Die Virtuelle Gruppe Or-Om und ihre Grundlagen - dis

Werbung
Als die Umgangssprache nicht mehr Metasprache des Diskurses
war
Eine virtuelle Installation der Gruppe OR-OM zum Kunstdiskurs für
dis-positiv
„Was sagt aber die einer jeweiligen Gegenwart konstatierbare
Unwirksamkeit von Möglichkeitsentwürfen darüber aus, ob nicht zu
anderer Zeit und Gelegenheit Wirksamkeit eintritt“. Burghart Schmidt
in dis-positiv.
Motto
Bruce Nauman`s Zitat im Folder zur Ausstellung sagt ua: daß er über Bewußtsein
nachdenke,[also Erkenntnistheorie betreibt?], daß er gern in Grenzbereichen
arbeite,[also
Grenzen
des
menschlichen
Bewußtseins,
Intuition,
Unendlichkeitsproblem usw. erforscht?]. Was kann Kunst sein, wohin entwickelt sie
sich, welchen Weg beschreibt Kunst [also aktiviert er Fragen der Evolutionstheorie
des Bewußtseins und der sozialen Phänomene], wenn Malerei und Bildhauerei zu
nichts führen [also gelangt er zu Kulturpessimismus?]? „Jeder rennt herum und hält
Ausschau, um zu entdecken, was als nächstes kommt in der Kunst [also befällt ihn
Verunsicherung angesichts der Vielfalt?], und wahrscheinlich ist das nichts anderes
als das, was immer schon gemacht worden ist“ [Also vertritt er vielleicht einen kruden
Konservativismus?].
Die Virtuelle Gruppe Or-Om und ihre Grundlagen
In der Zeit von 1781 bis 1832 lebte in Deutschland der Universal-Philosoph Karl
Christian Friedrich Krause, dessen Grundwissenschaft im Laufe der Entwicklung der
weiteren Philosophie zwar wirkungsgeschichtlich von den Systemen Hegels und
dessen sozialphilosophisch-dialektischen Derivaten wie dem Marxismus-Leninismus
und der Frankfurter Schule einerseits und Schulen des Empirismus andererseits
verdrängt wurde, dessen Bedeutung für die weitere Evolution der Wissenschaften
und der Menschheit als Weltgesellschaft aber sich im Laufe der Zeit zunehmend
durchsetzte.
Die grundsätzlichen Neuerungen bestehen in der Begründung aller Wissenschaften
an und in den Universal-Kategorien der Rationalität des Absoluten, Unendlichen
Grundwesens und damit der Fundierung einer undogmatischen Metaphysik.
Einerseits wurden die Probleme der platonischen Philosophie, die über
Neuplatonismus und christlicher Mystik die weitere Entwicklung der Gesellschaften
Europas beeinflußte, hiebei überwunden. Die skeptisch anthropomorphe
Vernunftkritik Kants andererseits, die sich als transzendentaler Lingualismus bei
Wittgenstein fortsetzt, wird als mangelhafte Zwischenstufe zwischen einem rüden
Empirismus ( z.B. Logischer Empirismus) und den mangelhaften Bereichen der
bisherigen Metaphysik ausgewiesen.
1
Während sich noch im 20.Jahrhundert die Dominanz der erwähnten Denkschulen
und ihrer Derivate feststellen ließ, wobei den Evolutionsgesetzen entsprechend eine
postmodernistische Relativierungsstrategie, welche die Vielfalt gleichzeitig
angebotener Philosophenschulen im Sinne einer Warenhausideologie als
gleichwertige Angebote zu verkaufen suchte, vorherrschte, zeichneten sich doch
allmählich in den nächsten Jahrhunderten zunehmend Tendenzen ab, die
Grundwissenschaft der von Krause begründeten WESENLEHRE für Wissenschaft,
Kunst und vor allem die Veränderung der Gesellschaftsformationen nutzbar zu
machen.
Bereits im 20.Jahrhundert wurden einzelne Werke Krauses neu aufgelegt 1, vor allem
aber auch im Sinne der Neuen Grundwissenschaft im Bereiche der Kunst die
evolutionslogischen Positionen der Kunstentwicklung des 20.Jahrhunderts auf die
Grundwissenschaft und ihre Parameter bezogen und gleichzeitig Vorschläge
unterbreitet, die Kunst in Richtung auf die neuen Grundlagen hin zu reformieren und
weiterzubilden2.
Die Gruppe Or-Om bildete sich in einer virtuellen Raumzeit – also unabhängig von
der historischen Entwicklung der betroffenen Gesellschaften in Europa und den
übrigen Kontinenten und ungebunden von den Ausprägungen des etablierten
Kunstbetriebes als virtuelles Aktionsfeld. Die einzelnen Persönlichkeiten können
daher an verschiedenen Punkten der üblichen Raumzeitentwicklung auftreten, sie
wirken zeitübergreifend und zeitunabhängig und sind nur insoweit an die historischen
Realitäten der jeweiligen Kunstepochen gebunden, als sie auf deren Begrenzungen,
Einseitigkeiten und evolutionären Mängel Bezug nehmen, um eine Weiterbildung der
Kunst anzuregen. Grundsätzlich ist daher die Zahl der Mitglieder der Gruppe
unbegrenzt.
Beim Kunstdiskurs zwischen der Gruppe Or-Om und den in jeweiligen sozialen und
geschichtlichen Begrenzungen befangenen Kunsttheoretikern und Künstlern besteht
ein strukturelles Problem, welches man durch folgende mathematischen Relationen
darstellen kann:
(1)

(2)

(3)

o
u
i
x


e

a1
c1
b1
Die einzelnen Partial-Positionen der Kunsttheoretiker und Künstler sind endliche
Teilstrecken in Linie (3). a1 grenzt sich von c1 ab und b1 von beiden anderen usw.
Die Gruppe Or-Om erkennt aber einerseits die unendliche Linie (1), die erste
Ableitung in der Linie (2) die aus den beiden ebenfalls noch einseitig unendlichen
Linien i und e besteht und umfaßt daher auch alle möglichen unendlich vielen
Teilstrecken und Partialpositionen in der Linie (3)3. Der Vertreter der Partialposition
1 Krause: Vorlesungen über das System der Philosophie. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe Göttingen 1828 mit einem
neuen Vorwort und Anmerkungen von S.Pflegerl. Eigenverlag.1981
2 S.Pflegerl: Die Vollendete Kunst. Böhlau.Wien, Köln. 1990
3 Es wird derzeit sprachphilosophisch angenommen, daß die Umgangssprache höchste Metasprache des Metadiskurses bilden
muß. Aus der Sicht der Gruppe Or-Om stellt jedoch die Referenz auf die Umgangssprache eine gewaltige Begrenzung der
Bewußtseinsbildung und letztlich gesellschaftlicher Evolution dar. Aus den Positionen der Gruppe Or-Om ergibt sich daher
2
a1 wird in der Regel behaupten, die Linie (1) gäbe es nicht, sie sei dem
menschlichen Bewußtsein nicht zugänglich usw. Im universalistischen Ansatz der
Gruppe Or-Om sind daher alle Arten formaler und inhaltlicher Unendlichkeiten, ihre
Stufen und alle Arten von Endlichkeit und ihre Stufen und Positionen friedlich
enthalten. Die Vertreter der Gruppe durchschauen den Gesamtzusammenhang von
der Linie (1) zur Linie (3) und von der Linie (3) aufsteigend nach Linie (1). Natürlich
erfaßt die Gruppe Or-Om auch alle jene Argumente, die aus Partialpositionen etwa
a2 oder c3 gegen sie erhoben werden, ebenfalls und wären auch in der Lage sie
ihren Ausführungen gleich anzuschließen. So wird etwa jeder auf einer Einheit
beruhenden Perspektive totalitäre Beugung der Vielfalt vorgeworfen, die politisch
faschistoide Züge als totalisierendes Herrschaftswissen annehmen könnte.
Metaphysische Ansätze werden als evolutionslogisch überholte Haltungen
betrachtet, die durch erkenntnistheoretische Entwertungsschübe abgelöst worden
seien. In der Unendlichkeit des neuen Ansatzes wird jedoch keinerlei endlicher
Ansatz in seinen Grenzen berührt oder gezwungen sich selbst aufzugeben.
Evolutionslogisch ist jedoch aus keinem begrenzten Ansatz heraus
erkenntnistheoretisch kompetent „beweisbar“, daß es nicht eine progressive
Metaphysik geben kann, die alle Partialrationalitäten in sich harmonisch befaßt.
Schließlich liegt hier keine inadäquate „Harmoniesucht“ vor, weil alle Disharmonien
primär pragmatisch präzise zu berücksichtigen sind, wie unter b) im
Gesellschaftsmodell dargestellt wird, und weil die Harmoniekonzepte weit über
dasjenige hinausreichen, was derzeit als Scheinharmonie, etwa zwischen Kapital
und Arbeit, Progressivität und Reaktion, links und rechts angeboten wird. Schließlich
ist sicherzustellen, daß die Positionen der Gruppe Or-Om nur mit „guten“ Mitteln
erreicht, also nicht mit Gewalt, List, Druck, Autorität sondern nur im „herrschaftsfreien
Diskurs“ erreicht werden dürften.
Basics
a) Ideen
Zu den wichtigsten Ansichten der Gruppe Or-Om gehört zweifelsohne ihre Sicht der
unendlichen formalen und inhaltlichen Grundlagen der Kunst. Sowohl der
Formenkanon, den die Kunst jemals umfassen kann, als auch die theoretischkonzeptuellen Grundlagen der Kunst, wie Raum und Zeit, Entwicklung, Wachstum
und Vergehen usw. beruhen auf einer neuen Basis, welche durch den in den
Schriften der Gruppe stets wiederkehrenden Virtuellen Raum der All-Kunst
modellartig vorgestellt wird.
eine neue Begründung der Sprachtheorie und Logik an der unendlichen und absoluten Essentialität des Grundwesens.
Damit werden die Mängel der Hegelschen dialektischen Logik die ebenfalls im Absoluten begründet ist, die Probleme der
Kantkategorien, die als Transzendentaler Lingualismus bei Wittgenstein im Traktat wiederkehren, sowie der
transzendentale Kommunikationismus bei Apel und Habermas überwunden. Die Unterschiede der Diskursebenen sollten
daher beachtet werden. Aus diesem Grunde wurde der obige Titel des Beitrages gewählt.
3
Urwesen
Menschheit
IIb,c,d
IIa
I
Natur
Geist
ALL-Raum der Kunst
Selbst ein Akt der concept art.
Aus den Manifesten der Gruppe OR-OM
Bei ihrer Analyse der Kunstentwicklung im 20.Jahrhundert kommt die Gruppe etwa
zu folgenden Ergebnissen.
Entwicklung der Kunst im 20. Jahrhundert
Als Grundmotiv über die Entwicklung der Kunst im 20.Jahrhundert könnte man den
Leitsatz stellen: Erhöhung der Vielfalt und Differenzierung ohne Bezug auf Einheit.
„Es gibt keine Einheit, wir sind mit untereinander gleichwertigen, inkompatiblen
Richtungen und Ansätzen konfrontiert, eine übergeordnete Instanz zur Ordnung oder
gar Harmonisierung und Synthese dieser Strömungen gibt es nicht“. So sagt
zumindest die postmoderne Philosophie, die selbst eine Tochter und nicht die Mutter
der Moderne ist. Sie gibt uns daher auch keine Anhaltspunkte, die Moderne zu
ordnen.
Um dies zu erreichen, müssen wir in der Zukunft Grundlagen finden - oder sollten wir
sagen in der Zeitlosigkeit? Dort finden wir den über der Virtualität befindlichen aber in
4
begrenzter Form virtuell nachbildbaren „Raum der All-Kunst“, der uns auch die
Entwicklung der „Moderne“ klar macht. Die Kunst und der Kunstdiskurs haben in
diesem Raum Hallen für alle Bereiche, die es auch im Universum gibt und die
überhaupt Inhalt der Kunst sein können. In diesen Hallen ist natürlich auch die
gesamte bisherige Kunstentwicklung und alle Kunsttätigkeit der Zukunft4 enthalten.
Wir beginnen unsere Wanderung in der Halle I ... Halle der Natur, Landschaft, alle
Naturstoffe, Pflanzen, Tiere, Menschen soweit sie körperlich sind.
Halle IIa....Formen, wo durch geistige Funktionen (Gedanken, Phantasie und
Gefühle) Naturgegenstände frei umgestaltet, verändert werden (z.B. Surrealismus,
Kubismus usw.). Hier überschneiden sich Geist und Natur.
Halle IIb...Rein geistige Formen ohne Naturbezug, die nicht aus der Natur abstrahiert
sind, mit folgenden überwiegenden Eigenschaften: geometrisch, mathematisch,
rational, antiphantastisch, antiemotional, antisubjektivistisch. (z.B. Konstruktivismus,
de Stijl, geometrische Abstraktion usw.). Natürlich gibt es auch in der Natur eine
Vielzahl mathematischer und geometrischer Formungsgesetze, im geistigen Bereich
sind diese Gestaltungsmöglichkeiten jedoch wesentlich freier.
Halle IIc...Reingeistige Formen ohne Naturbezug mit folgenden überrwiegenden
Eigenschaften: spontanistisch, zufallsorientiert, lyrisch, subjektivistisch, emotional,
unbewußt. Z.B. lyrische, farbgestische Abstraktion, Abstraktion der genetischen
Figuration, semantische Abstraktion, magische Abstraktion.
Halle IId...Konzept - Kunst. Gegenstand der Kunst ist nicht eine Darstellung in
Naturstoffen, sondern das im Geist (Bewußtsein) des Künstlers vorhandene Konzept.
Hier ist wohl auch die Ausstellung dis-positiv anzusetzen.
Halle III...Göttlicher Bereich. Dieser ist mit allen anderen Hallen I,II a,b,c,d
verbunden, aber nicht jeder Künstler stellt in seiner Arbeit eine Verbindung hiemit
her. Die Darstellung des Göttlichen, der Ur-Ideen aller Dinge, der Schönheit usw.
kann in Stoffen der Natur, die anderen Menschen sinnlich wahrnehmbar sind, nur
symbolisch, gleichnishaft erfolgen! Soweit dies geschieht, liegen folgende Varianten
der Sakralkunst, des Kultes oder einer sakralen bzw. metaphysischen oder
mystischen Dimension des Kunstwerkes vor:
Halle III verbunden mit I.. Darstellung der Körperlichkeit in der Natur, in denen die
Schönheit göttlicher Urideen durchscheint (z.B. Griechenland, Renaissance;
idealisierte Landschaften, Naturmystik, mythische Thematik soweit nicht bereits in
Halle IIa, auch sakrale und mystische Konfigurationen mit Naturbezug in anderen
Kulturen usw.).
Halle III verbunden mit IIa.. Mythologische, kultische, symbolistische Darstellungen
von Göttern, Heroen, mystisch visonäre Phantasiegestalten, gesamte sakrale
Ornamentik mit Naturformen usw.
Halle III und II,b,c,d ..metaphysische, symbolische, religiöse, mystische und sakrale
Bezüge in reinen Geistformen, entweder geometrisch „apollonisch“ (z.B. auch die
gesamte sakrale und kultische Ornamentik und Symbolik ohne Naturbezug) oder
4 Die Entwicklungen des Kunstdiskurses sind hier immer inbegriffen.
5
spontanistisch, „dionysisch“; schließlich eine sakrale, kultische oder mystische „reine
Konzeptkunst“ ohne Darstellung in Naturstoffen, etwa in sakraler göttlicher Magie
und Mystik, wo nur die Gedanken (Gedankenformen) erzeugt werden, usw.
Im Innersten des Schnittraumes der Hallen III,II und I befindet sich die Menschheit
und in dieser ist dann das Gesellschaftsmodell, das unter b) dargestellt wird, als
pragmatisch-historische Form anzusetzen. Alle soziale Konnexe thematisierende
Kunst und Kunsttheorie sind hier anzusetzen.
Was hat die Moderne im 20. Jahrhundert in diesen Hallen der Kunst geleistet? Sie
hat vor allem die Bereiche IIa (begrifflich-phantastische Umgestaltung von
Naturformen) erweitert, und hat erstmals in der Kunst die Bereiche reiner
Geistformen als eigener Kunstrichtungen selbständig und unabhängig erschlossen
(Hallen II b,c,d). Immer aber war typisch, daß jeder Künstler überwiegend nur sehr
enge Teilbereiche in einem Raum entwickelte (Partialität), keiner jedoch alle
gleichzeitig erfaßte. Vor allem die Verbindungen zur Halle III sind derzeit selten
ausgeprägt. Natürlich entwickelten sich im weiteren Überschneidungen und
Mischungen von Partialpositionen (z.B. Chia oder Salle usw.) Die weitere
Entwicklung zeigt als Spezifikum die Überschneidung und Mischung bisher
getrennter Kunstgattungen, wie Tanz, Malerei, Gesang, Wort usw.
Jeder hat jetzt selbst die Möglichkeit, ihm bekannte Kunstrichtungen,
KunsttheoretikerInnen5 oder KünstlerInnen, in den Hallen zu finden. Alle haben darin
ihren Platz.
Ernst Riemschneider schreibt etwa:
„Catherine David sagt am Ende der documenta 1997 : „Für mich ist es klar,
daß das System der gegenwärtigen Kunst erschöpft ist. Wenn man ehrlich ist
und genau hinsieht, dann muß man das einfach sagen.“
Wir sagen: Die `Palette` der inhaltlichen Möglichkeiten in Geist und Natur und
darin der Menschheit und ihren Überschneidungen ist nunmehr grundsätzlich
aktiviert, nicht aber erschöpft im Sinne von ausgeschöpft, da die unendlichen
formalen Möglichkeiten in Geist und Natur und ihren Überschneidungen
überhaupt nie voll ausgeschöpft werden können.
Die Kunst hat sich im Rahmen der Entwicklung vieler möglichen Teilbereiche
im All-Raum erschöpft, ihr nächster Schritt erfordert eine Überschreitung der
Partialfelder, das Vordringen zu den unendlichen und unbedingten UrBereichen der Göttlichen Rationalität und eine:
a) Deduktive, ableitende Neubegründung der Kunst am Grundwesen sowie
b) eine Allharmonisierung und Allsynthese aller bisher erarbeiteten Formen
und Inhalte in allen Teilbereichen des All-Raums. Zu beachten ist, daß der
Begriff `Synthese` hier nicht eine eklektizistische, mischende oder
postmoderne
Nebeneinandersetzung
bisheriger
Theorieansätze
5 Für den gesamten Text gelten die weiblichen Endungen als mitverstanden.
6
(eklektizistischer Polymorphismus) meint, auch dies ein Schritt der
Evolution, sondern eine Deduktive Synthese, die sich aus einer Ableitung
aller endlichen Formen aus der Unendlichen Göttlichen Vernunft ergibt 6.“
b) Die Stellung der Kunst in der Gesellschaft - Eine pragmatische
Frustration?
Zur Veränderung der Diskursgrundlagen ist nicht nur eine Erweiterung des
Bewußtseins in Richtung der Ideen unter a) erforderlich, sondern auch eine
verbesserte Pragmatik. Will man die Position der Kunst in der Gesellschaft adäquat
erkennen, muß man über bisherige, eher naive Ansätze der Kunsttheorie und des
Diskurses hinsichtlich der gesellschaftlichen Implikationen der Kunst wohl
hinausgehen.
Die
Beurteilung
gesellschaftlicher
Phänomene
durch
KunsttheoretikerInnen und KünstlerInnen ist sehr häufig durch oberflächliche
Abstraktionsfiguren gekennzeichnet, die mehr mit einer Mythologisierung als mit
präziser Analyse zu tun haben.7 Dies gilt für die Serbenanalyse Handkes ebenso wie
für die Ästhetische Theorie Adornos8.
Ein Gesellschaftsmodell
6 Mythisch unbestimmt ist dies etwa in folgender Stelle des Ägyptischen Totenbuches ausgedrückt: „Horus ist Nektar und
göttliches Opfer zugleich; er sammelt, vereinigt die Glieder des Vaters. Denn sein Erlöser ist Horus. Er ist sein Erlöser. Die
Himmlischen Meere durchzieht er, während des Vaters Leib in voller Verwesung. Wahrlich, Horus ist Herr Ägyptens, sein
Gebieter und Meister. Den Gang der Dinge bestimmt er, der künftigen Jahrmillionen.“
7 Zur Relevanz des Begriffes „Komplexität“ für den Umgang mit hochdifferenzierten modernen Gesellschaften und ihren
Untersystemen vgl. etwa Jochum (1998).
8Ausführliche Kritik der letzteren sieh etwa Pflegerl: „Die Vollendete Kunst“ 267f.
7
Geografische Lage
des Sytems
6.Schichte
Ebene der Politik
Ebene der Wirtschaft
5.Schichte
4.Schichte
3.Schichte
Ebene der Kultur
2.Schichte
Ebene der Sprache
1.Schichte
Unterschichte der
neuen Ausländer
(Minoritäten)
Das Modell ist gleichsam eine Synthese aller in der Gesellschaft selbst über die
Gesellschaft vorhandenen Theorien9. Vor allem ist es eine praxisbezogene
Verbindung funktionalistischer und konflikttheoretischer (z.B. dialektischer,
marxistischer usw.) Ansätze.
Hochindustrialisierte Gesellschaft wäre gekennzeichnet durch:
Ebenen der Gesellschaft
1.1.1 Religion - Kultur - Technologie - Wissenschaft - Kunst
1.1.2 Sprache – Kommunikation – Informations- und Medientheorie
1.1.3 Wirtschaft
1.1.4 Politik (Verfassung, Verwaltung, Gerichtsbarkeit) Recht - Ethik
Die Kriterien einer jeden Ebene sind natürlich auf alle anderen zu beziehen. (Es gibt
daher eine Wirtschaft der KUNST oder umgekehrt eine KUNST der Wirtschaft oder
eine Ethik der KUNST und umgekehrt eine KUNST der Ethik usw. Die Beziehungen
9 Das Modell liegt weiterhin im Trend der Systemtheorie. MÜNCH(1998) schreibt etwa: „Die Soziologie hat viele Anläufe zur
Beantwortung der Frage nach der Integration moderner Gesellschaften genommen. Sie alle sind weder ausreichend noch
wertlos. Es kommt heute darauf an, aus ihnen eine umfassende Theorie aufzubauen. Kein einzelner Theorieansatz kann
für sich beanspruchen, umfassend genug konstruiert zu sein, um auf die anderen Ansätze verzichten zu können. Die
Soziologie braucht weiterhin alle.“ Aus den einzelnen Theorien müßte ein Theorienetz geknüpft werden. Das Denken in
Netzen ist zeitgemäß, aber selbst eine Folge medial induzierter Bewußtseinsveränderungen, die keineswegs die letzten
Beuwßtseinparadigmen sein müssen.
8
wären kombinatorisch durchzudenken
Untersuchungen heranzuziehen.)
und
erforderlichenfalls
für
praktische
Wir sehen: Die Kunst ist nur eine partiale Dimension im Bereich der Ebene der
„Kultur“, sie ist aber eng mit allen anderen Ebenen der Gesellschaft wie Wirtschaft,
Sprache, Politik usw. verbunden.
Hinsichtlich jeder Ebene also auch des Teilbereiches der KUNST sind für jede
Gesellschaft die empirischen Realitäten möglichst ausführlich anzusetzen,
insbesondere auch alle wissenschaftlichen Theorien, die sich mit diesen Bereichen
der Gesellschaft beschäftigen.
Für jede differenziertere Gesellschaft typisch ist die Gliederung in Schichten. Wer
die Verbindung der Theorie der Ebenen der Gesellschaft mit jener der Schichten
vernachlässigt, beraubt sich wichtiger nicht vernachlässigbarer Kriterien, die
besonders für die Diskriminierungsforschung unerläßlich erscheinen.
Schichten
Die wirtschaftlich-funktionelle Teilung der Gesellschaft spiegelt sich in den Schichten,
die als miteinander verbundene, aber auch im Gegensatz zueinander stehende
6 (Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Untersysteme
gelten können.
Für die westlichen Industriestaaten setzen wir folgende Schichten an:
6. Schichte: große Selbständige, höhere Angestellte und Beamte, freiberufliche
Akademiker
5. Schichte: kleine Selbständige, inkl. Bauern
4. Schichte: mittlere Angestellte und Beamte
3. Schichte: niedere Angestellte und Beamte
5. Schichte: Facharbeiter
6. Schichte: Hilfsarbeiter und angelernte Arbeiter
Dieser Schichtaufbau impliziert eine Wertorientierung aller Gesellschaftsmitglieder
untereinander.
Jede Schicht ist durch andere (Sprache-Kultur-Wirtschaft-Politik)-Eigenschaften
gekennzeichnet, wobei die Position im Gesamtaufbau bereits die Erziehungsmethoden, kognitive Strukturen usw. prägt. Jede Schichte hat, und dies ist für die
politischen Dimensionen der KUNST von Bedeutung, andere Beziehungen und
Einstellungen zur Kunst, sie konsumiert andere Kunstprodukte usw.
Im Zentrum des Raummodelles befindet sich die jeweilige Wohnbevölkerung einer
Schichte. Hiebei wird sowohl die prägende Wirkung der Ebenen und der Position im
Gesamtaufbau auf den Einzelnen (hier des Facharbeiters und seiner Familie)
sichtbar, wie auch umgekehrt die Wirkung, die von den einzelnen Menschen auf die
Ebenen und die anderen Schichten ausgeht. Für jeden Menschen sind weiters
Geschlecht und Lebenszyklus Determinanten der sozialen Bestimmung ( z.B.
gesellschaftliche Stellung der Frau usw.).
9
Aus den unter a) dargelegten Ideen ergibt sich auch eine neue Frage der Lösung
sozialer inadäquater Fixierung, der Unterdrückung ganzer Gesellschaftsschichten,
der Minoritäten, des Rassismus und Antisemitismus.
An die Stelle der hierarchischen Über- und Unterordnung der Schichten im Modell,
die einem strukturellen Diskriminierungskondensat entspricht, hat eine allmähliche
völlige NEBENORDNUNG der Schichten zu treten. Auch dieser universalistische
Humanismus ergibt sich aus den unter a) erwähnten Ideen. Es ist hier auch der Ort
festzuhalten, daß es eine progressive Metaphysik gibt. Aus den unter a) erwähnten
Kategorien der Rationalität des Grundwesens ergeben sich auch völlig neue
Grundrisse der menschlichen Sozialität10. Diese Ansätze reichen über die derzeitigen
Grundrechte der Verfassungen und den Menschenrechtskatalog hinaus. Diese
progressive Metaphysik unterscheidet sich daher von jenen okkulten Strömungen,
welche
wie
etwa
Evola
traditionelle
Ideenparadigmen
und
deren
Gesellschaftsmodelle für eine Erneuerung der nach Ansicht derartiger Strömungen
vor allem durch sozialistische Mobilisierung der dumpfen Massen degenerierten
Gesellschaften heranziehen wollen und daher immer wieder Gefahr laufen,
faschistische Bewegungen zu unterstützen.
Eine progressive Metaphysik muß daher den gesamten Ansatz der Linken
(Marxismus, Frankfurter Schule usw.). in sich integrieren, allerdings auch deren
Mängel, vor allem die in ihnen fortgeschleppte dialektische Logik HEGELs,
überwinden. Die Gesellschaftssysteme sind daher im Sinne der erwähnten
Göttlichen Rationalität z.B. hinsichtlich des Eigentumsbegriffes und des Zugangs
aller Schichten zu den gesellschaftlichen Ressourcen von der formalen zur
materiellen Rechtsgleichheit weiterzubilden.
Beitrag zum Diskurs über den Diskurs über Kunst
Basics
Die Gruppe Or-Om nimmt unter den unter a) und b) und deren Verbindung
dargelegten basics an diesem Metadiskurs teil.
Antwort auf Bruce Naumann
Es gibt eine Möglichkeit der Bewußtseinserweiterung über den derzeitigen Diskurs
hinaus (Erkenntnistheorie11).Die Grenzbereiche des Bewußtseins liegen in den
Unendlichkeiten und den darin gegliedert fundierten unendlichen Endlichkeiten. Die
Kunst kann sich im Virtuellen All-Raum weiterbilden, über die Postmoderne, die man
als eine Verwalterin inkompatibler Pluralität bezeichnen könnte, hinaus in eine Neue
Universalität (Evolutionstheorie).
Themenkreise des Metadiskurses
Der Diskurs über den Diskurs soweit er in der Broschüre dis-positiv dokumentiert
wird, soll im folgenden als Metadiskurs bezeichnet werden. Wir stellen die Frage: In
welchen Schichten leben die Veranstalter, die Besucher und die
10 Vgl.hiezu die Zitate in: Pflegerl:“Die Vollendte Kunst“ zu Krause`s Urbild der Menschheit. S. 275f.
11 Dies auch etwa zu Weibel: „Jenseits von Kunst“, wo reichhaltige Beziehungen zwischen Erkenntnistheorien und
Kunstentwicklung im 20.Jhdt. dargestellt werden.
10
„Ausstellungsobjekte“ der Ausstellung dispositiv? Welche Wirkungen hat der
intellektuelle Diskurs zwischen Veranstaltern, Besuchern und „Objekten“ der
Ausstellung auf welche Schichten der Gesellschaft? Warum haben bestimmte
eingeladene Persönlichkeiten am Diskurs nicht teilgenommen? Welche Funktion
kann dieser Diskurs für die verschiedenen Schichten der Gesellschaft haben 12?
Welche „kunstinternen“ Themen, und welche Fragen des Kunstmanagements als
Kunstpolitik, welche des Verhältnisses der Kunst zu den Ebenen Wirtschaft, Politik
usw. werden behandelt? Der Fächer ist breit. Wir versuchen vereinfachende
Zusammenfassungen
und
bitten
um
stete
Vergegenwärtigung
des
Gesellschaftsmodells, in welchem wir uns gedanklich bewegen.
Kunstinterne Themen
Kriterienlosigkeit des Kunstdiskurses
„Wie viele Gesichter hat die Kunst?“ Renèe Stieger in dis-positiv
Die Gruppe Or-Om nimmt an, daß der Metadiskurs der zweiten Ebene von
Diskurspositionen der ersten Ebene ausgeht, die durch die Ausdifferenzierungen in
Gesellschaftsmodell nach b) von vielen miteinander nicht kompatiblen PartialRationalitäten bestimmt wird. Die Theorie des Metadiskurses selbst ist wiederum
nicht nur eine, auch sie ist aufgesplittert, eine Einigung auf eine Meta-Rationalität zur
Verwaltung der Positionen der ersten Ebene ist nicht absehbar, es besteht jedoch
auch keine herrschaftsfreie Kommunikationsstruktur, weshalb der Diskurs durch
Machtstrategien verzerrt wird.
Für Vitus H.Weh führt die fehlende Verbindlichkeit übergreifender Parameter in den
letzten Jahren zu einer bemerkenswerten Ausdifferenzierung und Polarisierung. Er
sieht sich beim Versuch eines „mappings“ auf unüberschaubarem Terrain. Die Suche
neuer konsensfähiger Parameter ( Migrations- Gender- und Ökonomiethmatiken) sei
noch nicht gelungen, die Alternative sei theoretischer Pluralismus. Die Vielfalt der
Produktionsseite wird berücksichtigt.
„Der universelle Überblick realisiert sich dabei als wertfreies Archiv des Kunstgeschehens.
Eine durchgängige Theorie wird dezidiert nicht verfolgt.“
Hans –Peter Wipplinger thematisiert den Gegensatz des Kunstkonsums durch den
Rezipienten und den theoretisierenden Zugriff der Kunstbertrachtung durch den
Kritiker. Er glaubt eher nicht an einen Fortschritt in der Kunst (eher an Neues aus
Altem, vor allem im Rahmen der derzeitigen Dekonstruktion und Neuformation mittels
Versatzstücken und Zitaten oder durch Eindringen, Durchschreiten und Kontextieren
verschiedener künstlerischer Universen durch Überschneidungen von Bildender
Kunst, Design, Architektur, Sound, Theater, Tanz, Mode usw.).
Kritik: Seine Vorstellung vom neutralen Blick, der Offenheit für fremde
künstlerische Einflüsse erhalte, ist allerdings insoweit naiv, als diese
Neutralität erkenntnistheoretisch erst sichergestellt werden müßte, wofür sich
bei ihm keine Anzeichen finden.
Über die postmoderne Situation, die Auflösung der disziplinären und materialen
Grenzen von Kunst und Politik, von Ästhetik und Ethik und über die These daß die
Einzigartigkeit des Kunst-Objektes nur über das Totalsubjekt „Künstler“ ( als der
letzten Zufluchtstätte des autonomen, modernen Individuums) möglich sei, gelangt
nach Bernhard Tilg auch die Kunsttheorie, die ebenfalls als Praxis (Erklärungspraxis)
zu sehen sei, zu dem Ergebnis, daß die Existenz selbst Gegenstand (Material und
12 Vgl. etwa die Kunstpolitik in Rußland vor der Perestrojika, die Kunstpolitik der Freiheitlichen oder der etablierten Sozialisten
in Österreich. Die Quotenrationalität des Fernsehens für die U-Kunst berücksichtigt ebenso wie die Meinungsumfrage des
Politikers die Haltungen der Schichten zu bestimmten Kunstäußerungen vor allem in den politisch extremisierten Enden der
Parteispektren (politische Instrumentalisierung des Kunstdiskurses).
11
Immaterial) der Kunst sein könnte. Das Leben jeden Individuums könnte ein
Kunstwerk sein in Form einer ästhetischen und ethischen Weise der Existenz. Das ist
dann Kunst und Politik, Ästhetik und Ethik. Insofern sind wir dann alle KünstlerInnen
und Politiker.
Kritik: Im Sinne des Gesellschaftsmodells b) würde dies bedeuten, und
deshalb sind pragmatische Vertiefungen oft nützlich, daß die Ebene der Kunst
in allen Schichten und für alle autonomen Subjekte (sind alle gleich autonom?)
im Modell die dominierende Kategorie politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher
und kultureller Existenz wäre. Wie sieht dies für den Hilfsarbeiter im Fohnsdorf
und den arbeitslosen Türken in Favoriten oder einen Redakteur bei NEWS
aus. Welche gesellschaftlichen Handlungsmaximen ergeben sich aus diesem
Konzept?
Burghart Schmidt thematisiert den Konflikt zwischen Realismen und
nichtgegenständlicher Kunst, der Abstraktion. Abstraktion wird als Reflexion
schlechthin erkannt. Aus der traditionellen Anforderung an die Kunst der Herstellung
verdoppelnder Dauer ergebe sich die mangelnde Akzeptanz der Abstraktion, die
derartige gesellschaftliche Funktionen nicht erfülle. Die Herabsetzung der Abstraktion
erfolge mit dem Argument der mangelnden gesellschaftlichen Wirksamkeit. Der
Standpunkt der Wirksamkeit habe stets die utopische Perspektive der Kunst zu
ihren Möglichkeits- wie Versuchsfeldern desavouieren wollen.“
Kritik: Die Charakterisierung der Abstraktion als Reflexion erscheint
problematisch. Reine Geistformen, die häufig Gegenstand der „abstrakten“
Malerei sind, wurden von nichts abstrahiert, und auch nicht durch Reflexion
gewonnen. Diese Formensysteme wurden selbständig erschlossen. Auch in
Naturmalerei stecken Unmengen von Reflexion wie auch Abstraktion, bei
Tizian ebenso wie bei Gertsch. In der Abstraktion sind eine Vielzahl von
Richtungen (vgl. oben den All-Raum) nebeneinander und vermischt entwickelt
worden, in den spontanistischen wird Reflexion eher „absichtlich“ nicht
eingesetzt. Schließlich sind die Einflüsse der Theosophie auf die Abstraktion
zu beachten13.
Ohne spezifisches Hintergrundwissen sei moderne Kunst oft nicht konsumierbar,
meint Renée Stieger. Wird Kunst womöglich immer mehr für KünstlerInnen selbst
und/oder KuratorInnen gemacht? KUNST FÜR KUNST? Kunst sollte Geist und Sinne
ansprechen.
Ferdinand Schmatz geht offensichtlich von der Theorie und der Kunst aus, die
einander nicht bedürfen. Kunst gebrauche nur die Theorie (der Natur- und
Geisteswissenschaften)
in
einem
Ritual
der
Aneignung,
Brechung,
Wiederverwendung und Rückkopplung. Im weiteren gibt es problematische
Feststellungen, wie jene, daß am Treffpunkt von Kunst und Theorie die Ideen
entstünden, und die Gesetze gebildet würden, daß Theorie und Kunst ein anderes
Verständnis von Wirklichkeit hätten14 . Daß die Kunst machtuntauglich sei und
dadurch politisch ohne Folgewirkung, erscheint sicher umstritten. Forschen sei die
wahre Theorie der Kunst. Keine absolute Wahrheit.
Kritik: In der Abgrenzung von Wissenschaft und Kunst schlummern heikelste
erkenntnistheoretische Probleme was das Wahre allgemein betrifft aber auch
die Wahrheit des Schönen(also die Ästhetik in Wissenschaft und Kunst usw.),
womit die Palette der derzeitigen Erkenntnis- und Wahrheitstheorien in den
Diskurs aufzunehmen ist. Wenn es unterschiedliche Wirklichkeiten gibt, wie
hängen sie miteinander zusammen?
13 Vgl.: Okkultismus und Avantgarde: Von Munch bis Mondrian 1900-1915. Schirn Kunsthalle Frankfurt. Edition tertium.
14 Was wird hier unter Wirklichkeit verstanden?
12
Die Zukunft der Kunst sieht Elisabeth von Samsonow in einem evolutionslogischen
Prozeß im Sinne eines dialektischen Dreischrittes. Aus der ursprünglichen Einheit
von Theologie, Technik und Kunst sei durch ein Drama der Auflösung, den Wegfall
eines der Elemente, allmählich die Technik als eigene Disziplin hervorgetreten. Es
kam zu einer Explosion, welche die Gebiete des Wissens und Tuns in segmentierte
Fakultäten trennte. Theologie und Kunst seien aber nie wirklich getrennt worden: an
die Stelle des Höheren trat für die Kunst das Unbewußte. Im nächsten
Evolutionsschritt dem neuen Superding wird nun versucht, eine Synthese,
Annäherung der drei Blöcke herzustellen: im Wege der Physiologie des Gehirns,
einem „Wissensraum“.
Kritik: Das Gesellschaftsmodell unter b) zeigt, daß das Drama der Auflösung,
besser die Evolutionsphase der Differenzierung weit über diese drei Faktoren
hinausging. Synthetisierende Kraft geht derzeit nicht nur von der
Hinrphysiologie aus, sondern z.B. medientheoretisch von den elektronischen
Medien (Mc.Luhan usw). Schließlich zeigen die Ansätze der Gruppe Or-Om,
daß die Synthesen der Zukunft , auch jene der Kunst, letztlich zwar auch mit
einer Bewußtseinerweiterung, aber in Richtung auf universalistische
Rationalitätsstrukturen erfolgen wird, die in der derzeitigen Hirnphysiologie
nicht erkannt werden. Epistemologisch sind die Erkenntnisse der
Hirnforschung relative Bewußtseinskonstrukte, die mit der „wahren“
Beschaffenheit des Hirns nicht verglichen werden können. Derartige Theorien,
sind für die Erreichung neuer Evolutionsstufen der Kunst oder einer Synthese
gesellschaftlicher Differentiation nicht geeignet15. Der Ansatz der Autorin
beachtet aber richtig die Evolutionsphasen der Einheit, Vielheit und VielEinheit, nur sind die Vorstellungen der Dritten Phase noch mangelhaft16.
Erzeugt die Kritik erst das Kunstwerk (Kreationsmythos)? In welchem Verhältnis
stehen die künstlerische Produktion als genialischer Akt (der alte Kreationsmythos)
zu den Funktionen der Kritik? Wie weit ist eine (fingierte?) Autonomie der Kunst
durch ein Ausklinken aus der Geschichte durch Kritik möglich. Oder hat Kritik eben
kontextuell das Werk oder ein Konzept „in gesellschaftspolitische Modelle und
Kontexte einzubetten“, indem Bedingungen der Erzeugung und der Rezeption
untersucht werden. Nach Martin Prinzhorn, der diese Fragen aufwirft, stehen sich
zwei Positionen gegenüber. Die eine, deskriptive, historische versucht die
Kunstwerke, als autonom angenommen, in einem fortgesetzt wiederholten
Einigungsprozeß in einen wohl auch qualitativ hierarchischen Zusammenhang zu
bringen (Kriterien sind etwa „schön“ oder „angemessen“). Sie steht der kontextuellen
Methode gegenüber, die sich oft in einem „Reich der reinen Diskursivität wähnt und
von einer Kunst jenseits des Objektes phantasiere“. Beide tendierten zum Purismus.
Gegenwärtige Kunst ist nur in einem virtuellen und intendierten Sinn Kunst. Erst ein
historischer Einigungsprozeß entscheidet darüber im weiteren. Es besteht aber ein
Interesse daran, die virtuelle Ätiologie mit der historischen in Übereinstimmung zu
bringen. Die Normen des Gegenwartsdiskurses sind natürlich selbst historisch
bedingt. Schließlich sollten die Entstehungsbedingungen von Kunst schärfer erfaßt
werden, indem synchrone und diachrone Formationsprozesse klarer getrennt und
ihre Wechselwirkung untersucht wird.
Kritik: Im Sinne des Untersuchungsrahmens der Gruppe Or-Om zeigt sich hier
die berechtigte Forderung, die historischen und gegenwärtigen normativen
Kriterien der Ästhetik diskursiv und nicht konstitutiv zu reflektieren, auf der
anderen Seite aber auch die gesamte Einbettung der Kunstproduktion und
Kunstkritik in die Bedingungen des Gesamtmodells diskursiv zu hinterfragen.
Eine anspruchsvolle aber ergiebige Aufgabe. Zu beachten ist aber, daß die
Forderungen Prinzhorns selbst eigentlich dem Diskurs entzogen bleiben
15 Vgl. auch Birgit Jürgenssen im Beitrag zu dis-positiv: „Selbst hartgesottene Wissenschaftler meinen, der neuronale
Schaltplan des Gehirns müsse aus Gründen der Kombinatorik unzugänglich bleiben.“ Es ist viel im Geist, was nicht im
Gehirn ist“ wird bei ihr zitiert.
16 Vgl. hiezu: „Die Vollendete Kunst“ S. 162f.
13
müssen, also eine von jeweiliger Geschichte und Gesellschaft unabhängige
Konzeption darstellen, die selbst dem Diskurs entzogen bliebe /das alte
Problem der mangelnden selbstreferentiellen Konsistenz!). Schließlich reicht
der Ansatz über bestimmte diskurstheoretische Erkenntnistheorien nicht
hinaus, was aus der Sicht der Gruppe Or-Om als Begrenzung im Sinne einer
neuen Sprache des Diskurses und der Ästhetik sowie der Evolutionstheorie
angesehen wird.
Die Bewußtseinsveränderung und Veränderung der Kunst im cybernetic turn führt
nach Manfred Fassler in der Monitorisierung zu einer durchgehenden Bildpragmatik.
Diese hat nichts mehr mit Mimesis und Simulation zu tun, aber auch nichts mehr mit
Spiegelbild, Abbild, Urbild und Ähnlichem. „der cybernetic turn verbindet Figur,
Morph, Raum, Bewegung neu mit Visualität, ohne versprechen zu können, dass das
virtuell Reale jemals das real Reale werden wird. Die Beispiellosigkeit schließt die
Möglichkeit aus, auf eine vergleichbare Realität zurückzugreifen.“
Kritik: Wie im Aufsatz: Virtuelle Teilwelten und Universale All-Welt dargelegt
wird, ist der Gegensatz zwischen virtuell Realem und real Realem
erkenntnistheoretisch ungenau und unzulässig. Auch unsere reale Realität
(als Außenwelt usw.) ist stets fiktional-virtuelles Bewußtseinskonstrukt, bei
dem nur vermittelte subjektive, körperliche Sinnesdaten „real“ sind. Der Rest
ist Konstrukt. Natürlich besteht ein Unterschied zwischen einer monitorisierten
Virtualität und der Virtualität der bisherigen Bewußtseinskonstrukte, aber
grundsätzlich sind beides Virtualitäten und es bleibt für beide Virtualitäten das
gleiche erkenntnistheoretische Rätsel, wann und unter welchen
Voraussetzungen sind diese im Gesellschaftsmodell b) auch noch in ihrer
Vielfalt anzusetzenden Virtualitäten wahr usw? Ist die eine Virtualität mehr
Schein als die andere usw?
Natürlich bedingt die monitorisierte Virtualität gewaltige Umbrüche der Gesellschaft,
die Fassler skizziert. „Das Auge, das Sehen, die optische visuelle Information finden
sich auf dem evolutionären Feld der kybernetischen Medien wieder, in den visuellen,
audio-visuellen, taktil-audiovisuellen Umgebungen des Cyber-spaces. Ihr
Eigenthema ist das Bildliche, die Visualität als Verstärkung des Denkens, als Quelle
des Denkens, Steuerungsebene der Intelligenz, als Ressource der Rationalisierung,
bildverstärkte Gedanken.“ Aber es bleiben die Fragen: Taumeln wir auf einem
Narrenschiff von den alten in neue Träume oder bringt uns die
Bewußtseinveränderung durch den cyber-space dem Ideal der geeinten Menschheit
näher. Ist es der Turmbau von Babel oder ein Pfingstfest?, wie ein anderer
Theoretiker meint.
Dieter Bogner glaubt, in Österreich jenseits kurzfristiger theoretischer Überlegungen
verfestigte typische Strukturen ausnehmen zu können. „Relativierendes Agieren im
Zwischenraum polarer Gegensätze läßt sich aus zahlreichen künstlerischen und
theoretischen Aussagen als eine in Österreich wirksame Langzeitstruktur
herauslesen.“ Keinem könne man nein sagen, man müsse alles bejahen und lebe
polarisch (Bahr).Österreich sei das Landes des Entweder-und-Oder (Menasse). „Die
Verösterreicherung beginnt also (und endet) mit der plötzlichen beglückenden
Erkenntnis, daß nichts mehr wichtig oder vielmehr: daß alles gleich wichtig oder
gleich unwichtig ist „(Mauthe).Dialektisch formuliere es Hofmann, indem er meint,
man müsse in der Negation die Affirmation und umgekehrt wahrnehmen. Der von
Musil erkannte Möglichkeitssinn sei typisch. Es handle sich um einen
gesellschaftlichen Diskurs, bei dem nie gesagt würde, was gemeint ist, und
umgekehrt, erhielte hiedurch alles eine symbolische Bedeutung, die aber ihre
wirkliche Bedeutung nach Möglichkeit nicht zeigt (Menasse).
Kritik: Diese Typisierung der österreichischen Gesellschaft sollte mit dem
Gesellschaftsmodell unter b) in Beziehung gebracht werden. Gilt diese
Typologie für den Gewerkschaftsführer aus Favoriten ebenso wie den
14
Bergbauern in Vorarlberg oder einen Studentenvertreter in Graz? Trifft die
Typologie nicht nur bestimmte „herrschende“ Schichten der Intelligenz und
Politik? Trifft er für die Österreicher der ersten Republik im gleichen Maße zu
wie für die heutigen? Was sind polare gesellschaftliche Gegensätze? Welche
Gegensätze sind polar, in welchem System? Bekanntlich gibt es bereits über
diese Frage unabsehbaren theoretischen und politischen Streit17. Enthält nicht
jeder in Machtkonflikten gebildete Kompromiß das Entweder-und Oder, nicht
nur in Österreich (z.B. die Regelungen des neuen AusländerStaatsbürgerschaftsrechtes in der BRD)?. Ist dieses Entweder-und-Oder nicht
eine Strategie, die auch in anderen Gesellschaftssystemen infolge der
Komplexität der Problem- und Interessenlagen ständig angewendet wird? Der
Umgang mit Gegensätzen (wie konservativ traditionalistisch/progressiv liberal,
Kapital/Arbeit oder links/rechts) wird auch in anderen Gesellschaften mit
einem Entweder –und-Oder weitergeschoben, auch wenn zuerst mehr in die
Richtung Entweder gegangen wird, erfolgt später die Umkehr ins Oder usw.
Wenn man schon Typisierungen annehmen will, dann müßte zumindest
beachtet werden, daß es sich wohl eher nur um Gradunterschiede in der
pragmatistischen Steuerungsstrategie gesellschaftlicher Konflikt- und
Gegensatzkonstellationen hoher Komplexität handelt, wobei zumindest die
Komplexität des Gesellschaftsmodells unter b) empirisch zu berücksichtigen
wäre. Jede auf bestimmte Stabilitätsgrade bedachte Balancierung
gesellschaftlicher Gegensätze ist bereits Verschleierung bestimmter Anteile
des Gegensatzes. Eine zu starke Betonung derartiger Typologien könnte
selbst in die Gefahr des Provinzialismus geraten, da Vergleiche verschiedener
Gesellschaften hoher Komplexitätsgrade nicht angestellt wurden. Eine solche
Typisierung könnte auch den Begriffen der „Volksseele“ nahe kommen, mit
allen bekannten Gefahren. Schließlich ist zu fragen, ob die Vertreter dieser
Typologie als Österreicher nicht auch von diesen Eigenschaften durchdrungen
sein müßten, womit diese Typologie selbst davon infiziert wäre. Wer kann sich
wie von solchen typisch österreichischen Eigenschaften überhaupt befreien?
Können es nur diejenigen, die diese Typologie behaupten, können es auch
andere? Schließlich ist zu bedenken, dass die Hegelsche Dialektik, die
Menasse benützt, selbst das Ganze als das Wahre
innerhalb eines
dialektischen Dreischritte erkennt, wo Entweder und Oder dialektisch
enthalten sein müssen! Die Gruppe Or-Om geht davon aus, daß die
Hegelsche dialektische Logik (als Inhaltslogik) und die traditionelle formale
Logik in der neuen Synthetischen Inhaltslogik der Wesenlehre überwunden
werden können. Wird diese menschliches und gesellschaftliches
Allgemeingut, dann ändern sich damit auch „Volkscharakteristika“18.
Eva Blimlinger versucht den gesellschaftlichen Konnex des Diskurses in lexikalischer
Form zu explizieren, wobei Verbindungen zu marxistischen Gesellschaftstheorien
bestehen - wiederum einer Partial-Rationalität. Kunst wird etwa als Form des aktiven
schöpferischen und umgestaltenden Verhaltens zur objektiven Wirklichkeit und deren
Widerspiegelung im Kunstwerk definiert. Sie ist dem gesellschaftlichen Überbau
zugehörig und hat als Gegenstand den Menschen und seine Beziehungen zu Natur
und Gesellschaft usw. Auch die Unterdrückung der Kreativität der Frauen wird
thematisiert.
Michael Lobgesang sieht in den Crossoverings zwischen Wissenschaft und Kunst
einen Fortschritt, weil er die Kunst aus der Abschottung gegenüber anderen
Bereichen der Gesellschaft und Kultur befreie, die durch den dominierenden
Kunstbegriff des 19.und 20.Jhdts. mit der These des Geniekultes entstanden sei.
Dieser Traditionsstrang fördere den Dekorativismus, der Produzierende hätte nicht
17 Die Zusammenlegung von Wirtschaftsagenden und Sozialagenden in einem Ministerium durch die derzeitige Regierung
zeigt, daß sie den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit anders sieht als die vorherige Koalitionsregierung usw.
individuellen und gesellschaftlichen
Aufarbeitung der österreichischen Vergangenheit insbesondere der Shoah mindern und wehren sich auch gegen die
geringsten Versuche einer Relativierung dieses geschichtlichen Faktums.
18 Die obigen Ausführungen sollen aber in keiner Weise etwa die Dringlichkeit einer
15
mit der heutigen Welt zu tun, weitab vom Leben/Gesellschaft/Kommunikation lebe er
im Elfenbeinturm mit der Narrenkappe der sozialen und intellektuellen Irrelevanz
bzw. Inkompetenz. Aber auch das Crossovering der Kunst z.B. mit Video, Grafik- und
Webdesign erzeuge einen neuen Dekorativismus. Hype werde zu Schwindel und
Lüge.
Es gehe um eine Redefinition und Repositionierung von Kunst innerhalb des
sozialen Gefüges jenseits des Zweckmäßigkeitsdenkens und der Narrenfreiheit als
Bebilderer von Theorien, Thesen und Theologien zu sein, um einen Altar des letzten
Glaubbaren unserer westlichen intellektuellen Kultur zu errichten.
Kritik: Es entsteht unter Berücksichtigung des Gesellschaftsmodells die äußerst
schwierige Frage: Wann verhält sich Kunst zur gesellschaftlichen Realität, deren Teil
sie ist, so, daß sie Lüge, Schein oder dem Verblendungszusammenhang entkommt?
Jonathan Quinn selbst auch Übersetzer kunsttheoretischer Texte, sieht die Funktion
der an das Werk angehängten Theoriediskurse, deren Typen er aufführt, äußerst
kritisch. Es handelt sich häufig um Rechtfertigungs- und Legitimierungsstrategien, die
u.U. auch im Kunstmarkt in Verstärkerfunktion eingesetzt wird. Auch hinsichtlich der
Rezeption ist er skeptisch. „the art discourse has overwhelmingly been based on
reactions to visual translations of thinking“. Dieser Gedanke mag vielleicht für
Picasso zutreffen, der wohl mit den Fingern gedacht hat, aber auch seine Arbeit in
allen Facetten und Stilen ist von einer Vielzahl theoretischer Konzepte bestimmt, die
nicht unmittelbar aus der visuellen Umsetzung von Gedanken stammen. Also: Die
Künstler benützen Theorien, die sie teils erfinden, teils übernehmen. Die Theoretiker
benützen theoretische Konzepte, die sie teil in die Werke hineinkomponieren,
teilweise vom Künstler übernehmen usw. Letztlich haben wir es immer mit
konzteptuell gestützten Bewusstseinskonstrukten zu tun.
Ähnlich wie Catherine David untersucht Jill Wooley die Gültigkeit des Satzes: „Die
Kunst ist tot“ und der These, dass wir in einer erschöpften Zeit lebten. „All possible
formal innovations have been realized. The most advanced art can only function in
the realm of philosophy.” Diese These sei richtig und falsch. Er weist aber auch noch
auf eine andere pragmatische Erfahrung hin. Für wie viel Prozent der Bevölkerung
sei die moderne Kunst von Interesse? „Art made for the museum in our time is a
specific language read only by an elite few who have the time, money and education
to learn its peculiar language. Er weist auf den medialen Unterschied zwischen den
langsamen und schnellen Medien hin. Wer hat die Zeit, die komplexen Werke der
Moderne und Postmoderne sorgfältig zu studieren? So gelangt er zum Ergebnis,
dass andere Medien den modernen Bedingungen besser entsprächen: Video, Film,
Installation, Internet, Tanz, Theater, Performance. Er möchte die Grenzen zwischen
den Formen beseitigen, um die Einheit, die zwischen ihnen besteht, wieder
herzustellen (multidimensional und inclusive), das Geheimnis des Lebens, das nicht
in Worte gebracht werden kann.
Zur Position Richard Jochums
Die These, daß moderne Kunst zunehmend in Theorie übergeht, wird von Vitus H.
Weh für die Gegenwart bestritten.
Ruth Maurer erwähnt als Vorläufer der Ausstellungsidee Gilbert&George(seit 1969),
Richard Kriesche 1971und Vanessa Beecroft19. Zum Unterschied von den Vorläufern,
deren Selbstausstellung usw. jeweils eigene Bereiche des vielschichtigen Prozesses
„Kunstwerk“ und dessen Konnotationen thematisierte, wird bei Jochum wohl mit dem
Repräsentanten des Diskurses neben den Facetten der Probleme des Diskurses (die
gesellschaftliche Macht des Theoretikers inbegriffen) der Körper nur als Hülle für den
19 Es gibt allerdings wichtige Vorläufer vor Gilbert&Gorge,die bei Klaus Hoffmann: Kunst im Kopf. duMont 1972 sorgfältig
behandelt sind. Vor allem Piero Manzoni und Timm Ulrichs.
16
geistigen Aspekt (den Diskurs als Kunstwerk) bereitgestellt. Es wurden u.a. auch
Werke des Objektes auf Nebentischen präsentiert usw. also eine neue Dimension.
Umgekehrt muß beachtet werden, daß wir genau betrachtet überhaupt nie Körper,
eine Außenwelt, traditionelle Bilder als Ausstellungsobjekte erkennen, sehen usw.,
sondern daß wir es immer mit persönlichen Bewußtseinskonstrukten – gebildet aus
Sinnesdaten, Phantasie und Begriffen - zu tun haben, wir also auch die Ausstellung
sonstiger Kunstwerke immer im Gesellschaftsmodell b) als gefärbte (vermittelte)
subjektive Bewußtseinskonstrukte vor uns (in uns) haben, also eigentlich immer
psychisch-geistige Ebenen betroffen sind.20 Wir leben daher stets in virtuellfiktionalen Welten. Auch die Ausstellung im Semper-Depot war für jeden Besucher
eine konzeptuelle Fiktion.
Daniela Hammer-Tugendhatt glaubt:
Das Auststellungskonzept reduziere Kunst auf Konzeptskunst.
Kritik: Selbst wenn man annimmt, daß Kunst nicht in so starkem Maße wie von
Jochum angenommen, in Theorie übergehe, muß beachtet werden, daß auch
der von „Theorie völlig unbelastete Künstler“ ständig Theorie benützt. Auch
der antirationalistische Duktus des Automatismus oder Spontanismus ist sehr
rigide theoretisches Konzept. Zum zweiten wurde schon darauf hingewiesen,
daß bei jeder Erzeugung eines Werkes auch der Kopie einer Fotografie bei
Gertsch weder der Künstler noch der Rezipient je Bilder, Gesichter, Abbilder
von Gesichtern usw. sehen, sondern immer nur völlig verschwommene
Farbsensualitäten auf ihrer Netzhaut, aus denen sie mit Phantasie und
Begriffen theoretisch-fiktional-virtuell Konstrukte erzeugen. Erkenntnis ist
daher ohne Theoriebildung gar nicht möglich.
Wird der Diskurses zum Thema, dann ist nach Hammer-Tugendhatt wohl der
Kunstdiskurs gemeint. Damit würde Bedeutung und Funktion der Kunst auf
Selbstreflexion reduziert.
Die Personalisierung des Diskurses durch Ausstellung personalisierter
Definitionsmacht produzierte womöglich dasjenige, was angeblich in Frage gestellt
werden soll.
Gerald Bast meint, daß gerade jetzt, wo zeitgenössische Kunst wieder in die
Defensive gedrängt würde, die „Ausstellung“ dazu beitragen könne, daß ein Diskurs
über den fehlenden gesamtgesellschaftlichen Kunst-Diskurs entsteht und so
wenigstens die Hoffnung auf bessere Zeiten nährt. Auch hier ist wieder zu fragen,
welche zeitgenössische Kunst gemeint sei, und vor allem was man, bei
Vergegenwärtigung
des
Gesellschaftsmodell
unter
b)
unter
„gesamtgesellschaftlichem Diskurs“ verstehen soll.
Vielschichtig ist die Kritik Katherina Zakravsky`s an der gesellschaftlichen Position
der Performance im Spannungsfeld zwischen Tanz und inszenatorischem
Sprechtheater. Die Grenzen seien rezeptions- und produktionsbedingt. Folgende
Problemkomplexe werden angeführt: Fehlbeurteilung diverser Spaßgruppen bedingt
durch ideologische Kontexte im Bereich der hegemonialen Moderne; / Anbiederung
hybrider Formen von Tanz und Theater an Definitionen der Installation und
Medienkunst, um Akzeptanz bei den Rezeptoren zu erlangen;/ fehlende
Berücksichtigung von body theory, Sexualtabus im Tanz;/ mangelnde
Komplementierung von Tanz-Theorien durch schärfere Kulturtheorie des
sozialisierten Körpers;/Verdrängung des Umstandes, daß der Körper die Version
20 Zu den erkenntnistheoretischen Implikationen und Schulen der Erkenntnistheorien siehe etwa den Aufsatz „Das Unendliche
und die Grenze“ http://pcnews.at/ftp/son/01/digi.zip
17
eines sozial konstitutierten, kulturell ausdifferenzierten Geschlechterduals ist, bis zur
Geschlechtsneutralität/starker Abstand zwischen den meisten Institutionen des
Sprechtheaters und der theatral inspirierten hybriden Performance;/Übergreifen des
begleitenden Textes auf die Performance. „Performance teilt das Schicksal der
gesamten erweiterten Kunst nach der Moderne (Postmoderne oder zweiter
Moderne), sie bildet auf Grund ihrer Produktionsbedingungen hybride Formen aus,
findet dann aber nicht das passende Rezeptive gegenüber und stößt schließlich auf
ein hartes und fast aporetisches Problem, das die Kunst der Moderne in ihrer
Eigenschaft als Kompensat bürgerlicher Lebensform und kapitalistischer Ökonomie
seit mehr als einem Jahrhundert begleitet: die Kunst erweitert sich durch den
nominalistischen Akt auf infinite Erweiterbarkeit. Sie wird hiebei lediglich frei,
ungenutzte Ressourcen zu reaktivieren und metonymische Parasitenfunktionen zu
existierenden Sozialkomplexen auszubilden“.
Kunstmanagment – Herrschaftsstrukturen der Subkulturen
Die Pluralisierung des Kunstbegriffes natürlich mit schichtspezifischer Verteilung der
Kunstbegriffe mit entsprechender parteipolitischer Instrumentalisierung einerseits
und Differenzierungen derselben allein in den Richtungen der Moderne (vgl. oben
den Virtuellen All-Raum) und der progressiven Postmoderne führen zu einer
typischen Verunsicherung.
Zinggl leugnet die Möglichkeit für den Kunstbegriff verbindliche Qualitätskriterien
festzusetzen. Die Kriterien sind durch gesellschaftlich bedingte Weltanschauungen
und Daseinsentwürfe bestimmt21 Die weiheartige Qualifikation von Kunst durch die
Aufnahme in die Ersatztempel der Museen verdeckt lediglich das Problem. Zinggl
betont zurecht die Differenzierung des Kunstbegriffes über Gruppendefinitionen, die
mit konkurrierenden Gruppen in gesellschaftliche Auseinandersetzungen geraten
(z.B. Erbauungs-, Unterhaltungs-, politische Verantwortungskunst nebeneinander).
„Die Gruppen mit ihren unterschiedlichen Kunstbegriffen treten gegeneinander an wie
politische Parteien. Ein ständiger Wahlkampf. Gewählt wird zwar nie, ansonsten ist aber alles
gleich. Die Macht der Medien spielt eine Rolle, das Geld, die Erziehung und Bildung“.
Zinggl moniert eine demokratische Diskussion, die aber eine Aufklärung des Bürgers
darüber erfordert, daß niemand berechtigt ist, einen partialen Kunstbgriff als den
alleinigen zu vertreten, der bestimmte typische Wesensmerkmale (autoritäres
Weltbild) besitzt. Über die Wahlmöglichkeiten ist aufzuklären, was ein politisches
Postulat ergibt.
Kritik:Diese Position erzeugt ebenso viel Aufklärung wie sie umgekehrt
Probleme aufwirft. Die Forderung nach einer politischen Demokratisierung des
Kunstdiskurses ist sicherlich angesicht der autoritären Elemente der
staatlichen Strukturen aber auch der Probleme des Kunstmanagments
(Kuratorenposition usw. vgl unten) sicherlich wichtig. Es bleibt aber das
Grundproblem: Der demokratisiert-pluralisierte Kunstbegriff ist selbst
wiederum dann autoritär, wenn er sich gegen evolutionslogisch progressivere
– wie ihn etwa die Gruppe Or-Om anbietet - verschließt. Um funktionstüchtig
zu sein, muß sich der demokratisiert-pluralisierte Kunstbegriff über alle jene
Kunstbegriffe autoritär erheben, die er demokratisch verwaltet, womit er genau
jene Autorität beansprucht, die er anderen nicht zugestehen will.
21 Im Gesellschaftsmodell b) wird sichtbar, daß jedes Mitglied jeder Schichte ein schichtbedingtes Weltbild besitzt, wobei diese
Weltbilder durch die Hierarchie der Über- und Unterordnung der Schichten und der Positionen allfälliger Subkulturen weiter
bestimmt werden.
18
Darüber hinaus birgt dieser Begriff eine viel pragmatischere Gefahr. Wenn auf
demokratische Weise –womöglich mit Mehrheitsprinzipien - darüber zu
entscheiden ist, was als Kunst zu gelten hat, ist die Gefahr nicht
auszuschließen, daß äußerst unerwünschte Kunstbegriffe, wie sie etwa der
Faschismus
prägte,
mehrheitsfähig
werden.
Das
formale
Kommunikationspostulat der Demokratisierung des Kunstdiskurses befreit
zwar von bestimmten Monokulturen in Richtung auf Vielfalt, ist aber überhaupt
nicht in der Lage, inhaltliche Entwicklungen des Kunstdiskurses in
bedenkliche Rechts- und Linksextremismen oder Fundamentalismen
usw. zu verhindern. Schließlich verschließt sich dieses Theorem eben einer
Evolutionslinie in Richtung auf neue Verhältnisse zwischen Einheit und
Vielheit.
Gerald Matt nimmt an, daß die Kunst seit Beginn des 20.Jahrhunderts „als
Emanation eines außersprachlichen Transzendenten, das seinerseits wieder der
Verschleierung von gesellschaftlichen Verhältnissen diente, an Autorität verloren“
hätte. Das Objekt sei vielfach „nur mehr Anlaß und Vorwand zur Erwirtschaftung
theoretischen Distinktionsgewinnes.“
Ein weiterer Grund für die Akkumulation an Diskursmassen sei ein neuer Typ von
Sammler auf dem entfalteten Kunstmarkt, für den Diskurstauglichkeit ein Kriterien
des Ankaufes sein kann und schließlich die Abnahme des mimetischen Kriteriums
gegenüber anderen Parametern, wie Schock, Abstraktion und soziale Intervention.
Der Diskurs verlangt nach Variabilität und unterliegt als Ensemble aus Theorie und
Objekt selbst einem starken Innovationsdruck.
„Das Neue wächst in einem komplizierten Geflecht aus Medien, Öffentlichkeit und
Kunstbetrieb. Nach dem Abgesang des Projektes der Moderne herrsche ein Nebel
der Diskursungewißheit.“
Wichtig ist Matts Haltung zum Utopischen in der Kunst. Die geschichtsphilosophisch
motivierte Zukunftsgläubigkeit (etwa im Marxismus) suggerierte mit ihrem
gesamtgesellschaftlichen Potential, gerade die Erwartung, „es werde schließlich
etwas so endgültig Neues geben, daß es nach ihm nicht noch Neueres geben könne,
sondern nur noch die uneingeschränkte Herrschaft dieses allerletzten Neuen über
die Zukunft (Boris Groys). Marxismus, Psychoanalyse und Wissenschaft hätten als
Ersatzreligionen abgedankt.“ Es gibt keinen Geist in der Maschine mehr, der die
metaphysische Gewalt hätte, die Erscheinungsrituale der Kunst als antizipatorische
Geste, als Vorschein einer utopischen Gegenwelt zu segnen. Die Hoffnung auf das
Andere, den ontologischen Kern des Da-seienden sei verblichen. Kunst lebe nur
mehr aus ihrer Immanenz und dies als Ausdruck, Kritik oder ästhetische Verdichtung
kompetitiver Milieus und Lebensstile, als Waffe in `Style wars` und `different
attitudes`. In diesem Zustand sei die Erwirtschaftung von Aufmerksamkeit um jeden
Preis die Kapitalrendite in einer Gesellschaft der televisionären Präsenz und
Netzkommunikation. Im Taumel der Virtualitäten und imaginären Projektionen der
Gefahr ausgesetzt, ihre Selbstgewißheit und ontologische Verankerung zu verlieren,
kommt es letztlich so weit, daß jedes Werk seine eigenen Qualitätskriterien wie jeder
Rezipient seinen eigenen Geschmack besäßen.
Dieser kulturpessimistischen Analyse können die Ansätze der Gruppe Or-Om
angeboten werden. Metaphysik kann auch progressiv sein!
Kunstmanagement - Die Stellung der Kuratoren usw.
Die Stellung des Kurators ist wegen der Dispositionsmacht desselben bei der
Auswahl der Künstler im Diskurs offensichtlich umstritten. Während Kunstkritiker und
Künstler die typisch ambivalenten Haltungen zeigen, neigen die Kuratoren selbst zur
defensiven Selbstrechtfertigungsargumenten.
19
Vitus H.Weh kritisiert die mangelnde inhaltliche Konturierung der Kuratoren.
Christian Reder schlägt bei der Thematisierung von Kuratoren- und VermittlerFunktionen den Blick in andere Felder vor. An eine institutionelle Einbindung in
diverse „Betriebssysteme“ bleiben alle Mitwirkenden an Bedeutungsproduktion
gebunden. Hiebei entwickeln sich in den diversen Fachwelten Ranking-Kulturen. Es
geht um Bestenlisten. Wertschätzung und Markterfolg sind nicht deckungsgleiche
Ebenen (Probleme der Marktbeeinflussung). Diese Phänomene bilden daher auch
einen Teil des Metadiskurses von dis-positiv. Die anderen qualitätssichernden
Teilnehmer sollten aber nicht unberücksichtigt bleiben.
Ausgehend von seiner kulturpessimistischen Beurteilung des Zustandes von Kunst in
der Gegenwart gelangt Gerald Matt zu einer Charakterisierung der Funktionen von
Kurator/Theoretiker oder Museum/Galerie/Kunsthalle. Diesen würden quasidemiurgische und prognostische Fähigkeiten abverlangt. „In einem unendlichen Spiel
partieller Differenzen sollten sie Regeln aufstellen, die zumindest für einen
gegebenen Time – Slot Autorität und Gültigkeit besitzen.“ Sie sollen eine Perspektive
auf mögliche Welten, eine Unifikation der Vielheit, eine Reduktion von Komplexität
bieten. In einer Epoche der Unübersichtlichkeit empfiehlt sie sich als Person des
Vertrauens.
Kritik: Die Positionen der Gruppe Or-Om zeigen, daß die von Matt treffend skizzierten
Zustände des modernen Kunstbetriebes durch Bewußtseinsveränderungen, die
letztlich auch Gesellschaftsveränderungen nach sich ziehen, sehr wohl veränderbar
sind, in Richtung auf völlig neue Rationalitätsstrukturen. Zum einen führen sie zu
einer neuen ontologischen Verankerung auch der Kunst in einer progressiven
Metaphysik die keine gesellschaftlichen Verhältnisse verschleiert und in der die
unübersichtliche inkompatible Vielfalt ohne totalitäre Autorität auf eine neue Einheit
bezogen wird. Damit würde sich natürlich auch die Funktion der
Kuratoren/Theoretiker usw. maßgeblich verändern.
„Auch wenn es momentan den Anschein hat, als ob KünstlerIn nur im Kollektiv mit
Kuratoren, sozial definierten KünstlerInnen –Gruppen u.ä. arbeiten kann, ist
vorauszusehen, daß das gesamte System der Kunst eine wirklich zukunftsweisende
Struktur findet: das so archaisch anmutende Modell des `autonomen Künstlers`
(auch mit Computer, dem neuen Freund an ihrer/seiner Seite)“ meint Birgit
Jürgenssen und nimmt daher an, daß die Autonomisierungsfähigkeit des Künstlers
der Künstlerin im Kunstbetrieb erhöht werden könnte.
Ein sehr kritisches Bild des Kunstmanagements entwirft Dietmar Bruckmayr. Die
Managementpositionen werden mit Parteigängern oder Exponenten von
Vorfeldorganisationen (Hochschülerschülerschaft usw.) besetzt, mangelnde
kulturtheoretische und –praktische Kompetenz wird durch Managementlehrgänge
kompensiert, die sogar in ein Studium münden könne. Neben Künstlern und
Managern erreicht die Akademisierung auch die Betreiber von Kulturinitiativen, die
wiederum Konsolenten beschäftigen, die von jenen Kommunen finanziert werden,
welchen die Initiative dann Vorschläge unterbreitet, die wieder von der Kommune
finanziert werden. Dachverbände und Plattformen der alternativen Kulturszene
werden zu Kulturverwaltungsapparaten, die wiederum den kulturpolitischen
Entscheidungen der Parteien zuarbeiten usw. Die professionelle kulturelle Aktivität
sei daher auf bestimmte privilegierte Schichten und Personen beschränkt.
20
In einer e-mail-Konversation zwischen Irene Athanassakis&Rosa von Suess wird
deutlich die Unzufriedenheit mit den (männlichen) Machtstrukturen im Kunstbetrieb
ironisierend thematisiert. (Prominenz, Auserwählte, dispositiv-Debatten und -Fehden,
Demiurgen der Kunst, Parasitenprojekt?, Dispositive der Macht, Kuhhandel des
dispositivs, der Neid, Antipathie unter den Herr- und Frauschaften, Imageeinbruch,
„Kunstbetriebler“, Verehrung, Harmoniesucht, unterschiedliche Rolle der „Exponate“
im „Kunststück“, exklusive U-Kunst, 2/9 im Gender-match usw.). „Sind DIE
tatsächlich DER Diskurs?“ „Bitte, sorgt euch nicht, ihr seid alle KüstlerInnen, und wir
brauchen mehr geld, chef! Und nicht MEHR chefs, die noch mehr geld brauchen und
verbrauchen.“
Die Zunahme an Komplexität und Differenzierung gesellschaftlicher Kontexte führt
nach Carl Aigner in der Verschränkung und/oder Parallelität von Kunst und Diskurs,
dazu, daß die Arbeit der Vermittlung selbst Subjekt des Diskurses wird. „Die
Diskursivität von Kunst, verstanden als ihre Vermittelbarkeit, ist demnach
Übersetzungsproduktion“. Als Rechtfertigungsargument gegen den Vorwurf
VermittlerInnen dominierten den Kunstbetrieb und die KünstlerInnen (Kuratoren als
Götter des Kunstbetriebes) dient die Annahme, es bedürfe der ko-konstitutiven Arbeit
der Kunstvermittlung als Diskursproduktion. Die Vorstellung reiner Kunstproduktion
sei regressiver Kunstbegriff. Erläuterung und Interpretation künstlerischer Arbeit
seien nicht zwangsläufig Rekuperation und parasitäre Positionierungsstrategien. Die
Funktion der Vermittlung sei nicht mehr bloß perspektivistische Distanzreflexion, sie
sei gesellschaftlich Bedeutungsherstellung., Deklarationsmacht für/über Kunst. Die
Arbeit der Vermittlung leistet notwendige Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen
Harmonisierungs- und ästhetischen Behübschungsansprüchen und dekuvriere
Machtdispoitive.
Kritik: Die Vorstellung, reine Kunstproduktion als regressiven Kunstbegriff zu
bezeichnen, ist insoweit mangelhaft, als Kunstproduktion nie rein ist, sondern
jeder Künstler, auch ohne Vermittlung und Theorie, sich immer konstitutiv
bestimmter Begriffe usw. bedienen muß, um ein Werk zu erzeugen. Infolge
der weiten Differenzierung der Kunstansätze der Künstler in einer Gesellschaft
ergeben sich bereits hieraus „Verständigungsprobleme“ mit Rezipienten usw.
es gibt im weiteren, genau besehen, auch keine neutrale perspektivistische
Distanzreflexion der Vermittlung, auch diese ist bereits Ko-Konstitution. Die
Funktion der Vermittlung nach Aigner könnte zweierlei sein: Dekuvrierung der
seiner Meinung nach bedenklichen gesellschaftlichen Harmonisierungs- und
ästhetischen Behübschungsansprüche bestimmter Werke einerseits, bzw. die
Förderung von Werken, die selbst die Dekuvrierung von Harmonisierungsund Behübschungsansprüchen zum Gegenstand haben. Wie hier auch
ausgeführt wird, hat jede der relativen Stabilisierung dienende pragmatischpolitische Balancierung gesellschaftlicher Gegensätze22, die in ihrer Vielfalt im
Gesellschaftsmodell
sichtbar
sind,
eine
verschleiernd-inadäquate
Harmonisierung zur Folge, womit die Aufgabe der Vermittlung ins
Unermeßliche steigt.
Die Kuratoren sind nach Michael Lobgesang Rekreierende, nicht vermittelnde
Aufbereiter, gesellten sich zur Familie der Produzierenden, schöben jedoch die
Primärverantwortung den Kunstproduzenten zu, „um gleichzeitig jedoch den Starkult
22 Wie wir sehen, ist bereits die Frage, was und wie gesellschaftliche Gegensätze politisch formuliert werden sollen,
Gegenstand komplizierten politischen Diskurses.
21
der Kulturmaschinerie (entgegen den Versuchen, die Kunst zu demokratisieren) auch
an ihre Position weiter zu tradieren“.
Kunst und Sponsoring (Wirtschaft)
Loba Redekker thematisiert die Frage des Verhältnisses zwischen künstlerischem
Talent und Förderer (die Spannung der unterschiedlichen Erwartungshaltungen und
deren Überspitzung), welches durch die mangelnde Bereitschaft des Talentes,
Beweise seiner Begabung zu produzieren, sichtbar gemacht wird.
Kunst und Politik
Hans Peter Wipplinger blickt ua. auf die politischen Rahmenbedingungen, das
Fluidum, in dem Kunst gedeiht. Aus der Scheinwelt herausgerissen, die uns die
Kunstwelt vorinszeniert23, sei derzeit durch die politischen Veränderungen in
Österreich eine Forcierung von Sozialneid, Rassismus, Fremdenhaß, proklamierter
Kunstfeindlichkeit usw. feststellbar. Widerstand sei daher angebracht.
Ergebnis
Der bisherige Diskurs in dis-positiv ist im ersten Schritt in die Zusammenhänge des
Gesellschaftsmodells b) aufzunehmen, in einem zweiten in den All-Raum der Kunst
a). Durch die Verbindung der beiden Aspekte ergeben sich dann auch die
Möglichkeiten, die Kunsttheorie und –praxis über bisherige Positionen hinaus
weiterzubilden.
Literatur
Beckmann John ed.:The Virtual Dimension Architecture, Representation and Crash
Culture.1998
Borg Luc: Das VR-Modell der All-Kunst (VR-RM-AK) . PCNews 40
http://pcnews.at-/_ftp/pcn/4x/40
Bormann, Sven: Virtuelle Realität: Genese und Evaluation. Addison-Wesley,
Bonn,Paris. 1994
Conrad Anton, Bill
München.1999
Keith: Ages of Myst: Das offizielle Lösungsbuch. X-Games.
Damasio, Antonio R.: Wie das Gehirn Geist erzeugt. Spektrum der Wissenschaft
Spezial.1/2000.
Damer, Bruce: Avatars!. Peachpit press.California.1998.
Faßler Manfred, Halbach Wulf R. (Hrsg.) Cyberspace. Gemeinschaften, Virtuelle
Kolonien, Öffentlichkeiten. Fink Verlag. München.1994
Faßler Manfred (Hrsg.) Alle möglichen Welten. Virtuelle Realität. Wahrnehmung.
Ethik der Kommunikation.Fink.München.1999
23 Dazu dient etwa die Vergegenwärtigung des Gesellschaftsmodells unter b) welches die Einbettung der Kunst in die
Gesellschaft ausreichend pragmatisch zeigt.
22
Flusser, Vilem: Lob der Oberflächlichkeit. Für eine Phänomenologie der Medien.
Bensheim u.Düsseldorf.Bollmann.1993
Grasmuck, Volker R.: Die
tokyo.ac.jp/RACE/TGM/Texts )
Turing
Galaxis.(
http://
race-server.race.u-
Gundolf S. Freyermuth: Cyberland. rowohlt. 1996. Eine Führung durch den High
Tech Underground. rowohlt. 1996
Jochum, Richard: Komplexitätsbewältigungsstrategien in der neueren Philosophie.
Michel Serres. Frankfurt/M. Lang. 1998
Katalog Ars Electronica Festival 1997: FleshFactor-Informationsmaschine Mensch
Krause, Karl Chr. Friedrich: Vorlesungen über das System der Philosophie, 1828.
Neuauflage Eigenverlag. Breitenfurt.1981
Krämer Sybille: Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue
Medien. Suhrkamp. StW 1379.1998.
Leifert Regina: Virtuelle Teilwelten und Universale All-Welt. PC News 67 und 68.
und
http://pcnews.at/ins/pcn/0xx/06x/067/_pdf/n670022.pdf
http://pcnews.at/ins/pcn/0xx/06x/068/_pdf/n680021.pdf
Münch Richard: Globale Dynamik, lokale Lebenswelten.Suhrkamp.Frankfurt.1998
Pflegerl, Siegfried:„Sieht ihr Film rot auf rot?“ oder der Riese Polyphem in der
Bewußtseinstheorie. Fortsetzung des Vergleichs zwischen MI und KI“. PCNews 50
http://pcnews.at-/_ftp/pcn/5x/50
Pflegerl,Siegfried: “Die Einheit der Menschheit und globale Datennetze“. PCNews 53
http://pcnews.at-/_ftp/pcn/5x/53
Pflegerl,
Siegfried:
Flesh-Factor-Informationsmaschine Mensch. PC News.56
(Auch: http://webaec.at/fleshfactor/ „Integrative mind by media“
Beitrag am 21.8.1997).
http://pcnews.at-/_ftp/pcn/5x/56
Pflegerl Siegfried: Die universale Menschheit und der Info-War oder das Verhältnis
von Idee und Geschichte. PC News 60 http://pcnews.at-/_ftp/pcn/6x/60
Pflegerl, Siegfried: Die Vollendete Kunst. Zur Evolution von Kunst und Kunsttheorie.
Böhlau. Wien, Köln. 1990
Riemschneider Ernst: Grundlagen der digitalen Kunsttheorie. PC-NEWS-23
PCN-SON-1) http://pcnews.at/ftp/son/01/digi.zip
(und
Sarnig Peter Paul: Das Unendliche und die Grenze. Menschliche und digitalisierte
Intelligenz. PC-NEWS-26, 27 und 28 (und PCN-SON-1) http://pcnews.at/ftp/son/01/digi.zip
Thomas, Karin: Bis heute. Stilgeschichte der bildenden Kunst im 20.Jahrhundert. Du
Mont. Köln. 1986
Vesna, Victoria: Avatare im World Wide Web: Die Vermarktung der Herabkunft. In:
Katalog Ars Electronica Festival 1997: FleshFactor-Informationsmaschine Mensch
Vigor Hartinnen: Thel di karinamis Felt Kodamisi. Baritil 3423
Weibel Peter: Jenseits von Kunst. Passagen Verlag.Wien.1997
23
Wiener Oswald: Probleme der künstlichen Intelligenz. Merve.Berlin.1990
Welsch, Wolfgang: „Wirklich“. Bedeutungsvarianten – Modelle - Wirklichkeit und
Virtualität. In: Krämer.1998
24
Herunterladen