichem und künstlichem Kapital gleich bleiben.52 Speziell die damit verbundene Wohlfahrtserhaltung kann in dem oft umstrittenen Wohlfahrtsindex wie der „Index of Sustainable Economic Welfare“ (ISEW) festgehalten werden. Anders ausgedrückt heißt das, dass die Menschheit von den Zinsen leben soll und nicht den unersetzbaren Kapitalstock von Mutter Erde innerhalb weniger Generationen aufbrauchen.53 Welche Werturteile liegen dem zugrunde? Es müssen die Interessen aller zukünftigen Generationen berücksichtigt werden. 3.3 Realisierung des Nachhaltigkeitskonzepts „Indefinite growth of whatever type can not be sustained by finite ressources“54 Wie in Kapitel 3.2.3 bereits erwähnt, liegt das Problem darin, dass limitierte Ressourcen auf einen unendlichen Zeithorizont verteilt werden müssen. Intertemporale bzw. intergenerative Gerechtigkeit zur Ressourcenverteilung stellt 50 Knaus, A.; Renn, O. (1998): Was bedeutet Nachhaltigkeit, in: Den Gipfel vor Augen, Marburg, S. 50f. 51 Ebenda (1998), S. 50f. 52 Brandl u.a. (2001): Nachhaltiger Entwicklung integrativ betrachten, Berlin, S. 93. 53 Pearce/ Markandya/ Barbir (1993) http://www.umdenken.de/akademie/index.php3?f1=topbar_rheinland.html&f2=rheinland/left _kommune_agenda.html&f3=rheinland/kommune/kommune_agenda.html (4.12.2003). 54 Goldsmith, (1972), in: Intertemporale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften, Stuttgart, S.6 – S.55. 17 einen spezifischen Schwerpunkt der nachhaltigen Entwicklung dar.55 Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die intragenerative Gerechtigkeitsvorstellung, d.h. die gerechte Verteilung der Ressourcen zwischen den Bewohnern in einem abgesteckten Gebiet, für die Bewahrung und Entwicklung gleicher Potentiale, z.B. Reduzierung Wohlstandsunterschied Nord–Süd.56 Um die intergenerative Gerechtigkeit zu gewährleisten darf das heutige Wachstum nicht die Wachstumsaussichten der zukünftigen Generationen einschränken. Der Brundtlandbericht geht davon aus, dass man den zukünftigen Generationen nur Verluste hinterlässt. Für die Zerstörung der Umweltressourcen haben unsere Enkel und Urenkel keine Möglichkeit, die Schuldigen von heute zur Rechenschaft zu ziehen. Zu diesem Problem finden sich im Brundtlandbericht aber keine Lösungsansätze; es fehlen konkrete Handlungsanweisungen auf konkrete Sachfragen.57 Eindeutige Regeln und Normen können aus dem Nachhaltigkeitskonzept nicht abgeleitet werden. Vielmehr steht diese Sichtweise für eine Philosophie, die in der Praxis langsam aber sicher Konturen annimmt. Nun ist es Aufgabe der Wissenschaft, Lösungen für diese Probleme zu erarbeiten. Ein wissenschaftliches Konzept steht aber nicht unbedingt auf widerspruchsfreiem Fundament, so dass das Konzept der Nachhaltigkeit stark von der Interpretation und Wahrnehmung des verantwortlichen Akteurs abhängt.58 Unserer Meinung nach stellt das Prinzip der Funktionellen Substituierbarkeit ein realistisches und weitgehendes Faktum dar, was es anzustreben gilt. Nach Meadows sind die Werte wie Bescheidenheit und Genugtuung, die hier eine Rolle spielen, von enormer Wichtigkeit und müssen weitergedacht werden. Effizienzsteigerungen nützen nichts, solange Unersättlichkeit und Egoismus ein typisches Phänomen des gegenwärtigen Zeitgeistes sind.59 Deshalb ist politisches Engagement äußerst wichtig. Dabei dürfen sich die einzelnen Politikbereiche nicht gegenseitig behindern, was meist einer der Hauptgründe für viele nicht nachhaltige Trends ist; vielmehr sollten hier wichtige relevante Politikbereiche integriert werden. Auch eine zu starke Konzentration auf kurzfristige Entwicklungen kann dazu führen, dass man das langfristige Vorhaben aus den Augen verliert.60 Instabilität in einem Kriterium hat automatisch Auswirkungen 55 Szerenyi, Timea (1999), S.10 56 Summerer, Stefan (1996): Nachhaltige Entwicklung: eine Herausforderung für die Forschung?, S. 43. 57 Günter, M. (2002) , S. 16. Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung im Bereich Wirtschaft (2002) http://www.uni-trier.de/uni/fb4/spehl/index.htm, S. 10. 59 Zeschmar – Lahl, B. (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachenerstiftung.de/2000/Definitionen.htm (3.12.2003) 60 Europäische Union (2000): Tätigkeitsbereiche der Europäischen Union Umwelt, http://europa.eu.int.smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNumber&Ig=de&typ e_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=264 (3.12.2003) 58 18 auf ein anderes Kriterium, so dass auch dort eine Destabilisierung stattfindet.61 Dies soll aber möglichst vermieden werden. Die drei Komponenten einer nachhaltigen Entwicklung sind im Zusammenhang zu betrachten. Ökologische Nachhaltigkeit sollte von daher also, sowohl global als auch national, mit dem ökonomischen Wandel unter Berücksichtigung der sozialen Integration verknüpft werden62 (siehe Kapitel 3.2.1). Weiterhin sei hier etwas über die sogenannten Win–Win–Situationen gesagt. Diese bedeuten eine Realisierung von Maßnahmen, die mehrere Situationen gleichzeitig und konfliktfrei erfüllen.63 Die oben erwähnten Trade-Offs sind damit aber nicht aus der Welt geschafft. Schon im ersten Teil dieses Kapitels forderte die SUSTAINABLE PERFORMANCE GROUP eine Berücksichtigung aller ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte. Die Politik sollte diese in Einklang bringen und, aus eben genannten Gründen, die Ökologie als Grundlage voraussetzen. Einzig der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen befasst sich mit den Problemen der Verantwortbarkeit des menschlichen Handelns und mit dem Heranziehen von Kriterien und Maßstäben für dessen Rechtfertigung. Eine von ihnen entwickelte „Drei-Säulen-Konzeption“ soll die Wechselwirkungen zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Kriterien veranschaulichen.64 Daraus wird für uns das Vier-Kapital-Modell abgeleitet: Naturkapital deckt die ökologische, Sachkapital die ökonomische, Sozial- und Humankapital die soziale Dimension ab. Zu jedem Kapital messen einzelne Indikatoren den Stand der Dinge bezüglich der Nachhaltigkeit. (siehe Kays 5 (?) und darüber hinausgehende Kapitel) Zentraler Begriff der sich daran anschließenden Analyse ist die Ultrastabilität. Es geht dabei nicht um Stillstand, sondern darum sowohl Grundbedürfnisse als auch Entwicklungsmöglichkeiten in der Gesellschaft sicherzustellen.65 Andere Autoren vertreten deshalb ergänzend das Prinzip der Vorsorge. Danach sollten unsere nachfolgenden Generationen nach dem Nachhaltigkeitsprinzip nicht nur nicht schlechter gestellt sein, sondern es sollte ihnen nach dem Vorsorgeprinzip besser ergehen. Wichtig für die Umsetzung dieses Prinzips ist eine dauerhafte 61 Kreibich, R. (1996) (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung: Leitbild für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft, Berlin, S. 48. Zeschmar – Lahl, B. (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachenerstiftung.de/2000/Definitionen.htm (3.12.2003). 63 Müller – Christ, G. (1998): Wider die zentrale Bewertung von Nachhaltigkeit: ein Vorschlag für die lokale Konstruktion einer nachhaltigen Wirklichkeit, in: Zeitschrift für angewandte Umweltwissenschaften, S. 324. 64 SRU (1994): Für eine dauerhafte umweltgerechte Entwicklung, in: Voss, G.: Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung: Darstellung und Kritik, Köln, S.36. 65 Morosini, M. u.a. (2002): Umweltindikatoren. Grundlagen, Methodik, Relevanz. Band 1., S. 4. 62 19 Motivation der Bevölkerung, die sich auf rückwärtige Dankbarkeit und zukunftsgerichtete Vorsorgeverpflichtung bezieht.66 Mit den Nachhaltigkeitsprogrammen werden die Veränderungen noch komplexer, schneller und tiefgreifender. Damit verbundene Investitionen entwerten und ersetzen bestehende Kapitalanlagen und zerstören darauf spezialisierte produktive Ressourcen.67 Nach Meinung von Kreibich ist nachhaltige Entwicklung nur möglich, wenn die folgenden vier Handlungsregeln eingehalten werden: 1. Selbst bei Wirtschaftswachstum soll der Gesamtverbrauch der Ressourcen durch technischen Fortschritt rückläufig sein. 2. Regeneration und Inanspruchnahme der erneuerbaren Ressourcen sollen übereinstimmen. 3. Die Verarbeitungskapazität der Umwelt sollte langfristig in der Lage sein die Emissionsraten abzubauen. 4. Technologien und Produkte, bei deren Einsatz soziale und ökologische Folgen nicht abschätzbar sind, sollten nicht verwendet werden.68 Eine Verbesserung zur Bewirtschaftung der Ökosysteme und eine nachhaltige Zukunft kann durch die Vereinigung der Umwelt- und Entwicklungsinteressen gewährleistet werden. Die Agenda 21 betont die Notwendigkeit der Handlungsbereitschaft von Lokalbehörden als treibende Kraft (siehe Kapitel 2.1) für die Umsetzung der in Rio de Janeiro vereinbarten Ziele. Diese sogenannte Lokale Agenda 21 wurde als Charta von Aalborg 1994 in jener norddänischen Stadt beschlossen und 1996 in Lissabon um einige weitere Aspekte ergänzt.69 Diese ausdrückliche Verantwortung der Kommunen in der Region Saar-Lor-Lux soll nun in den weiteren Kapiteln dieser Arbeit erörtert werden. Eine regionalübergreifende Partnerschaft dieser Art, auf die die nachhaltige Entwicklung ausgerichtet ist, kann dabei zur Koordination und zur Durchsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips durchaus von Vorteil sein. Speziell in Kapitel 7 und 8 wird untersucht werden, ob dieses Gebiet mit dem Vier-Kapital-Modell unter den oben genannten Voraussetzungen nachhaltig ist oder nicht. Dabei sollte nach folgendem Schema vorgegangen werden: Birnbacher, D.; Schicha, C. (1996): Vorsorge statt Nachhaltigkeit – ethische Grundlagen der Zukunftsverantwortung, http://www.examensarbeiten.de/heureka/nachhaltigkeit/monografien/birnbacherschicha/index.htm (3.12.2003). 67 Mayer Ries, J.F. (1998): Kooperation in der Region – ein Ansatz für nachhaltige Entwicklung, Rehburg-Loccum, S. 16. 66 68 Kreibich, R. (1994): Ökologische Produkte - Eine Notwendigkeit, in: Jahrbuch Ökologie 1995, München, S. 206 f. 69 Zeschmar – Lahl, B. (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachenerstiftung.de/110073966218620/Geschichte/Zwischen%20Rio%20und%20Johannesburg/Aalb org-Charta%201994.htm (16.1.2003). 20 (In Anlehnung an: Jakubowski, P.; Tegner, P.; Kotte, S. (1997), S. 5. Definitionen, Konzepte, Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung. S.15) Es könnte eine Konkretisierung durch eine zeitlich Fixierung (etwa Monate oder Jahre) stattfinden. Zunächst einmal muss ein gewisses Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung konstruiert werden. Auf diesem weiteren Weg ist es wichtig sich vor allem auch über die Ziele und die Instrumente zu deren Erreichung klar zu werden um letztendlich Maßnahmen ergreifen zu können. Hierfür ist es wichtig zu wissen wie das Nachhaltigkeitsprinzip zum Wohlstand beiträgt. Dazu mehr im nächsten Kapitel. 21 4. Ansätze zur Wohlstandsmessung und Operationalisierung einer nachhaltigen Entwicklung Wohlstand ist wie Mist, er taugt nichts, wenn er nicht gestreut ist. F. Bacon Mit der Nachhaltigkeitsdebatte entstand ein neuer Ansatz zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme. Durch die Integration ökonomischer, ökologischer und sozialer Fragestellungen sowie der Berücksichtigung intertemporaler Gerechtigkeit soll das Wohlergehen der Gesellschaft verbessert und gerechter gestaltet werden. Neben den genauen Instrumenten zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung bleibt zu fragen, wie solch eine Entwicklung gemessen werden kann. Die Wohlfahrtsökonomik hat Konzepte zur Messung der Wohlfahrt erarbeitet, kann allerdings kein vollkommen befriedigendes Ergebnis liefern. Der weit verbreitete Wohlstandsindikator Bruttoinlandsprodukt (BIP) vernachlässigt wichtige Aspekte der Lebensqualität. Deswegen wurden mit dem Human Development Index und dem Index of Sustainable Economic Welfare umfassendere Ansätze entwickelt, die allerdings nicht die breite Anwendung wie das BIP erfahren haben und es bisher (noch) nicht ablösen konnten. Neben einer indikatorbasierenden Operationalisierung des Nachhaltigkeitskonzepts wie z.B. der Pressure-State-Respone-Ansatz der OECD oder der Ansatz des Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) wird die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. 4.1 Wohlstandsmessung über des Bruttoinlandsprodukt (Helge) Die Begriffe Wohlstand und Wohlfahrt werden teilweise synonym verwendet, sie haben jedoch eine unterschiedliche Bedeutung. Wird Wohlstand eng definiert, so bedeutet er die Verfügungsmöglichkeit über wirtschaftliche Güter. Bereits bei Adam Smith ging es um den Wohlstand der Nationen. Smith als Vertreter der Klassik sah den Reichtum einer Nation in seinen Gütern und Maschinen begründet und setzte sich damit von der merkantilistischen Auffassung ab, Wohlstand nur als Reichtum des absoluten Herrschers zu verstehen. Ebenfalls auf Smith geht zurück, dass der Wohlstand durch Arbeitsteilung und gerechte Verteilung erhöht werden kann. Weiter gegriffen umfasst Wohlstand den Lebensstandard und wird oft im Gegensatz zu Armut verwendet. Eine Wohlstandsgesellschaft hat durch wirtschaftliche Prosperität ein hohes Lebensniveau erreicht und kann die Bedürfnisse ihrer Mitglieder durch materielle Güter (z.T. auch Luxusgüter) befriedigen. Wohlfahrt dagegen bedeutet Lebensqualität und das Wohlergehen des Einzelnen bzw. der Gesellschaft und ist ein hoher Wert in der modernen Gesellschaft. Letztere ist eher ein qualitatives Maß und im Gegensatz zum Wohlstand weitaus schwieriger zu messen. Die Wohlfahrtsökonomik versucht Maßstäbe für die Wohlfahrtsmessung zu ermitteln und Bedingungen für eine Maximierung der Wohlfahrt abzuleiten. In 22 Modellanalysen konnte die paretianische Wohlfahrtsökonomik nachweisen, dass die vollständige Konkurrenz unter restriktiven Annahmen zum Wohlfahrtsoptimum führe. Die neuere Wohlfahrtsökonomik vertritt dagegen die Sichtweise, dass der Staat mittels Steuer- und Finanzpolitik eingreifen müsse, um ein Wohlfahrtsoptimum zu erreichen. Eine grundlegende Frage für die Wohlfahrtsmessung ist, was Wohlfahrt ausmacht und wie sie gesteigert werden kann. Wohlfahrt kann als Summe aller materiellen (Güter) oder immaterielle (Nutzen) Elemente einer Gesellschaft gesehen werden. Bei Gütern ergibt sich ein Problem für die Wohlfahrtsmessung wegen der monetären Bewertung auf der Basis von Marktpreisen. Wenn sich die auf relativer Knappheit basierenden Marktpreise ändern oder eine Geldwertänderung eintritt, ändert sich zwangsläufig die Bewertungsbasis für das Wohlfahrtsmaß. Die Bewertung von Wohlstand erfolgt daher über ein subjektives Maß: den Nutzen. Die Quantifizierung und Verrechnung von Nutzen für die Gewinnung eines gesellschaftlichen Nutzenoptimums wirft ebenfalls Probleme auf. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, Nutzeneinheiten zu definieren, die für alle Mitglieder einer Gesellschaft gültig und verrechenbar sind, da Nutzen nur ordinal und nicht kardinal messbar ist.70 Trotz der konzeptionellen Schwierigkeiten bei der Wohlfahrtsmessung hat man das Sozialprodukt (verwendet wird das Bruttoinlandsprodukt BIP) als Maß akzeptiert, da es einfache zeitliche und räumliche Vergleiche von Volkswirtschaften zulässt. Das BIP umfasst alle Waren und Dienstleistungen, die während einer Periode in einer Volkswirtschaft produziert werden. Somit besitzt es eine Aussagekraft über die wirtschaftliche Produktion und Leistungsfähigkeit. Diese Aussagekraft muss allerdings relativiert werden, denn „[ein] Teil des Sozialprodukts wird dazu benutzt, Schäden zu kompensieren, die nicht aufträten, wenn das Sozialprodukt nicht so hoch wäre.“71 In die Berechnung des Sozialproduktes gehen Faktoren ein, die unbestreitbar die Wohlfahrt einer Gesellschaft senken. Oft angeführte Beispiele für diese Tatsache sind die Zunahme von Unfällen sowie Umweltverschmutzung. In beiden Fällen werden Dienstleistungen und Güter verwendet um die Schäden zu beseitigen, d.h. das Sozialprodukt steigt aber die Lebensqualität steigt mit Sicherheit nicht. Schäden an Gütern, der Umwelt, den Menschen oder der Volkswirtschaft im Allgemeinen müssten demnach vom Sozialprodukt für eine adäquate Wohlstandsmessung subtrahiert werden. Eine weiterer Schwäche des Wohlstandsmaß Sozialprodukt ist die mangelnde Aussagefähigkeit über die Verteilung von Einkommen. Der Wohlstand einer Gesellschaft kann nicht hoch eingeschätzt werden, wenn sich Einkommen und Vermögen nur in der Hand weniger Menschen befindet. Gerade der Durchschnittswert BIP pro Kopf, der zum Vergleich verschiedener 70 71 Gabler, Eintrag: Wohlfahrt, S. 3547 Hardes, Mertes (1994), S. 236 23 Volkswirtschaften herangezogen wird, vernachlässigt die Einkommensverteilung. Weitere Kritik an der Sozialproduktrechnung muss geäußert werden, da Schattenund Haushaltswirtschaft sowie die Zunahme von Freizeit nicht erfasst werden und Staatsaktivitäten nur über Kosten und nicht über Wertschöpfung einbezogen werden.72 Costanza u.a. weisen auf Inkonsistenzen in der Sozialproduktrechnung hin. Der Schwerpunkt der Berechnung liegt auf den Marktaktivitäten, dennoch werden u.a. Mietwerte von Wohnungen, in denen die Eigentümer leben hinzugerechnet.73 Wenn dieser Bereich hinzugerechnet wird, müsste dies auch für weitere Bereiche, z.B. Umweltverbrauch oder soziale Entwicklung zulässig sein. 4.2 Alternative Ansätze zur Messung von Wohlstand und Nachhaltigkeit (Helge) Bedeutet also ein höheres Sozialprodukt mehr Wohlstand für alle? Wichtige Aspekte von Wohlstand sind Gesundheit, Erwerbstätigkeit, Freizeit, physische Umwelt, Sicherheit, Möglichkeiten zur gesellschaftlichen und politischen Partizipation und persönliche Zufriedenheit.74 Dies zeigt, dass man einen Wohlstandsindikator braucht, der sämtliche Facetten und Dimensionen des Lebens abbildet. Alternativen zum Sozialprodukt als Wohlstandsmaß sind der Human Development Index, der Index of Sustainable Economic Welfare und die umweltökonomische Gesamtrechnung, welche jeweils den sozialen bzw. ökologischen Aspekt von Wohlfahrt hervorheben. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) hat einen Index entwickelt, der die soziale Entwicklung in einem Land abbilden soll. Der sogenannte Human Development Index (HDI) umfasst wesentliche Sozialindikatoren wie Lebensdauer, Bildungsstand (Analphabetismus), Gesundheit sowie Realeinkommen. Insbesondere lassen sich mit diesem Index Entwicklungsunterschiede zwischen Industrie- und Entwicklungsländern aufzeigen. Der Index vermag es jedoch nicht, deutliche Unterschiede zwischen den Industrieländern darzustellen sowie die Zukunftsfähigkeit von ökologischer und ökonomischer Entwicklung abzubilden.75 Trotz einiger Schwächen ist der HDI in die wissenschaftliche und politische Diskussion eingegangen und stellt ein Wohlfahrtsmaß jenseits des Sozialproduktes dar.76 Der Index of Sustainable Economic Welfare (ISEW) versucht die Zukunftsfähigkeit von Wohlstand und Lebensqualität in einer einzigen Zahl darzustellen. Wichtige Faktoren zur Berechnung des ISEW sind Einkommensverteilung, privater Konsum, Beschäftigung und weitere soziale und ökologische Faktoren. Die Kosten der Umweltzerstörung, Ausbeutung von 72 Hardes, Mertes (1994), S. 236 Costanza u.a. (2001), S. 137f. 74 Hardes, Mertes (1994), S. 240 75 Spangenberg (1996), S. 211 76 Spangenberg, Bonniot (1998), S. 9 73 24 Ressourcen, Verkehr sowie Unfälle gehen in die Berechnung ein. 77 Somit werden Aussagen über soziale und wirtschaftliche Aktivitäten getroffen, die tatsächlich die Lebensqualität erhöhen. Im Gegensatz zum quantitativen Indikator BIP vertritt dieser Index eher einen qualitativen Ansatz. Der ISEW zeigt eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Lebensqualität in den Industrieländern seit den 1970er Jahren. Wirtschaft und Einkommen sind seit Jahrzehnten gewachsen, die Lebensqualität dagegen gesunken. Gründe dafür sind u.a. hohe Arbeitslosigkeit, Umweltschäden, zunehmende Einkommensdisparitäten sowie die Erkenntnis, dass Einkommen nicht ausschlaggebend für das individuelle Glück ist. Aufgrund dieser Entkopplung wäre es aber möglich, die Entwicklung umzudrehen und die Lebensqualität unabhängig vom Wirtschaftswachstum steigen zu lassen.78 Wiederum zeigt sich, dass der Wohlstandsindikator BIP den wirklichen gesellschaftlichen Wohlstand nur unzureichend abbildet. Der ISEW ist als Fortschritt für eine adäquate Wohlstandsmessung gegenüber der Sozialproduktrechnung zu sehen.79 Kritisch zu sehen sind Probleme bei der Datenerhebung sowie die Monetarisierung von Umweltschäden. Die Vergleichbarkeit über den ISEW wird eingeschränkt, da bestimmte Daten in einigen Ländern nicht vorhanden sind.80 Eine sehr wichtiger Aspekt für die Entwicklung sämtlicher Wohlstandsindikatoren ist die grundlegende Werthaltung. Beim BIP geht der Konsum grundsätzlich positiv in die Sozialproduktrechnung ein. Es wird nicht differenziert nach Konsumarten, die negative externe Effekte für die Gesellschaft verursachen. Beim ISEW vermindern einige Konsumarten den Wohlfahrtsindex. Es ist deutlich, dass hier eine direkte Wertung geschieht. Weniger auffallend ist die Werthaltung bei der Sozialproduktrechnung, die aber dennoch vorliegt. Einige Aspekte gehen nicht in die Rechnung ein, d.h. ihr Gewicht ist Null – dies ist ebenfalls eine eindeutige Werthaltung. Als Reaktion auf die Kritik von ökologischer Seite an der Sozialproduktrechnung wurde die umweltökonomische Gesamtrechnung (UGR) entwickelt. Die UGR wurde aus dem System for Integrated Environmental and Economic Accounting (SEEA) der Vereinten Nationen abgeleitet und für deutsche Verhältnisse angepasst. Dieses statistische Satellitensystem ist keine reine Umweltstatistik, sondern weist eine Nähe zur Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auf. Die Interdependenzen zwischen Wirtschaft und Umwelt werden statistisch dargestellt, wobei sich allerdings das grundlegende Problem der Bewertung und Monetarisierung von Umweltveränderungen ergibt.81 77 Costanza u.a. (2001), S. 155f. Spangenberg (1996), S. 211 79 Costanza u.a. (2001), S. 159 80 Günther et al. (2000), S. 56 81 Beirat Umweltökonomische Gesamtrechnungen beim BMU (2002), S. 29ff. 78 25 4.3 Weitere Ansätze zur Messung von nachhaltiger Entwicklung (Jessica) Im folgenden Kapitel werden verschiedene Ansätze zur Messung nachhaltiger Entwicklung vorgestellt. Ein Ansatz ist der Pressure State Response Ansatz der OECD. 4.3.1 Der Pressure State Response Ansatz Das Pressure State Response Modell, welches in Abb. 4.1. bildlich veranschaulicht ist, ist ein spezielles Umweltindikatorensystem, das 19994 von der OECD für ihre Mitgliedstaaten entwickelt wurde. Das Ziel war ein Indikatorensystem für den Bereich Umwelt zu kreieren, das internationalen Gebrauch findet. Der Pressure State Response Ansatz wurde erarbeitet um Einflüsse auf die Umwelt und die darauffolgenden Reaktionen von Wirtschaft und Politik zu beobachten, d.h. es wurde der Versuch unternommen die ökologische mit der ökonomischen Dimension zu verbinden.82 Dem Ansatz liegt eine kausale Handlungskette zugrunde, die wie folgt aufgebaut ist. Die Pressure-Indikatoren beschreiben den Druck der Gesellschaft, der auf die Umwelt einwirkt, z.B. durch Verkehr oder Schadstoffe. State-Indikatoren veranschaulichen den Zustand der Umwelt, der sich v.a. durch die Einflüsse des Menschen entweder direkt oder indirekt verändert woraufhin die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaft durch Umweltschutzmaßnahmen Reaktionen zeigen, die durch die Response-Indikatoren operationalisiert werden. Der Pressure State Response Ansatz wurde erarbeitet um Einflüsse auf die Umwelt und die darauffolgenden Reaktionen zu beobachten und kann nicht ohne weiteres auf die ökonomische und die soziale/humane Dimension nachhaltiger Entwicklung übertragen werden.83 Dieses Modell ist sehr eng gefasst. Dies zeigt sich darin, dass es nur eine Wirkungsrichtung beschreibt, nämlich die der Gesellschaft auf die Umwelt. Es sagt aber nichts über die Rückwirkungen oder Konsequenzen aus, die diese Einflüsse auf die Gesellschaft haben.84 Diese Tatsache und die unzureichende Berücksichtigung der ökonomischen und der sozialen/humanen Dimension erklären den Entschluss, das Vier-Kapital-Modell als Grundlage für diesen Forschungsbericht zu nehmen, da nachhaltige Entwicklung nun mal alle drei Dimensionen umfasst. Abb. 4.1. Pressure State Response Modell (müsste mir jemand einscannen) 82 Vgl.: Birkmann, J./Koitka, H./Kreibich, V./Lienenkamp, R. (1999) Vgl.: ecolog-institut 84 Vgl.: Haberl, Helmut u.a. (2001), S. 9. 83 26 4.3.2. Der Ansatz des BBR Das Modell des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (im folgenden BBR) ist ein indikatorgestütztes Nachhaltigkeitskonzept. Der BBR- Ansatz verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: 1. die Systematisierung und Konkretisierung der Ziele nachhaltiger Entwicklung auf der Basis von Raumordnung und Raumentwicklung 2. eine flächendeckende und regelmäßige Berichterstattung aus der Sicht des Bundes, wobei die Indikatoren auf der regionalen Ebene dargestellt werden.85 Der Indikatorenkatalog und die abgeleiteten Ziele stützen sich v.a. auf die Ergebnisse der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 und die Agenda 21, welche bis zum jetzigen Zeitpunkt sowohl national als auch international große Anerkennung finden. Die vier Leitziele der RIO- Konferenz lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Gesundes und produktives Leben für die Menschen 2. Intra- und intergenerative Gerechtigkeit 3. Verringerung der Ungleichheit der Lebensstandards und Beseitigung von Armut und 4. Schutz, Erhalt und Wiederherstellung der Gesundheit und Unversehrtheit des Ökosystems Erde.86 Diese Leitziele sind von einer ausgesprochen globalen Sichtweise geprägt , woraufhin die Nationalstaaten von der EU aufgefordert wurden ihre nationalen Ziele daran auszurichten. Mit dem Ziel nachhaltiger Entwicklung wurde die effektive Ausführung dieser Aufgabe explizit der nationalen Verantwortung übertragen. Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ nahm sich dieser als erste an. Des Weiteren bildet das Raumordnungsgesetz in §1(nachhaltige Entwicklung als primäres Leitziel) und §2 (Grundsätze der Raumordnung) eine weitere Grundlage zur Systematisierung und Konkretisierung der Ziele nachhaltiger Entwicklung. Anhand der Grundlagen der EnqueteKommission und des Raumordnungsgesetzes lassen sich die Leitziele der RIODeklaration in vier Zielen konkretisieren: 1. Solidarität in der Gesellschaft 2. Ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaften 3. Soziale und räumliche Gerechtigkeit und 4. Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen.87 Bereits auf dieser Ebene wird versucht über die Integration der drei Nachhaltigkeitsebenen hinaus Ziele zu formuieren, die auf die soziale und 85 Vgl.: Irmen, Eleonore/Milbert, Antonia (1999), S. 451. Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S.7. 87 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 8. 86 27 räumliche Entwicklung ausgerichtet sind. Die Ziele lassen sich im Sinne des BBR soweit auf Unterziele und Teilziele herunterbrechen, dass es ab einer bestimmten Stufe möglich ist sie anhand von Indikatoren zu messen.88 Auf die Vor- und Nachteile des Indikatorenkatalogs wird später in diesem Kapital noch genauer eingegangen Solidarität in der Gesellschaft Dieses Ziel ist in die Unterziele Gewährleistung der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit, Wahrung der Leistungen einer solidarischen Gesellschaft, Förderung des individuellen solidarischen Beitrags für die Gesellschaft und Förderung der internationalen Zusammenarbeit aufgegliedert.89 Die erste Zieldimension hat einen eher übergeordneten Charakter. Sie beinhaltet die Vorstellung, dass solidarisches Handeln sowohl das Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft als auch oberste Maxime der Nachhaltigkeit ist. Allerdings ist sie aus der räumlichen Perspektive nicht relevant und obwohl sie zwar marginal auf die Indikatoren der anderen Zieldimensionen Einfluss nimmt wurden explizit keine Indikatoren ausgewählt.90 Ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltiges Wirtschaften Auch diese Zieldimension ist in Unterziele gegliedert. Dazu gehören der Erhalt und die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit, Erhalt und Schaffung einer vielfältigen Wirtschaftsstruktur, Erhalt und Verbesserung des Humankapitals und die Verbesserung der Ressourcenproduktivität der Wirtschaft.91 Die zweite Zieldimension vereint, mit Schwerpunkt auf der ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit, ökonomische, ökologische und soziale Belange. Dies verursacht besonders im Hinblick auf den räumlichen Aspekt Konflikte, die aber bisher größtenteils zugunsten der ökonomischen Perspektive ausgetragen wurden. Wichtig bei dieser Zieldimension ist die Implikation des intergenerativen Anspruchs der Nachhaltigkeit.92 Soziale und räumliche Gerechtigkeit Unter dieser Zieldimension lassen sich die Unterziele Befriedigung der individuellen Bedürfnisse, Sicherung der sozialen Stabilität, Wahrung der Entwicklungschancen für die junge Generation und gleichberechtigter Zugang zu Arbeit und gesellschaftlichem Leben subsumieren.93 88 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 9. Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 8. 90 Vgl.: Irmen, Eleonore/Milbert, Antonia (1999), S. 451. 91 Vgl.: Irmen, Eleonore/Milbert, Antonia (1999), S. 452. 92 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 9. 93 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 8. 89 28 Die soziale Gerechtigkeit beinhaltet das Ziel der ausgewogenen Verteilung sozialer Komponenten des Lebens, das impliziert zum Einen die Befriedigung der Bedürfnisse privater Haushalte aber auch die soziale Stabilität in der Gesellschaft. Die Ziele der räumlichen Gerechtigkeit sind gleichwertige Lebensverhältnisse und ausgewogene räumliche Strukturen (Raumordnungsgesetz). Auch in dieser Zieldimension ist der intergenerative Charakter der Nachhaltigkeit sehr ausgeprägt.94 Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Die letzte Zieldimension beinhaltet die Unterziele Schutz der biologischen Vielfalt, Verringerung der Nutzungsrate regenerativer Ressourcen zum Erhalt der natürlichen Regenerationsfähigkeit, Verringerung der Verschmutzungsrate zum Erhalt der natürlichen Absorptionsfähigkeit und Rückgang in der Nutzung nichtregenerativer Ressourcen.95 Diese Zieldimension hat zu einer breiten Diskussion geführt und lehnt sich stark an die Grundsätze der Enquete-Kommission an. Sie hat durch die Verbindung mit ökonomischen und sozialen Zielen einen stark integrativen Charakter (Schutz der biologischen Vielfalt, Rückgang in der Nutzung nicht-regenerativer Ressourcen...).96 Die Abbildung 3.1. bietet einen Überblick über alle Zieldimensionen und ihren Unterzielen. Abb.(müsste jemand für mich einscannen) Der BBR-Indikatorenkatalog bietet einige Vorteile, so z.B. sein integrativer Ansatz. Des Weiteren beachtet der Indikatorenkatalog die Anforderungen, die an Nachhaltigkeitsindikatoren gestellt werden, wie z.B. seine Aussagefähigkeit (Wirkungsrichtung des Indikators, d.h. hat eine Veränderung des Indikators positive oder negative Konsequenzen für die Nachhaltigkeit), Verständlichkeit, Zuverlässigkeit, Messbarkeit etc. Ein weiterer Vorteil dieses Ansatzes ist die räumliche Vergleichbarkeit, da die Indikatoren alle auf der gleichen regionalen Ebene erfasst werden. Darüber hinaus sind sie auch auf höheren Ebenen wie Bund oder Länder aussagefähig.97 Der Ansatz bietet allerdings nicht nur Vorteile sondern auch Nachteile, die im Rahmen dieser Arbeit signifikant für die Wahl des Vier-Kapitel-Modells statt des BBR-Ansatzes waren. Dazu gehört u.a. die fehlende zeitliche Vergleichbarkeit durch nicht vorhandene ausreichend lange Zeitreihen. Bei einigen Indikatoren muss erstmalig eine Datengrundlage geschaffen werden. Des Weiteren ist der Indikatorenkatalog nicht geeignet auf niedrigeren Ebenen wie Kreisen oder Gemeinden. Der wichtigste Nachteil ist allerdings, dass das Konzept nahezu 70 94 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 10. Vgl.: Irmen, Eleonore/Milbert, Antonia (1999), S. 453. 96 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 11. 97 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 19. 95 29 Indikatoren beinhaltet, was zu einer gewissen Unübersichtlichkeit führt und den Vergleich zwischen einzelnen Regionen deutlich erschwert. Darüber hinaus ist es bei ca. der Hälfte der Indikatoren noch nicht möglich sie auf regionaler Ebene zu erheben.98 4.3.3. Der Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung Die Bundesregierung hat im April 2002 unter dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ eine Strategie für eine nachhaltige Entwicklung herausgegeben . Darin wurden Ziele, Indikatoren und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele festgelegt. Im Herbst 2004 will die Regierung einen Fortschrittsbericht, in dem sie zum Einen erreichten Ziele offenbaren aber auch die Strategie weiterentwickeln will. Das „Green Cabinet“, ein Staatssekretärausschuss für nachhaltige Entwicklung der Regierung, hat vier neue Ziele formuliert: 1. Potenziale älterer Menschen in Wirtschaft und Gesellschaft 2. Neue Energieversorgungsstruktur unter Einbeziehung der erneuerbaren Energien 3. Alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien und 4. Verminderung der Flächeninanspruchnahme.99 Das erste Ziel bzw. Handlungsfeld wird v.a. vor dem Hintergrund des steigenden Anteils älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung betrachtet. Dies impliziert den intergenerativen Charakter der Nachhaltigkeit, nämlich Bedürfnisse heutiger Generationen mit den Bedürfnissen zukünftiger Generationen zu verknüpfen. Zum Einen besteht heutzutage noch die Sichtweise, die auf die Problematik der wachsenden Anzahl älterer Menschen im Hinblick auf die Sicherung des Sozialsystems gerichtet ist. Zum Anderen gewinnt die positive Sicht dieses Wandel im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklung, Wachstum etc. zunehmend an Bedeutung. Dafür spricht auch das Verhalten und die wachsenden Potenziale seitens der älteren Menschen, so z.B. verbesserte finanzielle und Bildungsvoraussetzungen, umfangreiches Erfahrungswissen, größere Bandbreite an Kompetenzen etc. Diese wachsenden positiven Potenziale bleiben jedoch bisher zum größten Teil ungenutzt, was sich v.a. anhand der Anzahl der Frühverrentungen zeigt. Dem will die Regierung durch bessere Integration der Potenziale älterer Menschen entgegenarbeiten. Dafür müssen 100 Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Arbeitswelt und der Bildung. Bei dem Handlungsfeld Arbeitswelt geht es darum, Betriebe und Unternehmen auf eine altersmäßig andere Zusammenstellung vorzubereiten. Dies betrifft z.B. die Beschäftigungsvoraussetzungen- und Erwartungen, aber auch die Bedürfnisse. Darüber hinaus soll den 98 Vgl.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, S. 19. Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 2. 100 Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 3-4. 99 30 Frühverrentungen entgegengewirkt werden, indem in den Betrieben Voraussetzungen geschaffen werden, die die Lebensarbeitszeit erhöhen. Die Kriterien, welche die Regierung zur Erreichung dieser Ziele aufstellt beinhalten die Arbeitsplätze, -organisation und -zeit an verändertes Leistungsvermögen anzupassen (veränderte Arbeitsabläufe und Aufgaben, spezielle Pausenregelungen...), frühzeitige Entwicklungsplanung ermöglichen (frühzeitige Förderung der Altererwerbsarbeit), berufliche Umorientierung erleichtern (alternative Perspektiven ermöglichen) und die Lebensarbeitszeit neu zu organisieren (flexiblere Muster der Lebensarbeitszeit). Das Handlungsfeld Bildung zielt auf die bessere Ausbildung und Qualifizierung älterer Menschen vor dem Hintergrund des wachsenden Anteils älterer Beschäftigter und sinkender Studierender ab. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Unternehmen, die durch Umgestaltung der Arbeit die Rahmenbedingungen für zusätzliche Ausbildung schaffen können. Diese Aufgabe stellt auch für die Hochschulen eine Herausforderung dar. Die Bundesregierung hat sich zu diesem Handlungsfeld zum Einen überlegt Zugänge zu Bildungsabschlüssen zu schaffen (Verbesserung der Chancen für den Erwerb neuer Bildungsabschlüsse), des Weiteren gemeinsames Lernen der Generationen zu fördern und die Hochschulen für Weiterbildung zu gewinnen und darauf aufbauend Studienangebote für ältere Menschen auszubauen. Das dritte Handlungsfeld in diesem Zusammenhang ist das Lernen in der Arbeit. Dies impliziert Überschneidungen der Handlungsfelder Arbeitswelt und Bildung, d.h. die Internalisierung von Wissen durch „learning by doing“. Die Kriterien für dieses Handlungsfeld sind das lebenslange berufliche Lernen in der Arbeit zu fördern, Bildungs- und Qualifizierungsangebote mit der Arbeitswelt zu verbinden (z.B. berufsbegleitende Weiterbildung) und die Weiterbildung für Veränderungen zu nutzen.101 Der Schwerpunkt bei dem zweiten Handlungsfeld liegt auf der Energieversorgung. Durch eine gleichzeitige Steigerung der Energieeffizienz, die in Deutschland in den neunziger Jahren bei ca. zwei Prozent lag, und dem Ausbau erneuerbarer Energien, die bis zum Jahre 2010 gegenüber 2000 verdoppelt werden sollen, versucht die Bundesregierung bei angemessener Berücksichtigung von Kostenaspekten sowohl die Energiepolitik voranzutreiben als auch den Klimaschutz zu verbessern. Die dadurch geschaffenen neuen Arbeitsplätze und der Innovationssprung schaffen einen guten Nährboden für eine effiziente nachhaltige Entwicklung. Eine starke Umstrukturierung soll auch in der deutschen und europäischen Energiewirtschaft stattfinden. Die Strategie erfordert eine Integration der erneuerbaren Energien und einer umweltverträglichen und wirtschaftlichen Umstrukturierung der Energiewirtschaft. Ziel ist die effiziente 101 Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 5-9. 31 Verbindung einer wettbewerbsfähigen Energiewirtschaft und einem effektiven Klimaschutz.102 Das dritte Handlungsfeld beschäftigt sich mit alternativen Kraftstoffen und Antriebstechnologien zur Verminderung der Treibhausgase und weiteren Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Im Jahre 2015 wird das Verkehrswachstum im Vergleich zu 1997 um bis zu 20% zunehmen. Gleichzeitig steigen die Transportleistungen im Güterverkehr und der Straßengüterfernverkehr. Die Entwicklung alternativer Kraftstoffe und verbesserte Antriebstechnologien stellt daher für die nachhaltige Entwicklung eine Notwendigkeit und Herausforderung dar. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einem Konzept für alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien, das den Kriterien Klimarelevanz, Erhöhung der Energieversorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit bzw. Wettbewerbsfähigkeit und Umweltverträglichkeit genügen muss.103 Anlehnend an diese Kriterien bzw. Ziele müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine effiziente Lösung sinnvoll erscheinen lassen. Zunächst will die Bundesregierung eine Bestandsaufnahme veranlassen, die einen allgemeinen Überblick über die bisherigen Konzepte und Maßnahmen gibt. Daran anschließend sollte ein Strategiekonzept entwickelt werden, das alternative Kraftstoffe und Antriebstechnologien beurteilt und sich mit dem finanziellen Rahmen auseinandersetzt.104 Das letzte Handlungsfeld beinhaltet die Verminderung der Flächeninanspruchnahme. Dieses Handlungsfeld hat einen ausgesprochen integrativen Charakter, da es sowohl die ökologischen, die ökonomischen und die sozialen Ansprüche einer nachhaltigen Entwicklung vereint. Bis zum Jahre 2020 ab soll eine Verminderung der Flächeninanspruchnahme auf bis zu 30ha pro Tag erfolgen unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der nachhaltigen Entwicklung (ökologisch, ökonomisch und sozial). Ziel ist eine erhöhte Nutzung vorhandener Flächen und eine positive Entwicklung der Beschäftigung in der Bauindustrie. Ein stufenweises Vorgehen zur Erreichung dieser Ziele erscheint der Bundesregierung sinnvoll. Zunächst soll eine Überprüfung der laufenden Bundesressorts im Hinblick auf eine Verminderung der Flächeninanspruchnahme stattfinden. Danach sollen Maßnahmen entwickelt werden wie die Flächeninanspruchnahme langfristig (nachhaltig) vermindert werden kann. Zu diesem Zweck strebt der Rat für nachhaltige Entwicklung einen Dialog mit Ländern und Kommunen an um gemeinsam Maßnahmen zu entwickeln.105 102 Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 9-10. Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 11. 104 Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 12. 105 Vgl.: Rat für nachhaltige Entwicklung (2003), S. 14. 103 32 5. Das Vier-Kapital-Modell – Nachhaltigkeitsmessung über Indikatoren 5.1 Das Vier-Kapital-Modell (Wu Ling) 5.1.1 Darstellung des Vier-Kapital-Modells Im vorherigen Kapitel wurden verschiedene Ansätze zur Wohlstandsermittlung und Operationalisierung von Nachhaltigkeit dargestellt. Neben dem klassischen Bruttoinlandsprodukt und umfassenderen Konzepten wie dem HDI und ISEW wurden Systeme von Nachhaltigkeitsindikatoren vorgestellt. Alle Konzepte nehmen Bezug auf den Wohlstand (bzw. die Wohlfahrt) einer Gesellschaft und messen diesen. In diesem Kapitel wird der Ansatz vorgestellt, auf dem diese Arbeit theoretisch aufbaut: das Vier-Kapital-Modell. Es ist ein Modell der Wohlstandsgenerierung, anhand dessen sich der gesellschaftliche Produktionsprozess durch vier Kapitalarten (Real-, Natur-, Human- und Sozialkapital) abbilden lässt. Jedes Kapital erzeugt einen flow; bei dem Sachkapital sind dies bspw. die wirtschaftliche Leistungen. Auch Humankapital trägt letztlich zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bei, Naturkapital wird interessanterweise dann als solches anerkannt, wenn es zum menschlichen Wohlergehen beiträgt, also Energie, Nahrung, Entlohnung etc. liefert (! kein intrinsischer Wert) und Sozialkapital gewährleistet den Zugang des einzelnen zu den anderen Kaiptalarten.(das ist meine Ergänzungen). In einem Kreislaufmodell (siehe Abbildung X) fließen die vier Kapitalien als Einsatzfaktoren in den Produktionsprozess ein und stellen die Grundlage für Güter und Dienstleistungen dar, welche konsumiert oder investiert werden können. Ein Anfangsbestand der Kapitale wird zum Funktionieren des Systems vorausgesetzt.106 Paul Ekins erweitert mit diesem Modell die klassische Auffassung des Produktionsprozesses um ein weiteres Kapital, genauer gesagt wird Arbeit in Human- und Sozialkapital aufgegliedert. Dabei wird auch deutlich, dass in dem von Ekins entwickelten Modell, die verschiedenen Faktoren viel enger zusammenwirken. Es kommt im Vergleich zum Ausgangsprozess nun zu einem viel dichteren Wirtschaftskreislauf, indem kaum noch ein wirtschaftlicher Faktor nicht von mindestens zwei bis drei anderen abhängig ist. Konventionelle Produktionsfunktion: Wohlstand = f( Arbeit, Kapital, Boden) Produktionsfunktion nach dem Vier-Kapital-Modell: Wohlstand = f(Realkapital, Naturkapital, Humankapital, Sozialkapital) 106 Vgl. Paul Ekins (1992) New York Creation, S. 149. REAL-LIFE ECONOMICS- Understanding wealth 33 Damit ist der Besonderheit dieses Modells aber noch nicht Rechnung getragen, denn es werden weitere Aspekte der Kapitalien (C) mit einbezogen. Das Naturkapital (EC) übernimmt wichtige Funktionen als Bereitsteller von Ressourcen und „environmental services“ sowie als Senke aus anthropogenen Aktivitäten. Durch die Betrachtung des Sozialkapitals (SOC) wird das Modell um soziale Strukturen, Normen und Institutionen erweitert. Aus den vier Kapitalien lassen sich nun die Ursachen für Wohlstand und Nutzen (U) ableiten. Nicht nur der Konsum (CO) schafft Wohlstand, sondern darüber hinaus die Qualität der Umwelt und der Bildung sowie soziale Kontakte in der Gesellschaft. Abbildung X: The Creation of Wealth and Utility Quelle: Ekins, P. (1992), S.149. Im Vergleich zu dem konventionellen Produktionsprozess wird hier auch deutlich, dass der Faktor Abfall (W) eine wichtige Rolle spielt, da er unter der Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung mit in den Wirtschaftsprozess eingebunden wird.107 Nicht zuletzt, weil durch den Konsum und den Produktionsprozess natürlich Abfälle entstehen. Letztendlich werden aufgrund des eigentlichen Produktionsprozesses und der erstellenten Güter Investitionen (I) möglich, die wiederum auf alle vier Kapitalien verteilt werden. Diese Verbindungen der einzelnen Kapitalien (EC, HC, PC und SOC) über die verschiedenen wirtschaftlichen Faktoren (CO, E, I, P, U und W) verweisen bereits in der Theorie auf die Problematik, die in der Realität folgen wird. Es handelt sich 107 Vgl. Ekins, Paul (1998), S.148f. 34 dabei um positive und negative Wechselwirkungen innerhalb der einzelnen Kapitalien, als auch zwischen ihnen. Ein wichtiger Aspekt dieses Modells sind die Wechselwirkungen, die sich zwischen den Kapitalien beobachten lassen, den trade- offs und win-wins. Im Allgemeinen wird unter trade- off der Verlust einer Kapitalart als Konsequenz der positiven Entwicklung einer anderen Kapitalart verstanden, so z.B. die Abnahme des Naturkapitals als Folge des Anstiegs desSachkapitals. Im Gegensatz dazu wird unter einem win-win Situation die positive Entwicklung zweier oder mehrerer Kapitalien zur selben zeit verstanden, z.B. hat eine positive Entwicklung des Sozialkapitals zumeist auch eine positive Entwicklung des Humankapitals zur Folge.108 5.1.2 Genauere Beleuchtung der vier Kapitalarten Das Vier Kapital-Modell beinhaltet die vier Dimensionen/ Kapitale Ökologie, Ökonomie, Sozial- und Humankapital. In diesen Dimensionen werden die einzelnen Indikatoren so abgestimmt, dass ein einheitliches Indikatorensystem entsteht, dass die Nachhaltigkeit einer Region abbildet. Die ökologische Dimension beinhaltet alle Bereiche, die eine nachhaltige Bewirtschaftung der Natur abbilden. „Assimilationskapazitäten der Ökosysteme“ (bspw. Schutz der Ozonschicht, Klimastabilität, biologische Vielfalt, etc.).109 Hier wird sowohl auf den Verbrauch von erneuerbaren und nichterneuerbaren Ressourcen eingegangen als auch auf die „Assimilationskapazitäten der Ökosysteme“ (bspw. Schutz der Ozonschicht, Klimastabilität, biologische Vielfalt, etc.). damit diese auch von künftigen Generationen genutzt werden können. Dies veranschaulicht besonders den Grundgedanken der inter- und intragenerativen Gerechtigkeit einer nachhaltigen Entwicklung.110 damit diese auch von künftigen Generationen genutzt werden können. Dies veranschaulicht besonders den Grundgedanken der inter- und intragenerativen Gerechtigkeit einer nachhaltigen Entwicklung. In der ökonomischen Dimension werden solche Werte erfasst, die von Menschen geleistet oder erstellt wurden. (bspw. Finanzkapital, Infrastruktur, Produktionsanlagen, etc.).Sierepräsentiert jene Dimension, die von vielen Theoretikern als die angesehen wird, die über den anderen steht. Erstrebenswerte Ziele und Indikatoren anhand derer sich nachhaltige Entwicklung veranschaulichen lässt sind z.B. ein hoher Beschäftigungsgrad, ein angemessenes und gerecht verteiltes Einkommen und Preisstabilität. 108 Glimm-Lükewille, Daniela 109 Vgl. Held Martin, Nutzinger Hans G (2001): Nachhaltiges Naturkapital. Ökonomik und zukunftsfähige Emtwicklung, Frankfurt/Main, S.15. 110 Vgl. Held Martin, Nutzinger Hans G (2001): Nachhaltiges Naturkapital. Ökonomik und zukunftsfähige Emtwicklung, Frankfurt/Main, S.15. 35 Die soziale und die humane Dimension werden häufig zusammen abgebildet, da sie häufig sich überschneidende Themengebiete und Indikatoren beinhalten, welche nicht exakt voneinander abzutrennen sind. Die soziale Dimensionen bzw. das Sozialkapital beinhaltet v.a. soziale Werte und Normen und wirkt auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen als „bonding-, bridginig- oder linking social capital“111. Es umfasst beispielsweise die Bereiche soziale Sicherheit und gerechte Verteilung der Lebenschancen, wohingegen im Humankapital, über das Becker sagt: ”activities that influence future monetary and psychic income by increasing the resources in people“112, im Wesentlichen davon ausgegangen wird, dass Bildungsstand, Arbeitsvermögen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Qualifikationen der Bevölkerung als nachhaltig angesehen werden.113 5.1.3 Welche Anwendungsmöglichkeit ergeben sich für das Vier-Kapital-Modell? In dieser Arbeit wird das Vier-Kapital-Modell als methodische Grundlage für eine nachhaltige Regionalentwicklung benutzt. Es wird ein System von Nachhaltigkeitsindikatoren entwickelt, mit dem die Bestände der vier Kapitalarten erfasst werden sollen. Ein Vergleich dieser Bestandsdaten erlaubt eine Aussage, ob sich die Region im Sinne der Nachhaltigkeit entwickelt hat. Eine Situation wird als nachhaltig beschrieben, wenn der Kapitalbestand insgesamt über die Zeit konstant geblieben ist oder sich verbessert hat. Eine Abnahme der Kapitalmenge kann unter Umständen, aber nur bis zu einem bestimmten Minimalniveau (critical threshold), durch die Bestandszunahme eines anderen Kapitals ausgeglichen werden [Bezug zu Christians funktionale Substituierbarkeit herstellen.]. Ein integraler Aspekt der Nachhaltigkeit ist die Gerechtigkeit zwischen heutigen und zukünftigen Generationen. Um spätere Generationen nicht schlechter zu stellen, ist es Ziel einer nachhaltigen Entwicklung den Kapitalbestand zu erhalten. Im Humankapital ist “Nachhaltigkeit“ als Bewertungskriterium und Anforderungsstrategie für die Förderung von Forschung -und Bildungsprogrammen zu sehen. Bildung und Ausbildung, Ständiges Lernen, geistige Produktivität, Innovationsmentalität und Know- how- Transfer sind ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen produktiven Potenzials und zu einer der Hauptquellen des gesellschaftlichen Reichtums zuzählen. Deshalb sind diese Bereiche forciert zu entwickeln.114 Der Aufbau von Sozialkapital sichert nachhaltige Strukturen und Prozesse. Hierbei zählen vor allem die Zufriedenheit und Sicherheit der Bevölkerung. Der Aufbau der Indikatoren orientiert sich an den normativen Grundlagen des 111 Vgl. u.a. OECD (Hg.) (2001): The Well-being of nations. The role of human and social capital. Paris, S.42. 112 Becker 1964: 1 113 Vgl. Gausgruber-Berner, Rosemarie/Gausgruber, Alfred (1990): Humankapital: Fördern oder Vergeuden?, Wien, S.9 ff. 114 Kopfmüller J 2003 Seite 63-73 36 Nachhaltigkeitsleitbilds. Der soziale Dimension kommt in Politik und Forschung plötzlich große Aufmerksamkeit zu und sogar Unternehmen berücksichtigen soziale Indikatoren in ihrer Umweltberichterstattung.115 Sachkapital kann zum Verständnis des Kapitalbegriffs der Produktionstheorie definiert werden. Es wird von Menschen hergestellt. Nachhaltigkeit ist und bleibt eine regulative Idee zum langfristigen Umgang mit natürlichem Kapital. Die Unterschiede zwischen schwacher Nachhaltigkeit und starker Nachhaltigkeit beruhen insbesondere auf unterschiedlichen Annahmen über die Substituierbarkeit zwischen Natur- und Sachkapital, die Kompensation von Schäden und die Diskontierung zukünftiger Ereignisse.116 Dieses Modell kann als eine Basis verwendet werden, und das System des Nationalen Account vergrössern. Anderseits entwickelt sie sich neue Indikatoren, um mehrere vollständige Informationen, die über die Einfluss auf die Chancen der Zukunft von aktuellen Auswahl anzubieten. Sachkapital und Humankapital werden traditionell als Bezeichnungen des Produktionspotenzial erläutert. Naturkapital kann nur in den letzten 10 Jahren und nur bei „relatively few economists „als eine Entscheidung des ökonomischen Produkte. 5.1.4 Operationalisierung des Vier-Kapital-Modells über Nachhaltigkeitsindikatoren [ab hier überarbeiten] Als eine entsprechende Basis für die Entwicklungen der Nachhaltigkeitsindikatoren, schlägt dieses Modell vor, dass eine Messung in jedem der Kapitalien notwendig ist. Im ökonomischen Prozess wird Sachkapital schon seit langer Zeit beobachtet. Am Anfang der modernen ökonomischen Theorie zeigte sich, dass die Produktion von den Effektivitäten des Sachkapitales abhängen, deshalb haben die Ökonomen Sachkapital sehr früh gemessen. In den letzten 10 Jahren spielte auch das Humankapital zunehmend eine Rolle im Forschungsbereichen der Akademien. Bildung und Gesundheit sind die wichtigsten Indikatoren von Humankapital. In aktuellen Zeiten hat die Organisation für Economic Co-operation and Development(OECD) ihren größten Erfolg in den Bereichen Bildung und Gesundheit d. h. Erhebung und Sammlung von Berichten vergleichbarer Statistiken in den Bereichen Bildung und Gesundheit.(PISA oder Curriculum-cased tests). Im Prinzip die Messung der NR (Natur Ressourcen)im Bereichen Naturkapital bedeutet “Evaluierung die Quantitäten und/oder die Qualitäten der Ressourcen. 115 116 Empacher, C./P.Welling 2002 ISOE- Studientext Nr.11. Lexikon der Nachhaltigkeit 37 Physische Maßnahmen der Messung für Land ist generell bei der Überlegung des Landes von Perspektiven „either ist cover or ist use „117 getan. Der Beitrag zur Nachhaltigkeit bezieht sich auf die direkte Nutzung ökonomischen Aktivitäten. und die indirekt Nutzung von Ökosystem. Ein Ökosystem kann nicht einfach gemessen werden, weil “In theory, the correct approach is to observe the services that are provided by ecosystems to the economy and to estimate the value that these services represent as contribution to production. In practice , even if we can define what this service are, we cannot observe them directly, just as we cannot observe the transportation service that an automobile provides us.”118 5.2 Konzeptionelle Grundlagen für eine indikatorengestützte Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung (Helge) Es müssen Indikatoren für eine nachhaltige Entwicklung entwickelt werden, um eine solide Grundlage für Entscheidungen auf allen Ebenen zu schaffen und zu einer selbstregulierenden Nachhaltigkeit integrierter Umwelt- und Entwicklungssysteme beizutragen. Agenda 21 (Kapitel 40.4) Ziel dieser Arbeit ist die Beurteilung, ob sich die Saar-Lor-Lux-Region im Sinne der oben beschriebenen Nachhaltigkeit entwickelt. Dazu wurden Indikatoren zu den vier Kapitalarten formuliert, welche die Entwicklung in der Region seit dem Jahr 1990 abbilden sollen. Ein indikatorgestütztes System zur Operationalisierung und Bewertung von Nachhaltigkeit hat verschiedene Merkmale sowie Anforderungen von Seiten der Wissenschaft und Praxis, die im Folgenden dargestellt werden. Viele theoretische und abstrakte Konzepte sind nicht direkt beobachtbar oder messbar. Trotzdem sollen diese Konzepte empirisch untersucht und überprüft werden. In dieser Arbeit sollen Aussagen über die regionale Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit getroffen werden. Wie aber lässt sich Nachhaltigkeit beobachten und messen? Die Zuordnung von beobachtbaren Sachverhalten zu dem theoretischen Konzept oder Begriff wird als Operationalisierung bezeichnet. Das heißt, es muss Messanweisungen geben, die sich auf direkt beobachtbare Sachverhalte beziehen. Diese beobachtbaren Sachverhalte stellen (manifeste) Variablen oder Indikatoren dar.119 Indikatoren sind somit Hilfsgrößen und eine Vereinfachung für die Messung eines komplexen Sachverhalts. Szerenyi beschreibt Indikatoren ferner als Variablen, „die über den reinen Zahlenwert 117 Zitat: Robert Smith. Claude Simard Andrew Sharp 2001 A Proposed Approach to Environment and Sustainable Development Indicators Based on Capital S 9 118 Zitat: Robert Smith Claude Simard Andrew Sharp 2001 A Proposed Approach to Environment and Sustainable Development Indicators Based on Capital S 10. 119 Schnell et al. (1999), S. 125 38 hinaus eine eigene Bedeutung“120 besitzen, welche abhängig von der Interpretation des Indikators ist. Indikatoren dienen zum einen der Beschreibung, Prognose und dem Vergleich und zum anderen dienen sie der Bewertung, Zielformulierung und Erfolgskontrolle.121 Das eigentliche Interesse gilt aber nicht primär dem Indikator, sondern dem Indikandum (zu beobachtender Sachverhalt) und dessen Veränderung im Zeitablauf.122 Durch die intergenerative Gerechtigkeit erhält der Nachhaltigkeitsgedanke eine dynamische Komponente. Im Laufe der Zeit müssen die Prioritäten und Ziele der Gesellschaft und Politik fortwährend begutachtet und an die Bedürfnisse der Menschen angepasst werden. Deswegen „wird eine Operationalisierung der Nachhaltigkeit durch Indikatoren gefordert“123. Ein System von Nachhaltigkeitsindikatoren ist keine reine Auflistung oder Zusammenstellung von Wirtschafts-, Sozial- und Umweltindikatoren. Die Herausforderung liegt in der Entwicklung spezieller Indikatoren, die eine adäquate Aussage über die drei Dimensionen (Ökologie, Ökonomie und Soziales) der nachhaltigen Entwicklung machen können. Da es zwischen den Dimensionen zu Wechselwirkungen kommt, müssen die sogenannten Trade-Off (eine Dimension verbessert sicht und eine verschlechtert sich) und Win-Win (beide Dimensionen verbessern sich) Situationen abgebildet werden. Die Nachhaltigkeitsindikatoren beschreiben zentrale Problemfelder und sollen die Antwort geben, ob sich eine Region dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung nähert oder eher entfernt. Zudem haben sie die Aufgabe, die Politikmaßnahmen eines Landes oder einer Region zur Erreichung von Nachhaltigkeit zu bewerten sowie zu bei deren Auswahl unterstützen. Die Indikatoren identifizieren prioritäre Problemfelder und Defizite in der Entwicklung. Für eine einfache Anwendung des Indikatorsystems muss eine Auswahl an Indikatoren getroffen werden, damit das System an das jeweilige Ziel angepasst werden kann. Mit Hilfe eines guten Indikatorsystems lässt sich eine Istsowie eine Sollanalyse erstellen und eine Trendprognose abgeben. Am Ende steht die Erfolgskontrolle, die Informationen für eine Anpassung des Indikatorsystems und der Politikmaßnahmen liefert. Damit Nachhaltigkeit kein Konzept der Wissenschaft und der Politik bleibt, üben Nachhaltigkeitsindikatoren eine Kommunikationsfunktion aus. Die Gesellschaft wird informiert und gleichzeitig angehalten, an dem Prozess der Indikatorentwicklung teilzunehmen. Die Adressaten sind verschiedene gesellschaftliche Gruppen (Wissenschaftler, Entscheidungsträger, Öffentlichkeit etc.), die unterschiedliche Ansprüche an die 120 Szerenyi (1999), S. 30 Szerenyi (1999), S. 33 122 Birkmann et al. (1999), S. 17 123 Szerenyi (1999), S. 29 121 39 Informationen haben (zum zielgruppenspezifischen Aggregationsniveau siehe unten).124 Damit Nachhaltigkeitsindikatoren die beschriebenen Aufgaben erfüllen können, werden von wissenschaftlicher und politischer Seite verschiedene Anforderungen gestellt. Die gewählten Indikatoren sollen die Zusammenhänge zwischen und innerhalb der Dimensionen der Nachhaltigkeit repräsentativ und treffsicher abbilden. Die Relevanz (Wichtigkeit) und Validität (Zuverlässigkeit) der Indikatoren sind von entscheidender Bedeutung. „Die Relevanz von Indikatoren betrifft was untersucht bzw. kommuniziert werden soll. Die Validität von Indikatoren betrifft wie etwas untersucht bzw. kommuniziert wird.“125 Die Auswahl der Indikatoren soll transparent und nachvollziehbar für die Gesellschaft erfolgen. Nur unter dieser Bedingung kann das Konzept der Nachhaltigkeit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. An den Umgang mit Nachhaltigkeitsindikatoren werden funktionale Anforderungen gestellt. Indikatoren müssen reliabel sein, d.h. ein Indikator, der eine bestimmte Situation oder Entwicklung misst muss bei mehrmaliger Messung immer das gleiche Ergebnis liefern. Da eine nachhaltige Entwicklung gemessen werden soll, müssen die entsprechenden Indikatoren Veränderungen im Zeitablauf abbilden können sowie eine Frühwarnfunktion übernehmen. Die Indikatoren müssen in der Lage sein, die oben beschriebenen Wechselwirkungen der Dimensionen abzubilden. Sie sollen außerdem einen räumlichen sowie zeitlichen Vergleich zwischen und innerhalb von Regionen erlauben. Die politischen Anforderungen sind Zielfähigkeit, die Möglichkeit zur adressatengerechten Aggregation, Verständlichkeit sowie eine gesellschaftliche Akzeptanz des Indikators. In Bezug auf die Datengrundlage werden weitere Anforderungen gestellt. Es muss eine qualitativ hochwertige und regelmäßig aktualisierte Datengrundlage geben. Andernfalls müssen Daten mit vertretbarem Aufwand selber erhoben werden. Fehlen Daten oder besteht Unsicherheit über deren Qualität können entsprechende Indikatoren trotzdem vorgeschlagen und verwendet werden. Es ist jedoch notwendig, die Einschränkungen und Problemfelder zu dokumentieren, um der Anforderung der Nachvollziehbarkeit zu entsprechen.126 Es lässt sich abschließend zu den Anforderungen sagen, dass der Offenlegung, Dokumentation und Transparenz eine wichtige Stellung zukommt. Die Systeme von Nachhaltigkeitsindikatoren werden regionsund zielspezifisch mit unterschiedlichen Auswahlkriterien sowie Werturteilen entwickelt. Diese wie auch Methode und Modelle müssen offengelegt werden. Weil das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung mehrdimensional ist und einen intertemporalen bzw. langfristigen Ansatz verfolgt, haben die Indikatoren zur 124 Szerenyi (1999), S. 29ff. sowie Kopfmüller (2001), 318f. sowie Günther et al. (2000), S. 46ff. Morosini (2002), S. 21 126 Kopfmüller (2001), S. 320 sowie Günther et al. (2000), S. 49ff. 125 40 Abbildung dieses Leitbildes einige besondere Merkmale. Da die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales integrativ berücksichtigt werden, sind Nachhaltigkeitsindikatoren interdisziplinär. Aufgrund der Mehrdimensionalität, bildet ein Nachhaltigkeitsindikator mindestens zwei der drei Dimensionen ab. Ein Nachhaltigkeitsindikator ist demnach sozial-ökologisch, sozial-ökonomisch, ökologisch-ökonomisch oder sozial-ökologisch127 ökonomisch. Eng verbunden mit der Mehrdimensionalität sind die Wechselwirkungen, die sich zwischen den Dimensionen ergeben. Nachhaltigkeitsindikatoren müssen solche Wechselwirkungen identifizieren, die Politik muss Entscheidungen für eine Abwägung treffen. Die Trade-Off und WinWin Situationen bedürfen einer ausführlichen Analyse. Bei der Bewertung von Win-Win Konstellationen treten keine Schwierigkeiten auf, da es für beide Dimensionen bzw. Kapitale positive Entwicklungen gibt. Bei der Beurteilung eines Trade-Offs ist dies schon schwieriger, da entschieden werden muss wie stark sich die Einflüsse gegenseitig aufwiegen. Wegen des intergenerativen Ansatzes, ist der Zeitaspekt grundlegend für Nachhaltigkeitsindikatoren. Daraus leiten sich drei Indikatorentypen ab der Trendindikator, der Prognoseindikator sowie der Bedingungsindikator für Szenarien. Der intragenerative Ansatz führt zu Distributionsindikatoren, welche die Verteilung zwischen Bevölkerung sowie verschiedenen Regionen abbilden. Solche Verteilungsindikatoren sind nach verschiedenen Merkmalen wie Alter oder Geschlecht disaggregiert. Nachhaltigkeit ist ein Leitbild, das die Partizipation aller Gesellschaftsgruppen vorsieht. Partizipation ist bei der Indikatorentwicklung und –auswahl wichtig, weil die Werturteile, die in das Indikatorsystem einfließen von der Gesellschaft abhängen. Da es in sämtlichen gesellschaftlichen sowie ökologischen Prozessen Veränderungen gibt, muss das System von Nachhaltigkeitsindikatoren über Evaluationen und Rückkopplungen regelmäßig an neue Bedingungen, Bedürfnisse oder Werte angepasst werden.128 Show me your indicator list, and I will tell you what your ethics are!129 Wie bereits an verschiedenen Stellen betont, werden bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren Werturteile gefällt werden. Da Nachhaltigkeit ein normatives Leitbild ist, sind ebenso die Nachhaltigkeitsindikatoren normativ. Das bedeutet, sie sind sogenannte Soll-Ist-Indikatoren, welche die Differenz zwischen dem aktuellen Entwicklungszustand und dem wünschenswerten Referenzzustand messen. Notwendig dazu ist eine konsensorientierte Indikatorwahl, die auf einem partizipativen Prozess basiert. Zuvor muss dafür geklärt werden, „welche 127 Szerenyi (1999), S. 36 Szerenyi (1999), S. 36ff. 129 Bossel (1996) 128 41 Entwicklung in Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft als relevant für eine nachhaltige Entwicklung anzusehen ist.“130 Neben den Werturteilen einer Gesellschaft müssen ebenso die verdeckten Werturteile berücksichtigt werden, die das Indikatorsystem von Seiten der Wissenschaft beeinflussen. Die Auswahl der Methode, der Experten (falls welche befragt werden) sowie letztendlich der Indikatoren bedeutet unvermeidlich die Hinzufügung eigener Wertung. Dies ist unumgänglich und keinesfalls wissenschaftlich falsch. Notwendig ist eine deutliche Offenlegung der Werthaltung, damit diese nicht in der Arbeit unerkenntlich verankert ist.131 Es gibt Indikatorsysteme mit über hundert Indikatoren (z.B. Indikatorsystem der Commission on Sustainable Development) und Systeme, in denen die Indikatoren zu einem Index verdichtet sind (z.B. ISEW). Der Aggregationsgrad hängt eng mit der Kommunikationsfähigkeit sowie mit dem Informationsgehalt eines Indikatorsystems zusammen. Bei der Entwicklung der Indikatoren muss zielgruppenorientiert zwischen einem hohen und einem niedrigen Aggregationsniveau abgewogen werden. Ersteres erfordert eine präzise mathematisch-statistische Methode zur Verrechnung, die ggf. die Indikatoren unterschiedlich stark gewichtet. Methode, Gewichte und Annahmen müssen dabei offengelegt und nachvollziehbar gemacht werden. Der Vorteil liegt in einer einfachen Kommunizierbarkeit und Beurteilung über die Nachhaltigkeit einer Region. Nachteilig muss gesehen werden, dass der Informationsgehalt sinkt und es keine perfekte und problemlose Methode zur Aggregation gibt. Bei einem niedrigen Aggregationsniveau stehen die Indikatoren ohne Verrechnung nebeneinander. Es ist schwieriger zu einer klaren Aussage über die Nachhaltigkeit einer Region zu kommen, dafür ist der Informationsgehalt hoch. Die Wahl des Aggregationsniveau ist abhängig von der Zielgruppe. Die Aggregation zu einem oder mehreren synthetischen Indikatoren bedeutet eine Informationsverdichtung und macht die Gesamtaussage für die breite Öffentlichkeit vermittelbar. Für Wissenschaftler ist dagegen die Verwendung von Primärdaten ohne Verdichtung geeignet, weil die Daten mit statistischen Methoden analysiert werden. Ein wichtiges Kriterium ist hier die Validität und Begründetheit der Indikatoren. Das geeignete Aggregationsniveau für Entscheidungsträger liegt dazwischen und bietet Daten, mit denen politische Maßnahmen unterstützt werden können.132 Zu betonen ist, dass jede Aggregation von Indikatoren einen wertenden Eingriff bedeutet, der entsprechend dokumentiert werden muss. Das Gleiche gilt für eine unterschiedliche Gewichtung der Indikatoren. Wenn die Meinung vertreten wird, dass ein bestimmter Indikator wichtiger als ein anderer ist, kann man Ersterem mit 130 Kopfmüller (2001), S. 318 Abaza et al. (2002), S. 26f. 132 Szerenyi (1999), S. 34f. sowie Kopfmüller (2001), S. 319 sowie Günther (2000), S. 47f. 131 42 einem höheren Gewicht versehen. Auch in diesem Fall müssen Annahmen und Methoden der Gewichtung deutlich gemacht werden. Wenn eine Aggregation von Indikatoren vorgenommen werden soll, muss zuvor eine grundlegende Entscheidung über die Substituierbarkeit der Nachhaltigkeitsdimensionen bzw. der Kapitalarten getroffen werden. Die beiden Extreme der Aggregation – Verwendung von Primärdaten oder Verdichtung zu einer Kennzahl – entstammen einer unterschiedlichen Deutung des Leitbildes Nachhaltigkeit. In der Auffassung einer starken Nachhaltigkeit gibt es keine Substitutionsmöglichkeiten zwischen den Dimensionen, sondern es besteht eine Komplementarität zwischen ihnen. Beim Konzept der schwachen Nachhaltigkeit besteht dagegen ein substitutives Verhältnis, so kann z.B. Naturkapital durch Sachkapital ersetzt werden. Bei der funktionalen Substituierbarkeit sind die Kapitalien gegenseitig ersetzbar, allerdings nur in bestimmten Grenzen (siehe Kapitel 3.2.3). Nachdem allgemeine Merkmale und Anforderungen an Nachhaltigkeitsindikatoren dargestellt wurden, sollen im Folgenden die Besonderheiten des Indikatorsystems dieser Arbeit erläutert werden. Es gibt kein allgemeingültiges System von Nachhaltigkeitsindikatoren, das für alle Regionen Anwendung finden kann. Die Regionen, Bedürfnisse und Werte der Gesellschaft sowie die politischen und wissenschaftlichen Ziele können sich unterscheiden und ziehen unterschiedliche Indikatorsysteme nach sich. Deswegen wurde in diesem Projekt ein eigenes System basierend auf dem Vier-Kapital-Modell für die Region SaarLor-Lux entwickelt. Die eigene Entwicklung von Nachhaltigkeitsindikatoren soll unabhängig von der Datenverfügbarkeit geschehen. Die Autoren haben in einem ersten Schritt versucht, ideale Indikatoren zu entwickeln, die den Bestand an Sach-, Natur-, Sozial- und Humankapital abbilden. Die Anzahl dieser Idealindikatoren sollte zwischen fünf und zehn liegen und ihre Relevanz sollte möglichst hoch sein. Erst in einem zweiten Schritt wurden die Idealindikatoren auf Datenverfügbarkeit geprüft. Falls keine Daten erhältlich waren, wurden die Indikatoren dahingehend verändert, dass sie aussagekräftig und relevant bleiben, Daten aber vorhanden sind. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Begründung, warum bestimmte Idealindikatoren ausgewählt wurden und die Dokumentation des Prozesses, in dem die Idealindikatoren modifiziert wurden. Neben Relevanz und Datenverfügbarkeit sind die wichtigsten Anforderungen an die Nachhaltigkeitsindikatoren dieser Arbeit Validität, Nachvollziehbarkeit, Abbildung der Wechselwirkungen sowie die Möglichkeit räumlicher und zeitlicher Vergleiche. Die Auswahl der Indikatoren soll begründet und transparent geschehen. Eine Aggregation der Indikatoren wird in dieser Arbeit aus verschiedenen Gründen nicht vorgenommen. Die Verrechnung von Indikatoren ist nur unter stringenten Annahmen über die Substituierbarkeit der Kapitalarten durchzuführen, darüber hinaus gibt es keine Methode zur Aggregation, die 43 vollkommen problemlos ist. In dieser Arbeit geht es vorrangig um die begründete Auswahl und Entwicklung von Idealindikatoren und die Überprüfung der Datenverfügbarkeit. Für diesen Zweck ist es nicht sinnvoll, die Indikatoren miteinander zu verrechnen, denn die Aussagekraft eines jeden Indikators steht im Mittelpunkt der Arbeit. Bereits oben wurde bemerkt, dass die Aggregation abhängig von der Zielgruppe zu geschehen hat. Die Zielgruppen dieser Arbeit sind zum Einen die Wissenschaft, für die keine Aggregation vorgenommen werden muss und zum Anderen Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung, für die die Methodik der Indikatorenbegründung im Vordergrund stehen soll. Grundsätzlich wird hier eine Aggregation nicht abgelehnt. In zukünftigen Projekten kann das entwickelte System von Nachhaltigkeitsindikatoren modifiziert und zu synthetischen Indikatoren verdichtet werden. Darüber hinaus kann eine Gewichtung von Indikatoren basierend auf Expertengesprächen erarbeitet werden. In der zweiten Arbeitsphase des Projektes wurden Vorschläge für eine Methode präsentiert.133 Die Anwendung von Indikatoren als Werkzeug führt noch nicht zu einer nachhaltigen Entwicklung. Sie ermöglicht nur die Messung hinsichtlich dieser.134 Ein Indikatorensystem für sich bedeutet noch keine Entwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit. Es ist vielmehr ein Instrument, welches die Erreichung oder Abweichung vom Leitbild messen kann. Spangenberg und Bonniot wollen die Menschen mit zwei Instrumenten versehen, zum einen einer Vision (Leitbild) als Kompass und einem System von Nachhaltigkeitsindikatoren zur Messung. 135 Die Akteure, welche eine nachhaltige Entwicklung erreichen können sind die Adressaten von Indikatorsystemen, also Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit, wozu natürlich auch Unternehmen gezählt werden. Im Folgenden werden die Indikatoren für die vier Kapitalbereiche vorgestellt. Darauf wird eine Analyse der Beziehungen innerhalb und zwischen den Kapitalbereichen durchgeführt. 133 Meißner et al. (2003) Günter et al. (2000), S. 46 135 Spangenbert, Bonniot (1998), S. 12 134 44 6. Analyse der Vier Kapitalbereiche (ARBEIT DER VIER GRUPPEN) 7. Analyse der Beziehungen zwischen und innerhalb der Kapitalbereiche (ARBEIT DER VIER GRUPPEN) 8. Fazit 45 Anhang: Der Indikatorensatz für die Großregion Saar-Lor-Lux (Kay) Im Verlauf dieser einjährigen Forschungsarbeit wurde der Arbeitsgruppe deutlich, dass die näher betrachteten Indikatoren einander gegenüber gestellt werden müssen, um eine Vergleichbarkeit und Vereinheitlichung herstellen zu können. Für die relevanten – als auch für die im weiteren Vorgang vernachlässigten – Indikatoren wurden im Zeitverlauf Daten angesammelt und Informationen zusammengestellt, die sich nur erschwert vergleichen liesen. Diese Gründe veranlassten die Arbeitsgruppe dazu, allen Indikatoren sog. Indikatorenblätter zu zuweisen. Hierbei galt das Hauptaugenmerk zwei Entwürfen, welche als Vorlage für einen detaillierten Indikatorensatz dienten. 1 Die Grundlage für das Indikatorenblatt „Der Nachhaltigkeitsbericht für Kommunen“ der B.A.U.M. Consult GmbH136 stellt die grundlegend wichtige Elemente eines solchen Indikatorenblattes dar. Allerdings orientiert sich dieses Beispiel weitestgehend an bereits laufenden und abgeschlossenen Programmen, welche für den vorliegenden Forschungsbericht und die betrachtete Großregion keine relevante Rolle einnehmen. Weiterhin geben diese Musterblätter bereits Handlungsempfehlungen und erläutern mögliche Programme, die in der Zukunft durchgeführt werden können.137 Die Gewichtung unterschiedlicher Indikatoren wird aufgrund subjektiver Einschätzungen in diesem Bericht nicht vorgenommen. Es soll vielmehr auf die Gesamtproblematik und das Ineinandergreifen der einzelnen Indikatoren hingewiesen werden.138 Eine für diesen Forschungsbericht praktikable Lösung stellt der Entwicklungsbericht für die Modellregion Märkischer Kreis dar. In diesem Bericht geht man grundsätzlich davon aus, dass der „Indikatorensatz als Hilfsmittel für die Bilanzierung der Erfolge in der Region“139 herangezogen wird. Anhand der einzelnen Indikatorenblätter werden dem Leser komplexe Verhältnisse und Wechselwirkungen vereinfacht und verständlich präsentiert. Dies erweist sich als äußerst hilfreich, da die Vorgehensweise der Darstellung nachhaltiger Entwicklungen sich eines Indikatorensystems bedient, welches für die allgemeine Bevölkerung weder einfach zugängig ist, noch von dieser Zielgruppe in ihrem Kontext verstanden wird.140 136 Der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewußtes Management (B.A.U.M.) wurde 1984 erstmals als Verein ins Leben gerufen und befasst sich hauptsächlich mit der nachhaltigen Kommunalentwicklung. 137 Vgl. B.A.U.M. Consult GmbH (????), S. 5, 10. 138 Vgl. hierzu die real gegebene Situation der Trade-Offs und Win-Wins, die sich zwischen den einzelnen Kapitalien einstellen in Kapitel X. 139 Koitka, H.; u.a. (2000), S. 20. 140 Vgl. Koitka, H.; u.a. (2000), S. 28ff. 46 2 Der Aufbau des Indikatorenblatts Die Indikatorenblätter sind allgemein als eine Anleitung für jeden einzelnen Indikator zu verstehen. Sie sollen – wie bereits erwähnt – die Vergleichbarkeit erleichtern und die Möglichkeit bieten, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Weiterhin lässt sich durch den einheitlichen Aufbau die Nachbearbeitung und Aktualisierungen der einzelnen Indikatoren vereinfachen und strukturierter gestalten. Die Inhalte der Indikatorenblätter unterliegen einem übereinstimmenden Raster. Dieser gliedert sich in die folgenden sechs Kategorien: 1. Beschreibung: Es wird beschrieben wie der Indikator zu verstehen ist, warum er gewählt wurde, bzw. welche Relevanz er für die Region hat. 2. Gewünschte Entwicklung: Hier sollen bestimmte Zielsetzungen verschiedener Organisationen und Institutionen wiedergegeben werden. Dabei handelt es sich weitestgehend um europäische Ziele, da sich die Großregion über eben drei europäische Länder erstreckt. 3. Quelle und Methode: Dieser Punkt ist vor allem für die Nachbearbeitung und weitergehende Forschung wichtig, da immer nachvollzogen werden kann, wo die Daten für einen Indikator ihren Ursprung haben und wie er ggf. berechnet wurde. 4. Wechselwirkungen: Der eigentliche Kern dieser Wechselwirkungen wird im analytischen Teil des Forschungsberichtes wiedergegeben. Hier werden lediglich ein wichtiger Trade-Off und Win-Win dargestellt. 5. Trendentwicklung: Anhand der beschriebenen Entwicklung über das letzte Jahrzehnt, kann eine erste Aussage darüber getroffen werden, wie sich ein Indikator im Sinne der nachhaltigen Entwicklung verändert hat. Dies wird durch einen graphischen Zeitverlauf für alle fünf Einzelregionen veranschaulicht. 6. Schlussfolgerung: Abschließend wird ein kurzes Fazit bzgl. des Indikators und seiner Relevanz hinsichtlich der nachhaltigen Regionalentwicklung gegeben. Es wird ggf. auch darauf hingewiesen welche Probleme dieser Indikator in Bezug auf seine Erhebung, Darstellung und Weiterentwicklung hervorruft und warum zu bestimmten Zeitpunkten auf Ersatz-, bzw. Hilfsindikatoren zurückgegriffen wird. Letztendlich bleibt zu erwähnen, dass der in diesem Rahmen ausgearbeitete Indikatorensatz als ein zusätzliches Dokument diesem Forschungsbericht beigelegt wird, da er in Größe und Aussagekraft zu bedeutend ist, als dass er lediglich im Anhang erwähnt wird. Auf diese Art und Weise wird vor allem eine weitergehende Nachhaltigkeitsforschung erleichtert. 47 Literatur Abaza, H.; Baranzini, A. (Hrsg.) (2002): Implementing Sustainable Development. Integrated Assessment and Participatory Decision-making Processes. Cheltenham, UK B.A.U.M. Consult GmbH (????): Der Nachhaltigkeitsbericht für Kommunen, München. Becker, B. (1996): Ethnical Norms and Values behind the Concept of Sustainability, in: Wolff, P. (Hrsg.); Der Tropenlandwirt, Witzenhausen. Beirat Umweltökonomische Gesamtrechnungen beim BMU (2002): Umweltökonomische Gesamtrechnung. Vierte und abschließende Stellungsnahme zu den Umsetzungskonzepten des Statistischen Bundesamtes. Berlin Birkmann, J./Koitka, H./Kreibich, V./Lienenkamp, R. (1999): Aktuelle Indikatorenkonzepte, In: Indikatoren für eine nachhaltige Raumentwicklung-Methoden und Konzepte der Indikatorenforschung, Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Dortmund, URL: www.geographie.unistuttgart.de/mitarbeiterseiten/Binder/Indikatorensitzung5.pdf (Abruf: 23.01.04) Birkmann, J.; Koitka, H.; Kreibich, V. Lienenkamp, R. (Hg.) (1999): Indikatoren für eine nachhaltige Raumentwicklung. Methoden und Konzepte der Indikatorenforschung. (=Dortmunder Beiträge zur Raumplanung, Bd. 96). Dortmund Birnbacher, D.; Schicha, C. (1996): Vorsorge statt Nachhaltigkeit – ethische Grundlagen der Zukunftsverantwortung, http://www.examensarbeiten.de/heureka/nachhaltigkeit/monografien/birnba cher-schicha/index.htm (3.12.2003). Bossel, H. (1996): Deriving Indicators for Sustainable Development. In: Environmental Modelling and Assessment, H 1, pp. 193-218 Brandl u.a. (2001): Nachhaltiger Entwicklung integrativ betrachten, Berlin. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (19xx): Nachhaltige Raumentwicklung im Spiegel von Indikatoren (mir fehlt noch der Rest der Datenkommt am Montag) Costanza, R.; Cumberland, J.; Daly, H. et al. (2001): Einführung in die Ökologische Ökonomik. (Deutsche Ausgabe herausgegeben von Eser, T.W.; Schwaab, J.A.; Seidl, I. et al.), Stuffgart Critical Review (1993): Free Market environmentalism: turning a good servant into a bas master, in: Daly, H. (Hrsg.):Ecological Economics and the Ecology of Economics, Northampton (USA). Daly, H. (1991; 1996): Redirecting the Economy toward Commmunity, the Environment and a sustainable Future, Boston. Ecolog-institut: www.indikatoren.ecolog-institut.de/Konzept.htm (Abruf am 23.01.04) Erbe, Michael: Belgien, Niederlande, Luxemburg- die Geschichte des niederländischen Raumes, Kohlhammer, Stuttgart, Berlin, Köln 1993 48 Europäische Union (2000): Tätigkeitsbereiche der Europäischen Union Umwelt, http://europa.eu.int.smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexplus!prod!DocNu mber&Ig=de&type_doc=COMfinal&an_doc=2001&nu_doc=264 (3.12.2003) Ewringmann, D. (1999): Sustainability – Leerformel oder Forschungsprogramm, Köln. Gabler (2000): Gabler Wirtschaftslexikon, 15. Aufl. Wiesbaden Goldsmith, (1972), in: Intertemporale Gerechtigkeit und nachhaltiges Wirtschaften, Stuttgart. Greif, Michael: Von der lokalen zur regionalen Nachhaltigkeit, Bibliotheks- und Informationssystem der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg 2000 Günter, Mario (2002): Allgemeine Problemstellung zur Operationalisierbarkeit, sozialen Relevanz und Anwendungsmöglichkeiten von Kriterien und Indikatoren nachhaltiger Entwicklung, in: Eitel, B.; Gebhardt, H.; Glaser, R.; Meusburger, P. (Hrsg.); Kriterien und Indikatoren als Instrumentarium nachhaltiger Entwicklung, Heidelberg. Günther, E.; Schuh, H. (2000): Definitionen, Konzepte, Kriterien und Indikatoren einer nachhaltigen Entwicklung. Eine Literaturstudie im Auftrag der Degüssa-Hüls AG. (= Dresdner Beiträge zur Betriebswirtschaftslehre, Nr. 39) Haberl, Helmut/Fischer-Kowalski, Marina/Krausmann, Fridolin/Schandl, Heinz/Weisz, Helga/Winiwarter, Verena (2001), Theoretische Grundlagen für die gesellschaftliche Beobachtung nachhaltiger Entwicklung, In: Die Bodenkultur, Wien Hardes, H.-D.; Mertes, J. (1994) : Grundzüge der Volkswirtschaftslehre. 4. Aufl. München, Wien Hauff, Volker (Hrsg.) (1992): Global denken – lokal handeln, Köln. Hauff, Volker (Hrsg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht), Greven. Irmen, Eleonore/Milbert, Antonia (1999): Indikatoren für eine nachhaltige raumentwicklung, In: Nachhaltige raum- und Siedlungsentwicklung-die regionale Perspektive=Informationen zur Raumentwicklung, Heft 7 Knaus, A.; Renn, O. (1998): Was bedeutet Nachhaltigkeit, in: Den Gipfel vor Augen, Marburg. Koitka, Heike; Kreft, Holger; Borlich, Kristina (2000): Zukunftsorientierte Entwicklung des Märkischen Kreises – Indikatoren als Steuerungshilfe, Lüdenscheid. Kopfmüller, J. (2001): Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet: Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren (= Global zukunftsfähige Entwicklung – Perspektiven für Deutschland, 1). Berlin (Literaturangabe PRÜFEN) Kreibich, R. (1994): Ökologische Produkte - Eine Notwendigkeit, in: Jahrbuch Ökologie 1995, München. Kreibich, R. (1996) (Hrsg.): Nachhaltige Entwicklung: Leitbild für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft, Berlin. 49 Maedows, D.H., Meadows, D.L. und Randers, J. (1992) Die neuen Grenzen des Wachstums. Die Lage der Menschheit: Bedrohung und Zukunftschancen, Stuttgart. Majer, Helge; Bauer, Joachim, u.a.: Regionale Nachhaltigkeitslücke- ökologische Berichterstattung für die Ulmer Region. Verlag für Wissenschaft und Praxis, Berlin 1996 Martínez Alier, J. (1992): De la economia ecológica al ecologismo popular, in: Angel Gilando, M. (Hrsg.): Crecimiento Económico. Mayer Ries, J.F. (1998): Kooperation in der Region – ein Ansatz für nachhaltige Entwicklung, Rehburg-Loccum. Meißner, M; Spiegel, K.; Throm, M.N.; Umarov, B; Zahrnt, H. (2003): Methode zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Branchen. Arbeit zur zweiten Phase der PbSf „Nachhaltige Regionalentwicklung“ an der Universität Trier Morosini, M.; Schneider, C.; Röhm, M. et al. (2002): Umweltindikatoren. Grundlagen, Methodik, Relevanz. Band 1. (Pilotstudie in drei Bänden. Projekt: Relevanz von Umweltindikatoren. (= Arbeitsbericht Nr. 185) Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg). o.O. Müller-Christ, G. (1998): Wider die zentrale Bewertung von Nachhaltigkeit: ein Vorschlag für die lokale Konstruktion einer nachhaltigen Wirklichkeit, in: Zeitschrift für angewandte Umweltwissenschaften. Pearce/ Markandya/ Barbir (1993) http://www.umdenken.de/akademie/index.php3?f1=topbar_rheinland.html& f2=rheinland/left_kommune_agenda.html&f3=rheinland/kommune/kommu ne_agenda.html (4.12.2003). Rat für nachhaltige Entwicklung (2004), Perspektiven für Deutschland- unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, URL: www.bundesregierung.de/Anlage585868/Konsultationspapier+zum+Fortsch rittbericht+2004+zur+nationalen+Nachhaltigkeitsstrategie.pdf (Abfrage am 23.01.04) Schnell, R.; Hill, B; Esser, E. (1999): Methoden der empirischen Sozialforschung. 6. Aufl. München, Wien Spangenberg, J.H. (1996): Welche Indikatoren braucht eine nachhaltige Entwicklung? In: Köhn, J.; Welfens, M.J. (Hrsg.): Neue Ansätze in der Umweltökonomie (= Ökologie und Wirtschaftsforschung, Bd. 22). Marburg, S. 203-225 Spangenberg, J.H.; Bonniot, O. (1998): Sustainability Indicators – A Compass on the Road Towards Sustainability. (= Wuppertal Paper, Nr. 81) Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie SRU (1994): Für eine dauerhafte umweltgerechte Entwicklung, in: Voss, G.: Das Leitbild nachhaltiger Entwicklung: Darstellung und Kritik, Köln. Summerer, Stefan (1996): Nachhaltige Entwicklung: eine Herausforderung für die Forschung? Szerenyi, T. (1999): Zur Operationalisierung von Nachhaltigkeit und nachhaltiger Entwicklung. Working Paper No. 99-01. Universität Köln, Department of Economic and Social Geography Vereinte Nationen (2002): http://www.un.org/esa/sustdev/documents/agenda21/index.htm 50 Zeschmar – Lahl, B (2002): Lexikon der Nachhaltigkeit, http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de/2000/Definitionen.htm (3.12.2003). Internet Bundesregierung Deutschland auf http://bund.de/Verwaltung-inDeutschland/Bundeslaender/Saarland-.5314.htm vom 7.12.03 Großregion Saar-Lor-Lux http://www.grossregion.lu/html_de/cooperation/index.html vom 13.01.04 Großregion Saar-Lor-Lux www.grossregion.lu/html_de/grande_region/main.html vom 7.01.04 Zahlen von 2002 Henn, Thomas auf www.thomas-henn.de/wissen/rheinland-pfalz.htm vom 7.12.03 Lotharingia auf www.Lotharingia.de/lexikon/Geschichte_Luxemburgs vom 13.01.04 RBI auf www.rbi-aktuell.de/Nation/minderheiten-startseite/Belgien/belgien.html vom 6.12.03 Schaepp auf www.schaepp.de/lothringen vom 7.12.03 51