Schulbuch online für Deutsch Buchbesprechung Charlotte Kerner: Geboren 1999 Weinheim und Basel: Beltz & Gelberg 1995. 162 Seiten. Euro 6,54 ISBN 3-407-78737-5 Inhaltsverzeichnis Informationen zu Werk und Autor + Zur Orientierung + Inhaltsangabe + Die Autorin Charlotte Kerner + Die Werke Charlotte Kerners Arbeitsaufgaben / Themenbereiche + Aufgabe 1: Argumente für und gegen das Klonen + Aufgabe 2: Personencharakterisierung + Aufgabe 3: Beziehungsgeflecht + Aufgabe 4: Schauplätze + Aufgabe 5: Erzählebenen des Romans + Aufgabe 6: Literarische Gattungen – Science-Fiction + Aufgabe 7: Thema „Fortpflanzungsmedizin“ Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufgaben und Zusatzmaterialien + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1: Argumente für und gegen das Klonen + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 2: Personencharakterisierung + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 3: Beziehungsgeflecht + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 4: Schauplätze + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 5: Erzählebenen des Romans + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 6: Literarische Gattungen – Science-Fiction + Lösungsvorschlag zu Aufgabe 7: Thema „Fortpflanzungsmedizin“ + Zusatzmaterialien Weitere Vorschläge für den Unterricht + Vorschläge zum Schreiben + Vorschläge zum darstellenden Spiel + Projektvorschläge Verweise auf Aktion Sprache und Stichwort Literatur + Themenbereiche in Aktion Sprache und Stichwort Literatur Schulbuch online für Deutsch Rezensionen zum Text Weitere Tipps und Literaturhinweise + Tipps zum Weiterlesen, CDs, Filme … + Sekundärliteratur Zur Orientierung Empfehlung / Schulstufe Geboren 1999 ist für SchülerInnen ab der 9. Schulstufe geeignet. Das Buch behandelt ein aktuelles, komplexes Thema – die Genforschung – in leicht zugänglicher Form. Es eignet sich hervorragend für den fächerübergreifenden Unterricht mit Biologie und Umweltkunde, Religion und Philosophie. Es wäre auch sinnvoll, die SchulärztIn oder eine GynäkologIn zu einem Informationsgespräch einzuladen. Karl Meiberg, geboren 1999, wird als Baby adoptiert. 17 Jahre später begibt er sich auf die Suche nach seinen genetischen Eltern. Sie führt ihn in die Welt der Samenspender, Ei-Lieferantinnen, Leihmütter und Retortenbabys. Karl selbst ist ein so genanntes Retortenbaby. Er muss am Ende mit der Tatsache fertig werden, dass seine Mutter eine leblose Gebärmaschine war. Nach dieser Entdeckung verschwindet Karl. Die Journalistin Franziska Dehmel macht seinen „Fall“ zu einem Bericht für eine Zeitung und hofft, dass Karl den Artikel liest und wieder zurückkommt. Inhaltsangabe (ausführlich) Karl Meiberg, geboren 1999, wurde als Baby von Anna und Dietrich Meiberg adoptiert. 17 Jahre später – im Jahre 2016 – möchte er Näheres über seine leiblichen Eltern erfahren. Am Computer des Bürgerzentrums findet er im Feld „Leibliche Eltern“ die Eintragung „anonym, SGR 1999“. Das bedeutet, dass für weitere Auskünfte die Zustimmung der Adoptiveltern notwendig ist. Außerdem stellt er fest, dass das Geburtsdatum auf seiner Adoptionsurkunde nicht mit jenem im Computer übereinstimmt. Franziska Dehmel, eine Journalistin, die sich schon längere Zeit mit Fortpflanzungsmedizin beschäftigt, hilft ihm bei seinen Recherchen. Von ihr erfährt er, dass die Codebezeichnung „R“ für „Retortenbaby“ steht. 2016 werden solche Kinder als IVF-Kinder bezeichnet (IVF bedeutet „In-VitroFertilisation“). Die unterschiedlichen Geburtsdaten erklären sich Karl und Franziska damit, dass das Datum auf der Adoptionsurkunde den Tag der „sozialen Geburt“ (Adoption) ausweist, der Computer jedoch den Tag der „biologischen Geburt“ durch eine Leihmutter als Geburtsdatum führt. Karls Suche konzentriert sich nunmehr auf die Eispenderin, den Samenspender und die Leihmutter. Im Zuge seiner Recherchen erfährt er, dass sein biologischer Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist und dass seine biologische Mutter, die ihre Eizellen ausdrücklich nur für Forschungszwecke bestimmt hatte, nach Amerika ausgewandert ist. Karl setzt nun alle Hoffnungen auf seine Leihmutter. Über die Organisation Anti-Gen kommt Karl auf Professor Rüdiger Wald, der Karls Eltern zu ihrem Adoptivkind verholfen hatte. Dieser hat mit Embryonen experimentiert und auf dem Gebiet der künstlichen Gebärmutter medizinische Forschungen betrieben. Karl will ihn zur Rede stellen, findet aber nur einen tauben und senilen Mann vor, der ihm keine Antworten gibt. Hacker der Organisation Anti-Gen dringen in die Datenbank jener Klinik, an der Professor Wald tätig ist, ein und finden dort Berichte über Experimente an sechs Embryonen: Fünf Embryonen starben bei diesen medizinischen Versuchen, der sechste Embryo, Karl KG/AU, wird einer künstlichen Gebärmutter eingepflanzt. Der Zusatz hinter „Karl“, KG/AU, steht eben dabei für „künstliche Schulbuch online für Deutsch Gebärmutter / Artificial Uterus“. Karl verschafft sich daraufhin Zugang zur Klinik und lernt seine „Mutter“ kennen: eine leblose Maschine. Er bricht in Tränen aus und verschwindet. Sein Tagebuch schickt er Franziska, die für die Zeitung seine Lebensgeschichte aufschreibt und hofft, dass Karl sich bei ihr melden wird. Sie spricht mit Professor Wald, der in diesem Gespräch überhaupt nicht senil wirkt und vehement den Standpunkt vertritt, bei seinen illegalen Versuchen mit Embryonen völlig im Recht zu sein. Denn er verhelfe kinderlosen Paaren zu Kindern und unterbinde gleichzeitig den Missbrauch von Leihmüttern. Das Ende ist offen. Man erfährt nicht, wie Karl mit der schrecklichen Wahrheit zurechtkommt. Die Autorin Charlotte Kerner Charlotte Kerner wurde am 12.11.1950 in Speyer, Deutschland, geboren. Nach ihrem Studium der Volkswirtschaft und Soziologie in Mannheim und Studienaufenthalten in Kanada und China arbeitete sie an einem stadtsoziologischen Projekt mit. 1979 erhielt sie den 1. Preis im Wettbewerb „Reporter der Wissenschaft“ für eine Arbeit über eine Frauenselbsthilfegruppe nach Krebsoperationen. Seit 1979 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in Lübeck. Sie schreibt unter anderem für GEO, Emma und Die Zeit. In ihrer Autorentätigkeit sind Kerners Spezialgebiet engagierte Frauenbiografien, denen sehr genaue Recherchen zu Grunde liegen. Zu ihrer Motivation zum Schreiben und ihren Vorbildern meint sie: „Zum Schreiben brauche ich ein Thema, das mich umtreibt. (...) Die Nobelpreisträgerinnen waren Vorreiterinnen, ließen sich nicht in Rollenklischees pressen. Und Vorbilder sind gerade für Mädchen und Frauen sehr wichtig.“ (Lübecker Nachrichten vom 24.10.1997). Ihr besonderes Interesse gilt auch der Medizin, vor allem der Fortpflanzungsmedizin – worin sich auch die Motivation, einen Roman wie Geboren 1999 zu schreiben, begründet. Die Werke Charlotte Kerners Seidenraupe, Dschungelblüte. Die Lebensgeschichte der Maria Sibylla Merian. Weinheim: Beltz & Gelberg 1998. Kerner erhielt dafür den Deutschen Jugendliteraturpreis. Lise, Atomphysikerin. Die Lebensgeschichte der Lise Meitner. Weinheim: Beltz & Gelberg 1999. Kerner erhielt dafür den Deutschen Jugendliteraturpreis 1987. Alle Schönheit des Himmels. Die Lebensgeschichte der Hildegard von Bingen. Weinheim: Beltz & Gelberg 2000. Madame Curie und ihre Schwestern. Frauen, die den Nobelpreis bekamen. Weinheim: Beltz & Gelberg 1990. Nicht nur Madame Curie ... Frauen, die den Nobelpreis bekamen. Weinheim: Beltz & Gelberg 1999. Diese beiden Bücher beinhalten Porträts aller Nobelpreisträgerinnen von 1903–1996. Kinderkriegen. Ein Nachdenkbuch. Weinheim: Beltz & Gelberg 1995. Frauen äußern sich zum Thema „Kinder kriegen oder nicht?“ Blueprint, Blaupause. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001. Die berühmte Pianistin Iris erkrankt an multipler Sklerose. Sie lässt sich klonen, ihre Tochter Siri soll als Kopie (Blaupause) ihre Lebensträume verwirklichen. Inhaltlich ist dieser Roman eine Fortführung des Gentechnik-Themas. Kerner erhielt dafür den Deutschen Jugendliteraturpreis 2000. Schulbuch online für Deutsch Arbeitsaufgaben / Themenbereiche Aufgabe 1: Argumente für und gegen das Klonen Lesen Sie einige Artikel, die sich mit dem Thema Klonen beschäftigen. Was ist Ihrer Meinung nach das Hauptargument gegen das Klonen? Welche Argumente dafür lassen sich finden? Aufgabe 2: Personencharakterisierung Charakterisieren Sie die Hauptpersonen. Inwiefern stimmen die Selbstcharakteristik Karls und die Beschreibung durch Franziska überein? Aufgabe 3: Beziehungsgeflecht Klären Sie die Beziehungen der Personen zueinander. Versuchen Sie eine grafische Darstellung der Beziehungen (Tipp: Karl steht im Zentrum!) Aufgabe 4: Schauplätze Beschreiben Sie den Schauplatz, die Stadt Herbeck. Welchen Gegenpol dazu findet Karl? Aufgabe 5: Erzählebenen des Romans Erklären Sie die verschiedenen Erzählebenen des Romans näher. Was bewirken sie? Aufgabe 6: Literarische Gattungen – Science Fiction Welchen literarischen Gattungen kann man Geboren 1999 zuordnen? Informieren Sie sich über Science-Fiction-Literatur. Inwiefern ist Geboren 1999 ein besonderer Science-Fiction-Roman? Aufgabe 7: Thema „Fortpflanzungsmedizin“ Informieren Sie sich über Fortpflanzungsmedizin. Besonders an Biologie und Medizin Interessierte können sich zu einer Art „Expertengruppe“ zusammenschließen. Die Ergebnisse der Recherchen sollen in der Klasse präsentiert werden. Tipp: Als Informationsquelle eignet sich etwa das Heft GEO Wissen vom März 1998, das über zahlreiche Aspekte des Themas informiert und auch weiterführende Literatur enthält. Schulbuch online für Deutsch Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufgaben und Zusatzmaterialien Lösungsvorschlag zu Aufgabe 1: Argumente für und gegen das Klonen Einen guten Überblick zum Thema „Klonen“ können sich Ihre SchülerInnen auch verschaffen, wenn Sie Ihnen die in dieser Buchbesprechung als Zusatzmaterialien angeführten Texte (Zeitungsartikel …) zur Verfügung stellen. Charlotte Kerner selbst äußerst sich so: „Es verstößt gegen die Menschenwürde und die Freiheit, die im Zufall liegt.“ Aus: Tagespost vom 25.2.2000 Lösungsvorschlag zu Aufgabe 2: Personencharakterisierung Karl Er ist ein guter Beobachter. Schon als Kind zurückhaltend und distanziert, lehnt er die Umarmungen seiner Mutter ab. Seine Klassenkollegen nennen ihn „den kalten Karl“, Fabian Dehmel spricht sogar von „Eisschrank“. Er lacht nicht; er weint nur bei Schmerzen; Gefühle kann er nur schwer zeigen. Er fühlt sich zerrissen (siehe Geboren 1999, S. 38). Beim Anblick seiner „Mutter“ kommen allerdings auch ihm die Tränen. Die Frage, ob für sein schroffes Wesen die leblose Gebärmaschine verantwortlich ist, wird nicht explizit beantwortet. Franziska fällt sofort seine scharfe Beobachtungsgabe auf, er kommt ihr erwachsener als ihr Sohn vor. Seine grauen Augen mag sie nicht, sie ließen niemanden an sich heran. Franziskas Charakteristik deckt sich mit Karls Selbstcharakteristik im Tagebuch (siehe Geboren 1999, S. 9ff.). Normale „menschliche“ Gefühle empfindet er nur gegenüber Sarah. Am Ende lässt er aber auch sie nicht mehr an sich heran. Er ist seinen Eltern Dietrich und Anna dankbar, macht ihnen aber auch Vorwürfe, weil sie seine genetischen Eltern anonym bleiben lassen. Er meint auch, dass es zwar Liebe gegeben habe, dass aber der Respekt vor ihm gefehlt habe, sonst hätte man ihm schon früher von Professor Wald erzählt. Instinktiv lehnt er die Stadt ab und zieht sich zum „alten Fluss“, einem Biotop, zurück. Bei seiner Identitätssuche macht ihm besonders die Tatsache zu schaffen, dass es fünf weitere Klone von ihm gibt, wer garantiert ihm, dass nicht irgendeiner doch überlebt hat. Damit ist die Einzigartigkeit seines Individuums in Frage gestellt. Die Suche nach sich selbst belastet ihn so sehr, dass er auch in Griechenland nicht abschalten kann und an Selbstmord denkt (siehe Geboren 1999, S. 98f.). Als er vom Urlaub zurückkommt, intensiviert er die Suche nach seiner Leihmutter, er versucht sogar durch Hypnose an sie heranzukommen. Franziska Sie ist Journalistin, geschieden. Ihr Sohn Fabian geht mit Karl in eine Klasse, er stellt den Kontakt zwischen den beiden her. Zunächst ist Karl für sie nur eine interessante Story, später kommen sie sich näher (Bruderkuss!). Karl wird ihr immer wichtiger, sie weiß, dass er Hilfe braucht. An der Eskalation der Ereignisse und an Karls Verschwinden fühlt sie sich schuldig. Als sie mit Professor Wald gesprochen hat, steht sie eindeutig auf Karls Seite. Im Rahmen ihrer Recherche ändert sich auch ihre Einstellung gegenüber der Gentechnik: Ist sie zunächst interessiert und vom Fortschritt überzeugt, wird sie nach der Begegnung mit Professor Wald zur Gegnerin. Sie ist die zweite Hauptfigur. Bei ihr laufen die Fäden der Handlung zusammen. Sarah Sie ist ein Jahr jünger als Karl, wenig charakterisiert. Sie liebt Karl, wie er ist; seine Herkunft ist ihr egal. Sie fürchtet nur, dass Karls Identitätssuche ihre Beziehung stören könnte. Sie ist ausgeglichen und nett und bedeutet den Ruhepol in Karls Leben. Sie glaubt, dass sich Karl sein Anderssein nur einbildet. Schulbuch online für Deutsch Sie nennt Karl manchmal „mein Schwan“, nach dem Märchen, in dem ein hässliches Entlein zum schönen Schwan wird. Anna und Dietrich Ihre Ehe bleibt kinderlos, sie entschließen sich zur Adoption. Anna ist zunächst Deutschlehrerin, später Museumspädagogin, Dietrich ist Ingenieur. Dietrich hat eine nüchterne Sicht von der Genforschung. Er hält die künstlichen Gebärmaschinen für technischen Fortschritt, der zu begrüßen ist. Karls Identitätssuche ist für ihn ein Problem im Rahmen der Pubertät. Anna ist Professor Wald dankbar, denn nur durch ihn war es für sie möglich, Mutter zu werden. Beide machen Franziska den Vorwurf, Karl in seiner Suche nach der Leihmutter unterstützt zu haben und ihn damit ins Unglück getrieben zu haben. Beide empfinden Karl als normalen, wenn auch sehr verschlossenen Menschen. Professor Wald Seine Persönlichkeit wird in zwei Erscheinungsformen dargestellt. Bei seinem Treffen mit Karl stellt er sich senil, taub und wirkt beinahe sympathisch. Im Gespräch mit Franziska zeigt er sein wahres Wesen. Er betrachtet seine Arbeit mit Embryonen außerhalb des Mutterleibs als sein Lebenswerk, zu dem er steht und für das er sich zu wenig beachtet fühlt. Der Fortschritt hat für ihn Vorrang vor den einzelnen Menschen und deren Gefühlen. Die künstliche Gebärmaschine sieht er als Alternative zu Leihmüttern und damit als Beitrag zur Emanzipation der Frau. Dagmar Bruhns Sie unterstützt Karl bei seiner Suche nach der Leihmutter, sie verschafft sich illegalen Zugang zu Informationen über Rüdiger Wald. Lösungsvorschlag zu Aufgabe 3: Beziehungsgeflecht Karls wichtigste Bezugsperson ist Sarah, sie steht zu ihm, ganz gleich, was die Suche auch ergeben würde. Franziska steht an zweiter Stelle, sie wird zur echten Freundin, die nicht nur Interesse an ihm hat, weil er eine gute Story abgibt. Am Ende nimmt das Interesse an dem Artikel ab, das Interesse an Karl nimmt zu (vgl. Franziskas Aussage auf S. 124: „Aber Karl ist weder ein Golem noch ein Spuk, verdammt noch mal. Er ist mein Freund, und er braucht Hilfe.“). Sarah und sie stehen seiner Identitätssuche positiv gegenüber. Die Eltern Anna und Dietrich empfinden Karl als normal, nur etwas zurückhaltend. Sie unterstützen Karls Suche nicht. Professor Wald wäre es verständlicherweise lieber, Karl hätte seine Suche nie begonnen. Aber er ist bis zuletzt überzeugt, dass er im Recht ist. Franziskas Sohn Fabian ist eifersüchtig, weil seine Mutter sich mit Karl intensiver beschäftigt als mit ihm. Lösungsvorschlag zu Aufgabe 4: Schauplätze Herbeck ist ungemütlich, kalt, immer liegt eine Dunstglocke über der Stadt (vgl. S. 48). Das Bürgerzentrum mit dem leuchtenden „H“ auf dem Dach, den langen Gängen, dem Neonlicht, den Sicherheitsvorkehrungen, den gelben Uniformen der Beamten, dem Blau der Fahrstühle und der Anonymität der Menschen erinnern an einen Alptraum. Die Stadt ist Symbol für den negativen Fortschritt. Die Menschen verlieren ihre Individualität, sie werden zu Nummern degradiert. Den Menschen werden Informationen zugeteilt, sie werden am Mitdenken gehindert, sie werden uninformiert gehalten. Die Farben Gelb, Sandfarben und Grau dominieren. Alles in allem eine deprimierende Atmosphäre. Schulbuch online für Deutsch Karl flüchtet zum alten Fluss, in eine Gegend, die die Einwohner Herbecks vergessen haben. Hier dominieren Grün und Blau, die Atmosphäre ist ruhig und heimelig, hier fühlt sich Karl geborgen, hier kommt er zur Ruhe (vgl. Karls Tagebuch, S. 65f.). Kerner gestaltet hier den Jahrtausende alten Gegensatz zwischen Kultur (Zivilisation) und Natur. Karl, Produkt des wissenschaftlichen Fortschritts, fühlt sich instinktiv zur Natur hingezogen. Die sonst der Natur zugesprochene heilende Kraft kann ihm allerdings nicht mehr weiterhelfen. Lösungsvorschlag zu Aufgabe 5: Erzählebenen des Romans Die Struktur des Buches ist sehr kompliziert, sie zwingt zum Nachdenken, lässt keine lockere Unterhaltungslektüre zu. Es gibt fünf unterschiedliche Textsorten: 1. Zeitungsbericht „Geboren 1999“ Franziska versucht Passagen des Berichts aus der personalen Sicht Karls und ihrer eigenen zu schreiben, um die Geschichte möglichst authentisch zu gestalten. Sie sind gefühlsbetont. Manchmal gibt es allerdings auch auktoriale Teile, die sachlich gehalten sind und der Information dienen. Der Zeitungsbericht ist eine Rückblende und beginnt mit Karls Begegnung mit seiner „Mutter“ und besteht aus drei Teilen. Diese werden allerdings immer wieder vom epischen Bericht unterbrochen. • Die Suche: Teil 1: Geheimnisvolle Geburtstage (2 Teile) • Die Suche: Teil 2: Gensumpf (3 Teile) • Die Suche Teil 3: High-Tech-Schöpfung (3 Teile) • Ende der Suche: Erkennen • Wiedersehen: Dieser Teil leitet als Rückblende den Artikel ein. 2. Karls Tagebuch Das Tagebuch gibt die subjektive Sicht Karls wieder. Das Hauptmotiv darin ist die Frage: Wer bin ich? Die Tagebuchaufzeichnungen sind Anstoß für Franziska, über Karl nachzudenken. Sie werden nicht chronologisch verwendet. 3. Tonbandinterviews Gespräch zwischen Franziska und Sarah Gespräch zwischen Franziska und Anna Gespräch zwischen Franziska und Dietrich Durch sie erfährt man, wie diese drei Personen Karl einschätzen. 4. Hintergrundartikel Ein Bericht über das Retortenkind, das selbst zur Mutter wird. Aus zwei mach fünf Die Eiserben Mutter = Großmutter, Schwester = Mutter Die Brutfabrik Zeitungsartikel (die auf Originalquellen beruhen) 5. Epischer Bericht In dessen Mittelpunkt steht Franziskas Recherche (als Rückblende), die Perspektive ist meist personal aus ihrer Sicht. Er ist der rote Faden durch den Text. Außer diesen fünf Textgruppen gibt des noch das „Anti-Gen-Dossier“ über Professor Wald und eine Szene aus Goethes Faust (siehe S. 119). Die fünf Textelemente wirken wie eine Collage, sie sind nicht chronologisch geordnet und verhindern eine rasche Identifikation der LeserIn mit Karl. Lösungsvorschlag zu Aufgabe 6: Literarische Gattungen – Science-Fiction Der Roman ist einerseits ein Science-Fiction-Roman, andererseits ein so genannter Adoleszenzroman und auch ein Kriminalroman. Schulbuch online für Deutsch 1. Science-Fiction-Roman: Die Handlungsebene ist im Jahr 2016 angesiedelt, allerdings hat die heutige Realität diese Fiktion bereits zum Großteil eingeholt. Die künstliche Gebärmutter ist zwar immer noch Zukunftsmusik, die Weichen dazu sind aber heute längst gestellt. Science-Fiction-Literatur: Der Terminus „Science-Fiction“ umfasst zwei Begriffe, die sich eigentlich widersprechen: „Science“ sieht man im Zusammenhang mit Wissenschaft, Planung, Sachlichkeit, Rationalität; „Fiction“ bedeutet nicht-rational, emotional, fantastisch. Ein Science-Fiction-Roman hat Ähnlichkeit mit einer Utopie (worin ein Idealzustand des menschlichen Lebens fiktional gestaltet wird). Manche sehen seine Wurzeln im fantastischen Roman des 18. und 19. Jahrhunderts. Ebenso kann ein Science-Fiction-Roman Elemente des Märchens, des Helden- und Ritterromans, des Bildungsromans, der Abenteuerliteratur und des Western enthalten. Dementsprechend sind seine Motive technische Entwürfe, fantastische Reiseabenteuer, Abenteuer im Weltraum, biologische und naturwissenschaftliche Experimente, Versuche, Unerklärbares pseudowissenschaftlich zu erklären, die Begegnung mit fremden, oft außerirdischen Existenzen und Intelligenzen, die die Welt oft auch bedrohen, aber auch Staats- und Gesellschaftsentwürfe, die abschrecken sollen. Als literarische Formen werden in der Science-Fiction-Literatur neben Romanen auch Kurzgeschichten, Comics und Heftchenromane verwendet. Als Klassiker gelten Jules Verne und H.G. Wells. Neue Impulse erhält die Science-Fiction-Literatur von Samjatin, Orwell, Huxley, Bradbury und Lem. Sie betrachten in ihren Werken den Fortschrittsglauben und den Wissenschaftsoptimismus kritisch und ihre Werke sind von Kultur- und Technikpessimismus geprägt. Neueste Science-Fiction-Literatur entwirft häufig Szenarien von Cyberwelten … 2. Adoleszenzroman: Das zentrale Motiv in diesem Roman ist die Identitätssuche Karls. Er sucht nach seinen genetischen Eltern und später nach seiner Leihmutter, weil er sich „anders“ fühlt. Gleichzeitig mit der Suche erfolgt auch der Ablösungsprozess von seinen Eltern. Unklar ist, ob die Identitätsfindung letztlich gelingt, weil das Ende ja offen ist. 3. Kriminalroman: Die „Detektive“ Karl und Franziska verfolgen Spuren vom Jahr 2016 zurück bis ins Geburtsjahr 1999. Am Ende wird Professor Wald entlarvt, unerlaubt mit Embryonen experimentiert zu haben, ob er bestraft wird, bleibt offen. Lösungsvorschlag zu Aufgabe 7: Thema „Fortpflanzungsmedizin“ Sie können den SchülerInnen natürlich auch die im Folgenden als Zusatzmaterialien angeführten Texte (Zeitungsartikel …) zur Verfügung stellen. Schulbuch online für Deutsch Zusatzmaterialien Text 1: Menschen, Klone, Sensationen US-Forscher kopieren menschliche Zellen – angeblich nur für medizinische Zwecke. Doch nicht jeder glaubt ihnen. Von Hans Schuh Ihre Titelstory Erstes Menschen-Baby geklont garnierte die Bild-Zeitung am 18. Juni mit einem Kommentar: „Vor einem Jahr hat ein Japaner auf Hawaii Mäuse geklont ... Jetzt ist das fragwürdige Experiment am Menschen gelungen. Beängstigend!“ Das Blatt forderte „schärfere Gesetze, internationale Kontrollen und drastische Strafen für Menschen-Kloner“ und grübelte: „Dürfen wir Gott so ins Handwerk pfuschen?“ Mit dieser Story, inspiriert von einem Bericht tags zuvor im britischen Boulevardblatt Daily Mail, verhob sich Bild gleich dreimal – in den Kategorien Theologie, Reproduktionsbiologie und Journalismus. Denn erstens lässt sich Gott so einfach nun doch nicht ins Handwerk pfuschen. Zweitens erzeugt Bild aus einem alten US-Forschungsfoto vom November 1998 (Eizelle einer Kuh, in der sich menschliches Erbgut einige hundert Mal teilte) ein brandaktuelles „Menschen-Baby“. Drittens ist journalistisch der Husarenstreich gelungen, die erklärte Absicht der US-Forscher genau ins Gegenteil umzukehren. Denn die wollten durch Mischen artfremden Materials von Kuh und Mensch die Entwicklung vollständiger Lebewesen gerade verhindern. Das Bild zeigt einen Zellhaufen mit tödlichem Defekt, der nie eine Gebärmutter gesehen hatte. Die überschießenden Reaktionen der Boulevardpresse verdeutlichen aber den ethischen Sprengstoff klontechnischer Experimente, die derzeit vor allem in den USA laufen. So berichtete die Washington Post am 14. Juni über die Forschung der beiden Firmen Geron und Advanced Cell Therapeutics (ACT). Beide wollen menschliche Embryonen so weit züchten, dass sich aus den kugelförmigen Zellhaufen sogenannte Stammzellen für medizinische Zwecke entnehmen lassen. Die Firmen beschwören, dass es ihnen nicht um das Erzeugen geklonter Menschen gehe (reproduktives Klonen), sondern um die Gewinnung dieser therapeutisch wichtigen Zellen (therapeutisches Klonen). Die Experimente seien völlig legal, denn die Embryonen würden nicht in eine Gebärmutter eingesetzt und spätestens am 14. Wachstumstag vernichtet, lange bevor Nerven oder gar menschenähnliche Wesen entstanden seien. Um dies zu belegen, gab ACT das alte Foto vom Kuh-Menschen-Klon an die Presse. Tatsächlich ist solche Forschung in den USA erlaubt. Allerdings hat Bill Clinton ihr vor Jahren die staatliche Finanzierung entzogen. Inzwischen wogt eine politische Diskussion darum, ob man therapeutisches Klonen zur Gewinnung von Stammzellen wieder öffentlich fördern solle. Auf solches Geld hoffen Firmen wie Geron oder ACT. Angesehene Institutionen wie die National Institutes of Health der USA bestätigen den Stammzellen ein revolutionäres therapeutisches Potential. Sie können sich nahezu unbegrenzt vermehren, aus ihnen gehen alle Organe wie Blut-, Leber-, Nerven- oder Muskelzellen hervor. Gelänge es, aus Stammzellen insulinproduzierende Zellen zu züchten und diese auf Diabetiker zu übertragen dann ließen sich Millionen Zuckerkranke heilen. Neue Nervenzellen könnten Lahme wieder gehen lassen, und Parkinsonkranke müssten nicht mehr zittern. Theoretisch trägt der Körper in jeder Zelle ein Programm zur Selbstheilung, manchmal schließt er ja auch klaffende Wunden. Aber leider nicht immer. Forscher brennen deshalb darauf, jene Stammzellen in den Griff zu bekommen, die ganze Organe oder Körperteile regenerieren können. Kritiker dieses Forschereifers wenden ein, genau diese Bestrebungen, die Neuprogrammierung von menschlichem Erbgut besser verstehen zu lernen, förderten auf Dauer auch das reproduktive Klonen. Denn wer die Orchestrierung des Erbgutes so perfekt beherrscht, dass er Ersatzorgane züchten kann, der liefere auch die Technik, um ganze Menschen zu klonen. Schulbuch online für Deutsch Die Firma ACT glaubt jedoch, diesen Vorwurf ausräumen zu können: Statt schwer erhältlicher menschlicher Eizellen benutzt sie die Eizellen von Kühen, die in jedem Schlachthof massenhaft anfallen. Aus diesen Zellen wird der Kern mit dem Rindererbgut entfernt und durch menschliches Erbgut ersetzt, etwa aus Hautzellen eines Männerbeins. Tatsächlich beginnt dieses chimäre Gebilde sich manchmal zu teilen wie ein normaler Embryo; das Foto von ACT beweist es. Aus dem hybriden Embryo ließen sich dann menschliche Stammzellen fischen, lebensfähige Klone könnten jedoch nicht entstehen. Als Hinderungsgrund gelten die „Kraftwerke“ in jeder Zelle, die Mitochondrien. Sie werden ausschließlich über die Mutter vererbt, ihre DNA kommt nur in der Eizelle vor. Beim Klonverfahren nach ACT entsteht ein vorwiegend menschlicher Embryo – aber mit der Energieversorgung einer Kuh. Tatsächlich sind bisher alle Versuche gescheitert, Mäuse, Affen oder Schafe bis zur Geburt aus hybriden Kuheiern zu züchten. Genau dies bemängeln aber auch die Kritiker der ACT-Klontechnik: Sind die hybriden Wesen nicht lebensfähig, dann könnten auf diesem Weg gewonnene Stammzellen auch nicht für eine medizinische Therapie taugen. So gezüchtete Organe müssten frühzeitig versagen. Die Firma kontert mit Plänen, sie wolle Kuh-Mitochondrien durch menschliche Mitochondrien ersetzen. Und im ersten Heft der Zeitschrift Cloning, von Dolly-Erzeuger Ian Wilmut herausgegeben, berichten jetzt Forscher der Utah State University, ihnen sei es fast gelungen, ein Schaf der seltenen AltaiRasse zu klonen. Sie hatten Erbgut aus der Haut eines Altai-Widders in die Eizelle einer Kuh bugsiert und den hybriden Embryo einem Schaf in die Gebärmutter eingepflanzt. Er wuchs dort 59 Tage heran, dann kam es zum Abort. Prinzipiell lasse sich die Methode weiter verfeinern, dann könne man viele vom Aussterben bedrohte Tiere retten. Noch ein Heilsversprechen. Die Firma Geron hingegen setzt auf menschliche Eizellen, um an die begehrten Stammzellen heranzukommen. Ihr Forschungschef Calvin Harley bestätigte der Washington Post, dass ein von Geron geförderter Wissenschaftler menschliche Embryonen klont – zu therapeutischen Zwecken, versteht sich. Deutsche Wissenschaftler dürfen sich an dem Klonierungswettlauf nicht beteiligen, das Embryonenschutzgesetz untersagt es. Die Stammzellen können sie sich indes auf Umwegen beschaffen – aus abgetriebenen Föten. Langfristig dürften sowohl das therapeutische Klonen als auch der Umweg über abgetriebene Föten überflüssig werden. Denn wer die Proteine kennt, die das Erbgut zur Produktion einzelner Stammzellen veranlassen, der braucht nur noch die richtige Proteinmischung in das verletzte oder amputierte Glied zu spritzen – und alles wird wieder heil. Sollte dies gelingen, dann wird jeder solche Biomedizin wie selbstverständlich nutzen. Und man wird sich nostalgisch der heftigen Ethikdebatten der Vergangenheit erinnern. Aus: Die Zeit vom 24. Juni 1999 Schulbuch online für Deutsch Text 2: Erbgut-Check für Embryonen? PRO Die Zukunftstechnik PID könnte viel Leid lindern Von Hans Schuh Brüchige Glasknochen, Schleimlungen, Blut-, Stoffwechsel- und Nervenkrankheiten – es gibt eine Fülle schwerer Erbleiden. Selbstverständlich versuchen wir, den Patienten zu helfen und üble Launen der Natur zu korrigieren. Die Therapie ist nicht nur erlaubt, sondern ethisch geboten. Allerdings wäre Vorbeugen besser als Heilen. Angehörige erbkranker Familien kennen das Elend genau und möchten ihren Kindern solche Leiden ersparen. Nach heftigen Disputen toleriert unsere Gesellschaft die Abtreibung schwer erbkranker Babys, falls die werdende Mutter ihre Gesundheit bedroht sieht. Ein unbefriedigender Kompromiss. Nun möchte die Bundesärztekammer mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) künftig Angehörigen schwer erbkranker Familien zu gesunden Kindern verhelfen – ohne Abtreibung. Ein überfälliger Schritt, der in den meisten EU-Staaten schon realisiert ist. Denn dank der PID kann die Frau bereits vor der Schwangerschaft erfahren, ob der Embryo belastet ist, und seine Übertragung in ihren Schoß verweigern. Dies ist viel humaner, als ihn wochenlang in sich heranwachsen zu lassen, dann zu testen und eventuell zu töten. Leider schränkt die Bundesärztekammer jedoch den Zugang zur PID massiv ein: Sie ist nur solchen Paaren erlaubt, die ein bekanntes und sehr hohes Risiko tragen, erbkranken Nachwuchs zu zeugen. So sei es „unabdingbare Voraussetzung“, dass das hohe genetische Risiko „bei beiden Partnern“ dokumentiert ist. Mit kaum hundert Fällen pro Jahr ist zu rechnen. Etwa wenn Eltern bereits ein krankes Kind haben und sich nun ein gesundes zweites Baby wünschen. Für eine PID genügt laut Ärztekammer weder, dass die Frau altersbedingt ein erhöhtes Risiko trägt, ein krankes Kind zu gebären, noch dass sie sich wegen Sterilität einer Befruchtung außerhalb ihres Körpers unterziehen musste. Genau in solchen Fällen könnte die PID aber Tausenden Frauen helfen. Denn wenn sie sich den Mühen einer Reagenzglasbefruchtung unterziehen, warum dann die Prüfung des Embryos vor dem Einpflanzen in den Uterus verbieten, aber danach zur Pränataldiagnostik raten? Das fördert nur Schwangerschaften auf Probe und Abtreibungen. Dabei könnte die PID die Zahl der „medizinisch indizierten“, oft aber eugenisch bedingten Abtreibungen deutlich reduzieren. Der Bedarf nach Frühdiagnostik kindlicher Schäden wird zunehmen, in dieser Zukunftstechnik spielt die PID eine wichtige Rolle. Denn aus sozialen Gründen übersteigt das Alter von Erstgebärenden zunehmend die biologisch optimale Phase von etwa 18 bis 30 Jahren. Längst befürwortet die Gesellschaft das Wunschkind, und ähnlich legitim wie die Bestimmung des Zeitpunktes ist der Wunsch, schwere Erbleiden zu vermeiden. Deshalb sollten wir das medizinisch beste und für die Frauen schonendste Verfahren ermöglichen. Der Entwurf der Bundesärztekammer ist halbherzig. Dahinter stecken Ängste, sowohl eine Kostenlawine loszutreten, als auch im politischen Kampf mit Lebensschützern, Abtreibungs- und Gentechnikgegnern oder schlicht Fortschrittsskeptikern große Angriffsflächen zu bieten. Gewiss wie jede Technik ist auch die PID ein zweischneidiges Schwert: Sie kann missbraucht werden und einen unerwünschten Wettlauf um qualitätsoptimierten Nachwuchs entfachen. Die Ärztekammer minimiert dieses Problem zwar quantitativ durch ihre scharfe Zugangskontrolle zur PID, qualitativ entschärft sie es jedoch kaum. Dies erleichtert es den PID-Gegnern, den vorliegenden Entwurf als extremes Minderheitenprogramm zu verwerfen, dessen inhärente Risiken in keinem Verhältnis zum medizinischen Gewinn stünden. Das entscheidende Problem lautet: Wie nutzen wir die PID zur Krankheitsvermeidung und verhindern ihren Missbrauch zur Nachwuchsoptimierung nach unerwünschten Kriterien wie Ästhetik, Geschlecht etc.? Zentral ist hierbei der Informationsfluss vom PID-Labor zu den Eltern und ihrem Arzt. Warum sollten nicht wenige autorisierte Analysezentren, überwacht durch demokratisch legitimierte Zerberusse vom Schlage unserer Bundesgesundheitsministerin, nur krankheitsrelevante Daten Schulbuch online für Deutsch herausfinden und weiterleiten dürfen? Damit ließen sich tausendfaches Leid und auf Dauer enorme Kosten für lebenslange Therapien vermeiden. Jahrtausendelang mussten die Menschen ertragen, was ihnen die Genlotterie an Erbleiden aufbürdete, ähnlich wie einst Seefahrer mit Stürmen, Klippen und Strömungen zurechtkommen mussten. Mit wachsender Möglichkeit, Risiken vorauszusehen und umschiffen zu können, wird die Zahl jener sinken, die sich und ihren Nachwuchs in blindem Gott und Naturvertrauen den Gefahren aussetzen. Ein von oben verfügter Zwang zur Blindheit durch Technikverbote wird scheitern und privaten Diagnose-Wildwuchs im Ausland fördern. Nur ein positives Angebot der Solidargemeinschaft hat Aussicht, den Run auf das Wunschkind in sozialverträgliche Bahnen zu lenken. Darüber lohnt es sich zu diskutieren. CONTRA Die PID beschwört eine neue Eugenik herauf. Von Volker Stollorz Mit tragischen Fallgeschichten wollen die deutschen Ärzte die vorgeburtliche Genanalyse aus der Verbotszone manövrieren. Man stelle sich vor: Die Mutter eines Kindes, das an unheilbarer Muskelschwäche leidet, wird ein zweites Mal schwanger. Während das erste Kind im Alter von sechs Jahren stirbt, ergibt ein Gentest, dass auch der Fötus von der tödlichen Krankheit betroffen ist. Die seelisch tiefverstörte Frau treibt ihr heranreifendes zweites Kind ab. Wer kann es ihr verdenken, dass sie mithilfe der Präumplantationsdiagnostik (PID) endlich ein gesundes Kind zur Welt bringen will? Diese emotionale Logik ist durchsichtig, die Zuspitzung auf den Einzelfall verräterisch: Ein trauriges Schicksal soll das Nachdenken über den Schutz des ungeborenen Lebens erschlagen; das Embryonenschutzgesetz, das über den menschlichen Embryo wacht, erscheint plötzlich unmenschlich. Was ist falsch an dieser Argumentation? Zunächst stimmt der subtil erweckte Eindruck nicht, zur Präimplantationsdiagnostik gäbe es für Paare keine Alternative außer den Verzicht auf Kinder oder die Adoption. Genetisch vorbelastete Paare können auch durch Samenspende Kinder zeugen, wenn sie nicht auf 100-prozentiger genetischer Elternschaft beharren. Helfen könnte ihnen auch die gesetzlich erlaubte Polkörperdiagnostik. Dabei werden Teile der Eizelle vor ihrer Befruchtung durch Samenzellen genetisch durchleuchtet, ohne dass dabei Embryonen zerstört werden. Auch wenn Ärzte die PID mit der Pränataldiagnostik (PND) gleichsetzen, begehen sie einen Denkfehler. Bei der PND wird der Embryo im Mutterleib genetisch untersucht und eventuell abgetrieben. In beiden Fällen hängt sein Leben vom Ergebnis eines Gentests ab. Die Mediziner argumentieren, eine PID sei weniger traumatisch für die Frau. Diese Behauptung verschweigt jedoch, dass auch eine künstliche Befruchtung riskant und seelisch belastend ist. Hinzu kommt ein wichtiger Unterschied. Ein Schwangerschaftsabbruch ist normalerweise die Abwehr eines bestehenden, für die Frau jedoch unerträglichen Zustandes. Bei der PID dagegen wird Leben in vitro erst gezeugt und dann bewusst selektiert. Wenn Ärzte die PID anbieten, beteiligen sie sich somit erstmals daran, menschliches Leben zu erzeugen und zu vernichten. Das ist eine ungeheure Zäsur im Berufsethos. Weil die Ärzte diesen Erdrutsch spüren, rechtfertigen sie sich mit angeblich vergleichbaren Ausnahmefällen. So soll es Frauen mit genetischen Vorerkrankungen geben, die auch vor mehrfachen Abtreibungen nicht zurückschrecken, bis ein gesundes Kind geboren wird. Zwar dürften sich in Wahrheit nur extrem wenige Frauen eine derartige Tortur antun. Statt die PID aber ausgerechnet aufgrund dieser Einzelfälle zu erlauben, wäre es ehrlicher, bewusste Schwangerschaften auf Probe als rechtswidrig zu verurteilen. Nicht die PID gehört erlaubt, sondern fragwürdige Anwendungen der PND eingeschränkt. Was besonders schwer wiegt: Die gezielte Selektion im Labor beschwört die Gefahr einer nützlichen, schmerzlosen und effizienten „neuen Eugenik“ herauf, bei der Wünschbares zur Norm wird. Zwar versucht die Ärzteschaft, den eugenischen Geist der PID in die Flasche strenger Indikation zu sperren. Doch mit Ethikkommissionen allein lässt sich der Dammbruch kaum stoppen. Wer kann einerseits einem Paar mit der Erbkrankheit Huntington die PID verweigern? Wer will andererseits verhindern, Schulbuch online für Deutsch dass Paare den Embryonencheck in Rahmen einer künstlichen Befruchtung als Qualitätskontrolle nutzen, um ihre Chance auf ein gesundes Kind zu erhöhen? Die PID öffnet die Tür zur schönen neuen Welt des Baby-TÜVs – wenn auch zunächst nur einen Spalt breit. Wenn Ärzte aber ohnehin ständig Wünsche verzweifelter Eltern in die Schranken weisen müssten, warum begeben sie sich dann überhaupt erst auf die ethisch abschüssige Ebene? Auch die Leihmutterschaft wurde hierzulande verboten, obwohl sich Paare diese wünschen. In den USA betrachten schon heute immer mehr „informierte Patienten“ Ärzte nur noch als Erfüllungsgehilfen ihrer Visionen von Normalität. Noch ein paar Jahre genetischer Fortschritt, und der Kinderwunsch wird zur ultimativen Shopping-Erfahrung. Gleichzeitig könnte die Zeugung Behinderter endgültig zur säkularen Sünde werden. Das dürfen Ärzte nicht wollen, selbst wenn sich solche Machbarkeitsfantasien in Deutschland zähmen ließen. Wer den menschlichen Embryo bis zum 14. Lebenstag rechtlich einmal zur Disposition stellt, macht ihn zum Objekt der Begierde von Forschern. In den USA kann besichtigt werden, wie rasch Embryonen zum Rohstoff degradiert werden, um daraus „Monsterfrüchte“ (Peter Sloterdijk) im Dienste des therapeutischen Fortschritts zu züchten. Bevor wir über unser Menschenbild endgültig im Labor entscheiden, verzichten wir lieber auf die PID. Helfen könnte dabei eine altmodische Weisheit: Man muss viel wissen, um wenig zu tun. Aus: Die Zeit vom 2. März 2000 Schulbuch online für Deutsch Text 3: Prädikat wertvoll Wunschkinder aus dem Reagenzglas. Was darf die Forschung? Von Andreas Sentker Babys nach Maß, Organe aus der Retorte, Gentherapien, die das Erbgut von Generationen verändern – die Möglichkeiten eines Missbrauchs der Biomedizin sind erschreckend. Schon wächst der Druck auf werdende Mütter, das ungeborene Kind auf Erbschäden untersuchen zu lassen. Der Horrorvision einer genetisch perfektionierten und homogenisierten Gesellschaft stehen jedoch beachtliche Möglichkeiten gegenüber, individuelles Leid zu verhindern. Die Verheißungen der Wissenschaft spalten die Gesellschaft. Die einen fordern, bestehende Gesetze zu lockern, um deutschen Forschern und Ärzten den Anschluss an die internationale Entwicklung zu ermöglichen; andere wollen vorsorglich alles verbieten, was an den Kern des Lebens rührt. Was darf die Fortpflanzungsmedizin? Welche Grenzen darf sie nicht überschreiten? Darüber diskutieren diese Woche in Berlin auf Einladung des Bundesgesundheitsministeriums Mediziner, Philosophen, Theologen und Juristen. Es geht vor allem um drei Punkte: Erstens: Ist die genetische Auswahl im Reagenzglas gezeugter Embryonen – die so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) – erlaubt? Zweitens: Dürfen embryonale unreife Zellen – so genannte Stammzellen – zur Züchtung von Gewebe und Organen verwendet werden? Drittens: Ist bei Erbschäden eine Keimbahntherapie zulässig, ein genetischer Eingriff, der nicht nur den Embryo selbst, sondern auch seine Nachkommen betrifft? Obwohl diese Fragen angesichts der medizinischen Entwicklung dringend nach einer Antwort verlangen, steht dahin, ob sich die Experten in Berlin ihnen mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit zuwenden können. Denn der Streit um das neue Fortpflanzungsmedizingesetz ist prinzipieller Natur. Selbst die Befürworter eines solchen Gesetzes sind sich nicht einig. Soll es nur die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Forscher und Ärzte festlegen und für künftige Entwicklungen offen sein? Oder soll es Reproduktionsmedizin und Gentherapie umfassend regeln und konsequenterweise neben dem bisherigen Embryonenschutz auch den Abtreibungsparagrafen 218 integrieren? Bedarf es überhaupt eines neuen Gesetzes? Das deutsche Embryonenschutzgesetz gehört zu den strengsten der Welt. Und doch ist es ein typischer Kompromiss der föderalen Republik, mangels Gesetzgebungskompetenz des Bundes unvollständig und auf strafrechtliche Regelungen beschränkt. Denn als das Gesetz am 1. Januar 1991 in Kraft trat, war die Gesundheitsgesetzgebung in Deutschland noch Ländersache. Erst mit einer Änderung des Grundgesetzes wurde 1994 die Gesetzgebungskompetenz des Bundes in diesem Bereich vervollständigt. Endlich bestand die Möglichkeit, auf Bundesebene angemessen zu reagieren und eine breite gesellschaftliche Debatte zu beginnen. Und dann geschah – nichts. Zu heikel war den Politikern das Thema. Erst nach der Geburt des Klonschafes Dolly berief das Bundesjustizministerium eine Arbeitsgruppe, die den juristischen Handlungsbedarf prüfen sollte. Die Experten schlugen jedoch nur kosmetische Änderungen des alten Regelwerks vor. Dabei ist ein grundlegend überarbeitetes, in sich geschlossenes Gesetzeswerk dringend notwendig. Vor allem die Länder drängen auf eine rasche Lösung. Auch die Bundesärztekammer setzt die Regierung unter Druck. Sie legte im Februar einen Diskussionsentwurf zur PID vor und signalisierte damit, sie werde die Embryonenauslese – wenn die Politik nicht handele – standesrechtlich regeln. Wie schon vor 20 Jahren die Retortenbefruchtung. Im Kern geht es um die Frage, wie umfassend der Gesetzgeber regulierend in einen Bereich eingreifen darf, dessen Entwicklungen noch gar nicht abzusehen sind. Zwei Faktoren zwingen zu einem juristischen Balanceakt: die medizinisch-technische Entwicklung und der fast ebenso rasche Wertewandel in der Gesellschaft. Löste die Geburt von Louise Brown, dem ersten Retortenbaby, 1978 noch weltweites Entsetzen aus, so ist heute die künstliche Befruchtung weitgehend akzeptiert. Wer dem medizinischen Fortschritt keine allzu engen Fesseln anlegen will, muss ein gewisses Maß an Schulbuch online für Deutsch Rechtsunsicherheit hinnehmen. Unvermeidbar neu auftauchende Detailfragen kann der Gesetzgeber ohnehin nicht von vornherein regeln. Immerhin besteht jetzt endlich die Chance, die politischen Rahmenbedingungen zu definieren und so einem möglichen Missbrauch vorzubeugen. „Der Akzent verschiebt sich von der ethischen Problematik auf eine Frage der politischen Philosophie: Wie soll mit dem Problem menschlicher Embryonen in vitro politisch praktisch umgegangen werden?“, fragt der Münsteraner Philosoph Kurt Bayertz. Der Pragmatismus der Amerikaner kann kein Vorbild sein. Die US-Regierung hat die öffentliche Förderung der Embryonenforschung schlicht eingestellt, das Feld privaten Firmen überlassen und sich auf diese Weise um eine Entscheidung zwischen ökonomischem Interesse, medizinischem Nutzen und ethischem Verhalten gedrückt. Die deutsche Politik muss jetzt entscheiden, welchen rechtlichen Status der Embryo im Reagenzglas haben soll – und ob es tatsächlich berechtigte Interessen gibt, den bestehenden Schutz einzuschränken. Dringender noch als eine nationale Regelung ist eine internationale Übereinkunft als Antwort auf die globalisierte Forschung und den schon jetzt zu beobachtenden Reproduktionstourismus in europäische Nachbarländer. Der Europarat verabschiedete am 4. April 1997 das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin. Der völkerrechtlich verbindliche Vertrag trat am 1. Dezember 1999 in Kraft und wurde bisher von 28 der 41 Staaten des Europarats unterzeichnet. Deutschland ist nicht dabei. Dabei garantiert allein die Teilnahme der Deutschen, dass sie nicht nur unter sich diskutieren, sondern die ethischen Mindeststandards auch auf europäischer Ebene mitbestimmen. Anders als viele Kritiker der Konvention behaupten, wäre die Unterschrift der Regierung keine „ethische Bankrotterklärung“. Nichts hindert die Deutschen, ihre Paragrafen strenger zu formulieren. Ein Konsens dazu zeichnet sich ab. Leider ist das wünschenswerte umfassende Gesetz, das die medizinisch unterstützte Fortpflanzung, den Umgang mit dem Embryo im Labor, aber auch die Abtreibung regelt, nicht in Sicht. Gesundheitsministerin Fischer will den Paragrafen 218 nicht antasten. Immerhin ist die PID, glaubt man einem Gutachten der Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz, schon jetzt mit dem bestehenden Gesetz vereinbar. Die Bundesärztekammer hat mit ihrem Richtlinienentwurf einen sinnvollen Weg im Umgang mit der heiklen Embryonenauslese aufgezeigt: strikte Beschränkung auf schwerste Erbleiden. Im Umgang mit embryonalen Stammzellen ist dagegen Zurückhaltung angebracht. Es gilt, andere, bereits bestehende Möglichkeiten zu prüfen. Auch bei Verzicht auf diese Forschung an menschlichen Embryonen wird die medizinische Forschung in Deutschland den Anschluss nicht verlieren. Noch arbeiten die Wissenschaftler weltweit an Tiermodellen. Diese Experimente sind hierzulande erlaubt und – nebenbei bemerkt – im internationalen Vergleich sehr erfolgreich. Unerlaubt bleibt der genetische Eingriff am Menschen, der auch seine Nachkommen betrifft, die so genannte Keimbahntherapie. Der Berliner Genetiker Jens Reich bezeichnet die entsprechende Forschung schlicht als „abenteuerlich“ – und er hat Recht. Ohnehin erwarten selbst optimistische Visionäre einen Erfolg der Keimbahneingriffe frühestens in einigen Jahren. Dann darf man getrost über neue Gesetze nachdenken. Jetzt heißt es diesbezüglich: Verbieten! Aus: Die Zeit vom 25. Mai 2000 Schulbuch online für Deutsch Text 4: Wenn der Gencode entziffert ist: Kinder à la carte bestellen Von Christof Gaspari Jahrelange Bemühungen von Forschung und Wirtschaft stecken hinter diesem Erfolg, Unsummen von öffentlichen und privaten Geldern sind investiert worden. Mit dem Entschlüsseln allein ist es allerdings nicht getan. Jetzt kennt man zwar die Buchstaben der „Geheimschrift“, in der unsere Erbinformation codiert ist. Um den ganzen Text zu entziffern, bedarf es weiterer Anstrengungen. Aber auch dieser Schritt wird gelingen. Und eines Tages wird der Mensch die „Blaupause des Lebens“ in Händen halten. Geradezu Wunderbares erhofft man sich von diesem Durchbruch. Man werde Geißeln der Menschheit, bisher unheilbare Krankheiten wie Krebs, Aids oder Alzheimer bekämpfen können, vielleicht das Altern verhindern. Wer kann guten Gewissens gegen solche Wohltaten auftreten? Nur Ewiggestrige, Fortschrittsfeinde, Meckerer, die immer ein Haar in der Suppe finden. Ihretwegen werde man doch nicht die Zukunftstechnologie schlechthin einbremsen! Bei diesen Wohltaten wird es aber nicht bleiben, vielmehr wird alles, was möglich ist, auch umgesetzt werden. Vielleicht nicht im ersten Anlauf, aber mit der Zeit. Denn unsere Gesellschaft ist unfähig, wirksame Barrieren gegen das zu errichten, was zwar menschenunwürdig ist, sich aber als nützlich, wirtschaftlich einträglich oder unterhaltsam erweist. Wer das feststellt, outet sich nicht als unverbesserlicher Pessimist, sondern zieht nur die Lehren aus dem, was bisher geschah. Woran haben wir uns nicht alles gewöhnt, was als menschenunwürdig galt! Etwa dass man Kinder in der Retorte erzeugt: Längst wird das Verfahren nicht nur bei verzweifelten Ehepaaren angewandt. Mittlerweile gibt es im Internet Angebote für Samen- und Eispenden. Körperliche Vorzüge werden da ebenso in die Auslage gestellt wie Intelligenzquotienten. Man kann sogar Schwangerschaften in Auftrag geben. Auch können sich Frauen in ihren jungen Jahren ihre hochwertigen Eizellen entnehmen, sie künstlich befruchten und tieffrieren lassen, um sie erst in einer späteren Lebensphase zu „aktivieren“. So können auch Kinder zur Welt kommen, deren Väter längst gestorben sind. Sie werden so zu Spielbällen von Launen und Moden. Interessant ist der Fall von Billy aus Los Angeles: Als er zur Welt kam, war sein Zwillingsbruder schon sieben Jahre alt. Billy war ohne Wissen der E1tern von den Ärzten als Reserve für den Bruder „erzeugt“ und auf Eis gelegt worden. Weil man in der Reproduktionsklinik keine Verwendung mehr für das tiefgefrorene Kind hatte, bot man ihn der 44-jährigen an und sie trug ihn – Gott sei Dank – aus. Je mehr technisch möglich wird, umso mehr wird man das Produkt „Kind“ gezielt gestalten. Schon jetzt gibt es Verfahren, die es gestatten, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Geschlecht des Kindes vorher zu bestimmen. Ein US-Unternehmen in Virginia lockt mit einer Erfolgsquote von 90 Prozent dank ihres Spermiensortierers. Im Freiburger Max-Planck-Institut für Immunbiologie wurden Mäuse genetisch so verändert, dass sie doppelt so viele Männchen wie Weibchen zeugen. „Für die Zukunft halte ich auch eine 100-prozentige Auswahl für möglich“, beurteilte Bernhard Hermann, der Leiter des Forscherteams, das Potenzial seiner Entdeckung, will das Verfahren aber nur in der Tierzucht angewendet wissen. Allerdings: Was bei Säugetieren funktioniert, wurde bisher stets beim Menschen angewendet. Das Erbgut testen Ist einmal das Erbgut des Menschen entschlüsselt, wird man früher oder später künstlich gezeugte Kinder routinemäßig auch auf Defekte untersuchen. Und sobald man das technisch halbwegs beherrscht, wird man den Eltern nahe legen, aus Verantwortung für ihre Nachkommenschaft solche Tests durchführen zu lassen. Die explodierenden Kosten der Gesundheitssysteme werden das Ihre an Überzeugungsarbeit in dieser Frage leisten. Ideologisch ist der Boden für eine solche Entwicklung längst aufbereitet. Im Zeitalter der Empfängnisverhütung sind eigentlich nur noch Wunschkinder vertretbar. Beim derzeitigen Stand der Technik bedeutet Wunschkind vor allem, dass man den Zeitpunkt der Zeugung steuert. Aber das Wunschkonzept lässt sich problemlos auf andere Merkmale ausweiten. Der deutsche Philosoph Dieter Schulbuch online für Deutsch Birnbacher sagt es trocken: „Entscheidungsmöglichkeiten über die qualitativen Merkmale der Kinder“ seien auch „Entscheidungsmöglichkeiten über einen wesentlichen Teil des eigenen Lebens“. Auch die deutsche Bundesärztekammer plädierte im Februar in einem Papier für die Präimplantationsdiagnostik, mit der man Erbkrankheiten erkennen kann. Selbstverständlich wurde die Forderung eingeschränkt auf Fälle, in denen ein „hohes Risiko für eine bekannte und schwerwiegende, genetisch bedingte Erkrankung besteht“. Man kann sich vorstellen, wie rasch eine solche Einschränkung fallen würde in einer Gesellschaft, die heute schon einen solchen Horror vor Behinderung hat, dass sie die Abtreibung behinderter Kinder bis zur Geburt zulässt und Ärzte zu Schadenersatz verurteilt, wenn sie bei vorgeburtlichen Untersuchungen solche Behinderungen übersehen. Bleibt also nichts anderes, als zu klagen und brav mitzutrotten in das Zeitalter des perfektionierten (Un-)Menschen? Es geht darum, geduldig und nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass es der Würde des Menschen widerspricht, ihn zum Gegenstand von Nützlichkeitsüberlegungen zu machen – in welcher Lebensphase er sich auch immer befinden mag, ob er als befruchtete Eizelle am ersten Tag seiner Existenz oder ob er im Koma lebt. Eine Gesellschaft, die den Menschen zum Gegenstand herabwürdigt, indem sie ihn nach Gutdünken herstellt, abtötet, patentiert oder wie jetzt im „Kunstwerk“ des Herrn Schlingensief im Container vor der Oper versteigern lässt, kann nicht überleben, auch wenn sie in Information, Unterhaltung und Geld schwimmt. Der Mensch lebt eben nicht allein vom Brot, von dem, was ihm nützlich erscheint. Das wurde uns vor 2000 Jahren offenbart, damit wir unsere Menschenwürde bewahren. Aus: Die Furche vom 8. Juni 2000 Schulbuch online für Deutsch Text 5: Die rechtlichen Grundlagen der medizinisch unterstützten Fortpflanzung. Eder-Rieder, Maria A. (...) Ein Verbot von Mietmüttern ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem Gesetz (FN 15), ist aber de facto gegeben. Dies folgt aus den oben umschriebenen Voraussetzungen der in aufrechter Ehe oder Lebensgemeinschaft an eigenen Eizellen als letztem Ausweg vorgenommenen Sterilitätsbehandlung. Weiters aus der zivilrechtlichen Konsequenz, wonach die Leihmutter die Mutter des von ihr geborenen Kindes ist (§ 137b ABGB) und der Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit von Leihmutterverträgen (§ 879 Abs 2 Z la ABGB) (FN 16). Dazu kommt die Strafbarkeit der Vermittlung von Ersatzmüttern (§ 21 Z 3 iVm § 22 Abs 1 Z 4 FMedG). Die Mietmutter selbst ist jedoch nicht strafbar. (...) Aufbewahrung, Verwendung, Untersuchung und Behandlung von Gameten und Embryonen: a) Aufbewahrung nach § 17 FMedG Samen und Eizellen, die für eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung verwendet werden sollen, sowie entwicklungsfähige Zellen dürfen tiefgefroren und höchstens ein Jahr aufbewahrt werden (§ 17 Abs 1 FMedG). Sie dürfen weder an die Personen, von denen sie stammen, noch an andere Personen oder Einrichtungen weitergegeben werden (§ 17 Abs 2 FMedG). Nach diesem Jahr erfolgt die Vernichtung (FN 38), da die Forschung an diesen Gameten verboten (§ 9 FMedG) ist. Das Tieffrieren von Samen (Eizellen und Embryonen) ist nur im zugelassenen Krankenhaus möglich (§ 11 Abs 1, § 17 Abs 1 und Abs 2). b) Forschungsverbot Die Abwägung zwischen Lebensschutz des Embryos und Freiheit der medizinischen Forschung wurde in § 9 FMedG zugunsten des Lebensschutzes geregelt. Damit ist die gezielte Produktion von überzähligen Embryonen verboten. Das Tieffrieren von Gameten und Embryonen (FN 39) ist erlaubt. § 9 FMedG normiert das Verbot, extrakorporale Embryonen bzw Gameten für andere Zwecke als einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung, also etwa für medizinische Experimente, zu verwenden. Als Argument wird der „Schutz der menschlichen Würde des Embryos“ angeführt. Forschungen an entwicklungsfähigen Zellen sind verboten (FN 40). Dieses Verbot betrifft das Kultivieren von Embryonen im Glas über 14 Tage hinaus, die künstliche Mehrlingsbildung (Klonierung), Vereinigung mehrer Embryonen oder von Teilen von Embryonen (Chimärenbildung) oder Erzeugung von Mischwesen aus Mensch und Tier (Interspezieshybridisierung) und Züchtungen von Menschen mit bestimmten Eigenschaften (Geschlechterwahl) (FN 41), aber auch den umstrittenen Bereich der „hochrangigen medizinischen Forschung“ zur Gesundung des Embryos (§ 9 Abs 1 FMedG) (FN 42) und spricht auch die Ausschaltung von Erbkrankheiten durch die „Gentherapie“ bzw. die „Keimbahntherapie“ an (§ 9 Abs 2 FMedG). Ein Eingriff zum Nutzen des Embryos („Heilversuch“) könnte – wie Methodenverbesserungen – m. E. zwar erlaubt werden, nicht jedoch ein Eingriff im Interesse Dritter (FN 43). Die Klonierung eines Menschen, d. h. die Schaffung identer Individuen durch ungeschlechtliche Vermehrung, sei es durch Teilung von Embryonenzellen oder Verpflanzung des Zellkerns nach der Methode des Schafes „Dolly“, wonach das Gen-Material aus ausgereiften Zellen mit einer unbefruchteten entkernten Eizelle verschmolzen wird und die entstandenen Embryonen dem Muttertier eingepflanzt werden (FN 44), ist unzulässig. Aus diesem Grund wäre auch das Vorhaben des US-Wissenschafters Seed – das Klonen von Menschen mittels Zellkernverpflanzung – in Österreich nach § 9 Abs 2 FMedG verboten. Die Meldung über diese Vorhaben hat global zu Protesten (FN 45) und in Europa zum 1. Zusatzprotokoll zur Europaratskonvention über Biomedizin (1996) geführt (FN 46) und soll auch in den USA durch den US-Kongress verboten werden. Schulbuch online für Deutsch Da das Grundrecht auf Leben nach Art 2 EMRK das keimende Leben nicht umfasst, ist das Absterbenlassen von überzähligen Embryonen unbedenklich. Der Schutz des Embryos nach § 9 Abs 2 FMedG vor Genmanipulationen (in Keimzellbahnen) ist wegen der anderen Intention sachlich gerechtfertigt (FMedG), bleibt aber bei – hochrangigen medizinischen Forschungen – strittig (FN 47). Wird dem Verbot widersprochen, so ist dies nach § 22 Abs 1 Z 3 FMedG strafbar. Aus: JAP 1998/99. S. 165 Text 6: Genetisch ausgewählter Bub In Frankreich ist zum ersten Mal ein genetisch ausgewähltes Kind geboren worden. Der Bub namens Valentin kam sechs Wochen zu früh zur Welt und ist wohlauf, wie die Ärzte am Mittwoch mitteilten. Erstmals in Frankreich wurde dabei die so genannte Präimplantations-diagnose (PID) angewandt. Bei diesem Verfahren wird der künstlich befruchtete Embryo vor der Einpflanzung in den Mutterleib durch Zellentnahme auf Erbkrankheiten hin untersucht. Da bei der künstlichen Befruchtung in der Regel mehrere Embryonen entstehen, ist es zumeist möglich einen Embryo ohne Krankheitsmerkmale auszuwählen. Ein Elternteil Valentins ist Träger einer vererbbaren, unheilbaren Leberkrankheit (AFP). Aus: Der Standard vom 16. November 2000 Schulbuch online für Deutsch Weitere Vorschläge für den Unterricht Vorschläge zum Schreiben 1) Das Buch endet offen. Welche Möglichkeiten der Fortsetzung können Sie sich vorstellen? Sammeln Sie Einfälle in Form eines Clusters oder Mind-Mappings. Wählen Sie eine Möglichkeit aus und schreiben Sie einen ausführlichen Schluss. Vielleicht können Sie auch die verschiedenen Textebenen aus dem Buch fortsetzen. 2) Karl schreibt Franziska einen Brief – einen Abschiedsbrief? 3) Schreiben Sie drei Einträge in Sarahs Tagebuch, in denen sie Veränderungen an Karl feststellt. Wählen Sie geeignete Zeitpunkte in der Handlung: z. B. als er feststellt, dass er ein IVF-Kind ist, als sie den Urlaub in Griechenland verbringen, als er verschwindet ... 4) Schreiben Sie einen inneren Monolog Franziskas: Sie hat gerade die Nachricht erhalten, dass Karl verschwunden ist. Sie könnten so beginnen : „Mein Gott, ich bin daran sicher auch schuld ...“ 5) Anna schreibt Karl einen Brief, in dem sie ihm ihre Situation erklärt. 6) Analysieren und beurteilen Sie die Rezensionen des Buches. Welchen Punkten können Sie zustimmen? Welche lehnen Sie ab? 7) Schreiben Sie eine Rezension des Buches für eine Jugendzeitung. 8) Erstellen Sie ein Psychogramm Karls, indem Sie Aussprüche über ihn, die seine „Kälte“ manifestieren, von ihm selbst und den anderen Personen im Buch sammeln. Vorschläge zum darstellenden Spiel 1. Spielen Sie eine Podiumsdiskussion. Auf der Bühne sitzen als Befürworter der Produktionsmedizin Professor Wald, als Gegner Dagmar Bruhns von Anti-Gen und Franziska Dehmel und als Betroffener Karl Meiberg. Teilen Sie sich in zwei Gruppen nach PRO und CONTRA und diskutieren Sie mit den „Fachleuten“. Zur Bewältigung dieser Aufgabe ist es notwendig, vorher sehr genau informiert zu sein; z. B. durch das Heft GEO Wissen (März 1998) oder die als Zusatzmaterialien angebotenen Zeitungsartikel. 2. Die Personen des Buches stellen sich vor. Projektvorschläge 1) Fächerübergreifend mit Biologie und Umweltkunde: „Chancen und Gefahren der Fortpflanzungsmedizin“ 2) Fächerübergreifend mit BE: Zeichnen Sie Herbeck und den Fluss. Zeichnen Sie die künstliche Gebärmutter, halten Sie sich dabei genau an die Informationen im Text. Entwerfen Sie ein neues Cover 3) Fächerübergreifend mit Religion und Philosophie: „Die ethische Seite der Fortpflanzungsmedizin“ 4) Fächerübergreifend mit Geschichte: Lebensborn Schulbuch online für Deutsch Themenbereiche in Aktion Sprache und Stichwort Literatur Aktion Sprache 1: S. 5ff. Clustering und Mindmapping S. 67ff.: Diskussion S. 87ff: Grundlagen für Rezension S. 97ff.: Erzählformen S. 103ff.: Gestaltung von Personen S. 105fd. Gestaltung von Orten S. 135ff.: Analyse nichtdichterischer Texte Aktion Sprache 2: S. 109ff.: Charaktere Aktion Sprache 3/4: S. 69ff.: Darbietungsformen des Erzählens S. 109ff.: Literaturkritik S. 151 ff.: Innerer Monolog Schulbuch online für Deutsch Rezensionen zum Text Rezension 1: Carsten Martin: Kinder ohne Wurzeln (...) Unter einem eigenen Blickwinkel hat sich die Jugendbuchautorin und Journalistin Charlotte Kerner in ihrem neuen Roman Geboren 1999 mit den Konsequenzen der Reproduktionsmedizin auseinandergesetzt. Der Titel des Buches verrät schon, dass es sich hier um eine Zukunftsgeschichte handelt. Die Romanhandlung spielt im Jahre 2016 in einer Provinzgroßstadt irgendwo in der Bundesrepublik. Die Hauptperson des Buches ist der siebzehnjährige Karl Meiberg. Karl, Jahrgang 1999, wurde als Baby adoptiert. Das wurde nie verschwiegen. Nichtsdestoweniger verspürt er immer stärker das existenzielle Bedürfnis zu erfahren, wer seine leiblichen Eltern sind, weshalb sie ihn weggegeben haben. Von seinen Eltern, die bei der Adoption unterschreiben mussten, dass die genetische Herkunft Karls anonym zu bleiben hat, kann er darüber nichts erfahren. So macht er sich auf eigene Faust auf die Suche. Da ihm jedoch auch im „Bürgerzentrum“ der Stadt unter Hinweis auf eine Sonderregelung keine Auskunft erteilt wird, bittet er die Mutter eines Mitschülers, die Journalistin Franziska Dehmel, um Unterstützung. Die gemeinsamen Nachforschungen führen bald zu der Gewissheit: Karl ist ein IVF-Kind, gezeugt aus der Eizelle einer Frau und dem Samen eines Mannes, die sich nie im Leben begegneten, ja, nicht einmal voneinander wussten. Karl ist innerlich vollkommen verstört, hat das Gefühl sich aufzulösen, bildet sich schließlich sogar ein, dass es ihn geklont womöglich mehrmals gebe. In seiner Verzweiflung klammert er sich an die Hoffnung, zumindest seine Leihmutter ausfindig zu machen, Als Karl sie schließlich gefunden hat, verschwindet er spurlos, schickt der Journalistin jedoch zuvor sein Tagebuch. Diese beschließt Karls Schicksal für eine Wochenzeitung aufzuschreiben, in der Hoffnung, ein Lebenszeichen von ihm zu erhalten. Bruchstückhaft, wie ein Puzzle lässt Charlotte Kerner die Geschichte von Karl sich aus der Erzählperspektive der am Schreibtisch arbeitenden Journalistin entwickeln. Dass der Roman dabei immer noch ein Jugendbuch bleibt, dafür sorgen vor allem die zahlreich „zitierten“ Tagebuchaufzeichnungen Karls. Charlotte Kerner ist es gut gelungen, sich in die Gefühlswelt eines Siebzehnjährigen, obendrein eines Adoptivkindes auf der Suche nach seinen Wurzeln, einzufühlen. Auch insgesamt ist Geboren 1999 alles andere als eine utopische Gruselgeschichte, sondern ein durchaus glaubhaftes Szenario einer möglichen Zukunft. In Charlotte Kerners Roman hat sich die Leihmutterschaft zu einem allmählich anerkannten Geschäft der IVF-Spezialisten mit dem Handelsgut Kind gemausert. Eier- und Samenbanken werden von vielen Kommunen unterhalten und sind gut ausgelastet, da viele Menschen mittlerweile durch Umweltgifte verursachte Unfruchtbarkeit oder Erbgutschäden befürchten; IVF ist längst millionenfach geübte Praxis. Als Konsequenz dieser Entwicklung sieht die Autorin schließlich die Konstruktion einer künstlichen Gebärmutter, womit der alte (Alp-)Traum vom Homunculus, dem „Retorten-Baby“, verwirklicht wird. Auch wenn diese beklemmende Vorstellung bislang Zukunftsmusik ist und hoffentlich bleiben wird, wäre es doch blauäugig anzunehmen, dass Forscherteams – mit sicherlich durchaus philanthropischem Selbstverständnis – nicht schon an ihrer Verwirklichung sind: Es wäre doch gelacht, so könnte man zynisch deren Denkweise auf den Punkt bringen, wenn sich die Mutter-Kind-Beziehung während der Schwangerschaft nicht in komplizierte biochemische Formeln pressen lässt. Auf der Strecke dabei würden einzelne Menschen bleiben: Kinder ohne wirkliche Wurzeln, und Frauen, denen eines Tages einmal die Frage gestellt werden könnte, ob es denn nicht etwas verantwortungslos sei, ihr Kind auf die überkommene, „unsichere“ Weise zu bekommen. Es ist zu hoffen, dass Charlotte Kerners Roman, der im übrigen auch ein kleines, gut lesbares Glossar, in dem die wichtigsten Fachausdrücke erklärt werden, enthält, die Aufmerksamkeit bekommt, die er verdient. Aus: Bulletin Jugend + Literatur 1/1990. S. 25 Schulbuch online für Deutsch Rezension 2: Ein Leben aus der Retorte Charlotte Kerners düstere Visionen zwischenmenschlicher Beziehungen (...) Das Buch ist zwar nicht übermäßig brillant geschrieben, doch kann man es nur schwer aus der Hand legen, weil es so viele Kenntnisse in unterhaltsamer Verpackung enthält. Karls Angst vor geklonten Brüdern, die Akten über seine „genetischen Eltern“ – der Vater hatte den Samen gespendet, um sich mit dem Erlös ein Medizinstudium leisten zu können, die Mutter, weil sie ihre Eizellen Forschungszwecken zur Verfügung stellen wollte – und schließlich die Begegnung mit der Maschine, die diese Frucht ausgetragen hat, entwerfen ein schlimmes, aber auch wieder nicht unvorstellbares Bild von der Zukunft. (...) Aus: Der Tagesspiegel vom 5. November 1989 Weitere Tipps und Literaturhinweise Tipps zum Weiterlesen, CDs, Verfilmungen … Kerner, Charlotte: Blueprint. Weinheim: Beltz & Gelberg 2001. Orwell, George: 1984 Huxley, Aldous: Schöne, neue Welt Ziegler, Reinhold: Version 5 Punkt 12 Shelley, Mary: Frankenstein Verfilmung von Geboren 1999, Regie: Kai Wessel. (Videokassette zu bestellen bei Südwestfunk Baden-Baden / SWF-Media, D-76522 Baden-Baden) Sekundärliteratur Lange, Günter: Erwachsen werden. Jugendliterarische Adoleszenzromane im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag 2000. S. 94-133. GEO Wissen, März 1998.