Gefährliche Tauchstation Soziale Ängste bei Kindern Jeder kennt diesen Typ aus Kinderbüchern oder Teeny-Filmen: hängende Schultern, gesenkter Blick, schlabberige Klamotten, unbeholfene Bewegungen und unglaublich schüchtern. Die anderen Kinder lachen ihn oft aus oder treiben gemeine Spielchen mit ihm. Er lässt alles still über sich ergehen. Doch dann nutzt er seine Chance, um allen zu zeigen, was tatsächlich in ihm steckt. Am Ende entpuppt er sich als kleiner Held, der seine Widersacher spielend überwunden und neue Freunde gefunden hat. Leider sieht die Realität oft anders aus: Schüchterne Kinder fürchten sich vor lebhafteren Mitschülern, deren Hänseleien oder der Bloßstellung vor anderen. Aus sich selbst heraus können die meisten daran auch nichts ändern. Im Gegenteil: Sie versuchen sich unsichtbar zu machen, möglichst wenig aufzufallen und meiden die gefürchteten Situationen, so gut es geht. Doch gerade im Schulalltag ist der wohltuende Rückzug nicht möglich. Die Kinder sind dem Mob und den Leistungsanforderungen ausgeliefert. Wenn im Elternhaus zusätzlich ein hoher Erwartungsdruck auf das Kind ausgeübt oder seine Schüchternheit als Schwäche ausgelegt wird, kann es vor dem sozialen Druck innerlich kapitulieren und schwerwiegende psychische Störungen entwickeln. Schulphobie und die „klassische“ Prüfungsangst sind verbreitete Ausprägungen dieser sozialen Ängste. Schätzungsweise bis zu zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen leiden unter dieser starken Schüchternheit, die auch als soziale Angst bezeichnet wird. In Schulen fallen diese so angenehm ruhigen Kinder, die sich in Wirklichkeit vor der aktiven Mitarbeit fürchten, oftmals gar nicht auf. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Vereinsamung vor dem Fernseher oder dem Computer: Es fehlt der Kontakt zu Gleichaltrigen, bei dem richtiges Sozialverhalten und die angemessene Durchsetzung eigener Interessen spielerisch eingeübt werden kann. Große Schüchternheit bei Kindern und Jugendlichen kann sich bei jungen Erwachsenen zu einer sozialen Phobie entwickeln, der übersteigerten, lähmenden Angst davor, sich zu blamieren, zu versagen oder auch die Erwartungen anderer zu enttäuschen. Hat sich die Angst einmal festgesetzt, beginnt sie ein bedrohliches Eigenleben zu führen und reißt das Regiment über alle Lebensbereiche an sich. Die Betroffenen ziehen sich zurück, brechen alle sozialen Kontakte ab und verlassen nur noch in Ausnahmefällen die Wohnung. Entwickelt ein Kind diese Ängste, reichen die möglichen Folgen von kontinuierlich sinkenden Schulleistungen über völlige Leistungsverweigerung und sozialen Rückzug bis hin zu schweren Depressionen. Je früher man der Angst den Stachel nimmt, desto besser sind die Heilungschancen. Gesunde Schüchternheit ist alters- und situationsabhängig Jeder hat als Kind Situationen erlebt, in denen er sich gewünscht hat, der Boden würde sich öffnen und ihn den prüfenden Blicken der anderen entziehen: Zum Beispiel hat man in der Schule das Turnzeug vergessen und macht in den geliehenen Sportsachen eine unvorteilhafte Figur. Oder man hat im Unterricht eine Frage falsch beantwortet und erntet das schallende Gelächter der ganzen Klasse. Diese Momente sind bei den meisten Menschen selten und vorwiegend an Lebensphasen wie die Kindheit oder Pubertät gebunden. Zudem ist Schüchternheit in gewissen Grenzen auch ein Persönlichkeitsmerkmal wie Lebhaftigkeit, Humor oder Rechthaberei. Schüchternheit macht erst dann krank, wenn die Angst, von anderen beurteilt, prüfend betrachtet und möglicherweise kritisiert zu werden, das tägliche Leben bestimmt und soziale Kontakte zunehmend einschränkt. Die Grenzen sind fließend Wann wird aber das Unbehagen in der Gegenwart anderer Menschen zu einem ernsthaften Problem, das behandelt werden sollte? Die Grenze zwischen Schüchternheit und einer beginnenden sozialen Phobie ist fließend. Jeder ist schon feuerrot geworden, hat vor Nervosität gezittert oder ist ins Schwitzen geraten. Auch spontane Gedanken wie „Da habe ich jetzt wohl etwas Unpassendes gesagt“ oder „Ich bin völlig falsch gekleidet, jetzt starren mich alle an“ dürften jedem bekannt sein. Kritisch wird es allerdings, wenn diese Gedanken um die Urteile der anderen so viel Raum einnehmen, dass die Konzentrationsfähigkeit darunter leidet. Dazu stellen sich in den gefürchteten Situationen körperliche Symptome ein, die den betroffenen Kindern schwer zusetzen und den Leidensdruck erhöhen. Denn sie sind überzeugt, dass alle es bemerken, wenn sie erröten, einen Kloß im Hals haben und deswegen ständig hörbar schlucken müssen, Sprechhemmungen haben, keinem bei einem Gespräch in die Augen blicken können, kalte und feuchte Hände haben oder unter Herzklopfen, Kopfschmerzen und Übelkeit leiden. Viele Kinder versuchen sich diesen Situationen zu entziehen, indem sie häufig wegen Krankheit fehlen oder die Schule schwänzen. Schlechte Noten und mangelnde Anerkennung von Eltern und Freunden sind die Folge. Hier setzt eine Spirale ein, die es so früh wie möglich zu stoppen gilt. Woran erkenne ich eine soziale Phobie? Suchen Sie ein offenes, einfühlsames Gespräch mit Ihrem Kind, wenn zwei oder mehr der folgenden Punkte zutreffen. Die schulischen Leistungen sind kontinuierlich gesunken. Das Kind äußert häufiger den Wunsch. zu Hause zu bleiben. Das Kind leidet vermehrt an Symptomen wie Kopf- und Magenschmerzen oder kann schlecht einschlafen. Das Kind vernachlässigt soziale Kontakte oder bricht sie ganz ab. Auf Familienfeiern sondert sich das Kind ab und vermeidet den Kontakt zu den übrigen Gästen. Auf freundliche Fragen reagiert das Kind ausweichend und vermeidet den Blickkontakt. Mein Kind ist schüchtern - was kann ich tun? Gegen eine normale Schüchternheit, die das Leben insgesamt nicht behindert, braucht man in der Regel nichts zu unternehmen. Wenn die Schüchternheit aber immer wieder auftritt oder sich zu einer sozialen Phobie steigert, wird sie zu einem Problem. Gerade in den Anfangsstadien können Eltern dem Kind in verständnisvollen Gesprächen eine starke Hilfe sein und den Kreislauf von Angst, Scham und Rückzug aufhalten. Überdenken Sie zunächst gemeinsam mit Ihrem Kind, in welchen Situationen die Angst genau auftritt, welche Gefühle sie begleiten und warum diese so unangenehm sind. Hier ein paar Anregungen: Fragen Sie, in welchen Situationen die Angst am stärksten ist oder ob es bestimmte Menschen gibt, vor denen Ihr Kind sich besonders fürchtet. Fragen Sie, ob eher die Angst überwiegt, etwas Falsches zu sagen und sich dem folgenden Spott auszusetzen, oder ob die Furcht vor bereits bekannten Reaktionen wie Erröten, feuchten Händen oder Herzklopfen größer ist. Fragen Sie, ob sich Ihr Kind für die genannten Symptome schämt und deswegen aus Angst vor „Entdeckung“ versucht, diese Situationen zu meiden. Wenn Sie die wesentlichen Punkte herausgefunden haben, können Sie gemeinsam mit Ihrem Kind etwas gegen die Angst unternehmen - sie zum Beispiel in überschaubaren Übungssituationen zu überwinden. Spielen Sie beängstigende Situationen behutsam durch und verschaffen Sie Ihrem Kind Erfolgserlebnisse. Die Erfahrung, eine beängstigende Situation gemeistert zu haben, stärkt das Selbstwertgefühl und macht Mut, sich ähnlichen Situationen zu stellen. Sitzt die Angst aber schon tief und ist ein Gespräch nicht mehr möglich, sollten Eltern sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Professionelle Hilfe und weitere Informationen zum Krankheitsbild und Adressen von Beratungsstellen oder Kliniken gibt das von einem Betroffenen gegründete Internetportal www.sozphobie.de. Gefunden auf der Homepage der BKK für Heilberufe