Pressedienst von Travail.Suisse – Nr. 8 – 25. Mai 2009 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ Internationale Arbeitskonferenz vom 3. - 19. Juni 2009 Menschenwürdige Arbeit als Mittel gegen die Krise Wie jedes Jahr tagt im Juni die Internationale Arbeitskonferenz in Genf. Dem diesjährigen Treffen kommt angesichts der globalen Beschäftigungskrise eine besondere Bedeutung zu. Entsprechend hat die Krise die Agenda der Konferenz auf den Kopf gestellt: Der Schwerpunkt liegt auf menschenwürdiger Arbeit als Grundpfeiler eines nachhaltigen Aufschwungs. Am 15. und 16. Juni 2009 wird im Rahmen der Internationalen Arbeitskonferenz der Gipfel der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zur weltweiten Beschäftigungskrise abgehalten. Denn die aktuelle Krise bietet der IAO die Chance, nach dem Vorbild von IWF, WTO und anderen internationalen Institutionen eine Führungsrolle zu übernehmen und sich dafür einzusetzen, dass menschenwürdige Arbeit und Nachhaltigkeit das Fundament des Wirtschaftsaufschwungs bilden. Nach dem G20-Gipfel von Anfang April 2009, bei dem Massnahmen zur Reform der internationalen Finanzarchitektur verankert wurden, erhielt die IAO gemeinsam mit den anderen internationalen Institutionen den Auftrag, die Konjunkturmassnahmen der einzelnen Länder im Bereich der Beschäftigung zu verfolgen und Empfehlungen zuhanden der Regierungen abzugeben. Beim IAO-Gipfel zur globalen Beschäftigungskrise kommen Staatschefs (u.a. Nicolas Sarkozy), Verantwortliche der Gewerkschafts- und der Arbeitgeberseite sowie Vertreterinnen und Vertreter von regionalen Institutionen und Entwicklungsorganisationen zusammen. Der Gipfel bietet somit eine weltumspannende Plattform, bei der finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Ziele zu den Themen Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit formuliert werden. Die Schlussfolgerungen des Gipfels werden der Internationalen Arbeitskonferenz zur Verabschiedung vorgelegt. Für eine neue Art der Globalisierung Für die IAO geht es darum, Lehren aus einer Epoche der Globalisierung zu ziehen, die sich ihrem Ende zuneigt, und das Fundament für eine neue Art der Globalisierung zu legen. Den Rahmen für Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung sollen dabei offene, nachhaltige, gerechte und umweltverträgliche Gesellschaften und Volkswirtschaften bilden. Ein Grund für die aktuelle Krise lag in der vorherrschenden Ansicht über den richtigen politischen Kurs, bei dem die Fähigkeit der Märkte zur Selbstregulierung überschätzt, die Rolle des Staates unterschätzt und menschenunwürdige Arbeit in Kauf genommen wurde. Pressedienst von Travail.Suisse – Nr. 8 – 25. Mai 2009 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ Die IAO will mit einem Globalen Beschäftigungspakt eine konkrete Antwort liefern und dieser neuen Art der Globalisierung einen Inhalt geben (siehe Kasten „Elemente des Globalen Beschäftigungspakts“). Der Pakt sieht die Antwort auf die Krise in menschenwürdiger Arbeit. Als strategisches Ziel will der Pakt bei den nationalen Konjunkturmassnahmen Themen ins Zentrum stellen, welche die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt, die soziale Sicherheit und die Rechte der Arbeitnehmenden betreffen. Ein sozialer Dialog wird als Schlüsselelement auf dem Weg zu einem Konsens erachtet. Es handelt sich gleichzeitig um einen weltumspannenden Pakt, der eine Harmonisierung der Politik von Regierungen und internationalen Organisationen anstrebt, und um einen lokalen Pakt, der den vielfältigen nationalen Realitäten, Bedürfnissen und Prioritäten angepasst werden kann. Elemente des Globalen Beschäftigungspakts zu den Themen Beschäftigung und soziale Sicherheit Unternehmen und namentlich KMU unterstützen, indem deren Zugang zu Krediten sichergestellt wird; langfristig Stellen sichern, indem mit Kurzarbeit und Weiterbildungen versucht wird, Entlassungen zu vermeiden; Leistungen der Arbeitslosenversicherung verbessern (vor allem in Ländern mit wenig ausgebauter Deckung) und aktive Arbeitsmarktprogramme stärken spezifische Hilfsmassnahmen für (besonders benachteiligte) Jugendliche und für Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund vorsehen; Investitionen in die Infrastruktur ausbauen. Diese öffentlichen Ausgaben haben dank dem Multiplikatoreffekt der Investitionen mehr Einfluss auf die Beschäftigung als andere Massnahmen wie vorübergehende Steuererleichterungen; in die grüne Wirtschaft von morgen investieren. Die sauberen Technologien haben auch den Vorteil, dass damit mehr Stellen geschaffen werden als in CO2-intensiveren Branchen; ein System der sozialen Sicherheit schaffen oder ausbauen, das einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und Personen in der informellen Wirtschaft schützt (in den Entwicklungsländern). Ende 2009 muss mit 50 Millionen mehr Arbeitslosen als 2007 gerechnet werden. In früheren Finanzkrisen erreichte die Beschäftigung zudem durchschnittlich erst vier bis fünf Jahre nach dem Wirtschaftsaufschwung wieder das Niveau von vor der Krise. Gemäss Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) dürften wir vor einer schweren Beschäftigungskrise stehen, die mehrere Jahre dauern wird. Deshalb muss bei den Massnahmen, die für einen nachhaltigen Aufschwung getroffen werden, die Idee der menschenwürdigen Arbeit als Antriebsmotor wirken (siehe Kasten Was ist unter menschenwürdiger Arbeit zu verstehen?“). Andernfalls droht der Aufschwung an sozialen Ungleichheiten zu scheitern, die bei den Betroffenen ein Gefühl der Ungerechtigkeit hinterlassen. Unter einem Mangel an menschenwürdiger Arbeit leiden vor allem Frauen, Jugendliche, Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund und Pressedienst von Travail.Suisse – Nr. 8 – 25. Mai 2009 – Arbeitsmarkt _______________________________________________________________________________ solche mit prekären Arbeitsverträgen. Auf diesen Personenkreis ist daher bei den Ankurbelungsmassnahmen ein besonderes Augenmerk zu richten. Was ist unter «menschenwürdiger Arbeit» zu verstehen? Darunter ist eine Arbeit zu verstehen, bei der Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit und menschliche Würde gewährleistet sind. Seit der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung, die im Juni 2008 von der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedet wurde, bildet das Konzept der menschenwürdigen Arbeit den Kern der IAO-Politik. Menschenwürdige Arbeit beruht auf vier miteinander verbundenen strategischen Zielen: Förderung und Einhaltung der grundlegenden Arbeitsrechte, Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze, Stärkung des sozialen Sicherheit und Förderung des Tripartismus und des sozialen Dialogs. Unser Land muss den Globalen Beschäftigungspakt aktiv unterstützen. Falls nötig sind die von der Konferenz angenommenen Schlussfolgerungen beim dritten Konjunkturpaket, über das der Bundesrat am 17. Juni 2009 informieren dürfte, als Referenz heranzuziehen. Die Schaffung einer nachhaltigeren Globalisierung ist auch im Interesse unseres Landes. Ist nicht gerade die stark nach aussen orientierte Schweizer Wirtschaft auf stabile Partner angewiesen, wenn sie sich weiterentwickeln und Erfolg haben will? Deshalb hat auch die Wirtschaft ein Interesse daran, einen Aufschwung zu unterstützen, der auf menschenwürdiger Arbeit beruht. Denis Torche, Leiter Aussenpolitik, Travail.Suisse Travail.Suisse, Hopfenweg 21, 3001 Bern, Tel. 031 370 21 11, [email protected], www.travailsuisse.ch