Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf: Zweite Beratung Entwurf Hochschulmedizingesetz (HMG LSA) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1842 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft - Drs. 4/2262 Änderungsanträge der Fraktion der SPD - Drs. 4/2279, 4/2280, 4/2281, 4/2282, 4/2283, 4/2284, 4/2285 und 4/2286 Die erste Beratung fand in der 48. Sitzung des Landtages am 15. Oktober 2004 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Dr. Schellenberger. Bitte sehr. Herr Dr. Schellenberger, Berichterstatter des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft: Danke sehr. - Sehr geehrte Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entwurf Hochschulmedizingesetz, Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 4/1842 - wir haben es gerade gehört -, in den Landtag am 15. Oktober 2004 eingebracht und an die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft federführend und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Gesundheit und Soziales sowie für Finanzen überwiesen. Wir haben uns im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft in der Sitzung am 10. November 2004 darauf verständigt, Anfang des Jahres 2005 ein Kolloquium durchzuführen, und zwar mit externen Sachverständigen, um die Aspekte und Möglichkeiten des Gesetzentwurfes zu erörtern, und darüber hinaus zusätzlich noch eine Anhörung durchzuführen. Mit Unterstützung des Kultusministeriums - hierfür noch einmal herzlichen Dank - konnte das Kolloquium mit hochkarätigen Experten als Referenten in der Leucorea in Wittenberg im Januar dieses Jahres durchgeführt werden. Die Experten hielten Referate zu unterschiedlichen Themenkomplexen, zum Beispiel zur Struktur der Hochschulmedizin, zum Personalrecht in der Hochschulmedizin, zu Finanzierungsproblemen zwischen medizinischer Fakultät und Universitätsklinikum und zum Numerus-clausus-Fach Medizin. An der ganztägigen Veranstaltung nahmen neben Vertretern der Landesregierung auch Mitglieder der mitberatenden Ausschüsse - die habe ich gerade erwähnt - teil, ebenso zahlreiche Vertreter der Leitungen der Universitäten, von den medizinischen Fakultäten und von den Universitätsklinika aus Halle und aus Magdeburg und auch Vertreter der Personalräte der Universitätskliniken, der Gesamtpersonalräte und des allgemeinen Hauptpersonalrats beim Kultusministerium. Sie alle hatten die Möglichkeit und nutzten diese auch, im Anschluss an die Vorträge in einer Podiumsdiskussion mit den Referenten ins Gespräch zu kommen. Der weitere Fortlauf: Wir haben dann am 2. Februar 2005 eine Anhörung durchgeführt, eine sehr umfangreiche Anhörung, zu der viele von den Vertretern, die ich gerade genannt habe, wiederum eingeladen worden sind. Zusätzlich waren eingeladen die Gleichstellungsbeauftragten, Studienräte der medizinischen Fakultäten sowie Vertreter der Gewerkschaften, Kassen, Ärzteverbände und Personalräte - alle waren sie eingeladen. Am 2. Februar 2005 hat der GBD dem Ausschuss eine umfangreiche Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf vorgelegt. Das Kultusministerium nahm die Bitte des Ausschusses nach Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung auf und übermittelte im Vorfeld der Sitzung am 9. März 2005 ein diesbezügliches Schreiben. In der Sitzung am 9. März 2005 wurden das Kultusministerium und der GBD vom Ausschuss gebeten, die Position des GBD in dessen Stellungnahme vom 2. Februar 2005 zu erörtern und nach Möglichkeit zu abgestimmten Vorschlägen zu kommen. Es erfolgten hierauf Abstimmungsgespräche zwischen dem Kultusministerium und dem GBD und dem Ausschuss ging ein Papier zu, in dem synoptisch dargestellt wurde, zu welchen Positionen des GBD eine Einigung festgestellt werden konnte, zu welchen Positionen weiterhin unterschiedliche Auffassungen bestanden und an welchen Stellen übereinstimmend neue Formulierungen vorgeschlagen wurden. Das Kultusministerium hat dem Ausschuss auf dessen Wunsch hin dieses Arbeitsmaterial zur Verfügung gestellt. Es gab auch noch Änderungsvorstellungen der medizinischen Fakultäten, der GEW und des GBD. Diese Anregungen wurden uns in einem Papier in synoptischer Form zur Verfügung gestellt, sodass wir eine gute Arbeitsgrundlage hatten. Es ging weiter am 6. April 2005. Wir haben an diesem Tag die erste tiefere Beratung nach der Anhörung durchgeführt und uns über das weitere Verfahren verständigt. In dem weiteren Verfahren war der nächste Termin der 4. Mai 2005. In dieser Sitzung gab es eine ganze Menge Änderungsanträge, und zwar 68 an der Zahl. Diese Änderungsanträge wurden entsprechend beraten und über diese wurde bei der Beschlussfassung abgestimmt. Im Zuge der Abstimmung entstand eine geänderte Fassung des Gesetzentwurfes, die mit 7 : 6 : 0 Stimmen eine Mehrheit fand und als vorläufige Beschlussempfehlung an die beiden mitberatenden Ausschüsse ging. Wir hatten uns dann vorgenommen, am 8. Juni 2005 die abschließende Beratung durchzuführen, aber aufgrund gewisser Differenzen in den mitberatenden Ausschüssen, aufgrund terminlicher Verschiebungen kam es nicht dazu. Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft hat dann eine Sondersitzung durchgeführt, um zu gewährleisten, dass Sie heute über den Gesetzentwurf abstimmen können, aber die reguläre Sitzung am 8. Juni dieses Jahres genutzt, um die Positionen noch einmal auszutauschen. In der Sondersitzung am 29. Juni 2005 ist dann über die restlichen Anträge und über die Beschlussempfehlung abgestimmt worden. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat bei dieser Gelegenheit noch einige Hinweise gegeben, die wir selbstverständlich gern aufgegriffen haben. Auf diese Weise ist eine Beschlussempfehlung entstanden, die wesentliche Veränderungen beinhaltet. Ich verzichte darauf, auf die einzelnen Paragrafen einzugehen. Diejenigen von Ihnen, die mit dem Gesetzentwurf beschäftigt waren, wissen, was gemeint ist und wo Veränderungen vorgenommen wurden. Zu guter Letzt wurde die Beschlussempfehlung im Ausschuss mit 7 : 6 : 0 Stimmen verabschiedet. Unabhängig davon ist es uns bei diesem umfangreichen Gesamtwerk dennoch nicht gelungen, zu 100 % sauber zu arbeiten. Ich möchte Sie deshalb bitten, eine Änderung einzutragen. In § 28 Abs. 2 Satz 1 muss nach der Angabe „§ 20 Abs. 1 Satz 4“ die Angabe „§ 25“ eingefügt werden. Das ist eine kleine redaktionelle Änderung. (Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das habe ich immer gesagt!) - Der Kultusminister hat das immer gesagt, aber an der entsprechenden Stelle hat er sich nicht laut genug geäußert, sodass wir nicht darüber abgestimmt haben. Ich gehe davon aus, dass Sie für diese kleine Änderung Verständnis haben. Insgesamt bitte ich Sie im Namen des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft, der Beschlussempfehlung mit der kleinen Korrektur, die ich gerade erwähnt habe, Ihre Zustimmung zu geben. - Ich danke für die grenzenlose Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Danke sehr, Herr Dr. Schellenberger, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung hat der Kultusminister Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr. Herr Prof. Dr. Olbertz, Kultusminister: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der zweiten Beratung dieses Gesetzentwurfs schließen wir eine intensive Diskussion zu den Problemen und Perspektiven der Hochschulmedizin in Sachsen-Anhalt ab. Sie stand unter dem Zeichen neuer Qualitätsanforderungen an Forschung, Lehre und Krankenversorgung, aber auch wachsender Finanzierungsengpässe im Zusammenhang mit der bevorstehenden Einführung von Fallpauschalen. Damit ging es immer auch um die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die beiden medizinischen Fakultäten bzw. Universitätsklinika im Land erhalten werden können. Von Anfang an war klar, dass dies nur durch neue wirtschaftliche Handlungsspielräume und eine deutliche Straffung der Strukturen sowie einer wesentlich intensivierten Kooperation der beiden Klinika untereinander möglich sein würde. Das sind die drei Kernanliegen des Gesetzentwurfs. Medizinische Fakultäten und die mit ihnen verbundenen Universitätsklinika als Einrichtungen der medizinischen Maximalversorgung haben Aufgaben sowohl in Lehre und Forschung als auch in der Krankenversorgung sowie in der ärztlichen Weiterbildung wahrzunehmen. Das ist aber kein gleichschenkliges Dreieck, sondern die Klinika werden primär um der medizinischen Forschung und Lehre willen betrieben. Lehre und Forschung müssen von den Ländern finanziert werden, die Krankenversorgung dagegen muss sich weitgehend aus den Erlösen selbst tragen. Die seit Jahren fortbestehende Finanzknappheit sowohl für die Krankenversorgung als auch für Forschung und Lehre hat in den letzten Jahre gerade die medizinische Forschung in eine finanziell schwierige Situation gebracht. Die Universitätsklinika haben aufgrund ihrer hohen Spezialisierung und der ständigen Entwicklung neuer Behandlungsmethoden deutlich höhere Kosten zur Sicherung des von ihnen vorgehaltenen Leistungsspektrums zu tragen. Für die Behandlung schwerster Erkrankungen, wie zum Beispiel Krebs, Herz-KreislaufProblemen oder neurologischer Erkrankungen, aber auch für Polytraumata nach schweren Unfällen kommen häufig nur universitäre Zentren mit entsprechend hoher Fallzahl infrage. Nur an Universitätskliniken kann die systematische Erforschung, Entwicklung und Auswertung von Therapiekonzepten Erfolg versprechend stattfinden. Mit der Einführung der DRGs sind in beträchtlichem Umfang Erlösreduzierungen zu erwarten, denen die Klinika nur durch wettbewerbsfähige Strukturen und Arbeitsweisen begegnen können. Erste Modellrechnungen unter der Annahme der bisherigen Fallgruppenkataloge und der Patientenstruktur zeigen, dass sich die Klinika in SachsenAnhalt auf Erlöseinbußen von etwa 15 % einstellen müssen. Die Handlungsmöglichkeiten, die den Universitätsklinika in ihrer derzeitigen Rechtsform, geführt also wie ein Landesbetrieb nach § 26 LHO, zur Verfügung stehen, sind dafür unzulänglich. Deshalb wurde nach sorgfältiger Abwägung und in Übereinstimmung mit der Empfehlung der Arbeitsgruppe Hochschulstrukturen mit dem Gesetzentwurf die Rechtsform der selbständigen Anstalt des öffentlichen Rechts gewählt. Sie lässt aufgrund der strukturellen Offenheit der Organisationsform Raum für ganz verschiedene interne Leitungsformen und Regelungen, die ein Höchstmaß an Partizipation aufseiten der Nutzer und der Bediensteten ermöglicht. Selbstverwaltungsrecht und Satzungsautonomie gehören zwar nicht zwingend zum Begriff der öffentlichen Anstalt, beides kann ihr jedoch zur besseren Wahrnehmung ihrer Aufgaben übertragen werden. Die Gestaltung ihrer Binnenorganisation ist sehr variabel. Für die Universitätsklinika als Anstalten des öffentlichen Rechts entsteht so eine Struktur, die es erlaubt, weitgehend die Spielräume eines privatwirtschaftlich organisierten Unternehmens mit der öffentlichen Verantwortung für die medizinische Forschung und Lehre zu verbinden. Genau darauf kam es bei dieser Rechtsformänderung an. Ein ganz und gar privatisiertes Universitätsklinikum kann Letzteres aus nahe liegenden Gründen nicht garantieren. Daneben ist der Gesetzentwurf ein Beitrag zur Rechtsbereinigung: Dadurch werden eine Verordnung und ein weiteres Gesetz aufgehoben und das Hochschulgesetz wird um 19 Paragrafen verkürzt. Im Sinne einer erweiterten Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sollen den Universitätskliniken künftig insbesondere folgende Kompetenzen und Zuständigkeiten übertragen werden: Arbeitgeberfunktion, Bauherrenfunktion, die formal übrigens auch schon im bestehenden Gesetz verankert war - ich will nicht verhehlen, dass ich mir bezüglich der Nutzerrechte eine mutigere und konsequentere Lösung gewünscht hätte -, Dienstherrenfunktion mit einer spürbar höheren Disponibilität und Flexibilität im Personalmanagement einschließlich differenzierterer Vergütungen - denken wir nur einmal an die viel zu niedrigeren Eingangsbesoldungen im Bereich des mittleren medizinischen Personals, beispielsweise bei den Pflegekräften, oder denken wir an die enorm eingeschränkten Spielräume einer differenzierten Vergütung im ärztlichen Bereich -, die Kreditfähigkeit, das Prozessvertretungsrecht, das hauptamtliche Management - also bei Dekan und ärztlichem Direktor -, die Trennung der Aufsichtsfunktionen von der operativen Prozessgestaltung. Mit den entsprechenden Regelungen nimmt das neue Gesetz übergreifende Entwicklungen der Hochschulmedizin in Deutschland auf und berücksichtigt gleichzeitig die spezifischen Gegebenheiten unseres Landes Sachsen-Anhalt. Diese Entwicklungen verlangen von den Universitätsklinika und den Fakultäten eine weitgehend eigenverantwortliche und vorausschauende Planung sowie selbständiges Handeln, um sich bei gleichzeitiger Einbindung in die Krankenhausplanung dem regionalen, nationalen und internationalen Wettbewerb stellen zu können. Daneben soll die Medizin als ein für die wissenschaftliche Produktivität und Profilbildung der gesamten Universität wichtiger Teilbereich nicht separiert werden, sondern sie muss akademisch und organisatorisch eng in den Fachverbund der anderen Fächer der Universitäten integriert sein. In allen akademischen Bereichen ist die Nutzung von Synergien und Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Standorten der Medizin und anderen Disziplinen der Universität Voraussetzung für die Erhöhung der Leistungen der medizinischen Fakultäten. Dies gilt insbesondere, wenn man an den sich verschärfenden Wettbewerb denk. Vor diesem Hintergrund fordert übrigens die Hochschulrektorenkonferenz zu Recht, dass das Verhältnis zwischen Universitäts- und Klinikumsverwaltung nach dem Prinzip der eingebundenen Souveränität definiert und so weit wie möglich entflochten werden muss. Die notwendigen Strukturanpassungen in Verbindung mit neuen Leitungsformen und Arbeitsweisen der Klinika sollen autonom und flexibel von den Klinikums - und Fakultätsleitungen selbst verwirklicht werden können. Erste Vorschläge, beispielsweise für neue Departmentstrukturen, liegen den Verwaltungsräten schon vor. So sollen zum Beispiel aus den jeweils etwa 35 Einzelkliniken je zwölf Zentren an den Standorten gebildet werden. Das vorgeschlagene komplementäre Kooperationsmodell in Verbindung mit entsprechenden Schwerpunktsetzungen ist ein originäres Konzept im Lande. Es soll unter Vermeidung von Kostenunterdeckungen in der Krankenversorgung Qualitätsansprüche unter limitierten Finanzzuweisungen für die Fakultäten aufrechterhalten und ausbauen. Damit wird eine auf Kooperation und Nutzung von Synergien bedachte Nachbarschaft der beiden medizinischen Fakultäten und Klinika möglich, ohne dass es zu unkalkulierbaren Kostenaufwüchsen bei den Zuschüssen für Forschung und Lehre kommt. Dieses Modell wird auch wesentlich die bevorstehenden Zielvereinbarungen zwischen dem Kultusministerium und den Klinika tragen. Im Ausschuss ist das Gesetz - es war nicht anders zu erwarten - kontrovers diskutiert worden, aber stets auch konstruktiv. Eine ganze Reihe von Vorschlägen der Opposition hat dabei Eingang in das Gesetz gefunden, auch wenn ich weiß, dass sie eigentlich einen anderen Weg zu einem allerdings in weiten Teilen übereinstimmenden Ziel präferiert hatte. Das neue Gesetz wird die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der beiden medizinischen Fakultäten und der Universitätsklinika des Landes deutlich stärken. Das ist die ausschlaggebende Voraussetzung für die Zukunftssicherung beider Einrichtungen. Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank. (Zustimmung bei der CDU und von der Regierungsbank) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Danke, Herr Minister. - Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Sitte. Frau Dr. Sitte (PDS): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen hinsichtlich der Notwendigkeit von Gesetzen sind. Die Grundfrage lautet: Woraus ergab sich die Notwendigkeit für dieses Gesetz? Diese Frage stellt sich sowohl im Hinblick auf Studium, Lehre und Forschung als auch auf die Krankenversorgung, auf die Patienten und eben auch auf die Beschäftigten an den Universitätsklinika und natürlich an den medizinischen Fakultäten. Wenn man das hört, was der Minister hier erzählt hat, dann gewinnt man als Außenstehender den Eindruck: Mein Gott, was haben die denn bisher gemacht? Es muss eine Katastrophe gewesen sein, wie die gearbeitet haben, deshalb muss man jetzt das Gesetz erlassen. (Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre) Ich möchte aber sagen, dass Sie in Ihrer Rede nach wie vor den Beweis dafür schuldig geblieben sind, dass dieses Gesetzt jetzt wirklich notwendig ist. Es fehlt nämlich nach wie vor die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Ich möchte etwas zu der Frage des Änderungsdrucks sagen, und zwar aus zwei Perspektiven. Die erste Perspektive: Ist der Änderungsdruck aus den Einrichtungen selbst heraus entstanden? - Ich sage, die Einrichtungen selbst haben diesen Änderungsdruck nicht artikuliert. Im Gegenteil: Sie haben von Anfang an - die Gesetzesvorhaben sind immerhin drei Jahre alt - vor diesem Schritt gewarnt, und zwar unter zwei Gesichtspunkten. Erstens gehören unsere beiden Einrichtungen zu denen, die immer noch schwarze Zahlen schreiben, und zwar bevor sie umgewandelt worden sind. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 35 Universitätsklinika, von denen die Mehrzahl überführt worden ist. Davon stehen 15 Universitätsklinika heute vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Das heißt also, aus dieser Situation heraus ergäbe sich kein Änderungsdruck; es besteht auch kein betriebswirtschaftlicher Druck. Allerdings hat es durchaus ein paar Protagonisten gegeben, und zwar jene, die vor allem eine Variable einführen wollten, sie wollten nämlich die Personalkosten senken. Die Personalkosten sollen vor allem über veränderte tarifvertragliche Regelungen gesenkt werden. Nun kann man sich für die Einführung von leistungsorientierter Bezahlung einsetzen. Das ist okay - ich bin auch sehr dafür -, wenn die Erfahrung in den anderen Ländern tatsächlich darauf hinausliefe, dass die Leute für mehr Leistung mehr Geld bekommen. Fakt ist aber in den Ländern: mehr Leistung, weniger Geld, schlechtere Tarifabschlüsse. In den Einrichtungen selbst gibt es zum Teil vier Tarifebenen: Chefarztverträge, Einzelverträge usw. Dazu sage ich wiederum: Das ist natürlich ganz schwer zu verarbeiten, insbesondere hinsichtlich der Motivation. Die Leute vergleichen sich nun einmal untereinander. Deshalb sind verschiedene Tarifkreise an einer Einrichtung äußerst problematisch. Wo gab es also Änderungsdruck? - Er kam aus der ministerialen Ebene. Cosi fan tutte, kann ich da nur sagen, weil es alle anderen Länder machen, machen wir es jetzt auch. (Frau Kachel, SPD, lacht) Also brauchen wir auch die Anstalt öffentlichen Rechts; denn Sachsen-Anhalt will dabei in nichts nachstehen. (Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz) Das Bemerkenswerte an dieser ganzen Debatte ist, dass am Anfang der Diskussion nie wirklich geschaut worden ist, von welcher Position wir eigentlich starten. Das alte Gesetz ist im Jahr 1997 erlassen worden. Es war damals eines der modernsten der Bundesrepublik Deutschland. Es hat noch heute viele positive Wirkungen. Es beinhaltet noch heute viele Punkte, die sich jetzt in diesem Gesetz wiederfinden, weil sie sinnvoll sind, die aber nicht den Druck erhöht haben, dieses Gesetz jetzt wirklich zu verabschieden. Selbst der Wissenschaftsrat - der Vertreter hat das hier sehr deutlich gemacht - hat diesen Vergleich nicht wirklich vorgenommen. Deshalb, sage ich, wäre dieses Gesetz viel besser zu beraten gewesen, wenn wir uns, verdammt noch mal, die Mühe gemacht hätten, diese unterschiedlichen Ausgangspositionen bei dem Vergleich mit anderen Ländern festzuhalten und zu substantiieren. (Beifall bei der PDS) Auch hierbei fehlt der Wirtschaftlichkeitsvergleich. Meine Kollegin Frau Weiher hat mir eines extra mit auf den Weg gegeben: Kritisiere, dass die Landeshaushaltsordnung ausgesetzt worden ist. Aber wenn man ein solches Gesetz mit einer solchen betriebswirtschaftlichen Dimension - jedenfalls wird das behauptet - erlässt, dann gehört vorab doch erst recht ein Wirtschaftlichkeitsvergleich dazu. Bei jeder anderen Entscheidung in dieser Dimension wird das von den Einrichtungen gefordert. Es hat natürlich eine lange außerparlamentarische Vorgeschichte gegeben. Es sind zahlreiche Entwürfe gemacht worden, es sind Stellungnahmen erarbeitet worden, dann sind die Entwürfe wieder zurückgekommen, die Stellungnahmen sind gar nicht verarbeitet worden. Daraufhin haben sich die Leute gefragt: Himmelherrgott, haben sie es denn überhaupt gelesen? Dann haben sie wieder Personalversammlungen gemacht. Nichts ist dabei herausgekommen, bis der Ministerpräsident vor der ersten Lesung interveniert hat und gesagt hat, es müsse doch endlich Rücksicht auf die Hauptkritikpunkte der Klinika genommen werden. Das ist dann geschehen. Insofern waren zumindest an diesem Punkt Fortschritte zu erkennen. Ich glaube, dass die vergleichsweise kurze parlamentarische Geschichte nicht gereicht hat, um die Unklarheiten wirklich zu beseitigen. (Herr Dr. Volk, FDP: Das waren acht Monate!) - Acht Monate heißt nicht, dass wir acht Monate lang wirklich beraten haben. Nicht dass Sie auf den Tribünen denken, wir hätten acht Monate lang darüber beraten. Nein, nein, so ist es nicht. (Heiterkeit bei der PDS und bei der FDP) Der Umstand, dass es 68 Änderungsanträge gab, sagt auch nichts über deren Qualität aus und er sagt vor allem nichts darüber aus, ob sie denn auch angenommen worden sind. Somit bleibt festzustellen, dass das Klageersuchen der GEW gemeinsam mit dem Personalrat der Universitätsklinik in Halle absolut berechtigt ist. Denn der wesentliche Punkt ist nicht, ob die Personalräte angehört worden sind, sondern es geht darum, ob ihre Fragen und Kritikpunkte berücksichtigt worden sind. Ihre Fragen sind nämlich nicht beantwortet worden. Das jedoch verlangt die EU-Richtlinie bei Fragen zur wirtschaftlichen Perspektive, zur künftigen Beschäftigtenstruktur, zu Zuordnungsfragen. Was wird mit meinem Arbeitsvertrag, wenn er alt ist bzw. wenn er neu ist? Wie gestaltet sich die Arbeitsorganisation an meiner Einrichtung? Welche Zukunft hat der Tarifvertrag? All das ist nicht wirklich erklärt worden. Bis heute wissen die Personalräte nicht wirklich, in welche Strukturen zu wählen ist. (Frau Mittendorf, SPD: Das stimmt!) Deshalb ist diese Klage bzw. dieses personalrechtliche Beschlussverfahren durchaus berechtigt. An dieser Stelle sage ich: Betrachtet man die Fragen, die Sie unter dem Blickwinkel der Ausweitung des betriebswirtschaftlichen Handlungsspielraums erläutert haben, und legt man beide Gesetze nebeneinander, dann kommt nicht wirklich ein effektiver Fortschritt heraus. Dann zeigt sich vielmehr, dass es viele zusätzliche Probleme, viele zusätzliche Kosten geben wird, dass es Unruhe geben wird, dass uns unter Umständen noch mehr Leute weglaufen und dass der Hauptteil der Beschäftigten, nämlich die Krankenschwestern und die Pfleger im versorgenden Bereich, am Ende benachteiligt werden. Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Dr. Sitte. Frau Dr. Sitte (PDS): Jawohl. Ich habe an dieser Stelle meinen letzten Satz zu sagen. - Die offenen Probleme werden jetzt sozusagen unterhalb des Gesetzes geklärt. Weil wir an dieser Stelle wiederum keinen Einfluss darauf nehmen können und weil wir mit der Grundintention des Gesetzes nicht einverstanden sind, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. - Danke schön. (Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Ich möchte daran erinnern, dass auch bei freier Rede, wie wir sie vereinbart haben, die Redezeitbegrenzung gilt. (Heiterkeit bei der PDS und bei der FDP) Bevor ich jetzt Herrn Dr. Volk von der FDP-Fraktion das Wort erteile, begrüße ich recht herzlich Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule der Paul-Gerhardt-Stiftung in Wittenberg. Das passt zum Thema. (Beifall im ganzen Hause) Herr Dr. Volk, Sie haben das Wort. Herr Dr. Volk (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir behandeln heute das Hochschulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt in der zweiten Lesung. Frau Dr. Sitte, wenn Sie sich die Zeitabläufe der Diskussion, begonnen mit der Begutachtung durch die MeinholdKommission im Jahr 2003, glaube ich, über die Abstimmung im Kabinett bis hin zu der achtmonatigen Beratung im parlamentarischen Raum ansehen, zeigt sich doch, wie ambitioniert die Diskussion unter Einbeziehung von vielen Experten, aber auch unter Einbeziehung der Beteiligten geführt wurde. Mit dem Entwurf eines Hochschulmedizingesetzes soll auf sich verändernde Bedingungen in der Krankenhausfinanzierung durch die Einführung der DRGs reagiert und zugleich die Qualität der Ausbildung junger Ärztinnen und Ärzte in Sachsen-Anhalt gesichert und erhöht werden. Wir gleichen hier nicht etwa ein vorhandenes Defizit aus - darin gebe ich Ihnen Recht, Frau Dr. Sitte -, sondern wir handeln als Politiker mit der Intention, die Zukunft der Universitätskliniken des Landes zu gestalten. (Zustimmung bei der FDP) Lassen Sie mich deshalb zum Ausgangpunkt der Diskussion zurückkommen, nämlich zu der Frage: Wie kann Sachsen-Anhalt sein universitäres Ausbildungsangebot im medizinischen Bereich verbessern? Es handelt sich um ein Angebot, das sich durch die Verbindung der medizinischen Fakultäten der Universitäten mit den ihnen zugeordneten Kliniken der medizinischen Maximalversorgung auszeichnet. Diese Verbindung stellt die notwendige praktische Ausbildung der zukünftigen Ärztinnen und Ärzte sicher und gewährleistet für die Universitäten die notwendige Einheit von Forschung und Lehre. Die Finanzierung erfolgt zum einen über einen Landeszuschuss für Lehre und Forschung zur Finanzierung der medizinischen Fakultäten und zum anderen - das ist das Besondere - über erbrachte medizinische Leistungen über die Krankenkassen. Gerade hier stellt der Übergang zur fallbezogenen Abrechnung, den so genannten DRGs, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Ausformung hoch differenzierter medizinischer Angebote, wie sie die Universitätskliniken unterbreiten müssen, eine große Herausforderung dar. Die Frage, vor der wir in Sachsen-Anhalt an vielen Stellen stehen, ist: Wie können wir bei einem begrenzten Finanzrahmen die hohe Qualität halten oder noch steigern? Konkret: Wie viele Universitätskliniken kann Sachsen-Anhalt finanziell tragen? Wie kann das sächliche und personelle Ausstattungsniveau der Lehrstühle, das im bundesweiten Vergleich ungenügend ist, verbessert werden? Welche Rechtsform sichert in Zukunft die beste Entwicklung der Kliniken - der Landesbetrieb, die Anstalt öffentlichen Rechts oder die Privatisierung? Sie können sicherlich nachvollziehen, dass die Standpunkte der an der Diskussion Beteiligten so unterschiedlich sind wie die Ansätze. Hinzu kam - das musste ich auch feststellen -, dass sich im Laufe der Diskussion die Standpunkte verändert haben. Während die Notwendigkeit einer Veränderung von vielen, auch von einigen Fraktionen hier im Landtag, gesehen wird, werden die Konsequenzen sehr unterschiedlich bewertet. Die FDP- Fraktion stimmt dem in dem Gesetzentwurf vorgeschlagenen Weg zu und sieht die Wahl der Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts als die richtige Entscheidung an. Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf wird der Artikel 2 aus dem Gesetz zur Entwicklung der medizinischen Fachbereiche des Landes herausgelöst und in ein selbständiges Gesetz gegossen. Dahinter verbirgt sich neben einer gewissen Symbolik auch eine neue Qualität. Das Land Sachsen-Anhalt wird in Zukunft zwei Universitätsklinika, die Universitätsklinik Halle und die Universitätsklinik Magdeburg, zu Anstalten öffentlichen Rechts formen, die das Land perspektivisch als Gewährsträger sichert. Die Kliniken werden als Krankenhäuser der Maximalversorgung in eine weitgehende Selbständigkeit überführt, die es ihnen gestattet, ihren Auftrag, der in § 8 des Gesetzentwurfes formuliert ist, in größerer Eigenverantwortung zu erfüllen. Nur dieser in dem Gesetzentwurf formulierte Auftrag, den Universitäten zur Erfüllung der medizinischen Forschung und Lehre zu dienen, rechtfertigt letztlich ihren Bestand. Die beiden medizinischen Fakultäten des Landes als integraler Bestandteil einer Universität, der Universität Halle bzw. der Universität Magdeburg, werden unter Abstimmung einer gemeinsamen Kommission in der Zukunft miteinander kooperieren, um komplementäre Angebote zu erarbeiten. Sie sollen Synergieeffekte erzeugen, um die Finanzierung der Hochschulmedizin in Sachsen-Anhalt relativ zu verbessern und somit die Hochschulmedizin Sachsen-Anhalts im Standortwettbewerb zu stärken. Die Formung der Anstalten öffentlichen Rechts setzt voraus, dass den Leitungsgremien genügend Kompetenzen übertragen werden und zugleich die Aufsichtsfunktion des Landes, das als Gewährsträger der Anstalt öffentlichen Rechts fungiert, gesichert ist. Zugleich war es ein Ziel, die Anstalten mit Rechten auszustatten, die über die des Landesbetriebes hinausgehen. Dieses Ziel ist nicht vollständig zu erreichen gewesen. Das ist der Tatsache geschuldet, dass auch eine Anstalt öffentlichen Rechts ein Landesunternehmen bleibt. Ich möchte hier ausdrücklich sagen, dass es unser Wille ist, den Kliniken untergesetzlich größtmögliche Freiheiten im Bau- und Liegenschaftsmanagement einzuräumen. Einen wichtigen Diskussionspunkt stellt die Überführung des Personals in die in Zukunft kooperierenden Kliniken und medizinischen Fakultäten dar. Mir ist wohl bewusst, dass organisatorische Veränderungen, vor allem solche, die viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen, auch zu Verunsicherungen und Ängsten führen. Deshalb waren die Personalvertretungen immer mit einbezogen. Wir haben das Gespräch stets gesucht: mit dem Hauptpersonalrat, mit den Personalvertretungen in den medizinischen Fakultäten und mit Vertretern von Statusgruppen. Zur Steuerung der Übergangsphase sind in dem Gesetzentwurf eine Reihe von Übergangsregelungen formuliert worden. Jeder Mitarbeiter wird vor der Gründung der Anstalt darüber informiert, ob er an der Klinik oder an der medizinischen Fakultät tätig sein wird. Die Tarifverträge gelten so lange fort, bis die Tarifpartner gemeinsam veränderte Lösungen gefunden haben oder anstreben. Meine Damen und Herren! Wenn Personalräte unter der Federführung der GEW Verunsicherung schüren, so rechne ich das der Kategorie „Theaterdonner“ zu. Vor acht Jahren standen die Universitätsklinika in Magdeburg und in Halle schon einmal in einem Gesetzgebungsverfahren zur Diskussion. Mit dem im November 1996 beratenen und im Januar 1997 beschlossenen Gesetz zur Entwicklung der medizinischen Fachbereiche des Landes wurden die Universitätsklinika zu Landesbetrieben gemäß § 26 der Landeshaushaltsordnung erhoben. Vieles, was in den damaligen Debatten ins „Feld“ geführt wurde, könnte heute zugunsten des vorliegenden Gesetzentwurfs vorgebracht werden. Ich bin der Überzeugung, so wie heute von allen über die damalige Überführung der Kliniken in einen Landesbetrieb positiv gesprochen wird, so wird der vorliegende Gesetzentwurf in einigen Jahren ebenfalls eine positive Wirkung entfalten und wird als richtige Entscheidung für die Standortsicherung und Standortentwicklung unserer Universitätsklinika bewertet werden. Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und bei der CDU) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Danke, Herr Dr. Volk. - Ich möchte anmerken, dass die Redezeit erst recht für die verlesenen Beiträge gilt. (Heiterkeit) Frau Dr. Kuppe, Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort. Frau Dr. Kuppe (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Hochschulen unseres Landes stehen vor großen Herausforderungen. Faktoren wie die demografische Entwicklung, die Entwicklung der Finanzausstattung oder die Standortprofilierung im Zusammenhang mit dem Ausbau des europäischen Hochschulraums werfen ihre Schatten voraus. Für die Hochschulmedizin gelten darüber hinaus besondere, vor allem komplexere Bedingungen. Hier muss bei allen Veränderungsprozessen zwingend die „Dreieinigkeit“ von Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung berücksichtigt werden. Mit dem Gesetz über die Entwicklung der medizinischen Fachbereiche hat Sachsen-Anhalt im Jahr 1997 Neuland betreten und - wie Sie, Herr Tullner, es bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes so schön formuliert haben - eine beachtliche innovative Lösung für die Probleme der beiden Universitätskliniken gefunden. In den vergangenen Jahren sind neue Anforderungen an die Hochschulmedizin gestellt worden. Diese neuen Anforderungen verlangen erneut Antworten. Neue Aspekte sind dabei zum Beispiel der zunehmende Konkurrenzdruck vor allem durch große, private Konzerne im Krankenhausbereich, die Veränderungen in den Strukturen der medizinischen Versorgung und die Einführung des neuen Vergütungssystems mit Fallpauschalen. Nach der Ansicht der SPD-Fraktion müssen alle Gesetzesänderungen, die die Hochschulmedizin betreffen, dazu dienen, dass die Universitätsklinika zeitnah, flexibel und im Rahmen der ihnen übertragenen Budgets wirtschaftlich und effizient arbeiten können. Eine Gesetzesänderung muss nach unserer Auffassung einen Zugewinn an Handlungsspielraum, an Handlungsmöglichkeiten im Vergleich zur geltenden Rechtslage bringen. Deswegen waren wir unterschiedlichen Lösungsansätzen gegenüber offen. Das betraf vor allem die Frage, in welcher Rechtsform die Klinika in Zukunft organisiert sein sollen. Darauf möchte ich mich im Folgenden konzentrieren. Der Regierungsentwurf sieht eine Überführung der derzeitigen Landesbetriebe „de luxe“ in Anstalten des öffentlich Rechts und damit eine Abtrennung des jeweiligen Universitätsklinikums von der Hochschule vor. Sowohl das Kolloquium in Wittenberg als auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf im Landtag brachten eine schier unübersehbare Flut von Änderungsvorschlägen und -begehren durch die Fachleute und Interessensvertretungen. Weder bei diesen Veranstaltungen noch bei den Ausschussberatungen zum Hochschulmedizingesetz konnte von irgendeiner Seite belegt werden, dass die Herauslösung der Universitätsklinika aus dem Gesamtverbund der jeweiligen Hochschule und die Änderung ihrer Rechtsform die Flexibilität oder die Entscheidungsfähigkeit der Klinika signifikant oder gar alternativlos erhöht und dauerhaft kostensparend wirkt. Einen Variantenvergleich hat das Kultusministerium auch nicht vorgelegt. Wir sehen bei der Anstaltslösung für die Universitätsklinika insbesondere folgende Schwachstellen: Erstens. Der Verbund von Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung unter dem Dach der Universität wird gelöst. Zweitens. Es entsteht zusätzlicher bürokratischer Aufwand, um die Beziehung zwischen der für Lehre und Forschung zuständigen medizinischen Fakultät und dem die Krankenversorgung tragenden Klinikum zu regeln. Das Ministerium dirigiert noch an verschiedenen Stellen zusätzlich hinein. Drittens. Als Grundlage für einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Fakultät und dem Klinikum muss eine Zuordnung des Personals erfolgen. Die Kriterien dafür sind absolut unklar. Viertens. Teile des Personals werden voraussichtlich finanziell oder hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen schlechter gestellt sein. Zusätzlich müssen die vor wenigen Wochen durchgeführten Personalratswahlen in kurzer Zeit wiederholt werden. Dazu kommen jetzt noch die anhängigen Klagen, die Schwierigkeiten bereiten. Meine Damen und Herren! Eine Rechtsformänderung wirft demnach eher zusätzliche Fragen und Probleme auf, als dass sie tatsächlich eine Lösung darstellt. Der Regierungsvorschlag wirbelt unglaublich viel Staub auf. Er folgt aber nach meiner Einschätzung eher einer modischen Linie und bietet keine ausreichend vertrauenserweckende Lösung an. (Zustimmung bei der SPD) Deswegen sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen: Erstens. Auch wir meinen, dass der Status quo nicht unverändert beibehalten werden sollte. Zweitens. Ausgehend vom Theiss-Gutachten wollen wir der Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts die Ertüchtigung der Hochschulklinika als Landesbetriebe entgegensetzen. Drittens verfolgen wir das Ziel, die Hochschulmedizin im synergetischen Verbund mit den Fakultäten, Fachbereichen und Zentren der Universitäten weiterzuentwickeln. Deswegen stellen wir heute, meine Damen und Herren, noch einmal acht konzentrierte, ausgewählte Änderungsanträge. Wir sind davon überzeugt, dass mit unserem Lösungsansatz in Verbindung mit den Zielvereinbarungen, die geschlossen werden, beide Standorte der Hochschulmedizin in qualifizierter Form erhalten werden können und dass die Universitätsklinika mit unserem Lösungsansatz auch die notwendigen Instrumente in die Hand bekommen, damit sie auf Herausforderungen angemessen reagieren können. Die Beziehungen zur jeweiligen medizinischen Fakultät und auch zur restlichen Universität lassen sich unbürokratisch ausbauen. Damit werden Lehre und Forschung befördert und nicht behindert. Ich denke, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden keinem unnötigen bürokratischen Zuordnungsdruck ausgesetzt. Immerhin sind die Universitätsklinika mit rund 7 000 Beschäftigten jeweils der größte Betrieb in der Region, in den beiden großen Städten unseres Landes. Ein letzter Punkt. Innerhalb des synergetischen Verbundes können nach unserer Auffassung neueste Forschungsergebnisse nicht nur zügig Eingang in die Lehre finden, sondern auch aktuell und zeitnah zur Verbesserung der Krankenversorgung genutzt werden, beispielsweise zur Qualifizierung der Hochleistungsmedizin. Damit kann man die Angebote für die Bevölkerung verbessern. Das kann aber auch im Standortwettbewerb ausschlaggebend sein. Deshalb, meine Damen und Herren, bitten wir um Zustimmung zu unseren acht Änderungsanträgen. Wenn diese Änderungsanträge keine Mehrheit finden, dann wird die SPD-Fraktion das Gesetz zur Hochschulmedizin ablehnen. (Zustimmung bei der SPD - Oh! von der Regierungsbank - Zurufe von der CDU) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Danke, Frau Dr. Kuppe. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Tullner sprechen. Herr Tullner (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier neigt sich, wie bei der NordLB, ein langer und sehr mühevoller Weg - das gebe ich offen zu - einem parlamentarischen Ende zu. Frau Dr. Sitte, ich möchte gleich am Anfang mit einer Mähr aufräumen. Sie sagten, acht Monate seien keine lange Zeit für Beratungen gewesen. Angesichts der unzähligen Sitzungen, die die Ausschüsse und unsere Arbeitsgruppen absolviert haben, und der Gespräche, die wir vor Ort geführt haben, sollte man bei der Wahrheit bleiben und wenigstens sagen: Wir haben ordentlich, vernünftig und tiefgründig beraten. Das Gegenteil lassen wir uns nicht durch plakative Äußerungen von den oberen Rängen nachsagen, Frau Dr. Sitte. (Frau Dr. Sitte, PDS: Es waren drei Sitzungen!) Zur Intention dieses Gesetzes. Es gab immer wieder die Frage, warum wir dieses Gesetz machen. Sie haben es bereits gesagt, Frau Dr. Sitte. Ich will es noch einmal kurz erwähnen. Der Wissenschaftsrat sagt: Von 35 Uniklinika sind 15 in ihrem Bestand gefährdet. Das Land Hessen privatisiert gerade zwei Klinika, nachdem sie fusioniert haben. Genau das wollten wir nicht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen. Ein weiterer Punkt. Die Einführung der DRGs - das haben Sie ein bisschen unter den Tisch fallen lassen - gibt Anlass zu der Befürchtung, dass ein Defizit von 1 Milliarde € bei den Klinika in Deutschland eintreten wird. All das ist genug Grund zum Handeln, wenn wir Politik verantwortlich betreiben wollen und wenn wir den Gefahren, von denen wir wissen, dass sie auf uns zukommen, begegnen wollen. Deswegen haben wir gehandelt. Wir haben über den Gesetzentwurf und über die vorliegenden Änderungsanträge beraten. Herr Dr. Volk und der Ausschussvorsitzende Herr Dr. Schellenberger haben das sehr detailliert beschrieben. Ich will Ihnen auch noch eines sagen: Uns ist natürlich bewusst, dass insbesondere vonseiten der großen Personalkörper, die beide Klinika darstellen, der Intention des Gesetzgebungsverfahrens ein großes Misstrauen entgegengebracht wird. Das wissen wir alle. Wir wissen, dass es fast immer so ist, weil Veränderungen bei den Menschen stets mit der Sorge einhergehen, was wird mit ihrem Arbeitsplatz, was ändert sich bei der Vertragsgestaltung, bei der Bezahlung etc. Ich denke aber, dass unsere Politik von der Verantwortung und von dem Wissen, zukunftsfähiger zu werden, geprägt sein muss. Deswegen gehen wir diesen unbequemen Weg. Wenn wir den bequemen Weg gewählt hätten, hätten wir nichts gemacht. Dann hätten wir keine Unruhe produziert und es wäre alles so geblieben, wie es ist. Vielleicht hätten wir dann noch zwei, drei Jahre so weiter gewurstelt. Aber das kann nicht unser Anspruch sein. Deshalb haben wir das Gesetz gemacht. Es entspricht sicherlich nicht in allen Punkten unseren Wünschen. Aber wir haben genau deshalb die Revisionsklausel hineingeschrieben, damit wir uns nach drei Jahren noch einmal anschauen, an welchen Stellen es gegebenenfalls Verbesserungsbedarf gibt, wo wir noch einmal herangehen und was wir nacharbeiten müssen. Damit haben wir an dem Punkt auch Vorsorge getroffen. Wir werben um Ihr Vertrauen. Ich erinnere daran - Frau Dr. Kuppe hat es im Ausschuss einmal gesagt -: Bei der Salus gGmbH gab es ähnliche Geschichten, was tarifliche Änderungen angeht. Diesbezüglich hört man zumindest im Nachhinein keine Klagen - so will ich es einmal formulieren -, im Gegenteil, ich habe mir sagen lassen, dass die Beschäftigten dort sogar mit den neuen tariflichen Regelungen zufrieden sind. Es muss also Punktum nicht alles immer nur schlechter werden. Ein Stichwort sind die Personalräte. Die Zeitung hat das noch einmal beschrieben. Wir sehen den anhängigen Klagen mit Respekt entgegen und werden das weiter verfolgen. Wir können aber nicht immer auf anhängige Klagen Rücksicht nehmen und parlamentarische Beratungsverfahren nur deshalb aussetzen, weil irgendjemand dagegen klagt. Meine Damen und Herren, das wäre ein falsches Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Legislative und Judikative. Ich will noch eines sagen, weil die GEW das direkt angesprochen hat: Wir haben sehr intensiv im Ausschuss und auch vor Ort mit den Personalräten gesprochen. Ich lasse nicht zu, dass etwas anderes gesagt wird oder dass dem Ausschuss unterstellt wird, er sei ignorant gewesen. Das weise ich strikt zurück, meine Damen und Herren. Das ist einfach unwahr. (Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz) In diesem Sinne möchte ich sagen: Die langen Beratungen neigen sich dem Ende zu. Wir können nur darauf hoffen, dass das Hochschulmedizingesetz - die rote Lampe leuchtet - die Wirkungen haben wird, die wir uns davon versprechen. Ich werbe deshalb um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank. (Beifall bei der CDU) Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke: Danke, Herr Abgeordneter Tullner. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 4/2262 ein. Frau Dr. Kuppe, wünschen Sie, dass über Ihre Änderungsanträge jeweils bei den Paragrafen abgestimmt wird oder können wir darüber zu Beginn insgesamt abstimmen? Das ist Ihre Entscheidung. (Frau Dr. Kuppe, SPD: Sie können darüber auch in der Gesamtheit abstimmen lassen!) Dann stelle ich zunächst die Anträge der SPD-Fraktion in den Drs. 4/2279, 4/2280, 4/2281, 4/2282, 4/2283, 4/2284, 4/2285 und 4/2286 zur Abstimmung. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit sind die Änderungsanträge abgelehnt worden. Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die selbständigen Bestimmungen in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit sind die selbständigen Bestimmungen so beschlossen worden. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Abschnittsüberschriften und die Gesetzesüberschrift. Wer stimmt dem zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Die SPD-Fraktion. Wer enthält sich? - Die PDS-Fraktion. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer stimmt dem Gesetz zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist das Gesetz angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.