Diskrete Strukturen

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Technische Universität München
Fakultät für Informatik
Lehrstuhl für Effiziente Algorithmen
Prof. Dr. Ernst W. Mayr
Dr. Werner Meixner
Wintersemester 2005
Lösungsblatt 2
11. November 2005
Diskrete Strukturen
Aufgabe 1
1. Es sei die Menge (das Alphabet) Σ = {a, b, c} mit Zeichen a, b und c gegeben, und
es sei Σ∗ die Menge aller endlichen Wörter über dem Alphabet Σ. Untersuchen Sie
die Teilwortrelation ⊆ Σ∗ × Σ∗ , die definiert ist durch
:= {(x, y) ; ∃y1 , y2 ∈ Σ∗ : y = y1 xy2 }.
Dabei bedeutet y1 xy2 das Wort, das durch Hintereinanderschreiben (Konkatenation)
der Wörter y1 , x und y2 entsteht. Es gilt beispielsweise ba ccabab, aber cb ccabab.
Beachten Sie, dass Σ∗ auch das sogenannte leere Wort ε enthält, das als das Wort
ohne Buchstaben definiert ist.
(a) Welche der folgenden Eigenschaften treffen auf zu: reflexiv, symmetrisch,
antisymmetrisch, transitiv? Begründen Sie Ihre Antworten.
(b) Sei H := {x ∈ Σ∗ ; x abac}. Zeichnen Sie das Hasse-Diagramm von
∩ (H × H).
2. Konstruieren Sie in möglichst einfacher Weise Relationen R1 , R2 und R3 , die die
folgenden Eigenschaften besitzen.
(a) R1 ist reflexiv, symmetrisch und nicht transitiv.
(b) R2 ist asymmetrisch und nicht transitiv.
(c) Die transitive Hülle von R2 ist symmetrisch.
(d) R3 ist die transitive Hülle von R1 .
Lösungsvorschlag
1. (a) ε bezeichne im Folgenden die leere Zeichenkette.
ist reflexiv, da x εxε = x.
ist nicht symmetrisch, da z.B. a ab, aber nicht ab a.
ist antisymmetrisch: Sei x y und y x. Es gelte also y = y1 xy2 und
x = x1 yx2 . Daraus schließen wir, daß y = y1 xy2 = y1 x1 yx2 y2 , und erhalten
sofort ε = y1 x1 = y2 x2 , und weiter ε = yi = xi .
ist transitiv: Sei x y und y z. Es gelte y = y1 xy2 und z = z1 yz2 . Daraus
folgt z = z1 y1 xz2 y2 und somit x z.
Damit haben wir gezeigt, daß eine partielle Ordnung darstellt.
abac
aba
bac
ab
ba
ac
a
b
c
Ø
Abbildung 1: Hasse-Diagramm zu Aufgabe 1.1b
(b) Das Hasse-Diagramm ist in der Abbildung 1 zu sehen. Es enthält ein minimales
und ein maximales Element.
2. (a) Sei
R1 = {(1, 1), (2, 2), (3, 3), (1, 2), (2, 1), (2, 3), (3, 2)}.
R1 ist offensichtlich reflexiv und symmetrisch. R1 ist nicht transitiv, weil zwar
(1, 2) ∈ R1 und (2, 3) ∈ R1 , aber (1, 3) ∈ R1 .
(b) Sei
R2 = {(1, 2), (2, 3), (3, 1)}.
R2 ist asymmetrisch. R2 ist nicht transitiv, weil zwar (1, 2) ∈ R2 und (2, 3) ∈ R2 ,
aber (1, 3) ∈ R2 .
(c) Wir müssen uns nun davon überzeugen, dass die transitive Hülle von R2 symmetrisch ist.
Bei der Bildung der transitiven Hülle einer Relation bedienen wir uns eines
Begriffes aus der Graphentheorie und sagen, dass man ein Element y von x aus
über einen ”Pfad” innerhalb R erreichen kann, falls es Elemente a0 , a1 , . . . , an
gibt mit der Eigenschaft
x = a0 Ra1 R . . . Ran = y.
Ein Pfad ist also eine Folge von Elementen, so dass je zwei benachbarte Elemente der Folge in Relation R sind.
Die Bildung der transitiven Hülle einer Relation R kann nun durch Hinzunahme genau aller derjenigen Paare (x, y) geschehen, so dass y von x aus über
irgendeinen Pfad innerhalb R erreichbar ist.
Für die transitive Hülle R+ von R2 gilt
R2 + = {(1, 1), (2, 2), (3, 3), (1, 2), (2, 1), (2, 3), (3, 2), (1, 3), (3, 1)}.
2
Offenbar ist R2 + symmetrisch, weil alle überhaupt möglichen Paare in R2 +
enthalten sind.
(d) Mit der schon erwähnten Methode der Hinzunahme von Paaren (x, y) von
Elementen x, y, die über einen Pfad innerhalb R1 verbunden werden können,
erhalten wir
R1 + = {1, 2, 3} × {1, 2, 3}.
Aufgabe 2
1. Seien M und N beliebige endliche Mengen. Die Anzahl der Elemente in M bzw. N
sei m bzw. n, d. h. m = |M| und n = |N|. Zeigen Sie, dass die Anzahl aller injektiven
Abbildungen von M nach N gegeben ist durch
m
n =
m
(n − i + 1).
i=1
Hinweis: Mit m
i=1 (n − i + 1) wird ein Produkt aller Faktoren (n − i + 1) von i = 1
bis i = m bezeichnet. Beachten Sie, dass für m = 0 das ”leere” Produkt mit dem
Wert 1 definiert ist.
2. Zeigen Sie, dass die Kardinalität von N0 gleich der von N ist.
3. Zeigen Sie, dass es nicht mehr rationale Zahlen gibt als es natürliche Zahlen gibt,
dass also eine injektive Abbildung der Menge der rationalen Zahlen Q in die Menge
N0 der natürlichen Zahlen existiert.
Lösungsvorschlag
1. Da nicht ausgeschlossen wurde, dass M = ∅, beginnen wir mit diesem Fall, der
gleichbedeutend ist mit m = 0. Es gilt definitionsgemäss für alle n ≥ 0
0
(n − i + 1) = 1.
n =
0
i=1
Wieviele injektive Abbildungen f : ∅ → N gibt es?
Zunächst muss man sich erinnern, dass jede Abbildung als eine Relation definiert
wurde. Die einzige Relation, die alle geforderten Bedingungen erfüllt, ist die leere
Relation f = ∅, d. h. die leere Menge von Paaren (x, y) ∈ ∅ × N. Beachten Sie hier,
dass natürlich ∅ × N = ∅ gilt, und damit f ⊆ ∅ × N sofort f = ∅ impliziert.
Wenn die Urbildmenge also leer ist, gibt es als einzige Abbildung der Urbildmenge
die leere Abbildung. Diese ist trivialer Weise injektiv, d. h. es werden offensichtlich
nie zwei verschiedene Elemente in einen einzigen Wert abgebildet.
Damit ist die Behauptung für den Fall m = 0 gezeigt.
Wir nehmen nun an, dass die Formel richtig ist für ein angenommenes m ≥ 0. und
zeigen, dass die Formel dann auch richtig ist für m + 1 (Induktionsschluss).
3
Sei also M eine m + 1-elementige Menge und N eine beliebige Menge. Falls n = 0,
dann gilt
m+1
m+1
0
=
(0 − i + 1) = 0 · . . . · (−m) = 0.
i=1
Andererseits ist die Anzahl der injektiven Abbildungen einer nichtleeren Menge M
in eine leere Menge N ebenfalls gleich Null. Die Formel ist also in diesem Fall n = 0
gültig.
Sei nun n ≥ 1. Wir bezeichnen die Menge der injektiven Abbildungen einer Menge
A in eine Menge B als Inj(A, B). Für die Mengen M = {a1 , a2 , . . . , am , am+1 } und
N = {b1 , b2 , . . . , bn } gilt
|Inj(M, N)| =
n
|Inj(M \{am+1 }, N \{bi})|
i=1
= n · (n − 1)m
= nm+1
Damit ist der Induktionsschluss für alle n ≥ 0 bewiesen.
2. Wir haben N0 auf N bijektiv abzubilden, was offenbar mit der folgenden Abbildung
f gelingt:
f (n) := n + 1.
3. Jede positive rationale Zahl r ist eindeutig durch einen vollständig gekürzten Bruch
von natürlichen Zahlen p, q darstellbar, also
p
r= ,
q
ggT (p, q) = 1.
Entsprechend ist jede rationale Zahl s eindeutig als Paar (t, q) ∈ Z × N darstellbar,
wobei gilt
t
mit t = 0 oder ggT (|t|, q) = 1.
s=
q
Damit haben wir die Existenz einer injektiven Abbildung von Q nach Z × N gezeigt. Nun muss noch die Existenz einer injektiven Abbildung von Z × N nach N0
gezeigt werden, woraus dann durch Komposition beider Abbildungen eine injektive
Abbildung von Q nach N0 entsteht und den Beweis vervollständigt.
Wir konstruieren zunächst eine Abbildung f : N × N → N. Die Idee ist dabei ein
diagonales Aufsummieren (von links oben auf einer fallenden Geraden nach rechts
unten) der Komponenten der positiven Gitterpunkte einer Ebene, genauer
f ((1, 1)) = 2,
f ((n, m)) = f ((n + m − 2, 1)) + n · (n + m) für alle n + m > 2.
f ist offensichtlich injektiv.
4
Die Punktmenge Z×N zerfällt in die folgenden 4 disjunkten Punktmengen A, B, C, D.
A
B
C
D
Z×N
N×N
(−N) × N
{(0, y); y ∈ N}
{(x, 0); x ∈ Z}
A ∪ B ∪ C ∪ D.
=
=
=
=
=
(1. Quadrant ohne Koordinatenachsen),
(2. Quadrant ohne Koordinatenachsen),
(positive Y-Achse),
(X-Achse),
Da sich alle 4 genannten Teilmengen injektiv in N0 abbilden lassen, folgt leicht, dass
auch Z × N injektiv in N0 abgebildet werden kann. Dies sei dem Leser zur weiteren
Übung überlassen.
Aufgabe 3
1. Wir setzen die Eigenschaften der Exponentialfunktion ex als bekannt voraus, also
z. B. 0 < ex+y = ex · ey , e0 = 1 < ez für alle x, y ∈ R und z ∈ R+ , sowie die
Stetigkeit dieser Funktion. Sei a > 0 eine Konstante. Zeigen Sie, dass die Abbildung
f : R → R+ mit f (x) = a · ex für alle x ∈ R ein Isomorphismus von R auf R+
ist bezüglich der Addition von reellen Zahlen und der Multiplikation von positiven
reellen Zahlen.
2. Eine Relation R ⊆ Z × Z über den ganzen Zahlen sei gegeben durch
(x, y) ∈ R :⇔ y = x + 1.
Berechnen Sie R2 = R ◦ R !
3. Zeigen Sie, dass für beliebige binäre Relationen R, S, T ⊆ A×A über einer beliebigen
Menge A das folgende Distributivgesetz gilt.
R ◦ (S ∪ T ) = (R ◦ S) ∪ (R ◦ T ).
Lösungsvorschlag
1. Die Injektivität von f folgt aus
x<y
⇒
⇒
⇒
1 < ey−x
ex < ey .
f (x) < f (y).
Zum Nachweis der Surjektivität von f zeigen wir
∀y ∈ R+ ∃x ∈ R : y = f (x)
O. B. d. A. sei 1 <
y
a
∈ R+ . Sei n eine natürliche Zahl mit
e0 = 1 <
y
−1
a
e−1
≤ n. Dann gilt
y
≤ 1 + n(e − 1) ≤ (1 + (e − 1))n = en
a
5
Da e eine stetige Funktion ist, gibt es ein x mit 0 < x ≤ n, so dass
f (x)
y
= ex =
,
a
a
d. h.
y = f (x).
Damit ist f bijektiv. Der vollständige Nachweis der Isomorphieeigenschaft gelingt
aber nur für a = 1 wie folgt:
f (x + y) = ex+y = ex · ey = f (x) · f (y).
2. Es gilt
(x, y) ∈ R ◦ R
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
∃z ∈ Z : xRzRy
∃z ∈ Z : xRzRy ∧ z = x + 1 ∧ y = z + 1
y = y + 2.
3. Es gilt
(x, y) ∈ R◦(S ∪ T )
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
⇐⇒
∃z : xRz(S ∪ T )y
∃z : xRz ∧ (zSy ∨ zT y)
(∃z : xRz ∧ zSy) ∨ (∃z : xRz ∧ zT y)
(x, y) ∈ (R◦S ∪ R◦T ).
Aufgabe 4
1. Ein Tourist auf einer Insel kommt zu einer Weggabelung. Der Tourist weiss nicht,
welcher der beiden Zweige zu einem Restaurant führt, zu dem er gelangen möchte.
Er weiss aber, dass die Insulaner entweder stets lügen oder stets die Wahrheit sagen.
Glücklicherweise steht an der Gabelung ein Insulaner, der den Weg zum Restaurant
kennt.
Welche Frage muss der Tourist an den Insulaner stellen, um aus dessen Antwort den
richtigen Weg zu erfahren?
2. Funktionen, deren Argumente und Funktionswerte der Menge der Wahrheitswerte
{T, F } angehören, nennt man Boolesche Funktionen. Wir betrachten die 2-stelligen
Booleschen Funktionen ≡ (”Äquivalenz”) und ∧ (”und”).
(a) Zeigen Sie die Assoziativität der Funktion ≡, d. h. für alle x, y, z
(x ≡ y) ≡ z = x ≡ (y ≡ z).
Berechnen Sie für alle x, y, z den Ausdruck
((x ≡ y) ≡ z) ≡ (x ≡ (y ≡ z)).
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(b) Das Assoziativgesetz für ≡ legt eine assoziative Interpretation eines Ausdrucks
x ≡ y ≡ z durch x ≡ y ≡ z := (x ≡ y) ≡ z nahe. Zeigen Sie, dass die
konjunktionale Interpretation des Ausdrucks x ≡ y ≡ z := (x ≡ y) ∧ (y ≡ z)
nicht zu seiner assoziativen Interpretation äquivalent ist, d. h., dass x, y und z
existieren, so dass
(x ≡ y) ≡ z = (x ≡ y) ∧ (y ≡ z).
Lösungsvorschlag
1. Wir fassen die Insulaner zu Familien zusammen, und zwar diejenigen Insulaner zur
Familie A, die stets die Wahrheit sagen, und die restlichen Insulaner zu einer Familie
B, die also stets lügen. Wir nehmen auch an, daß jeder Insulaner weiss zu welcher
Familie er gehört, und was die Familien bedeuten.
Dann muss der Tourist an der Weggabelung die folgende Frage stellen:
”Was würde der Insulaner aus der anderen Familie auf die Frage sagen, ob der linke
Zweig der Gabelung zum Restaurant führt?”
Falls der Tourist dann die Antwort ”Ja” erhält muss er die rechte Gabelung nehmen,
bei der Antwort ”Nein” muss er die linke Gabelung nehmen.
2. (a) Wir unterscheiden die Fälle y = T und y = F .
Sei y = T . Dann gilt (x ≡ y) = x und (y ≡ z) = z, mithin
((x ≡ y) ≡ z) = (x ≡ z) = (x ≡ (y ≡ z)).
Sei y = F . Dann gilt (x ≡ y) = ¬x und (y ≡ z) = ¬z, mithin
((x ≡ y) ≡ z) = (¬x ≡ z) = (x ≡ ¬z) = (x ≡ (y ≡ z)).
Der Funktionswert von ((x ≡ y) ≡ z) ≡ (x ≡ (y ≡ z)) folgt unmittelbar aus
der bewiesenen Gleichung (x ≡ y) ≡ z = x ≡ (y ≡ z). Sie besagt, dass linke
und rechte Seiten der Gleichung stets den gleichen Wert haben. Setzt man also
diese Seiten in die beiden Argumente der Äquivalenz ≡ ein, so wird stets der
Wert T das Ergebnis sein. Die Funktion ist also eine Konstante mit dem Wert
T.
(b) Seien x = F, y = T, z = F . Dann gilt
(x ≡ y) ≡ z = T = F = (x ≡ y) ∧ (y ≡ z).
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