PELeitfaden

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Personalentwicklung als Schulleitungsaufgabe
Die Bedürfnisse und Ziele
Die 6 Handlungsfelder
Die 5 Gesprächsanlässe
Die Instrumente dazu
Die Wege dahin
Die heiklen Stellen
Von Bianca Ender und Anton Strittmatter
mit Beiträgen von Susan Hedinger und Martin Riesen
Ein Leitfaden der Pädagogischen Arbeitsstelle LCH 2000
2
Grundfunktionen der Personalentwicklung
Personalförderung, Personalmanagement, Personaldienst, Human Resources Management,
Personalentwicklung, Personalpflege, Personalsorge, Personalcoaching - diese Begriffe sind alle auf ihre Art
aussagekräftig und einseitig. Sie beinhalten je unterschiedliche Denkfiguren, drücken unterschiedliche
Aspekte der Aufgabe aus. Dahinter stehen zumeist entsprechend unterschiedliche Führungsauffassungen
und Menschenbilder (siehe unten). Im Grunde geht es um vier Hauptfunktionen:
 Antworten auf Bedürfnisse des Personals (z.B. Entwicklungs-/Lern/Unterstützungsbedürfnisse der LehrerInnen)
eher zukunftsorientiert
 Bedarf aus der Schulentwicklung (z.B. Umschulungsbedarf, Besetzung neuer
Funktionen)
 Sicherstellung von Mindestqualitäten (Garantiefunktion der Führung gegenüber
Klientel, Trägerschaft)
 Leistungen bei Interventionen aus dem System (z.B. Mediation bei
SchülerInnen-Eltern-LehrerInnen-Konflikten)
eher gegenwartsbzw. vergangenheitsorientiert
Es ist wichtig (und vor allem für Schulen nicht selbstverständlich), die Personalentwicklung vor allem in den
zukunftsorientierten Funktionen auch mittel- und langfristig auszurichten!
Wachsender Unterstützungsbedarf
Die Situation namentlich der Lehrpersonen ist heute charakterisiert durch eine Vielzahl von
Herausforderungen bzw. Belastungsfaktoren:
 Hohe Komplexität der Aufgabensituationen
 Ständiger, rascher Wandel im Umfeld und entsprechend in der Schule
 Infragestellung/Rechenschaftspflicht bei geringer Normierung der Leistung
 Widersprüchliche Erwartungen aus der Umgebung/Öffentlichkeit
 Strukturell bedingte Einsamkeit in der beruflichen Arbeit und Problemlösung
 Verknappung der Ressourcen
Die Folgen sind nicht selten hohe Arbeitszeiten bzw. hohe Intensität der Arbeit, hohe Konflikthaftigkeit des
Alltags, Unsicherheit bezüglich Anspruchserfüllung, ungenügend einlösbarer Umstellungs- und Lernbedarf.
Kommen hohe körperliche und geistige Beanspruchung mit ständigen Gefühlen des Ungenügens bzw.
einem Gefühl mangelnder Steuerbarkeit der eigenen Situation zusammen, ist Ausbrennen (Burnout) die
logische Folge – wenn nicht irgendwer oder irgendwas dazwischentritt.
Die Unterstützungsfunktionen für das Personal sind wichtiger denn je geworden!
Vor allem: eine Frage des Menschenbildes
Bevor wir uns den konkreten Handlungsvorschlägen zuwenden, braucht es einen wichtigen Einschub:
Personalentwicklung hängt ganz entscheidend vom Menschenbild bzw. Lehrerbild ab, welches sowohl
Führende wie auch Geführte mitbringen. Nicht wenige der heute herumgebotenen Personal”management”Konzepte verraten ein Menschenbild, welches von Geringschätzung, von Misstrauen, von “pädagogischen
Erbsünde-Theorien” geprägt ist. (Ein Beleg dafür: Es werden für die “minderen” Volksschulen – z.B. im
Bereich der Lehrerbeurteilung - immer wieder Konzepte der Engführung und der hierarchischen Kontrolle
entworfen, welche man sich so nicht auf Gymnasien oder Hochschulen loszulassen getrauen würde.)
Die berühmt gewordene Gegenüberstellung von “Theroie X” und “Theorie Y” durch Douglas Mc Gregor
(1960) geht von der Annahme aus, dass jede Führungsentscheidung auf einer Reihe von Hypothesen über
die menschliche Natur und menschliches Verhalten beruht. Die Annahmen der traditionellen
Managementsätze fasst er unter dem Begriff Theorie X zusammen und stellt ihnen als Idealtyp die Theorie
gegenüber.
Theorie X
Theorie Y
3
 Der Mensch hat eine angeborene Abscheu vor
der Arbeit und versucht, sie so weit wie möglich
zu vermeiden.
 Der Mensch hat keine angeborene Abneigung
gegen Arbeit, im Gegenteil, Arbeit kann eine
wichtige Quelle der Zufriedenheit sein.
 Wenn der Mensch sich mit den Zielen der
 Deshalb müssen die meisten Menschen
Organisation identifiziert, sind externe Kontrollen
kontrolliert, geführt und mit Strafandrohung
unnötig; er wird Selbstkontrolle und eigene
gezwungen werden, einen produktiven Beitrag zur
Initiative entwickeln.
Erreichung der Organisationsziele zu leisten.
 Die wichtigsten Arbeitsanreize sind die
Befriedigung von Ich-Bedürfnissen und das
 Der Mensch möchte gerne geführt werden, er
Streben nach Selbstverwirklichung.
möchte Verantwortung vermeiden, hat wenig
 Der Mensch sucht bei entsprechender Anleitung
Ehrgeiz und wünscht vor allem Sicherheit.
eigene Verantwortung. Einfallsreichtum und
Kreativität sind weitverbreitete Eigenschaften in
der arbeitenden Bevölkerung; sie werden jedoch
in industriellen Organisationen kaum aktiviert.
Quelle: Mc Gregeor, D. The human side of enterprise, New York 1960; deutsch: Der Mensch im
Unternehmen, Düsseldorf 19733
Wir können diese Gegenüberstellung illustrieren am Beispiel der Diskussionen um die
“Mitarbeiterbeurteilung” und das Verhältnis von Selbst- und Fremdevalaution in Schulen. Das Schema sieht
dann so aus:
4
Haltung X
Haltung Y
1. Am Beispiel der "Mitarbeiterqualifikation"
Nur die Schulleitung als informierte Fachinstanz
und Autorität bietet Gewähr,
a) dass den blinden Flecken der
Selbstevaluation der LehrerInnen ein Korrektiv
gegenübergestellt ist,
b) dass Beurteilung kontinuierlich auch wirklich
stattfindet (Erlahmung der Selbstevaluation) und
c) das "Personal Controlling" in der Öffentlichkeit
Vertrauen findet.
Sie nutzt dabei alle Informationsquellen, macht
Unterrichtsbesuche und fordert dazu auf,
Befunde aus der Selbstevaluation ins
Beurteilungsgespräch einzubringen.
Lehrerinnen und Lehrer können und wollen eine
anspruchsvolle Selbstevaluation durchführen.
Die Schulleitung hat unterstützende Funktionen:
a) Die Schulleitung setzt sich kontinuierlich dafür
ein, dass die Bereitschaft zur Selbstevaluation
der Lehrpersonen und zur Beachtung der
Verfahrensstandards wachsen kann.
b) Das Schulleitungsfeedback ist in der
Selbstevaluation Teil des 360°-Feedbacks der
LehrerInnen. Es beschränkt sich aber auf
schulleitungsspezifische Aspekte (Mitwirkung an
Gemeinschaftsaufgaben, Mitleiten, Verhalten in
Konferenzen etc.) und ist auf Gegenseitigkeit
angelegt.
c) Die Schulleitung ist i.d.R. erste
Interventionsinstanz bei Beschwerden/Krisen
und agiert dabei zunächst vermittelnd.
Es wird davon ausgegangen, dass eine
hierarchische "Mitarbeiterqualifikation" mit
redlicher Selbstevaluation schlecht vereinbar ist:
 Sie würde Energie von der Selbstevaluation
abziehen (weil diese "letztlich mehr zählt").
 Sie müsste zum "Mogeln" zur Beschönigung
und Mängelvertuschung verleiten und so die
für Selbstevaluation nötige
Redlichkeitshaltung korrumpieren.
 Sie könnte fachlich nicht mehr, häufig eher
weniger bieten als das 180°-Feedback.
Die Schulleitung würde überdies in ihrer
Beratungs-/Coachingrolle noch mehr
kompromittiert, als sie durch ihre Linienfunktion
ohnehin schon ist.
2. Am Beispiel externe Inspektion versus Selbstevaluation
Die Evaluation der Gesamtqualität von Schulen
oder ausgewählter Teilaspekte ist dann valider
und vertrauenswürdiger, wenn die
Selbstevaluation der Schulen periodisch durch
eine angeordnete Fremdevaluation (Inspektorat
bzw. kantonale Fachstelle für Evaluation)
ergänzt wird. Diese Spiegelung soll jedoch im
Geiste der formativen Evaluation und als Dialog
angelegt sein und für die Schulen (zur
Vermeidung von Mängelvertuschung) keine
negativen Folgen haben.
Schulen wollen ihre Selbstevaluation
aussagekräftig gestalten. Dabei gehört es zu den
selbstverständlichen Standards von
Selbstevaluation, dass Schulen in wichtigen
Fragen auch externe Beurteilungen einholen
(Triangulationsprinzip). Angeordnete
Fremdevaluation ist somit unnötig.
Der unvermeidliche starre Rhythmus solcher
angeordneter Fremdevaluationen könnte der je
unterschiedlichen Entwicklungs- und
Evaluationsplanung der Schulen nicht gerecht
werden, würde zu einer künstlichen
Inszenierung. Die Aussicht auf Prangereffekte
müsste zudem die redliche Selbstevaluation zu
Gunsten eines "Inspektionstheaters"
beschädigen.
Die kantonale Aufsicht sollte künftig voll und
ganz mit den neuen und kostspieligen Aufgaben
des System-Monitoring und der Meta-Evaluation
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(externe Aufsicht über den Vollzug der
Selbstevaluation) ausgelastet werden bzw. sein.
Das Bekenntnis zu einem Menschenbild von der Art der “Theorie Y” schliesst Beurteilungen keineswegs
aus. Im Gegenteil: Gerade mündige Menschen brauchen und suchen ein dichtes und hochwertiges
Feedback auf ihr Verhalten. Welchen positiven Spielregeln solches Feedback gehorchen soll, stellen wir im
Anhang “Feedback geben und empfangen” dar. Zu vermeiden sind Feedbacksituationen, in denen
Anmassung herrscht (Urteile fällen, zu denen man fachlich nicht berechtigt ist), in denen keine
Gegenseitigkeit gewünscht oder gar erlaubt ist (Einbahn-Qualifikation) und in denen in Folge strukturell
eingebauter Bedrohlichkeiten1 (z.B. negative Folgen für die Besoldungszumessung, für Beförderungen, für
die Würde in der Gruppe) gemogelt werden muss.
Es geht hier also nicht darum, ob der/die Beurteilende bedrohlich sein will oder nicht, sondern ob das
strukturelle Setting der Feedbacksituation den Beurteilten überhaupt Grund gibt, es als potentiell
bedrohlich einzuschätzen. Viele Beurteilende haben Mühe zu begreifen, dass es nicht darauf ankommt,
ob sie persönlich von gutem Willen beseelt sind, es doch “väterlich/mütterlich” gut meinen. Die
Geführten allein entscheiden – und dies mit ihrer eigenen Logik -, wem sie welche Rolle zubilligen oder
nicht (vgl. Reddy 1997, 253).
1
6
Handlungsfelder der Personalentwicklung
Da sein und
Anteil nehmen
Für Impulse und ein
konstruktives
Feedback sorgen
Für Räume der
Unterstützung
sorgen
Weiterbildung
stimulieren und zum
gemeinsamen
Thema machen
Begleitung in
biografisch
kritischen Phasen
(JunglehrerIn, UmsteigerIn,
Pensionierung u.ä)
Coaching/Intervention in kritischen
Situationen
durchführen /
veranlassen
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Die 6 Handlungsfelder der Personalentwicklung
Ein umfassendes Konzept der Personalunterstützung schafft festen Platz für unterstützende
Massnahmen zu den verschiedenen Bedürfnissen des Personals, des Betriebs, der Trägerschaft
und der Klientschaft (siehe Blatt "Grundfunktionen der Personalunterstützung"). Es scheint uns
sinnvoll, dabei die folgenden 6 Handlungsbereiche zu unterscheiden:
1. Anteil nehmen ("Management by Walking Around")
”30 Jahre hat niemand ernsthaft gefragt, wie es mir wirklich geht.” So die bittere Bilanz eines
Lehrers anlässlich der Einführung eines Personalentwicklungs-Konzepts. Schulehalten kann eine
ziemlich einsame Aufgabe sein. Wie es LehrerInnen dabei und im Beruf überhaupt geht, bleibt
nicht selten verborgen.
Es ist ein Grundbedürfnis aller Menschen, als Person in ihrem Wesen und in ihrem Beitrag für das
jeweilige System (z.B. Familie, Betrieb) wahrgenommen und anerkannt zu werden. Gerade in
stark arbeitsteiligen Organisationen wie die Schule und vor allem, wenn Routinen herrschen, das
Nebeneinanderher-Funktionieren der Menschen zur kaum mehr beachteten Gewohnheit zu
werden droht, kann das Bedürfnis nach Wahrngenommenwerden und Anerkanntwerden
aushungern. Beim Namen genannt und nach dem Wohlbefinden gefragt werden, ab und zu die
Botschaft hören “Schön, dass es Dich hier gibt!”, sind Bedürfnisse, die nicht automatisch erfüllt
werden. Die Schulleitung kann viel dafür tun, dass eine solche Kultur des Anteilnehmens im
Kollegium wächst, und kann selbst mit ihrer prominenten Stellung auf das Bedürfnis antworten.
Mittel dazu sind vor allem:
 Arbeitsplatzbesuche/Unterrichtsbesuche durchführen (zu Gast sein!)
 Gespräche "zwischen Tür und Angel" führen (über Berufliches und Privates)
 Spontane Feedbacks auf Leistungen, Äusserungen, Unterlagen, Prüfungsresultate etc. geben
Wichtig sind hier vor allem Haltungen der wertschätzenden Präsenz, der echten Neugier und
emphatischen Anteilnahme. Deshalb sollten als Anteilnahme unternommene Begegnungen nicht
mit dienstlicher Beurteilung u.ä. vermischt werden.
Ein Ausdruck von Anteilnahme ist auch die gute, unkomplizierte Erreichbarkeit ("offene Tür").
2. Für Räume der Unterstützung sorgen
Der Lehrberuf ist so anspruchsvoll geworden, dass kaum jemand ohne kürzere oder längere
”Tiefs”, ohne Situationen der Überforderung über die Runden kommt. LehrerInnen brauchen keine
Dauerbetreuung. Es ist aber wichtig, wenn man sie braucht, Angebote der Unterstützung
bereitstehen und leicht zugänglich sind. Schulleiterinnen und Schulleiter müssen und können nicht
auf alle Unterstützungsbedürfnisse von Lehrpersonen persönlich antworten. Es ist aber ihre
Aufgabe, für vielfältige Angebote und ihre gute Zugänglichkeit zu sorgen:
 Beratungsgespräche anbieten und durchführen (als vereinbarte, von den Ratsuchenden
gewünschte, bewusst gestaltete Gesprächssituation)
 Unterstützungsgruppen
fördern:
kollegiale
Praxisberatung/Intervision,
Supervision,
Lernwerkstatt etc.
 Professionelle externe Beratung, Therapie, Coachingbeziehungen etc. vermitteln
 Ordentliche Arbeitsteams (z.B. Stufenteams, Fachgruppen, Projektteams etc.) so fördern, dass
sie auch als Orte der Wertschätzung von Kompetenzen, der Zumutung von Verantwortung und
der Unterstützung erlebt werden können (Balance im TZI-Dreieck!)
Dabei die "Räume" auch im zeitlichen und örtlichen Sinne (Ausstattung, Ambiance) so wählen,
dass sie die Zweckbestimmung, die Professionalität bzw. die Erwachsenensituation
unterstreichen.
3. Weiterbildung stimulieren und zum gemeinsamen Thema machen
Weiterbildung war lange eine intime Privatsache. Heute wächst die Einsicht, dass es profitabel ist,
die individuelle Weiterbildung, die eigenen Pläne und Erfahrungen einem Dialog ”kritischer
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Freunde” auszusetzen, und dass das Wissen im Kollegium noch besser als Quelle für
Problemlösungen und Weiterbildung genutzt werden könnte. Solche Prozesse brauchen Leitung.
 Individuelle Laufbahngespräche führen (über persönliche Entwicklungsperspektiven,
Lernbedürfnisse, Rollenveränderungen, Weiterbildungsbedarf u.ä.)
 Orte des Austausches von Weiterbildungserfahrungen, der Weitergabe erworbenen Knowhows
schaffen/moderieren
 Orte der gemeinsamen Aushandlung/Planung von Weiterbildungsbedürfnissen und massnahmen als Team schaffen/moderieren
4. Für Impulse und ein konstruktives Feedback sorgen
Schulklassen konsumieren nicht nur Substanz der Lehrperson, sie geben auch Energie, Impulse
und Feedbacks. Nur brauchen LehrerInnen das auch von Erwachsenen und namentlich aus der
Mitte der Profession selbst. Wer ständig in einem dichten und hochwertigen Feedback von Seiten
aller wichtiger Partner steht, brennt weniger aus, kann sich selbst in seiner Entwicklung besser
steuern, Probleme früher erkennen und lösen.
 Orte schaffen, wo neue Impulse, kreative Prozesse stattfinden können: Foren mit
herausfordernden Persönlichkeiten; Einsatz von Kreativitätsmethoden (z.B. SynektikKonferenz, Simulationen, Brainwriting, Open Space etc.) in Konferenzen, Schulungen oder
Projekten
 Ein 360°-Feedback für alle einrichten: als Strukturen mit Verfahrensstandards bezüglich
Häufigkeit, thematische Streuung, Gültigkeit der Feedbacks, Umgang mit sensiblen Daten etc.
und als Feedbackkultur mit Kontrakten, lernfreundlichen Grundhaltungen und adäquaten
Techniken
 Von der Leitung angesetzte Konfrontationsgespräche führen (soweit das ordentliche Feedback
den Bedarf nicht ausreichend abdeckt)
Das “Formative Qualitätsevaluations-System” FQS ist eine der Möglichkeiten, eine Kultur des
dichten und hochwertigen Feedbacks in Schulen einzurichten. Ein Kurzbeschrieb findet sich im
Anhang.
5. Coaching/Intervention in kritischen Situationen durchführen bzw. veranlassen
Viele Probleme lassen sich von den direkt Betroffenen selbst heilen. Manchmal geht das aus
bestimmten Gründen nicht. Die Qualitätsansprüche der Schule verlangen es dann, Lehrpersonen
in akuten Situationen der Überforderung bzw. des Ungenügens anzusprechen, allenfalls zum
Schutze ihrer selbst und anderer Betroffener zu intervenieren.
 Mit einem breiten Repertoire an Interventionstechniken adäquat auf auftretende Probleme
reagieren.
Dabei auf:
- die jeweilige Art ("Natur") des Problems,
- die Rollen/Zuständigkeiten,
- die persönlichen (fähigkeitsmässigen) Möglichkeiten und Grenzen
achten. Es ist wichtig, dass alle Beteiligten verlässlich wissen, nach welchen Regeln
Konfliktbearbeitungen (z.B. Kaskade der Zuständigkeiten, Umgang mit Informationen)
durchgeführt werden.
 Jeweils abwägen, was mit eigenen Mitteln bearbeitet werden soll/kann und was an externe
Fachstellen oder in die Hände von Behörden gehört.
Für Situationen, in denen Beschwerden gegen Lehrpersonen laut werden, verweisen wir auf den
Leitfaden “Wenn was los geht... Grundsätze für den Umgang mit Kritik an Lehrpersonen” der
Pädagogischen Arbeitsstelle LCH (1998).
6. Begleitung in biografisch kritischen Phasen
Forschungen über den Verlauf beruflicher Biographien von Lehrpersonen haben darauf
aufmerksam gemacht, dass ein LehrerInnenleben typische Phasen mit je eigenen Krisen und
Entwicklungschancen durchläuft. Und dass es wichtig ist, wer jeweils ”am Wegrand” steht, die
Person in ihrem aktuellen Sosein versteht und hilfreiche Impulse gibt, konfrontiert , Grenzen setzt,
Perspektiven aufzeigt, zuhört, Unterstützung gibt oder erschliesst.
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In der Regel macht es aus ökonomischen Gründen Sinn, besondere Unterstützungsstrukturen für
"Novizen" (z.B. JunglehrerInnen), für Neueinsteiger/Betriebswechsler, für Outplacement-Fälle oder
für den Übergang in die Pensionierung auf kantonaler oder regionaler Ebene zu schaffen. Auf
lokaler Ebene (einzelne Schule, Abteilung etc.) bestehen jedoch ebenfalls Möglichkeiten:
 Mentorate einrichten
 Standort- und Perspektivengespräche durchführen
 Die besondere Situation einzelner KollegInnen deklarieren, sie wertschätzend gestalten, sie als
Ressource für andere bzw. für den Betrieb einsetzen
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Sich ein Konzept der Personalentwicklung erarbeiten
In vielen Schulen ist Personalarbeit nicht fest installiert. Sie erlangt vor allem in ”Akutfällen”
plötzliche Bedeutung, und dann wird, als Präventionsmassnahme, für alle ein Mitarbeitergespräch
quer übers Kollegium gelegt. Das Ganze versandet aber irgendwie wieder – bis eines Tages der
nächste “Fall” ansteht...
Wenn die oben beschriebenen Leistungen der Personalentwicklung erbracht werden sollen,
erfordert dies ein überlegtes und breit abgestütztes Konzept. Dieses muss sich jede Schule selbst
erarbeiten, um den Besonderheiten vor Ort gerecht zu werden. Natürlich sind Orientierungsraster,
wie wir hier auch einen vorschlagen, nützlich. Patent-Schemen, wie sie zu Hauf herumgeboten
werden, tönen vielleicht gut und verlockend, erweisen sich aber nicht als nachhaltig. Konzepte der
Personalentwicklung müsse auf die jeweilige Schule passen und sich mit der Schule, mit ihren
Akteuren weiterentwickeln.
Ein lokales Konzept der Personalentwicklung entsteht im Antworten auf folgende Fragen:
1. Was ist schon da?
In welchen Handlungsbereichen der Personalentwicklung bestehen bei uns schon Ansätze
oder ausgebaute Praktiken? Welche guten oder kritischen Erfahrungen machen wir damit?
Was würde “Weiterbauen auf dem Bestehenden” konkret bedeuten?
2. Wo besteht dringlicher Ausbaubedarf?
In welchen Feldern “brennt’s”? Welche neuen Leistungen der Personalenwicklung würden auf
stark empfundene Bedürfnisse antworten? (Siehe auch Diagnoseinstrument “Mein sozialer
Unterstützungsbedarf” im Anhang)
3. Wogegen bestehen Widerstände?
Zu welchen Leistungsfeldern bzw. Massnahmen bestehen Skepsis oder Ängste? Welche
guten Gründe stecken dahinter? Was soll vermieden, worauf geachtet werden, wenn wir nun
Schritte unternehmen? (Siehe auch Kapitel “Erste Schritte”)
4. Welches “Personal” sind wir denn?
Wie ist unser Kollegium bezüglich Ansprüche/Bedürfnisse im Bereich der Personalentwicklung
zusammengesetzt? Wie sieht die Altersstruktur im Lehrkörper aus? Wer/wieviele sind in
besonderen beruflichen Phasen, z.B. als neu in den Beruf einsteigende, als “MidlifeMenschen”, als Wiedereinsteigende, als Lehrkräfte vor der Pensionierung, als Interessierte für
Veränderungen/neue Aufgaben, als Lehrpersonen “auf dem Weg nach draussen” etc.? Wer
hat welche deutlichen Weiterbildungspläne oder besonderen fachlichen
Interessenschwerpunkte?
5. Welche Ressourcen für Personalarbeit sind da?
Wer alles im Kollegium verfügt über besondere Neigungen und Talente/Kompetenzen zu
bestimmten Handlungsbereichen der Personalentwicklung? Wer kann z.B. gut beraten, gut
konfrontieren, gut Weiterbildungsprojekte organisieren, von seinem/ihrem Erfahrungsschatz
bezüglich Selbstevaluation etwas weitergeben?
6. Wer ist die Schulleitung?
Welche besonderen Chancen und Einschränkungen muss die Schulleitung bezüglich der
verschiedenen Handlungsfelder beachten? Was bedeuten z.B. das Alter der
Schulleitungsperson(en), ihre besonderen Fähigkeiten und Schwächen, ihre Vorlieben und
Abneigungen bestimmten Aufgaben gegenüber, ihre Zugehörigkeit zu bestimmten “Gruppen”
im Kollegium, ihre kollegiale Nähe oder hierarchische Distanz zur Lehrerschaft oder die Art
ihrer Verbindung mit der Behörde für die Übernahme von Personalentwicklungsaufgaben bzw.
deren Verteilung auf andere Schultern?
7. Welche behördlichen Auflagen sind unbedingt zu respektieren?
Welche Aufgaben sind als solche oder auch in der Art ihrer Erfüllung vorgeschrieben? Welche
Vorschriften/Weisungen sind allenfalls verhandelbar?
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Diese Fragen sind teils nicht leicht zu beantworten, manchmal noch nicht offen verhandelbar?
Stellt und beantwortet man sie aber nicht, wird auf Sand gebaut. Oft wird deshalb ein behutsames
Vortasten erforderlich sein, die Klärung und Offenlegung dieser wichtigen Angelpunkte eines
zweckdienlichen Konzepts der Personalentwicklung einen mehrjährigen Prozess erfordern. Es
wird dabei deutlich: Personalentwicklung ist untrennbar mit Führungs- und Teamentwicklung
verbunden!
Personalarbeit ist Individualarbeit
Personalarbeit muss nicht nur auf die Person der Schulleiterin/des Schulleiters und auf die
konkreten Umstände an der jeweiligen Schule passen, sondern ist immer auch an die individuelle
Situation der “EmpfängerInnen” der Personalarbeit abzustimmen. Das bedeutet, vielfältige
Faktoren zu berücksichtigen. Zwei davon möchten wir besonders herausheben:
- Die Würdigung der biografischen Situation der Lehrperson
- Die Würdigung der geschlechtsspezifischen Ansprüche
In Berufsphasen denken
Huberman2 fand Ende der 80er Jahre in seinen Biografie-Untersuchungen einige typische Muster
des Verlaufs des Berufslebens bei LehrerInnen3 in der Sekundarstufe. Diese Muster lassen sich in
vier Abschnitte einteilen:
Heitere Gelassenheit
Konservatismus
Diversifikation
Desengagement
Infragestellen
Stabilisation
Einstieg
Schulen haben verschiedene Möglichkeiten , um neue KollgeInnen in den Schulbetrieb
einzuführen. Eine Möglichkeit bietet das Mentorat, das die folgenden Aufgaben umfasst:
-
2
als KollegIn willkommen heissen
als Anregungen/Herausforderung willkommen heissen
Aufgaben sehen und unterscheiden (!):
a) Einführung in die Gebräuche des Hauses
b) Aufschliessen der “Vorratskammern”
c) Stützung/Ermunterung in den eigenen Wegen
d) Beratung/Stützung in Schwierigkeiten
Huberman 1989
Die Studie spiegelt vor allem den Berufsverlauf von Männern wieder. Dennoch erlaubt das Modell
Rückschlüsse auf das Berufslaufbahnkonzept von Frauen und ermöglicht so wichtige Fragestellungen.
3
12
-
Beratung niederschwellig anbieten (z.B. im Rahmen von Praxisberatungsgruppen)
Neue als Spiegel nutzen (blinde Flecken)
MentorInnen sollten Menschen mit Erfahrung und Neugier, mit Sicherheiten und Fragehaltungen,
mit Fürsorge- und Respekthaltung sein.
Der/die MentorIn oder Bezugsgruppe sollte offen bezeichnet und mit einem Auftrag (im Rahmen
des Berufsauftrags) versehen sein. Zwischen MentorIn und Lehrperson müssen zudem die
wichtigsten Erwartungen und Spielregeln in einem Kontrakt vereinbart werden.
Die Wirksamkeit der praktizierten Mentorate ist periodisch zu evaluieren.
Huberman stellt auch fest, dass zwar Mentorate existieren, dass aber spätestens nach dieser
Phase der Eingewöhnung und Orientierung an vielen Schulen nichts mehr passiert. Die
LehrerInnen “funktionieren” dann meistens “problemlos” im Betrieb “Schule”. Dabei wäre gerade
auch diese Gruppe der LehrerInnen zwischen dem 5. und dem 15. Dienstjahr zu beachten, da hier
die Weichen für die weitere Entwicklung gelegt werden. Standort- und Perspektivengespräche
bieten in dieser Phase professionelle Unterstützung und Klärungshilfe in ersten Berufskrisen und
im wachsenden Interesse für die Anreicherung (job enrichment) und Verbreiterung (job
enlargment) des Engagements.
Die alarmierenden Raten vorzeitiger Pensionierung in umliegenden Ländern”4 treffen zwar für die
Schweiz (noch) nicht zu, die Tendenz ist aber auch bei uns deutlich steigend. Das deutet darauf
hin, dass präventive Massnahmen gegen das Ausbrennen im sehr anspruchsvoll gewordenen
Beruf und Unterstützungsangebote bei beginnenden Schwierigkeiten wichtiger werden. In einer
Schule, welche die sechs Handlungsfelder der Personalentwicklung voll entwickelt hat, sollten
Fälle des unbemerkten Leidens und Ausbrennens zur seltenen Ausnahmen werden. Vermehrte
Standort- und Perspektivengespräche sowie die gute Stützung in Gruppen (Intervisions- bzw.
Supervisionsgruppen, Q-Gruppen im FQS etc.) dürften einen wirksamen Beitrag dazu leisten.
Zusammengefasst bedeutet hier ein individuelles Förderkonzept das Erkennen von
unterschiedlichen Berufs- und Lebensphasen und das Anerkennen, dass jede Phase ihre Regeln,
Ressourcen und Chancen hat und alle Wege offen stehen. Die Weichen für einen “gesunden”
Berufsverlauf werden durch eine ressourcenorientierte Personalentwicklung sehr früh gestellt.
Gender-Situation
Wenn wir von “Personal” reden, sind wir versucht, den Begriff “geschlechtsneutral” zu denken. In
der Personalentwicklung muss aber immer mitüberlegt werden, welche Auswirkungen das
Gender-Thema auf den jeweiligen Gesprächsanlass bzw. das jeweilige Handlungsfeld hat.

Geschlechterkonstellation in Gruppen- und Duo-Situationen beachten.

Hemmungen und Bervorzugungen bei der Wahl der GesprächspartnerInnen äussern lassen und ev. auch berücksichtigen.

geschlechtsspezifische Rollenverpflichtungen und Biographien (Ernährer der
Familie, Mutter, etc.) beachten.

geschlechtsspezifische Tendenzen im Umgang mit Problemen (z.B.
Externalisierung von Problemen als eher männliche Tendenz, systemische Deutung
bis hin zur einseitigen Selbstbezichtigung als eher weibliche Tendenz).
Es geht uns nicht darum, das Thema hier ausführlich darzustellen, sondern viel mehr um das
Bewusstsein, dass Personalentwicklung nicht geschlechtsneutral passieren kann. Gerade hier
handelt sich ja da um die Entwicklung von Männern und Frauen als Individuen - und eben nicht
bloss um sächliches ”Personal”.
4
Psychologie heute, Heft 1, 1998
13
Wer führt die Gespräche
im Schulleitungsteam?
Wir haben nun schon die 6 Handlungsfelder vorgestellt und werden im nächsten Kapitel die 5
Gesprächsformen entwickeln. Zuvor soll aber auf einer grundsätzlicheren Ebene die Frage
aufgegriffen werden, wer denn die Gespräche führt. Diese Frage kann in Teilfragen gegliedert
werden:
 Wer bringt die nötige Sachkompetenz mit?
 Wer hat die Befugnis und die Mittel, das Ergebnis in konkrete Schritte umzusetzen?
 Wer ist als GesprächsführerIn/GesprächspartnerIn beziehungsmässig geeignet bzw.
akzeptabel?
 Wer kann dem Gesprächsthema bzw. der Person mit der nötigen und reflektierten Mischung
von Empathie und Distanz begegenen?
Die Tabelle zeigt einige Punkte auf, welche bei der Wahl der Gesprächsleitung bzw. anderer
Partner zu berücksichtigen sind.
1. Anspruch: Sachverhalte klären
und Situation analysieren
-
2. Anspruch: Schritte setzen
-
3. Anspruch: Beziehungsmässig
OK sein
-
4. Anspruch: Reflexivität bezüglich
der eigenen Person
-
-
inhaltliche Kompetenzen zum Thema/Problem
Wissen über die konkrete Situation
Zugang zu Daten und Informationen
Weisungsbefugnis
Verfügung über finanzielle Mittel
Zugang zu weiterführenden Stellen
Befangenheit
Kollegialität und Freundschaft
Vertrauensbasis
Wissen über sich selbst (Feedbacksituation)
Alter, Berufsphase, Geschlechterprägung etc.
tiefer liegende Lieblingsthemen/Abneigungen
Besteht die Schulleitung in einer Person gestellt, dann sind kaum Ausweich-Optionen offen.
Trotzdem muss in heiklen Gesprächssituationen nach Kompensationsmöglichkeiten gesucht
werden, müssen die Ausstandspflicht beachtet oder eine oder zwei weitere Personen beigezogen
werden. Im Team lässt sich die Frage “Wer führt welches Gespräch?” differenzierter beantworten,
da ressourcenorientiert gearbeitet werden kann.
Die oben angeführten Gesichtspunkte sind je nach Gesprächsform unterschiedlich wichtig. Sie
sollten etwa bei einem Konfrontations- oder Qualifikationsgespräche mit drohenden Sanktionen
(noch) schärfer gehandhabt werden als bei anderen Gesprächsanlässen.
Wo sich ein Team in die Aufgabe der Personalentwicklung teilt, empfiehlt sich die wiederkehrende
Besinnung auf die folgenden Fragen:
 Welche Auswirkungen hat Personalarbeit auf die Informations-Macht-Balance im Team?
 Ist – ohne falschen Stolz - geklärt wer Ressourcen und Know-How für die verschiedenen
Gesprächsanlässe hat?
 Welche Highlights und Katastrophen im Bereich Personalarbeit hat das Thema erlebt und wer
hatte Anteil daran?
 Wie werden die Informationen innerhalb des Teams weitergegeben?
14
Gesprächsformen in der Personalarbeit
”Vor einigen Jahren habe ich versucht, als
Prozessberater für die Mitarbeiter zu dienen,
deren Direktor ich war. Natürlich war das eine
Katastrophe. Auch wenn ich dachte, ich könnte
unterscheiden, wann ich Berater und wann ich
Direktor war, die Mitarbeiter konnten es jedenfalls
nicht.”
Brendan W. Reddy5
Das ”Mitarbeitergespräch” gehört heute zur Standardrhetorik im Personalwesen. Bei genauerem
Hinschauen erweist sich dieser Begriff und viele dazugehörige Handweiser als problematisch.
Nicht selten wird zu viel in ein- und denselben Gesprächsanlass hineingepackt: Das ordentliche
”Mitarbeitergespräch” soll in 45 Minuten gleichzeitig die Jahresqualifikation mitteilen, den
Leistungsbonus festlegen, die weitere Karriere und Weiterbildungsmassnahmen besprechen,
Leistungsziele für die nächste Periode vereinbaren, den/die MitarbeiterIn motivieren,
seelsorgerische Unterstützung für das gestörte Privatleben bieten, Feedback für den/die
Vorgesetzte/n einholen und im Vorbeigehen auch grad noch einen aktuellen Konflikt, eine
vorliegende Beschwerde bereinigen. Das Ganze wird durch Sprüche wie ”Qualität durch
Qualifikation”, ”Fördern durch Fordern” oder ”Coaching for Change” geadelt, alles Beiträge zur
Rechtfertigung der problematischen Zweck- und Rollenvermischung, die in solchen Praktiken
geschieht.
Erfahrungen in Schulen und anderen sozialen Organisationen6 sowie wissenschaftliche
Untersuchungen zu den tatsächlichen Effekten solcher Praktiken in der Privatwirtschaft7 legen
nahe,
 die besonderen Zwecke und besonderen Regeln für die verschiedenartigen Gesprächsanlässe
gut auseinanderzuhalten;
 wann immer möglich, diese verschiedenartigen Gesprächsanlässe zeitlich zu trennen;
 sich gut zu überlegen, ob die Leitungsperson immer alle diese Anlässe allein bestreiten oder in
bestimmten Fällen anderen internen oder externen Personen überlassen sollte.
Wir schlagen eine Unterscheidung der folgenden fünf Gesprächsanlässe vor:
1. Das Standort- und Perspektivengespräch
2. Das Beratungs- und Problemlösegespräch
3. Das Leitungsfeedback-Gespräch
4. Das Konfrontations- und Konfliktlösegespräch
5. Das formelle Qualifikationsgespräch
Die folgenden Merkblätter geben Hinweise zur Anlage dieser fünf Gesprächsformen.
5
Reddy, Brendan W.: Prozessberatung für Kleingruppen. Leonberg (Rosenberger) 1999, 252
Strittmatter, Anton (Hrsg.): Beratungsqualität. Themenheft des journal für schulentwicklung, Heft 4/99,
Innsbruck/Wien (StudienVerlag) 1999
Riesen, Martin: Personalentwicklung als Führungsaufgabe in Bildungsorganisationen. Luzern (Akademie
für Erwachsenenbildung, Heft 21 der Reihe ”Aus der Praxis für die Praxis”) 1999
7 Beispielsweise: Becker, Fred G.: Grundlagen betrieblicher Leistungsbeurteilungen. Stuttgart (SchäfferPoeschel) 1998
6
15
Generelle Hinweise für die Führung von ”Personalgesprächen”
Den Boden bereiten:
 Klären Sie für sich die Bedeutung des Gesprächs und zu welchem Sinn und Zweck das
Gespräch geführt wird.
 Machen Sie sich Notizen in der Vorbereitung. Der jeweilige Gesprächsleitfaden wird Sie
während des Gesprächs unterstützen. Überlegen Sie dabei, inwieweit der
Gesprächsleitfaden in der Vorbereitung auf das Gespräch auch für ihre/n
GesprächspartnerIn hilfreich sein könnte.
 Jeder Gesprächsanlass in der Personalarbeit hat ein eigenes Profil und braucht daher
andere Schwerpunkte. Mit welchem Profil rechnen Sie für das anstehende Gespräch
bzw. Ihre Rolle dabei?
Neue
Möglichkeit
en und
Wege
- Kreativität
Fragend
zuhörend
Integrierend
Problem
Zukunftsorientiert
Vision
Dynamisierung
Auf das System
bezogen
Stabilisierung
Auf das
Individuum
bezogen
Vergangenheitsori
entiert
Biographie
Lösung
Differenzierend
♂
Sagend
anweisen
Analyse
Zum Beginn:
 Erläutern Sie, welche Bedeutung für sie das Gespräch hat ("freue mich"/"ist mir nicht
angenehm"/"bin gespannt darauf"/...)
 Klären Sie zu Beginn das Ziel, das erreicht werden soll.
 Klären Sie den zeitlichen Rahmen und die Form, wie das Ergebnis festgehalten werden
soll (gemeinsames Protokoll, etc.)
 Schaffen Sie in jedem Fall ein Gesprächsklima, das es ihrem Gegenüber ermöglicht,
selbst neue Themen/neue Aspekte einbringen zu können.
Mittendrinnen:
 Führen Sie mit Leitfragen durchs Gespräch. Erinnern Sie auch immer wieder an das
abgemachte Ziel (oder halten Sie fest, dass jetzt eine Zieländerung passiert).
16
 Bleiben Sie beim Thema, dem/der GesprächspartnerIn und dem jeweiligen
Gesprächsanlass. Bleiben Sie der Rolle der “Schulleitung” treu und lassen Sie sich nicht
in andere Rollen ziehen (Hobby-Psychologe, Freundin etc.).
 Es kann hilfreich sein, die wichtigsten Gesprächspunkte zu visualisieren und so die
Ergebnisse und offenen Fragen deutlich zu machen und so leichter auch beim Thema
zu bleiben.
 Sprechen Sie Irritationen an i.S. von R. Cohn “Störungen haben Vorrang”.
Gemeinsam aufhören:
 Fassen Sie gemeinsam das Gespräch zusammen: Ergebnisse, Abmachungen, noch
offene Punkte, nächste Schritte.
 Sparen Sie noch etwas Zeit aus für eine Feedback-Runde z.B. anhand des TZI-Modells:
Ich: Wie geht es mir? Wir: Wie habe ich uns erlebt?, Thema: Wie haben wir das Thema
bearbeitet? Globe: Konnten die Umgebungsbdingungen genügend gewürdigt werden?
Setting:
 Reservieren Sie sich genügend Zeit und legen Sie das Gespräch so, dass Sie davor
und danach keine dringenden Termine haben. Personalgespräche brauchen innere
Ruhe und Konzentration.
 Sie entscheiden als GesprächsleiterIn, wo das Gespräch stattfindet. Die verschiedenen
Gesprächsanlässe brauchen auch ihre “Orte”. Ein Konfrontations-/Konfliktlösegespräch
benötigt ein anderes Setting als ein Standort- und Perspektivengespräch. Überlegen Sie
sich, wo und wie Sie sitzen und welches Setting ihre GesprächspartnerInnen stärkt bzw.
ihre Führungsposition (an ihrem Schreibtisch, in einem Besprechungszimmer, etc.)
unterstützt.
 Klären Sie auch die Rahmenbedingungen? (Getränke, Frage des Rauchens,
Sitzordnung, Dokumentation, Visualisierung, ...)
Achtung Falle!










Monolog statt Dialog
fachliche Einmischung
Anbiederung/Gängelung
verdeckte Weisungsvorgaben
personenverletzende statt sachliche
Kritik
Gerüchte und Fakten vermischen
Kritik in Abwesenheit der betroffenen
Lehrerperson
Psychologisieren des Falls und der
beteiligten Personen
“Gespräch” per Telefon und E-Mail
mangels Zeit
Dritte mit der Kritik beauftragen
 unverbindliche Plauderei
 übertriebene Kritik
 alte Geschichten und frühere Fehler
ausgraben
 mit Killerphrasen arbeiten (”Das kenne
ich schon; das bringt ja doch nichts ”)
 Nonverbale Kritik durch ablehnende
Mimik oder Gestik
 Ignorieren des Gesprächspartners
 Kollegiale Beisshemmung (wenn
freundschaftliche Bindungen Kritik nicht
mehr zulassen)
17
Das Standort- und Perspektivengespräch
Zweck8
Der Lehrperson wird Gelegenheit geboten, anhand einer Gesprächssituation ihren beruflichen
Standort, ihren Platz an der Schule, ihre persönliche Entwicklung und Perspektiven für die
berufliche Weiterentwicklung zu reflektieren. Angesichts der strukturell bedingten
Perspektivenlosigkeit9, angesichts der Burnout-Gefährdungen und angesichts der starken
Verwurzelung im ”Autonomie-Paritäts-Muster” (Lortie) sind strukturell vorgesehene
Standortbestimmungen und Perspektivendiskussionen eine professionelle Notwendigkeit.
Aus Sicht der Schulleitung ist diese Gesprächsart nicht nur ein Dienstleistungsangebot an die
LehrerInnen, sondern auch ein Führungsmittel im Sinne des Personal-Portfolios: Wer kann/muss
wo optimal eingesetzt werden? Wer braucht welche Veränderungen/Entwicklungen, damit
seine/ihre Arbeitskraft der Schule erhalten werden kann? Wofür, für welche Funktionen an unserer
Schule müssen Leute frühzeitig interessiert und qualifiziert werden? Für wen wäre ein
”Tapetenwechsel” angezeigt, weil seine/ihre Stellung an der Schule in einer Sackgasse steckt?
Anlass/Setting
Es empfiehlt sich, das Standort- und Perspektivengespräch periodisch anzusetzen. Eine Periode
von 2-3 Jahren dürfte in den meisten Fällen den Zweck erfüllen. Kürzerfristig müssten solche
Gespräche bei Lehrpersonen in biografisch kritischen Situationen (z.B. Berufskrisen) und bei
Lehrpersonen auf Probe geführt werden.
Das Gespräch muss in einem geschützten Rahmen stattfinden: reservierte Zeit (60‘), behaglicher
und störungssicherer Raum, geklärte Vertraulichkeit.
Zur Vorbereitung kann das Schema ”Standort und Perspektiven” (nächste Seite) dienen.
Beide Partner leisten ihren Teil der Auswertung:
 Die Lehrperson formuliert ihre Lehren für das eigene persönliche Verhalten und lässt diese von
der Schulleitung quittieren (direkt am Ende des Gesprächs oder mit etwas Abstand; mündlich
oder schriftlich).
 Die Schulleitung(sperson) hält fest, was sie für die Unterstützung der Vorhaben der
Lehrperson zu tun gedenkt und lässt dies vom Gesprächspartner quittieren. Eine Weiterleitung
von Informationen an Dritte ist in der Regel nicht vorgesehen.
Besondere Kommunikationsgrundsätze
Das Standort- und Perspektivengespräch verfolgt rein formative Zwecke. Die Schulleitung ist in
diesem Setting vor allem dazu da, als Spiegel, als Klärungshelferin zu dienen. Sekundär kann die
Schulleitung auf wahrgenommene bzw. vermutete ”blinde Flecken” hinweisen und gegebenenfalls
können beide Partner in das Setting eines Beratungs- und Problemlösegesprächs wechseln (siehe
Merkblatt).
Folgende Grundsätze sind beim Standort- und Perspektivengespräch besonders zu beachten:
1. Eigentümerprinzip: Die Biografie und die Entwicklungsperspektiven gehören der Lehrperson.
Es ist ihr Leben, ihre berufliche Stellung, ihre Entscheidung, ihr Lernen. Für die
Gesprächsführung wichtig ist also alles, was der Lehrperson die Eigenverantwortung lässt und
stärkt: emphatisches Spiegeln, Fragen stellen und Möglichkeiten aufzeigen ohne zu
bedrängen, Antworten selbst finden lassen.
2. Impulse setzen: Als Hüterin des Personal-Portfolios kann und soll die Schulleitung auch
Impulse setzen, Bedürfnisse der Schule aufzeigen, eigene Wahrnehmungen zum
Entwicklungspotential der Lehrperson einbringen – immer unter Wahrung des
Eigentümerprinzips.
8
Wir verbinden hier die mittel- und die längerfristige Perspektive, die bei Martin Riesen
(Personalentwicklung als Führungsaufgabe in Bildungsorganisationen. Luzern [AEB] 1999, 32-36) in zwei
verschiedene Gesprächsformen strukturiert sind. Beide Strukturen sind möglich.
9 Die berufliche Normalbiografie sieht durchaus vor, vor derselben Wandtafel pensioniert zu werden, vor der
man vor 40 Jahren seine ”Laufbahn” begonnen hat. Spezialisierungen, bewusster Wechsel der Schulorte
und Stufen als Qualifizierungselement oder andere gezielte Massnahmen des job enrichment und job
enlargement bilden noch die Ausnahme.
18
Standort und Perspektiven10
Wie sieht meine berufliche
Weiterentwicklung aus?
Was unterstützt mich darin?
Aktuelle Situation:
(Einschätzung meiner Praxis)
Ziele/ Wünsche (
(Was will ich in Zukunft erreichen?)
 Was befriedigt mich? Wo kann ich
Stärken wahrnehmen?
 Wo sehe ich noch wenig genutzte
Möglichkeiten (Brachland)?
 Schwächen der Situation?
 Absehbare Veränderungen
(Chancen bzw. Bedrohungen)
 Was will ich in meiner beruflichen
Praxis in absehbarer Zeit verändern?
 Welche Veränderungen in meiner
Rolle strebe ich an?
 Was will ich in angefangenen
Veränderungen noch weiter
unternehmen?
 Wo bin ich in 10 Jahren?/ Wer bin ich
in 10 Jahren?


Deutung der aktuellen Situation:
Mittel (handeln)
(Wie werde ich meine Ziele erreichen?)
 Welche Ursachen sehe ich - bei
mir? im Betrieb? im privaten
Umfeld?
 Welche Bedeutung und welches
Gewicht haben diese
Situationsmerkmale für mich?
 Womit kann ich diese Ziele
erreichen?
 Wie muss sich meine Person, oder
mein Arbeitsumfeld verändern, damit
ich meine Ziele erreichen kann?
 Wie kann ich in den angefangenen
Bereichen weiterarbeiten?
 Wer oder was kann mich dabei
unterstützen?
10
Agogische Urteilsbildung nach: Dialoog - Ein Modell Dynamischer Urteilsbildung, Zürich 1993
19
Das Beratungs- und Problemlösegespräch
Zweck
”Sinn einer Beratung ist es, anderen zu helfen, ihre Probleme zu lösen, Entscheidungen
vorzubereiten und Alternativen zu finden.”11
Voraussetzung:
Schulleitungspersonen in Beratungssituationen benötigen
 einiges Know-how über Beratungsprozesse und ein entsprechendes Methodenrepertoire,
damit sie die zu Beratenden verstehen und sie wirksam in ihrem Prozess begleiten können;
 die Fähigkeit klar herauszuarbeiten, wer das Anliegen hat und wer an einer Lösung interessiert
ist und daran arbeiten möchte bzw. miteinbezogen werden muss (systemisches Verständnis);
 einen ”guten Draht” zur Person mit Beratungsbedarf.
Anlass/Setting:
Es gibt eine konkrete Fragestellung bzw. ein Anliegen einer Lehrperson. Das Beratungs- bzw.
Problemlösegespräch ist als solches klar deklariert. Die Person mit dem Anliegen will ihr Problem
lösen und ist an dieser Beratung interessiert ist. Das Beratungsgespräch ist also von dem/der
Ratsuchenden frei gewählt und von dem/der Beratenden auch so akzeptiert. Das heisst, dass
sowohl der/die Ratsuchende als auch der/die BeraterIn die Situation frei wählen und verändern
können und dass für die Beratungsperson absolute Diskretionspflicht gilt. Beratung wird hier nicht
als das Erteilen von Rat-”Schlägen” verstanden, sondern als ”Hilfe zur Selbsthilfe” und mit der
Haltung des /der BeraterIn sich ”überflüssig” zu machen. Das Beratungsgespräch ist in diesem
Sinne klar abgrenzbar gegen des Konfrontations- und Konfliktlösegespräch oder das
Qualifikationsgespräch, wobei auch diese soweit wie möglich in einer unterstützenden Haltung
geführt werden sollten.
Besondere Kommunikationsgrundsätze:
1. Klären Sie gleich zu Beginn die Rahmendingungen: Interessen, Rollen(un)verträglichkeiten,
Diskretionsregeln, Zeit und Raum.
2. Eine gute und ”wertschätzende” Beratung braucht Zeit. Stellen Sie zu Ihrem Gegenüber einen
Kontakt/Rapport her. Wichtig ist, dass der Mensch an sich im Vordergrund steht und nicht
irgendein ”Fall”.
3. Beratung ist auch als gegenseitiger Lernprozess zu verstehen – sowohl für den/ die BeraterIn
als auch für den/die Ratsuchende.
4. Hören Sie aktiv zu und achten Sie dabei auch auf die ”erzählten” Muster und Glaubenssätze
(z.B. ”Kann ich ja doch nicht ...”, Da kommen wir sicher nicht weiter.”). Spiegeln Sie die
gehörten Aussagen und Wahrnehmungen emphatisch wider. Bieten Sie Unterstützung im
Sinne von ”Hilfestellungen”, um auf Lösungspisten zu kommen”.
5. Vermeiden Sie, Lösungsideen aufzudrängen. Eine gute Lösung braucht Zeit und hat
nachhaltigere Qualität, wenn Sie vom Fallgeber selbst gefunden und bearbeitet wird.
6. Der Weg vom Problem zum Lösungsraum kann sich manchmal etwas schwierig gestalten, vor
allem wenn die ganze Energie in der Fallbeschreibung sozusagen ”verschwindet”. Nehmen
sie sich Zeit bis Sie verstehen um was es geht. Erst wenn das Problem klar ist, kann ein
”Reframing” stattfinden und somit der Problemlösungsraum von ”einer anderen ”Seite betreten
werden.
7. Eine klare Moderation bzw. die Arbeit mit Visualisierungstechniken kann bei der Suche nach
Lösungsansätzen hilfreich sein.
8. Versuchen Sie zu einem Realisierungsplan zu gelangen und nehmen Sie sich auch Zeit ihn
gemeinsam zu reflektieren.
11
Fischer, W./Schratz, M. : Schule leiten und gestalten. Innsbruck/Wien: StudienVerlag, 1993/2000, S. 59.
20
Verlauf
Es gilt hier die übliche Routine eines Problemlöseprozesses, welche je nach Situation flexibel
gehandhabt wird:
Kontraktklärung
Hier wird geklärt, weshalb und unter welchen Bedingungen eine ratsuchende Person sich an die
Schulleitungsperson für eine Beratung wenden will:
1. Worum geht es (als vorläufige, grobe Themaumschreibung)?
2. Weshalb wird die Schulleitungsperson in Anspruch genommen?
3. Was erwartet die ratsuchende Person vom Gespräch?
4. Ist die Schulleitungsperson der/die ”richtige” PartnerIn? Bestehen Rollenkonflikte oder
Kompetenzdefizite, welche die Wahl einer anderen Beratungsstelle nahelegen?
5. An welche Rahmenbedingungen soll sich das Gespräch halten (Zeitrahmen, Grundsätze)?
1. Das Problem verstehen
Die ratsuchende Person schildert das Problem. Für die Beratungsperson gilt das Prinzip ”aktives
Zuhören/Spiegeln”. Gehörtes Spiegeln bringt meist mehr an Klärungen als inquisitorisches
Ausfragen und sorgt besser dafür, dass das Problem und die aktive Lösungsenergie eher bei der
ratsuchenden Person bleiben. Felder der klärenden Erforschung des Problems können sein (nach
Thomann12):
 Das Anliegen (Was ist konkret anders und besser, wenn das Problem mal gelöst ist? Woran
würdest du Fortschritte oder die Lösung erkennen?)
 Die innere Situation (Wie fühlst du dich in dem Problem? Wie wichtig ist es dir geworden?
Wieweit verbinden sich mit dem Problem Ängste, Ärger, Sehnsüchte, Wut, Sympathien und
Antipathien, schlechtes Gewissen, Beklemmung u.ä.?)
 Konkrete Schlüsselsituationen (Wann tritt das Problem jeweils auf? Wie verlaufen solche
Situationen typischerweise?)
 Systemischer Kontext (Wer, welche Personen/Institutionen sind aktiv beteiligt? Wer gehört
deiner Meinung nach ursächlich oder für eine Lösung dazu? Tritt das Problem ausschliesslich
in bestimmten beruflichen oder auch unter anderen Umständen auf?)
Ratsuchende und Beratungsperson fassen am Ende zusammen, was sie verstanden haben und
ob sie darin übereinstimmen. Sie bestimmen nun die Suchfrage(n) für die Problemlösung. Diese
kann durchaus erheblich abweichen von der ursprünglichen Problemstellung, wenn ein
erfolgreiches ”Refraiming” stattgefunden hat.
(Unter Umständen ist das Gespräch hier schon am Ende, weil entweder durch diesen
Klärungsprozess die Problemlösung schon zugefallen ist, oder weil sich die Problemsicht so
verschoben hat, dass diese Art des Lösungssettings als nicht weiterführend erkannt worden ist.
2. Die Ideenproduktion
Hier sind Kreativmethoden13 der Ideenfindung angebracht: ein Brainstorming, imaginative
Methoden wie das ”Look-back-Exercice”, die Arbeit mit morphologischen Kästen oder mit
Metaphern (z.B. Synektik-Sitzung14). Wichtigste zwei Prinzipien: alles ist erlaubt, auch schräge
Ideen, Gedankensplitter und Assoziationen, bei denen noch nicht klar ist, was sie für die
Problemlösung bringen könnten; und den Fluss nicht lähmen, indem schon die erste Idee kaputt
diskutiert wird.
Die Beratungsperson kann sich an diesem Prozess dann beteiligen, wenn nicht durch ein
Autoritätsgefälle die von ihr produzierten Ideen ein prominenteres Gewicht erhalten als die Ideen
der ratsuchenden Person selbst.
12
Schulz von Thun, F: Praxisberatung in Gruppen. Weinheim/Basel: Belz 1996, S. 34ff.
vgl. hierzu z.B. Knieß, M.: Kreatives Arbeiten. Methoden und Übungen zur Kreativitätssteigerung.
München: dtv, 1995. oder Schlicksupp, H.: Ideenfindung. Würzburg: Vogel-Verlag, 1992.
14 Der Name leitet sich aus dem Griechischen synechein ab, das soviel wie ”miteinander in Verbindung
bringen, verknüpfen” bedeutet. Die Grundidee liegt darin, sachlich unzusammenhängende
Wissensstrukturen zu kombinieren und durch die Übertragung problemfremder Ideen zu neuen (Deutungs)Mustern zu kommen. Die Problemstellungen und Problemlösungen werden durch die Bildung von
Analogien z.B. aus der Natur oder der Technik verfremdet und über diesen Umweg werden neuen Ideen
möglich, quasi unter dem Motto: ”Mache dir das Fremde vertraut! Entfremde das Vertraute!”.
13
21
Es ist – vor allem in Hinsicht auf den nächsten Schritt – nützlich, die Ergebnisse laufend auf einem
grossen Papierbogen festzuhalten.
3. Erfolgversprechende ”Pisten” auswählen
Die ratsuchende Person (und nur sie!) wählt aus den vielen Gedanken von Schritt 2 diejenigen
aus, die ihr am interessantesten und zielführendsten erscheinen.
4. In den ausgewählten ”Pisten” Lösungen finden
Jetzt kann die Erörterung von möglichen konkreten Lösungen stattfinden. Die Ideen werden
konkretisiert, für und wider abgewogen, Lösungen miteinander verbunden, dabei ev. ganz neue
Pisten entdeckt – oder es findet dabei nochmals ein erhebliches Refraiming der Problemsicht statt,
welches zu einer Wiederholung der ganzen Schlaufe führt.
Wichtig ist in dieser Phase, dass die Beratungsperson die Führung bei der ratsuchenden belässt.
Konkret: Keine Lösungspisten ”aufschwatzen”, welche zuvor nicht gewählt worden sind, und nicht
vorschnell eine Lösungsidee ”segnen”, wenn andere noch nicht in Betracht gezogen wurden und
die Einwilligung in die Lösung bzw. den dazu erforderlichen Weg noch schwach erscheint.
5. Lösungen sichern
Der Weg vom Vorsatz zur erfolgreichen praktischen Umsetzung ist nicht ein automatischer. In der
Beratungssituation kann einiges für gute Umsetzungschancen getan werden:
 Konkrete nächste Schritte ausformulieren lassen.
 Dafür ev. notwendigen Unterstützungsbedarf klären (und ev. gleich Kontakte herstellen).
 Indikatoren für Fortschritte formulieren und Zeitpunkt und Art von Nach- bzw.
Zwischenevaluationen bestimmen.
Metakommunikation
Während des Beratungsgesprächs und am Ende ist es für beide Seiten profitabel, die Qualität der
erlebten Beratung zu überprüfen. Es werden Fragen der folgenden Art gestellt:
 Sind wir noch beim Thema?
 Sind wir gut unterwegs?
 Fühlt(e) sich der/die Ratsuchende frei, nicht bedrängt, ermutigt?
 Welche Art von Leistungen der Beratungsperson hat der/die Ratsuchende als besonders
hilfreich erlebt?
 Was hat es der Beratungsperson leicht/schwer gemacht, ihre Aufgabe gut zu erfüllen?
 Stimm(t)en die zeitlichen und räumlichen Rahmenbedingungen?
22
Das Leitungsfeedback-Gespräch
Zweck
Schulen gehören zu den Organisationen mit ”superflacher Qualifikationenverteilung auf hohem
Niveau”. Schulen bestehen grösstenteils aus lauter hoch und formell gleich qualifizierten
”MitarbeiterInnen” mit grosser Eigenverantwortung15. Dies bedeutet u.a., dass die Lehrerschaft
sehr stark in die Führung der Schule eingebunden werden muss und dass die bezeichnete
Schulleitung ihr Amt in Respekt vor der fachlichen (pädagogischen und didaktischen)
Ebenbürtigkeit oder gar Überlegenheit der Geführten auszuüben hat16.
Das Thema des Leitungsfeedback-Gesprächs ist das Verhältnis der einzelnen Lehrperson zur
Schulleitung und Schulgemeinschaft:
 Die bezeichnete Schulleitung formuliert, wie sie die Lehrperson als unterstützende oder
hemmende Akteurin in der Schulgemeinschaft, in ihrem Beitrag zur Schulleitung und
Schulentwicklung wahrnimmt.
 Die Lehrperson formuliert, wie sie die bezeichnete Schulleitung und ev. andere Leitungsorgane
als unterstützenden oder hemmenden Teil des Arbeitsumfeldes wahrnimmt.
Die Gewinnerwartung für beide Seiten ist die Optimierung der persönlichen Bedingungen der
Auftragserfüllung als Lehrperson bzw. als SchulleiterIn.
Anlass/Setting
Es empfiehlt sich, dieses Leitungsfeedback-Gespräch periodisch anzusetzen. Eine Periode von 23 Jahren dürfte den Zweck erfüllen, wenn daneben noch weitere Formen des Leitungsfeedbacks
praktiziert werden (z.B. Prozessbeobachtung und –feedback an Konferenzen, Leitungsevaluation
und horizontales Kollegialfeedback im Rahmen der ständigen Teamentwicklung).
Das Gespräch muss in einem geschützten Rahmen stattfinden: reservierte Zeit (30-45‘),
behaglicher und störungssicherer Raum, geklärte Vertraulichkeit.
Beide Partner werten das Gespräch individuell aus:
 Die Lehrperson formuliert ihre Lehren für das eigene persönliche Verhalten und lässt diese von
der Schulleitung quittieren (direkt am Ende des Gesprächs oder mit etwas Abstand; mündlich
oder schriftlich).
 Die Schulleitung(sperson) formuliert ihre Lehren für das eigene Verhalten und lässt diese vom
Gesprächspartner quittieren. Zusätzlich erstellt die Schulleitung nach der Durchführung einer
ganzen Runde eine zusammenfassende Auswertung und gibt diese dem Kollegium zur
Kenntnis bzw. stellt sie zur Diskussion.
Es kann sein, dass im Leitungsfeedback-Gespräch gegenüber einer Lehrperson schwerwiegende
Vorbehalte anzubringen sind (z.B. Ermahnung wegen unkollegialem, destruktiven oder
minimalistischem Verhalten). Dann werden – wie beim Konfrontations- und Konfliktgespräch –
konkrete Verhaltensziele und deren Überprüfung, die allfällige Information Dritter und mögliche
drohende Sanktionen festgehalten, nötigenfalls schriftlich protokolliert und zu den Personalakten
gegeben.
Besondere Kommunikationsgrundsätze
Das Leitungsfeedback-Gespräch verfolgt auf beiden Seiten Förderzwecke17. Es wird also
konsequent partnerschaftlich angelegt: Beide Seiten verstehen sich als Teil der Schulleitung,
15
Ausnahmen bilden PraktikantInnen oder NovizInnen in der Berufseinstiegsphase sowie das technische
Hauspersonal. Führung hat in diesen Fällen einen etwas anderen Stellenwert als gegenüber dem Gros der
Lehrerschaft.
16 Aus diesem Grunde halten wir es für fachlich problematisch, SchulleiterInnen mit der Beurteilung der
Unterrichtsqualität von LehrerInnen zu beauftragen. Es ist hingegen eine der wichtigen
Schulleitungsaufgaben, an der Schule für eine mehrperspektivische, hochwertige Feedbacksituation aller
Lehrpersonen besorgt zu sein. Dies geschieht etwa durch Einrichten des kollegialen Hospitierens, durch
regelmässiges und dokumentiertes Einholen von Feedbacks bzw. Beurteilungen der Lernenden, der
Eltern, der Abnehmer u.a.
17 Als Extremfall kann allerdings auch eine Konfrontationssituation eintreten. Dann gelten die Grundsätze
des Merkblatts zum Konfrontations- und Konfliktgespräch.
23
sehen ihre Beziehungen als Wechselwirkung und systemisch bedingt, sind auf der Suche nach
Bestätigungen und Optimierungen. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:
1. Das zu schaffende Gesprächsklima entspricht dem Rollenverständnis, dass beide zugleich
Gastgeber und Gast, FeedbackgeberIn und FeedbacknehmerIn sind.
2. Beide bereiten sich gleichermassen auf das Gespräch vor. Die Gesprächspunkte sind im
Voraus bekannt.
3. Es empfiehlt sich, die Lehrperson mit ihrem Schulleitungsfeedback beginnen zu lassen, dieses
dann zu quittieren und durch die Selbsteinschätzung und eine Diskussion der Folgerungen
abzuschliessen. Dann folgt das Feedback der Schulleitung an die Lehrperson, welches von
dieser ebenfalls quittiert, durch die Selbsteinschätzung ergänzt und schliesslich in eine
gemeinsame Diskussion und Erarbeitung von Folgerungen mündet.
4. Sehr wichtig ist bei diesem Gesprächstyp das ”aktive Zuhören”: zeigen, dass man verstanden
hat; das Gehörte in eigenen Worten zurückmelden.
5. In vielen Fällen reicht das Quittieren und das Formulieren eigener Schlussfolgerungen aus,
muss nicht unbedingt eine Übereinstimmung gesucht werden. Denn in diesem Gespräch geht
es zunächst um ganz subjektive Wahrheiten. Die Schulleitung muss Gelegenheit haben, in
mehreren Gesprächen verschiedene Stimmen zu hören, um sich ein gültiges Urteil über sich
selbst bilden zu können. Und die Lehrperson muss allenfalls Gelegenheit haben, bezüglich der
eigenen Kollegialität noch Feedbacks von KollegInnen (z.B. im Stufenteam, in der Fachschaft)
einzuholen.
6. Bei gewichtigen Problemen, in denen Selbst- und Fremdwahrnehmung stark
auseinanderklaffen, könnte vereinbart werden, zu den strittigen Fragen ein Feedback bzw.
eine offene Aussprache im ganzen Kollegium anzusetzen.
Themen
Grundsätzlich können sowohl Sach- wie auch Beziehungsfragen angesprochen werden. Bewährt
hat sich als Feedbackraster das System des Rollenverhandelns nach Harrison18. Dabei werden
drei Punkte angesprochen, welche von Ich-Botschaften, Aufgabenbezug, konstruktiven Hinweisen
und Verhandlungsbereitschaft charakterisiert sind:
Feedback
von SL an
LP



Feedback
von LP an
SL



Mit folgendem Verhalten hilfst du mir, meine Aufgabe als SL gut zu erfüllen:.....
Bitte behalte das bei.
Folgendes Verhalten erlebe ich bei dir ab und zu oder nie:.... Es würde mir sehr
helfen im Erfüllen meiner Aufgaben. Könntest du das öfters zeigen?
Folgendes Verhalten von dir erlebe ich als hinderlich für meine
Aufgabenerfüllung: .... Könntest du es ein wenig seltener zeigen oder ganz
darauf verzichten?
Mit folgendem Verhalten hilfst du mir, meine Aufgabe als LehrerIn gut zu erfüllen
und mich an der Schule wohl zu fühlen:.... Bitte behalte das bei.
Folgendes Verhalten erlebe ich bei dir ab und zu oder nie: ... Es würde mir sehr
helfen im Erfüllen meiner Aufgaben. Könntest du das öfters zeigen?
Folgendes Verhalten von dir erlebe ich als hinderlich für meine
Aufgabenerfüllung: ... Könntest du es ein wenig seltener zeigen oder ganz darauf
verzichten?
Der/die FeedbacknehmerIn kann bei einzelnen Punkten in eine Verhandlung treten: ”Ich kann das
so nicht erfüllen, könnte mir aber eine andere Lösung vorstellen: ...” oder ”Das könnte ich so
versuchen, brauche aber von dir dabei folgende Hilfe/Gegenleistung: ...”.
Eine offene Frage ist, ob von Seiten der Schulleitung Probleme einer Lehrperson mit anderen
KollegInnen angesprochen werden sollen, auch wenn diese die Erfüllung der
Schulleitungsaufgabe (noch) nicht direkt tangieren. Wir raten hier zu Zurückhaltung. Denn
18
Harrison, Roger: Rollenverhandeln. Ein harter Ansatz zur Teamentwicklung. In: Sievers, B. (Hrsg.):
Organisationsentwicklung als Problem. Stuttgart: Klett-Cotta, 1977, 116-133.
24
Probleme gehören dahin, wo sie wirken. Allenfalls kann dazu ein (separates) Beratungs- und
Problemlösegespräch im Sinne eines Coachings angesetzt werden, wenn die betreffende
Lehrperson das wünscht.
25
Das Konfrontations- und Konfliktlösegespräch
Zweck
Wie der Name sagt, geht es hier um zwei Zwecke, die miteinander verbunden oder je einzeln
verfolgt werden können:
 Konfrontation meint, jemandem ein Problem, einen Mangel, eine Beschwerde oder dergleichen
”gegenüberstellen”. Voraussetzung einer Problem- bzw. Konfliktlösung ist, dass der oder die
Betreffende überhaupt Kenntnis vom Problem nimmt und es anerkennt.
 Im Konfliktlösegespräch wird dann nach einer Lösung für das anstehende Problem gesucht
und werden Schritte zu deren Umsetzung und Überprüfung eingeleitet.
Manchmal reicht die Konfrontation schon aus, um eine Lösung in Gang zu setzen. Manchmal ist
das Problem schon bekannt und anerkannt, kann direkt in den Lösungsfindungsteil eingestiegen
werden. Manchmal müssen in weiteren Schritten weitere Beteiligte am Konflikt mit einbezogen –
konfrontiert und/oder in die Lösungsfindung eingebunden - werden.
Anlass/Setting
Im Unterschied zum Beratungs- und Problemlösegespräch ist hier eine direktive Situation
gegeben: Die Schulleitung als Hüterin bestimmter Güter (Regeln, Werte) nimmt eine Konfrontation
vor, um eine Lösung aktiv herbeizuführen. Die Anerkennung des Problems durch die Lehrperson
und deren aktive Mitwirkung an der Lösung ist zwar das Ziel, aber nicht eine zwingende
Bedingung.
Angezeigt ist ein solches Gespräch immer dann, wenn wichtige Güter bedroht sind (z.B. die
Würde von Menschen, das Einhalten von Vorschriften, das gute Funktionieren eines Teams, die
Erreichung wichtiger Ziele).
Handelt es sich eher um (noch) geringfügige Probleme, kann eine niederschwellige Konfrontation
”zwischen Tür und Angel” ausreichen. Bei gewichtigeren Problemen ist eine formelle, u.U.
”feierliche” Gesprächssituation in einem geschützten Rahmen anzulegen.
Besondere Kommunikationsgrundsätze
1. Wenn Sie konfrontieren, muss der Gegenstand der Konfrontation absolut klar sein: ein
objektiver Tatbestand, ein klares Empfinden, ein klar beschreibbares Gerücht oder eine klar
formulierte Beschwerde von Dritten.
2. Lassen Sie sich nicht in Fallen vom Typ ”Wer hat das gesagt!? Ich verlange Beweise!” oder
”Glaubst Du mir nicht? Es ist doch Deine Pflicht, Dich vor mich zu stellen!” manövrieren.
Insistieren Sie darauf, dass die Lehrperson sich mit dem Konfrontationsgegenstand selbst
auseinandersetzt und Ihnen die Informationen gibt bzw. Abklärungen zulässt, welche es Ihnen
erlauben, glaubwürdig (auch für andere Parteien) Stellung zu beziehen19.
3. Deklarieren Sie allen Beteiligten gegenüber, welche Güter/Werte (und nicht Namen) Sie in
einem solchen Konflikt vertreten und schützen wollen und in welcher Rolle Sie dies tun20.
4. Achten auf die Wahl der Ich- bzw. Wir-Botschaften. Ich und Wir unterscheiden, konsequent
anwenden und klarlegen, wer allenfalls Wir ist.
5. Prüfen sie sorgfältig, wer für welche Rolle in der Konfrontation und Konfliktbearbeitung
geeignet ist. Ziehen Sie rechtzeitig KollegInnen, externe Fachkräfte oder Vorgesetztenstellen
zu, wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie den Fall selbst und allein ”meistern” können.
6. Tun Sie - auch bei begründeten Vorwürfen - alles, um die menschliche Wertschätzung und die
Verteidigungschancen des/der Betroffenen aufrecht zu erhalten. Wer in der Würde ist, kann
19
Falls es sich um ein Gerücht oder eine noch ungeprüfte Beschwerde Dritter handelt, besteht die
Konfrontation eben darin. Es ist dann zunächst nicht entscheidend, ob das Gerücht oder die Beschwerde
”stimmt”, sondern das Problem besteht vorläufig darin, dass dieser Vorhalt existiert. Die Problemstellung
lautet dann z.B. ”Du hast das Problem, dass über Dich gesagt wird, dass... . Auch wenn Du den
Sachverhalt bestreitest und auch wenn ich geneigt bin/wäre, Dir zu glauben, bleibt die Frage, was Du dazu
beitragen kannst bzw. wie wir den Sachverhalt gründlich abklären, um diesem Vorhalt überzeugend
begegnen zu können.”
20 Auch hier auf Fallen achten, z.B. vom Typ ”Aber Du bist doch mein Freund” oder ”Aber Dir kann doch so
was auch passieren”. Sie agieren hier nicht als FreundIn, KollegIn, NachbarIn etc. sondern als
SchulleiterIn!
26
leichter ein Problem anerkennen und sich Lösungen zuwenden. Und geben Sie bei späteren
Begegnungen noch erfolgter Konfrontation und Problembearbeitung deutliche Zeichen dieser
intakten Wertschätzung (Anteilnahme am beruflichen Alltag, einen Kaffee trinken gehen etc.).
7. Verwenden Sie grosse Sorgfalt auf verbindliche Abmachungen.
8. Verwenden Sie grosse Sorgfalt auf geklärte Informationsflüsse (Wer erfährt was? Was wird wo
und für wen zugänglich festgehalten?)
9. Wenn sich Anschuldigungen nach erfolgten Abklärungen als falsch erweisen: Wenden sie
mindestens ebensoviel auf für notwendige Rehabilitationsmassnahmen.
Verlauf
Vorbereitung
 Was hat das Thema/diese Geschichte mit mir zu tun? Welche Bedeutung gebe ich dem
Ereignis? Inwiefern bin ich in meiner Rolle als SchulleiterIn und als KollegIn/Mensch von
diesem Thema betroffen? Welche Gefühle werden in mir wach? Tauchen alte Geschichten
auf?
 Fakten ordnen. Was brauche ich noch?
 Verlaufsvarianten ”ausmalen”. Welche Minimal-, Optimal- und Maximalergebnisse müssen
bzw. können erwartet werden? Mit welchen Ausweichversuchen ist zu rechnen?
 Rahmen klären: Was will ich zulassen, was nicht? Was ist verhandelbar, was nicht? Worauf
will/muss ich insistieren? Was lasse ich mir nicht ausreden?
 Wieviel Transparenz/Vorausinformation ist möglich: für den/die Betroffene bzw. für Dritte (z.B.
Behörde)? Was legt welche Diskretion bzw. verdeckte Vorgehensweisen nahe?
1. Konfrontationsphase
 Womit/wie kann ich möglichst direkt ”auf den Punkt” kommen? Welche Annäherungsschritte
sind nötig, ohne ”um den heissen Brei herum” zu reden?
 Klar und unmissverständlich sagen, was das Thema ist, welches der Inhalt der Konfrontation
(das Problem, der Vorwurf) ist.
 Gleich zu Beginn klarlegen, welchen ”Hut” Sie anhaben, in welcher Rolle Sie das
Konfrontationsgespräch führen. Allfällige Rollendilemmata ansprechen und erklären, wie Sie
damit umgehen wollen.
 Klarlegen, wer dem Vorhalt/dem Problem welche Bedeutung gibt, vor allem welche Bedeutung
sie ihm geben.
 Nötigenfalls Beispiele geben, sich aber nicht auf ”Feilschen” um Details einlassen.
 Klar formulieren, was geändert werden muss, welches das geforderte Verhalten ist.
 Auf ev. nötige emotionale und tempomässige Regulierungen (Pacing) achten: Emotionen
abklingen lassen, Emotionen zulassen oder verstärken; ebenso auf das Tempo des
Gesprächsflusses/Dialogs achten (verlangsamen oder beschleunigen).
 Den/die Betroffenen nach der Konfrontation Gelegenheit zur Stellungnahme geben: Wie wirkt
das Vorgetragene? Wie sieht die ”Sache” aus seiner/ihrer Sicht aus?
 Entscheiden Sie, ob Sie daraufhin nachhaken, insistieren oder eine erweiterte Sichtweise
diskutieren wollen oder aber es bei der ”Gegendarstellung” bewenden lassen.
2. Lösungsfindungsphase
Hier können Verfahren eingesetzt werden, wie sie im Merkblatt zum Beratungs- und
Problemlösegespräch genannt werden.
 Auch hier die Führung behalten! D.h. vor allem:
- Thema hüten
- Wichtige Güter/Werte/Ansprüche von Beteiligten hüten
- Rahmen hüten (Verhandelbares/nicht Verhandelbares)
- Zeit hüten
- Autonomie des/der Betroffenen und die eigene Autonomie hüten
 Zwischendurch Feedback einholen und geben (z.B. zu den obgenannten Punkten).
27

Auf Resultat hin lenken. Resultate können vor allem sein:
- Das Problem verstehen
- Einwilligen in das Problem
- Die beteiligten Interessen anerkennen
- Klare Distanzierung
- Klare und verbindliche Lösungsschritte/Abmachungen/Massnahmen
3. Ergebnissicherung
 Lösungsschritte verbindlich vereinbaren (Wer, Was, Wann?)
 Unterstützungsbedarf klären und entsprechende Massnahmen verbindlich abmachen.
 Informationsflüsse klären: Wer erfährt was von wem? Was wird mit welcher Ablage und
Zugänglichkeit schriftlich festgehalten?
Nachbereitung
 Abmachungen kontrollieren (gemeinsamer Termin vereinbaren).
 Wirkungen beobachten/rückmelden lassen
- bei dem/der Betroffenen
- in seiner/ihrer Umgebung
- bei Ihnen selbst
 Notwendige Korrekturen der Abmachungen/Massnahmen vornehmen.
 Positive Entwicklungen anerkennen/verstärken
28
Das formelle Qualifikationsgespräch
In der Aufzählung der Gesprächsformen haben wir das formelle, dienstliche
Qualifikationsgespräch der Vollständigkeit halber mit genannt. Wir bieten aber dazu aus
folgendem Grund keinen Leitfaden an:
1. Wir halten diese Gesprächsform für überflüssig, wenn die anderen Handlungsfelder der
Personalunterstützung bzw. die anderen vier Gesprächsformen spielen21.
2. Wo trotzdem aus gesetzlichen Gründen ein dienstliches Qualifikationsgespräch geführt werden
muss, existieren in der Regel bereits Vorschriften, vorgegebene Verlaufsschemen dafür.
Auf keinen Fall sollte das formelle, dienstliche Qualifikationsgespräch mit den anderen
Gesprächsanlässen und –formen vermischt werden, weil sie sich zwangsläufig gegenseitig
beeinträchtigen. Sollten sich im Zusammenhang mit dienstlichen Qualifikationen solche andere
Anlässe ergeben (z.B. Beratungs-, Laufbahnerörterungs- oder Konfrontationsbedürfnisse), sollten
dafür separate Gesprächstermine angesetzt werden.
Eine Ausnahme bilden die beiden vergleichsweise selteneren Situationen der Beurteilung anlässlich
der Umwandlung einer provisorischen Anstellung in eine definitive und das eventuell gewünschte oder
erforderlich Gespräch anlässlich einer Zeugnisausfertigung (z.B. wenn jemand für andere Stellen
Bewerbungsunterlagen braucht). Auch hierfür macht es aber wenig Sinn, einen Gesprächsleitfaden “für
alle Fälle” vorzuschlagen. Wer unsere hier entwickelte “Philosophie” begriffen hat, wird leicht für
solche besondere Situationen ein passendes Instrument selbst zusammenstellen können.
21
29
Umgang mit sensiblen Daten
Leitungspersonen kommt vieles ”zu Ohren”; in Gesprächen mit Lehrerinnen und Lehrern, mit
Eltern, mit Lernenden, mit Abnehmern oder mit schulischen Spezialdiensten kommt eine Menge
von Informationen über einzelne Personen zusammen. Viele dieser Informationen sind sensibel,
d.h. nicht für Jedermann bestimmt. Geraten sie in falsche Hände, entsteht Schaden für betroffene
Personen und oft auch für das ganze Vertrauensklima im Betrieb. Umgekehrt kann auch das
Vorenthalten von Informationen Schaden anrichten, wenn etwa durch Geheimniskrämerei
Misstrauen und Verdächtigungen begünstigt werden oder wenn Partner einer Person sich ihr
gegenüber in Unkenntnis bedeutsamer Informationen falsch verhalten. Es ist deshalb wichtig, im
Umgang mit Personendaten
1. korrekt und
2. hilfreich
zu handeln.
Korrekt: Datenschutzbestimmungen beachten
Der Bund und die Kantone haben Datenschutzbestimmungen und Regelungen betreffend die
Anlage und Aufbewahrung von Akten erlassen, welche für alle öffentlichen Bediensteten bindend
und in den Grundzügen auch für privatrechtliche Arbeitsbeziehung gültig sind. Schulleitungen
sollten die jeweils geltenden rechtlichen Auflagen unbedingt beachten. Auskünfte geben die
kantonalen Bildungsdirektionen und Datenschutzbeauftragten.
Hilfreich: Führungsansprüche beachten
Geltende Datenschutzbestimmungen sind die eine Koordinate, Werte des Führungshandelns die
andere. Unter Führungsaspekten sind folgende Grundsätze im Umgang mit sensiblen Daten
wichtig
1. Berechenbarkeit/Regelsicherheit schaffen
Alle Mitglieder der Schulgemeinschaft müssen wissen, welche Regeln des Umgangs mit
Informationen gelten. So entsteht Verlässlichkeit und Vertrauen und können alle Beteiligten bei
Verstössen gemahnt werden. Die Kenntnis und das Verstehen der Regeln sind periodisch
aufzufrischen.
2. Eigentümer-Prinzip
Die ”Ownership-Regel” besagt, dass wer Daten über sich selbst erzeugt (z.B. im Rahmen der
Selbstevaluation durch Einholen von Schülerfeedback, beim gegenseitigen Hospitieren oder bei
der Pflege eines eigenen Portfolios), über die Verwendung dieser Daten allein bestimmt. Dies gilt
auch für Gruppenmitglieder, die z.B. im Rahmen einer Qualitätsgruppe Kenntnis von solchen
Daten haben. Solches Wissen über andere darf nur im ausdrücklichen Einverständnis des/der
Eigentümers/in an dritte weitergegeben werden. Von dieser Diskretionspflicht ausgenommen sind
”Offizialdelikte”, etwa die Kenntnis von sexuellen oder anderen gewalttätigen Übergriffen oder von
betrügerischem Verhalten sowie absehbare Schadenereignisse, die schwerwiegende Gefährdung
von Menschen an Leib und Seele.
3. Verantwortung für unterlassene Information
Das schützende Eigentümerprinzip hat einen Preis: Die Übernahme von Verantwortung und
entsprechender Haftung durch die Person. Wer zum Selbstschutz etwa auf die Informationen von
Vorgesetzten oder Beratungsstellen über eigene Probleme verzichtet, muss die Verantwortung für
allfällige daraus resultierende Schäden bei sich und anderen übernehmen – und dann auch den
Preis dafür bezahlen, schlimmstenfalls bis hin zu Wiedergutmachung oder Entlassung. Mitwisser
um solche Probleme haben ihre Pflicht getan, wenn sie die problembelastete Person deutlich und
30
wiederholt auf das Problem bzw. auf Unterstützungsmöglichkeiten aufmerksam gemacht haben.
Ohne Zustimmung der Person vorgenommene Meldung an Dritte haben das Abwenden von
Schaden ”für Leib und Seele” gut abzuwägen gegen den oft schwerwiegenden Verlust von
Offenheit und Vertrauen, welcher durch gut gemeinte ”Denunziationen” entstehen kann.
4. Das Recht, konfrontiert zu werden
Der verbreitetste Missstand ist, dass belastete Personen oft spät und ”hintenherum” davon
erfahren, dass ”etwas gegen sie läuft” und andere schon länger um die Probleme wussten.
Jemanden schonen kann edler mitmenschlicher Gesinnung entspringen und ist manchmal
hilfreich. Was dabei zuwenig beachtet wird: Schonverhalten ist immer auch Bevormundung der
betroffenen Person. Es kann deshalb auch Arroganz sein, jemanden ungefragt einzuschätzen, für
andere ungefragt Verantwortung zu übernehmen, ungefragt zu entscheiden, was jemand erträgt
und was nicht. Nicht selten erheben so geschonte Menschen später den berechtigten Vorwurf,
man hätte ihnen ja gar keine Chance gegeben sich frühzeitig einem Problem zu stellen und
rechtzeitig Korrekturen einzuleiten. (Von Schonverhalten als feiges Ausweichen vor Konflikten
reden wir hier schon gar nicht.)
Wir meinen, dass es neben einem Recht auf Schonung auch ein Recht auf Konfrontiertwerden
gibt. Fairness muss die beiden Ansprüche in Erwägung ziehen. In der Praxis kann meist ein
behutsam geführtes, geschütztes ”Tast-Gespräch” mit der (vermutet oder real) problembelasteten
Person dieser die Möglichkeit und damit auch die Verantwortung geben, ihre Bedürfnisse nach
Schonung und nach Konfrontation zu äussern.
5. Gerüchten vorbeugen/entgegentreten
Schliesslich gilt es zu beachten, dass Informationen – auch ”Halbinformationen” sich rasch mal
verselbständigen können. Es ist eben nichts so spannend, wie Gerüchte zu produzieren und
weiterzugeben....
Wer über ”gute Informationen” (siehe Kasten) verfügt und damit rechnen muss, dass ”schlechte
Informationen” (Tratsch, Gerüchte) mit hohem Schadenpotential für Betroffene entstehen, oder
solche Gerüchte bereits wahrnimmt, gerät in ein Dilemma. ”Soll ich meine Diskretionspflicht
weiterhin durchhalten und damit den Gerüchten freien Bahn lassen, oder soll ich eingreifen, indem
ich wenigstens Teile meines Wissens öffentlich bekannt gebe?” Beides wäre unter dem
Schutzanspruch vertretbar; die Auswirkungen der einen oder der anderen Variante sind aber meist
leider nicht vorhersehbar.
Diese Zwickmühle ist durch die Führungsperson allein meist nicht zu bewältigen. Das Risiko
gutmeinend Fehler zu machen, damit Schaden anzurichten und am Ende dafür noch geprügelt zu
werden, ist gross. Der Ausweg kann auch hier nur darin bestehen, im Gespräch mit der
problembelasteten Person die Zwickmühle offen zulegen und die Verantwortung für das Vorgehen
mindestens mit ihr zu teilen, bestenfalls ihr die volle Verantwortung zu überlassen. Es kann
gemeinsam nach Möglichkeiten für die Vermeidung oder Korrektur von Gerüchten gesucht
werden, welche für beide Seiten tragbar sind. Als Führungsperson haben Sie dabei klarzulegen,
welchen Werten und rechtlichen Auflagen Sie sich in ihren Informationsentscheiden verpflichtet
fühlen.
31
Erste Schritte in eine professionelle und anerkannte
Personalentwicklung
Was tun, wenn die hier beschriebene Personalentwicklungsarbeit noch in den Kinderschuhen
steckt? Wie kommt eine Schule, eine Schulleitung zu einer ausgebauten Kultur der
Personalentwicklung?
Die Ursachen für die schwache Ausprägung des Führungsbereichs Personalentwicklung an vielen
Schulen sind vielfältig. Meist liegt es nicht nur an fehlender Tradition und mangelnden Kenntnissen
und Fähigkeiten, sondern in erster Linie daran, dass aktive Widerstände gegen die volle
Wahrnehmung der hier beschriebenen Aufgaben stehen.
Sechs ”gute” Gründe gegen Personalentwicklung
Die Lehrerschaft oder Teile von ihr haben subjektiv gute Gründe dafür, nicht nach mehr
Personalentwicklung durch die Schulleitung zu rufen:
1. Man fühlt sich seit jeher selbst verantwortlich und ermächtigt, die eigene Weiterentwicklung als
Lehrperson selbst zu steuern. Die neue Botschaft, Schulleitung solle künftig das Personal
entwickeln, kann dann leicht als Insuffizienz-Botschaft und als Entmündigungsversuch
aufgefasst werden.
2. Lehrerinnen und Lehrer haben aus ihrer täglichen pädagogischen Arbeit mit Lernenden sehr
konkrete Vorstellungen darüber, wie schwierig und unterschiedlich erfolgreich das Geschäft
des Entwickelns anderer Menschen ist. Sie misstrauen daher zu Recht jeglicher ManagementRhetorik, welche so tut, wie wenn mit ein paar markigen Regeln und simplen
Mitarbeitergesprächs-Leitfäden erfolgreich Personalentwicklung betrieben werden könne.
3. Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass ihre SchulleiterInnen im schulischen Kerngeschäft –
guten Unterricht machen – meist nicht besser qualifiziert sind, als sie selbst. Die Aussicht, von
einem pädagogisch gleich oder gar schlechter qualifizierten ”Kollegen” zwangsgefördert zu
werden, ist unter diesem Blickwinkel nicht berauschend.
4. Es gehört zur Kultur der meisten Schulen, dass es – im Gegensatz zu vielen anderen
Professionen - keine verlässlichen, allgemein anerkannten Regeln über den Umgang mit
sensiblen Informationen gibt. Die Aussicht darauf, dass nun unter dem Titel
Personalentwicklung in den Intimbereich des Lehrerhandelns eingedrungen werden soll, löst
so Ängste aus: Was geschieht dann mit den gewonnenen Erkenntnissen? Wie nachteilig kann
diese ”Förderung” für mich werden?
5. Wo zwischen Lehrperson(en) und Schulleitung ein gestörtes Vertrauensverhältnis besteht, ist
es undenkbar für die Lehrperson(en), ausgerechnet dieser Schulleitung die Erlaubnis zu
geben, sie zu entwickeln.
6. Schliesslich gibt es natürlich auch Lehrpersonen, die wohl wissen, dass bei ihnen grosser
Entwicklungsbedarf besteht, die sich das aber nicht eingestehen wollen bzw. nicht erlauben
können. Lehrpersonen in der Defensive, im Burnout, im Gefühl des Ungenügens können die
”Entwicklung von oben” als Bedrohung erleben, als Aussicht, an den Pranger gestellt zu
werden.
Es gilt, diese und vielleicht noch andere Startvoraussetzungen zu würdigen. Dabei spielt es fast
keine Rolle, ob Personalentwicklung im gesetzlichen Pflichtenheft der Schulleitung gefordert wird
oder nicht. Denn verordnete Personalentwicklung muss damit rechnen, aus den geschilderten
Widerstandsmotiven heraus an ihrer Entfaltung gehindert zu werden. Lehrerkollegien haben oft
über Jahrzehnte hinweg eine grosse Fähigkeit erlangt, unerwünschte bzw. als nachteilig taxierte
Neuerungen rasch unschädlich zu machen. Es entsteht – oft als heimliches Agreement mit der
Schulleitung – ein So-tun-als-ob, die Verharmlosung an und für sich guter Instrumente. Oder es
beginnt ein Hinausmobben der Schulleitung - zumindest aus dieser Aufgabe hinaus.
32
Kluge Annäherungen unternehmen
In jedem Fall beginnt das Thema mit einer Standortbestimmung: Was praktizieren wir bereits?
Was davon befriedigt subjektiv und gemessen an professionellen Vorstellungen? Welches sind
unbefriedigende Praktiken und wo liegen die Probleme? Wo ist Brachland, sind Entwicklungen auf
”neutralem” (noch nicht belastetem) Boden denkbar? An welche aktuellen Projekte –
Schulentwicklungen, Konfliktbearbeitungen etc. – könnten Elemente der Personalentwicklung
andocken? Welche der oben genannten Widerstände kommen auch bei uns vor?
Die Lagebeurteilung ermöglicht es, kluge Einstiege zu wählen. ”Klug” meint hier nicht ”clever”,
keine raffinierten Manipulationen zur Übertölpelung von Widerständigen, sondern eine Haltung
des unbedingten Ernstnehmens von Erwartungen und Befürchtungen.
Mögliche Einstiegselemente sind u.a. folgende:
1. Das A und O: an Vertrauen geniessender Führung arbeiten
Jegliche Personalarbeit durch Führungsleute ist zumindest eine Art ”Anmassung”: Es wird als
angemessen betrachtet, dass jemand (eine Führungsperson) andere fördert, konfrontiert, mit
Feedback versieht oder gar beurteilt und dabei zumindest Moderationsmacht22 ausübt. In einer
Organisation aus formell gleich und hoch qualifizierten Menschen (LehrerInnen) mit viel
Eigenverantwortung in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich (Unterricht) erträgt es formelle Hierarchien
nur unter drei Bedingungen:
 Die Aufgabe/Macht ist nicht nur ”von oben” (vom Schulträger), sondern auch ”von unten” (vom
Kollegium) delegiert. Hier: Die Schulleitung hat für die Personalentwicklung auch ein
ausdrückliches Mandat der Lehrerschaft.
 Um dieses Mandat zu bekommen, braucht Führung das Vertrauen der Mandatgeber. Hier: die
Gewissheit, dass die Führungsperson Personalarbeit mit dem nötigen Respekt vor der
Gleichqualifiziertheit der Lehrpersonen und unter verlässlicher Beachtung von Spielregeln des
Umgangs mit sensiblen Daten ausübt.
 Die Machtausübung wird kontrolliert/begrenzt durch fest eingerichtete Evaluation, durch
einforderbare Spielregeln, durch Rechenschaftslegung, durch qualifizierte Veto- und
Abwahlmöglichkeiten etc.
Die wichtigste Vorarbeit besteht also darin, Vertrauen zu schaffen, öffentliche und ausgehandelte
Regeln für die eigene Führungsarbeit zu entwickeln, um dann für neue, potenziell ”gefährliche”
Aufgaben ein Mandat der verschiedenen Beteiligten erhalten zu können.
2. Sich in Anteilnahme und Unterstützung bewähren
Die Lehrerinnen und Lehrer werden ”Einmischungen” bei den sensibleren Handlungsfeldern der
Personalentwicklung umso eher akzeptieren, als die Führungspersonen in den Handlungsfeldern
1 ”Anteil nehmen” und 2 ”Für Räume der Unterstützung sorgen” Kompetenz und
Vertrauenswürdigkeit gezeigt haben.
3. Mit den ”kleinen” Elementen anfangen
Lehrpersonen gleich ihre mittelfristige Weiterbildungsplanung und die Umsetzung erlebter
Weiterbildung auf den Tisch legen zu lassen, ist meistens ein zu grosser Schritt. Eine Idee wie der
”Weiterbildungskiosk” hingegen lässt sich ohne Probleme mal probeweise in Gang setzen. Ein
feierliches Standort- und Perspektivengespräch fällt leichter, wenn vorher eine Anerkennung
besonderer Fähigkeiten passiert ist. Kollegiale Hospitiergruppen machen weniger Angst als das
Einfordern von Elternfeedback. Es lässt sich im Kollegium leicht abtasten, wozu eher Neugier und
Interesse und wozu eher Hemmungen und Abwehr bestehen.
22
Moderationsmacht ist nicht dasselbe wie z.B. Anordnungs- oder Sanktionsmacht. Moderationsmacht
wahrnehmen heisst, Leute an einen Tisch befehlen, das Diskussions- und Entscheidungsfindungs-Setting
bestimmen, Regeln des zivilisierten Streitgesprächs durchsetzen etc.,
33
4. ”Natürliche” Anlässe nutzen
Einen fast idealen Zugang bieten ohnehin laufende Projekte bzw. Vorgänge: Eine gemeinsam
erlebte schulinterne Weiterbildung zum Anlass nehmen, persönliche Weiterbildungserfahrungen
mit etwas Systematik auszutauschen. Einen offenen Konflikt dazu nutzen, Erfahrungen mit guten
Konfrontationsgesprächen zu machen und miteinander nachzuschauen, was vielleicht schon viel
früher schief gelaufen ist und in Zukunft besser gemacht werden könnte. Einen Kollegen, der um
ein Standort- und Perspektivengespräch nachgesucht hatte, im Kollegium von seinen Erfahrungen
damit berichten lassen.
5. Vorhandene Ansätze ausbauen
Am ergiebigsten schliesslich ist der Ausbau schon vorhandener Ansätze vor Inangriffnahme völlig
neuer. Wo Qualitätsgruppen mit Hospitationen und SchülerInnenfeedback arbeiten, ist es ein
kleiner Schritt, das Schulleitungsfeedback im selben Sinn und Geist hinzuzufügen. Wo bereits ein
”Weiterbildungskiosk” funktioniert, ist der Schritt zur Verhandlung der individuellen
Weiterbildungspläne im Stufen- oder Fachteam nicht mehr gross.
34
Diagnose: Mein sozialer Unterstützungsbedarf
nach ARONSON, E u.a. (1989) Ausgebrannt. Stuttgart: Klett23
Unterstützungsfunktion
Zuhören
Wir brauchen Menschen, die uns
zuhören können: annehmend,
ermutigend, mitfühlend, ohne
Ratschläge zu erteilen.
Ich gebe ...
Fachliche Anerkennung
Sie ist besonders wirksam, wenn sie
von kompetenten, ihrerseits fachlich
anerkannten Personen kommt (von
Kollegen/Kolleginnen, Vorgesetzten
usw.)
Fachliche Herausforderung
Damit wir nicht stagnieren, brauchen
wir Herausforderungen durch
andere. Kritische Menschen, die uns
herausfordern, sind deshalb wichtig,
um sich fachlich weiterzuentwickeln.
Emotionale Bestätigung
Wir brauchen Menschen, denen wir
als Menschen, so wie wir sind,
wichtig sind und bei denen wir
spüren, dass sie verlässlich zu uns
halten und dass wir unsere Gefühle
vor ihnen nicht verstecken müssen.
Emotionale Herausforderung
Wir brauchen Menschen, die uns
kritisch mit unserem So-sein
konfrontieren. Sie sind für unser
Wachstum förderlich, weil sie sich
mit uns auseinandersetzen.
Gemeinsame soziale Realitäten
Wir brauchen Menschen, die
ähnliche Lebenssituationen,
Erfahrungen und Prioritäten mit uns
teilen, die aus ihrem
Lebenszusammenhang heraus für
uns glaubwürdig Rat anbieten
können.
23
AEB/PA LCH/Führen/Martin Riesen/1998
Ich nehme ...
35
Weiterbildung im Schulteam zum
Thema machen
Die Weiterbildung der Lehrpersonen war lange Zeit von zwei tabuartigen Regeln geprägt:
1. Es ist der einzelnen Lehrperson überlassen, welche Weiterbildung sie unternimmt bzw. ob sie
sich überhaupt weiterbildet.
2. Weiterbildung ist Privatsache. Was die Lehrperson dabei lehrt, gehört ihr allein und ist nicht
mitteilungspflichtig.
Die erste Regel ist seit den Siebzigerjahren in den meisten Schweizer Kantonen durch ein
staatlich definiertes zeitliches Obligatorium ersetzt worden (z.B. mindestens 5 Tage pro Jahr). Im
”Amtsauftrag” (auch ”Berufsauftrag” oder ”Dienstauftrag” genannt) für die Lehrpersonen hat sich in
einigen Kantonen die Formel eingebürgert, dass rund 5 % der Arbeitszeit (entspricht ca. 11 Tagen
pro Jahr) für die persönliche und gemeinschaftliche Weiterbildung zu investieren sind – bei einem
weiten Verständnis von Weiterbildung, welches über den klassischen Kursbesuch hinaus geht. In
ähnliche Richtung gehen die Ansprüche des Dachverbandes Schweizer Lehrerinnen und Lehrer
LCH in dessen Standesregeln und in dessen ”Weiterbildungs-Charta”.
Die zweite Regel kommt nun auch langsam ins Wanken. Der Berufsverband LCH trägt mit seiner
”Weiterbildungs-Charta” und neuerdings mit seinen ”Standesregeln” zu einem neuen Verständnis
der Weiterbildung bei. In der Standesregel 4 heisst es u.a.: ”Die Lehrperson misst der
Zusammenarbeit, dem Austausch über geplante und erlebte Weiterbildung und dem Lernen im
Team eine besondere Bedeutung zu. Sie evaluiert ihre persönliche Arbeitssituation und
Weiterbildung und trägt zur Entwicklung und Evaluation der ganzen Schule bei.” Damit wird die
Weiterbildung klar über die persönliche Privatsphäre hinaus gehoben und zu einer die ganze
Schule bzw. das Kollegium betreffenden, rechenschafts- und dialogpflichtigen Angelegenheit
gemacht.
Nun hat die Handhabung der Weiterbildung als zumindest ”halböffentlicher” Gegenstand noch
kaum Tradition. Wir geben nachfolgend einige praktische Hinweise für den Umgang mit
Weiterbildung als Thema im Kollegium24.
Ziele
Die persönliche Weiterbildung ist ein Gegenstand im ”Standort- und Perspektivengespräch”
zwischen Lehrperson und Schulleitung (vgl. Kapitel XY). Darüber hinaus werden hier Strukturen
der gemeinsamen Aushandlung und des Wissensaustausches vorgeschlagen, welche dem
Erreichen folgender Ziele dienen:
1. Die einzelnen Lehrpersonen sollen zusätzliche Orte der Reflexion über ihre
Weiterbildungsplanung und ihre Weiterbildungserfahrungen erhalten, welche das eigene
Lernen noch besser vertiefen und steuern helfen.
2. Die einzelnen Lehrpersonen sollen vom Lernen ihrer KollegInnen mitprofitieren, einen
erleichterten Zugang zum Know-how anderer erhalten.
3. Dadurch sollen alle Lehrpersonen sich in ihrem Weiterbildungsverhalten bestätigt, gestützt und
ermuntert fühlen.
4. Und schliesslich sollen gemeinsame Weiterbildungsvorhaben des Kollegiums oder von
Kleingruppen im Kollegium entstehen können, welche ein ökonomisches, nachhaltiges und
auch der Schulentwicklung dienendes Lernen ermöglichen.
Zu beachtende Grundsätze
24
Die Hinweise sind in einem Pilotversuch im Kanton Obwalden erprobt worden, wofür wir dem Leiter der
kantonalen Weiterbildung (André Abächerli) und den beteiligten SchulleiterInnen und LehrerInnen herzlich
danken.
36
Mit Feingefühl vorgehen: Beachten und respektieren, dass Lernen eine subjektive Angelegenheit
ist, mit persönlichem Problemempfinden (manchmal verbunden mit Schuldgefühlen.
1. Bereich: Erfahrungs- und Know-how-Austausch
Empfehlenswert sind drei verschiedenartige Austauschgefässe:
 Regel- und routinemässige Berichtsrunden als Traktandum im Rahmen der ordentlichen
Konferenzen/Teamsitzungen:
Wer hat von einer Weiterbildung zu berichten? Wo ist was zu holen (Unterlagen, Hospitieren,
mündliche Auskünfte)? Welche Erfahrungen sollten vertieft in einem Spezialgefäss
weitergegeben werden (gleich fixieren!)?
Zeitbedarf 10-20'
 Markt:
Es werden gleichzeitig (z.B. von 3-5 KollegInnen/Teams) Angebote gemacht, die parallel
wahlweise besucht werden können. Marktstände mit Selbstlernmaterialien, ein Video über die
Umsetzung im eigenen Unterricht, ein geleitetes Atelier/Workshop zum Thema XY.
Zeitbedarf: 1/2 - 1 Tag
 Interner Kurs/Workshop:
Das auswärts oder im Rahmen eines SCHILF-Projekts nur von einer Gruppe erworbene Knowhow wird kursartig an interessierte KollegInnen oder das ganze Team weitergegeben.
Zeitbedarf: 1/2 - 1 Tag oder mehrere Abende
Die dritte Variante ist die anspruchsvollste und kann nicht als Anspruch für alle gelten (Problem
des "Propheten im eigenen Lande", fehlende erwachsenenbildnerische Kompetenzen). Im kleinen
Rahmen (z.B. im Stufenteam) und zu zweit oder zu dritt geleitet ist allerdings auch diese Variante
gut möglich.
2. Bereich: Weiterbildungs-Vorschau
Ein bis zwei Mal im Jahr findet eine Runde Weiterbildungs-Vorschau statt: Die Teammitglieder
berichten über ihre Weiterbildungspläne. Es geht dabei um
 Wahrnehmen von Möglichkeiten des "Sich-Anhängens"
 Erkennen von terminlichen oder finanziellen Friktionen (wenn zu viele gleichzeitig wollen)
 Mitgeben von Fragen/Erwartungen
 Stellen von Fragen an die anderen ("Hat jemand schon Erfahrung mit dieser Art von
Weiterbildung?" "Kennt jemand diese Referentin?", "Würdet ihr mir das raten?" etc.)
 Erkennen von Interessen, welche vielleicht zu einer SCHILF-Variante des
Weiterbildungsbedürfnisses führen
 Vermitteln von Ideen/Ansporn für die noch unentschlossenen KollegInnen
3. Bereich: Aushandlung von Weiterbildungs-Dilemmata
Es kann vorkommen, dass die Weiterbildungs-Nachfrage grösser ist als die verteilbaren Mittel.
Oder dass ein Kampf um begehrte Plätze ausbricht. Oder dass über die SCHILF-Themen
Uneinigkeit herrscht. Dann sind eigentliche Aushandlungsrunden angezeigt. Empfehlenswert ist
dafür folgendes einfache Verlaufsschema:
1. Klären des Ziels der Runde (Was soll das Resultat sein? Was soll nicht passieren?)
2. Auslegeordnung der Interessen (Wer hat welche Interessen? Wem ist was wichtig?). Eine gute
Möglichkeit der Themenfindung bietet das Nominelle-Gruppen-Technik-Verfahren25.
3. Spiegeln/Zusammenfassen der Übereinstimmungen und Abweichungen bzw. der möglichen
Konflikt-/Aushandlungspunkte (durch die Leitung/Protokollführung)
25
Die NGT (Nominelle Gruppen Technik) ist eine Methode der Entscheidungsfindung und beruht auf einem
Bewertungsvorgang, der ein paar Mal hintereinander stark strukturiert abläuft und ermöglicht aus vielen
Alternativen eine getragene und von den TeilnehmerInnen unterstütze Auswahl/Entscheidung zu treffen.
Siehe z.B. Haynes, M.: Konferenzen erfolgreich gestalten. Wien: Ueberreuter, 1991, S. 42-48.
37
4. Klären des weiteren Vorgehens (Diskussion, Unterbruch und spätere Wiederaufnahme, Art der
Konsensfindung, Entscheidungsregeln)
5. Diskussion von Für und Wider der Alternativen
6. Entscheidungsfindung gemäss den vereinbarten Regeln
7. Festhalten des Resultats, ev. Abmachen der Überprüfung/Evaluation
4. Bereich: Evaluation der Weiterbildungseffekte
In der individuellen Variante geht es hier um die Überprüfung von "guten Vorsätzen" z.B. in Form
eines Lerntagebuchs oder einer Lernpartnerschaft. Erkenntnisse von allgemeinem Interesse
werden dem Team berichtet.
Bei gemeinschaftlichen Weiterbildungen können die Markt-Form (siehe oben), eine schriftliche
Befragung, Gesprächsrunden, eine SOFT-Analyse26 u.ä. als Evaluationsanlage verwendet
werden, wobei dann neben den inhaltlichen Erkenntnissen auch die Meta-Ebene wichtig ist:
Konnte ich/konnten wir unsere Ziele erreichen? Was hat uns dabei geholfen? Was hat uns dabei
behindert, ist uns schwer gefallen? Welche Unterstützung bräuchten wir jetzt, um die letzten paar
Meter auch noch zurückzulegen? Was folgern wir aus dieser Erfahrung für die nächsten Projekte?
26
SOFT: Stärken (Strengths) – Chancen (Opportunities) - Schwächen (Faults) – Risiken (Threats)
38
Feedbackregeln
Hilfreich Feedback geben
 Manchmal ist es nötig, jemanden ”ungebeten” mit Wahrnehmungen zu konfrontieren.
Erwünschtes, ”bestelltes” Feedback fällt jedoch meist auf fruchtbareren Boden.
 Feedbacks sind besser nachvollziehbar, wenn sie in möglichst kurzem zeitlichen Abstand auf
die Beobachtung bzw. auf das Geschehen erfolgen.
 Tatsachenwahrnehmungen als Tatsachenwahrnehmung, Vermutungen als Vermutungen,
Gefühle als Gefühle mitteilen.
 Stärken ansprechen und Wertschätzung zeigen ist auf Dauer verhaltenswirksamer als das
Vorlesen von Mängellisten. Bewusst gepflegte Stärken bringen Mängel oft ”von alleine” zum
Verschwinden.
 Wenn Mängel angesprochen werden müssen: Sagen, was stört und missfällt (ohne Ursachen
zu behaupten!) - wo möglich auch, was positiv erwartet wird (Verhalten).
 Nachfragen, was verstanden wurde und wie das Feedback angekommen ist, wie es auf die
Person wirkt.
 Sich nicht auf ”Feilschen” einlassen. Feedback-Mitteilung und eventuell erforderliche Klärungen
und Verhandlungen wenn nötig zeitlich trennen.
 Keine Pauschalurteile und ”psychologisierende” Deutungen, welche die ganze Person
abstempeln. Vielmehr die konkreten, beobachteten Verhaltensweisen und Wirkungen mitteilen.
 Als Grundregel gilt: Es ist fast jede Art von Feedback erlaubt, wenn es in einer Haltung der
Wertschätzung des Menschen mitgeteilt und Gesichtsverlust vermieden wird.
Ergänzende Regeln:

Ich erwarte weder von anderen noch von mir selbst, dass wir sämtliche Ansprüche immer und
gleichzeitig erfüllen können.

Ich darf - als FeedbackgeberIn - ab und zu Wirkungsfehler machen, mal zu schonend oder zu
schroff wirken oder zum falschen Zeitpunkt das Richtige oder zum richtigen Zeitpunkt das
Falsche sagen - so lange ich wohlwollend und echt bin in meiner Äusserung. Solche
Feedback”fehler” lasse ich mir nicht verbieten, ich lasse sie mir aber vorhalten.

Ich darf - als FeedbackempfängerIn - mir Kritik anhören, ohne darauf mit Zustimmung,
Rechtfertigung, Ablehnung oder sofortiger Korrektur(versprechung) zu reagieren. Ich darf mir
vorbehalten, kritische Fremdwahrnehmungen für falsch zu halten oder ihnen eine andere
Bedeutung für mich zu geben, als sie für den/die AbsenderIn hat. Und ich darf zu erkannten
Mängeln als Preis für andere Qualitäten stehen.
Anton Strittmatter/Susan Hedinger, Sursee/Zofingen (1999)
39
Feedback empfangen
 Ich empfinde oft auch ”ungebetene” Feedbacks als hilfreich. "Bestellte" Feedbacks in
reservierten Zeitgefässen und mit geklärten Interessen und Verfahrensregeln fallen aber auch
bei mir meist auf fruchtbareren Boden.
 Ich kann Feedbacks besser nachvollziehen, wenn sie in möglichst kurzem zeitlichen Abstand
auf die Beobachtung bzw. auf das Geschehen erfolgen.
 Es hilft mir, wenn Tatsachenwahrnehmungen als Tatsachenwahrnehmung, Vermutungen als
Vermutungen, Gefühle als Gefühle mitgeteilt werden.
 Ich nehme gerne Rückmeldungen über Mängel bzw. Probleme entgegen. Es hilft mir aber
auch, wenn ich Stärken zurückgespiegelt kriege. Ich kann diese dann ausbauen bzw. zu ihnen
Sorge tragen.
 Wenn Mängel angesprochen werden: Sagen, was stört und missfällt (ohne Ursachen zu
behaupten!) - wo möglich auch, was positiv erwartet wird (Verhalten). Feedbacks sind aber
auch ohne diese Zusätze erlaubt.
 Ich werde manchmal nachfragen, wie ich das verstehen soll, und mitteilen, wie das Feedback
angekommen ist.
 Ich möchte vermeiden, dass wir zu ”feilschen” beginnen. Sage es mir, wenn ich ins
Rechtfertigen gerate. Wenn nötig werden wir Feedback-Mitteilung und eventuell erforderliche
Klärungen und Verhandlungen zeitlich trennen.
 Pauschalurteile und ”psychologisierende” Deutungen, welche die ganze Person abstempeln,
werde ich nicht entgegen nehmen. Bitte teile mir konkrete, beobachtete Verhaltensweisen
und/oder Wirkungen mit.
 Als Grundregel gilt: Es ist jede Art von Feedback erlaubt, wenn es in einer Haltung der
Wertschätzung des Menschen mitgeteilt wird.
Ergänzende Regeln:
1. Ich erwarte weder von anderen noch von mir selbst, dass wir die gestellten Ansprüche immer
und gleichzeitig erfüllen können.
2. Man darf - als FeedbackgeberIn und -empfängerIn - ab und zu Wirkungsfehler machen, mal zu
schonend oder zu schroff wirken oder zum falschen Zeitpunkt das Richtige oder zum richtigen
Zeitpunkt das Falsche sagen - so lange es wohlwollend und echt in der Äusserung geschieht.
Solche Feedback”fehler” muss sich niemand verbieten, aber vielleicht vorhalten lassen.
3. Ich darf - als FeedbackempfängerIn - mir Kritik anhören, ohne darauf mit Zustimmung,
Rechtfertigung, Ablehnung oder sofortiger Korrektur(versprechung) zu reagieren. Ich darf mir
vorbehalten, kritische Fremdwahrnehmungen für falsch zu halten oder ihnen eine andere
Bedeutung für mich zu geben, als sie für den/die AbsenderIn hat. Und ich darf zu erkannten
Mängeln als Preis für andere Qualitäten stehen.
Anton Strittmatter/Susan Hedinger, Sursee/Zofingen (1999)
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Literatur
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