Beim Design eines Druckprodukts auch an das Recycling denken! Bedrucktes Papier ist vieles – Informationsträger, Unterhaltung, Dekoration, optischer Genuss oder schnöde Zahlen; und eines Tages ist all das von gestern: Das einst begehrte, teure, bestaunte oder mitunter lästige Stück Papier wird zum Altpapier. Damit ist es aber keinesfalls wertlos: Altpapier wird immer mehr zum begehrten und gut bezahlten Rohstoff. Der Rohstoffhunger Chinas treibt die Preise nach oben, nicht nur für Schrott oder Stahl, auch für das Altpapier – eine Verpackungsmaschine nach der anderen entsteht, um immer mehr Waren für Europa oder Amerika zu transportieren. Damit die Containerschiffe dann nicht leer zurückfahren, nehmen sie unter anderem unser Altpapier mit zurück – für Frachtrate quasi null. Das verzerrt den Markt zu Lasten europäischer Papierfabriken: Sie leiden nicht nur unter den hohen Energiekosten, sondern auch unter dem hohen Altpapierpreis. Der Preisdruck ist hausgemacht – niemand zwingt die Kommunen, im Poker der großen Entsorger mitzuspielen. Es ist jedoch verlockend, über hohe Erlöse hier Haushaltslöcher an anderer Stelle zu stopfen. Dass die Papierfabrik um die Ecke Arbeitsplätze bietet und Gewerbesteuer zahlt, merkt die Kommune möglicherweise zu spät, nämlich erst dann, wenn Steuereinnahmen und Jobs auf einmal wegfallen, weil der Fabrik die Luft ausgegangen ist. Wie bei kaum einem anderen Rohstoff spielen beim Altpapier Umweltschutz und wirtschaftliche Interessen abwechselnd zusammen und gegeneinander. Es kann nicht nachhaltig sein, hochwertiges Altpapier um die halbe Erde zu transportieren, nur um daraus Verpackungen zu produzieren. Kurze Wege schonen die Umwelt und die Sozialstrukturen – beim regionalen Landbau ist diese Erkenntnis oft schon bis zum Endverbraucher oder zumindest bis in die Kommunalpolitik durchgedrungen, doch beim Rohstoff zählt dann doch nur, was am Ende des Tages in der Kasse ist? Warum hole ich so weit aus? Der Preisdruck hat viele Folgen. In einem Markt, der von knappem Angebot geprägt ist, ist ein Kunde oft zu Zugeständnissen bei der Qualität der Ware bereit, nur um nicht leer auszugehen. Keine Papierfabrik kann heute dauerhaft auf die Einhaltung von Qualitätsvereinbarungen pochen – dann geht das Altpapier halt doch nach China. Vielleicht wären wir an der einen oder anderen Stelle heute schon einen Schritt weiter, vielleicht könnte sich die eine oder andere wenig recyclingfreundliche Praxis noch weniger durchsetzen, wenn die Papierindustrie als Nachfrager, als Abnehmer für Altpapier mehr Einfluss auf dessen Qualität nehmen könnte. Österreich gebührt in Sachen Sicherung der Altpapierqualität größte Anerkennung für die Pionierrolle mit dem Umweltzeichen für Druckprodukte. Anders als im Rest Europas hat dieses Umweltzeichen hier bestimmt den einen oder anderen Auswuchs verhindert, der uns immer wieder zu schaffen macht. Seit Jahrzehnten wissen wir beispielsweise, dass wasserlösliche Druckfarben Gift sind für das Recycling. Einsichtige Verleger in Deutschland und auch in Österreich haben beispielsweise in einem ungeschriebenen Umweltpakt mit der Papierindustrie darauf verzichtet, den Flexodruck für Zeitungen einzuführen, so wie er in Italien und England den Papierfabriken Kummer bereitet. Am Digitaldruck kommt heute keiner mehr vorbei – keine Frage, die neue Technik eröffnet neue Möglichkeiten und Geschäftschancen für alle Beteiligten. Aber auch hier gilt: Digitaldruck ist nicht gleich Digitaldruck. Mit Trockentoner aus dem Laserdruck haben wir generell keinerlei Probleme beim Recycling. Aber es gibt wasserlösliche Farbstoffe beim Inkjet, die gleich einer roten Socke in der Waschmaschine ausbluten und das Potenzial bergen, bei weiterem Wachstum auch schon in vergleichsweise geringen Mengen den Reyclingprozess empfindlich zu stören. Pigmentierte, wasserbasierende Tinten sind nicht viel besser; hier sehen wir allerdings Möglichkeiten der Weiterentwicklung und schon erste Beispiele, wie hier eine verbesserte Druckqualität mit besseren Umwelteigenschaften Hand in Hand gehen können. Diese Lösungen sind heute im Markt noch nicht erhältlich – Ausnahme sind vielleicht spezielle Papiere, bei denen die Oberfläche die Tinte besonders stark festhält. Wie ernst die Thematik ist, hat im vergangenen Jahr der erste Schadensfall durch Indigo-Drucke in einer deutschen Papierfabrik gezeigt – erst nach vielen Stunden konnte Fotobuch-Makulatur als Quelle unzulässig vieler bunter Sprenkel im fertigen Papier ausgemacht und dann aus dem Rohstoff entfernt werden. Der Verlust war erheblich, 140 Tonnen Produkt waren unbrauchbar. Das Österreichische Umweltzeichen berücksichtigt solche Gefahren schon heute, indem es vorschreibt, dass sich bei einem umweltfreundlichen Druckprodukt die Farbe auch wieder entfernen lassen muss. Die Signalwirkung einer solchen Vorschrift, die eines Tages vielleicht auch in einem Europäischen Umweltzeichen enthalten sein wird, ist ungeheuer wichtig. Nur so bewegt sich etwas – beispielsweise haben wir gerade Anfang der Woche in Luzern eine neue Vereinbarung mit einigen Inkjet-Herstellern geschlossen, bei der Entwicklung besser deinkbarer Lösungen intensiver zusammen zu arbeiten. Ein wenig haben sicher auch Sie mit Ihrer Weitsicht bei der Abfassung der Kriterien für das Österreichische Umweltzeichen geholfen, deshalb vielen Dank Herr Professor Sobotka, vielen Dank Herr Kornherr für Ihr richtungweisendes Engagement! Und an die hier versammelten Vertreter der Papierkette kann ich nur erneut appellieren, schon beim Design einer Drucksache daran zu denken, dass jedes bedruckte Stück Papier in der Regel auch wieder als Rohstoff für neues Papier geeignet sein soll. Mit freundlichen Grüßen Axel Fischer. +++ Dipl.-Chem. Axel Fischer INGEDE e. V. 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