Intervention B, Teil B

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Webb (1989): Peerinteraction und Lernen in kleinen Gruppen
1. Einleitung
In diesem Artikel werden verschiedene Studien zum Lernen in Peer-Groups
zusammengefasst. Arten der Peerinteraktion, die für das Lernen in kleinen Gruppen als
relevant eingeschätzt werden, werden diskutiert und Eigenschaften von Studenten,
Gruppen und Aufgaben, die zu bestimmten Interaktionsmustern führen, werden
herausgestellt. Allen Gruppen hier gemeinsam:
- kleine studentische LG mit Lern- oder Problemlöseaufgabe
- wird von allen erwartet, dass sie die Aufg. bewältigen können (anschließender
individueller Test angekündigt) und sich gegenseitig beim Lernen helfen
- es gibt keine Rollenverteilung, alle erhalten bzgl. der Aufgabe die gleichen
Informationen
2. Einfluss von Interaktionen in peergroups auf den Lernerfolg
2.1 Interaktionsmuster
Entscheidende Merkmale der Interaktion:
 Verarb.tiefe (Elaboration) der gegebenen und empfangenen Hilfestellung
 Angemessenheit der Antwort hinsichtlich der Frage
Modell aus Hypothesen und emp. Ergebnissen abgeleitet: welches Verhalten in
der Kleingruppe zu welchen Ergebnissen bzw. zu einer elaborierten Verarb.
führt. 3 Ausgangsbedingungen:
1. Zeigen substantieller Schwierigkeiten im Problemlösen – einen Fehler machen
oder nach Lösung des Problems fragen
2. Fragen nach einer bestimmten Info (weniger als Erklärung)
3. keine Anzeichen für Schwierigkeiten geben – keine Fehler machen und keine
Fragen stellen
 für Schüler, die subst. Schwierigkeiten zeigen, können nur hoch-elaborierte Antworten
(beschreiben im Detail Lösungsvorgang) zum erfolgreichen Problemlösen führen
 für Schüler, die nach bestimmter Info fragen, kann wenig elaborierte Antwort zum
Problemlösen führen
 seine eigenen Fragen zu beantworten oder Fehler zu korrigieren, führt zu korrektem
Problemlösen
 Schüler stellen nicht immer Fragen zur Aufgabe oder machen Fehler; manche, die das
Material gelernt haben, geben ihren Partnern hohe Elaborationen, manche nicht. Hohe El.
aber  bessere Leistungen
1
2.1
Beschreibung empirischer Studien
Belege für das Modell aus 19 Experimenten, hauptsächlich zum Thema Mathematik und
Informatik. Typische Studie: Lehrer gibt ganzer Klasse Einführung in Thema, dann
Kleingruppenarbeit für zwei Wochen, anschließend individueller Leistungstest; Instruktion
der Schüler, sich gegenseitig zu helfen und Info über indiv. Test. Audio+VideoAufzeichnung der LG; Vergleich der Häufigkeiten bestimmter Interaktionen mit
Leistungstest, Herauspartialisieren der Fähigkeiten
2.2
Wann wird Hilfe als effektiv empfunden?
- Hilfe muss benötigt werden
- muss relevant für Un-/Fehlwissen sein
- Level der Elaboration der Hilfe sollte den Hilfeanforderungen entsprechen
- zeitliche Nähe zwischen Frage und Antwort
- wenn Erklärung verstanden wird
- Mögl. der Anwendung der Erklärung muss gegeben sein
- Mögl. der Anwendung muss auch genutzt werden ( hilft beim Internalisieren)
Im Prinzip bieten kleine LG gute Voraussetzungen dafür, ähnlicher Level, arbeitet am
gleichen Problem, kann sich meist gut in die Problemlöseprozesse der anderen
hineindenken (oft besser als ein Lehrer). Problematisch: Mögli. des eigenständigen
Problemlösens wird durch ständiges Unterbrechen/ Erklären unterbunden
2.3



Bei den meisten war Webb oder Peterson dabei. Partialkorrelationen zw. empfangener
Hilfe und Leistung, Ergebnisse insgesamt ziemlich heterogen:
Erklärungen (high-level-Elaborationen) sind manchmal nützlich, low-level Elaborationen
(konkrete Info) haben gemischte oder gar keine Effekte, und die korrekte Antwort
wirkt sich fast immer negativ aus.
Kritisch: Ausgangssituation der Fragenden wurde nicht beachtet  Ergebnisse nicht
eindeutig interpretierbar, da nicht bekannt, inwiefern die Hilfestellungen den
Bedürfnissen entsprachen!
2.4



Der Elaborationsgrad erhaltener Hilfestellung: empirische Befunde
Hilfeanfragen
Andere Studien haben aber separat untersucht, ob der Elaboriertheitsgrad der
erhaltenen Hilfe mit dem „angeforderten“ Level übereinstimmt.
Allgemeine Tendenz: Liegt das Niveau der erhaltenen Hilfe unter dem angeforderten
Level, bringt das keine Lernvorteile; aber auch wenn beide Level übereinstimmen, ist
das kein Garant für Lernerfolg. Also: Effektivität der Elaboration der Antwort hängt von
der Art der Fragestellung ab.
Problem wieder: andere Faktoren der (Ausgangs)Situation des Fragenden nicht
betrachtet (versteht er es, kann er’s anwenden...)
2.5
Selbst-Hilfestellung
Kaum untersucht: sich selbst Fragen beantworten oder eigene Fehler korrigieren. Webb
fand heraus, dass dies ausnahmslos zu korrektem Problemlösen führte. Durch
vorliegendes schriftl. Material, oder ganz ohne fremdes Material. Im letzten Fall: Frage, ob
dann tatsächlich Schwierigkeiten vorlagen oder nur lautes Denken und Flüchtigkeitsfehler.
2
2.6



Elaboriertheit des Hilfe-Gebens
Mehrere Studien zeigten: Das Geben von elaborierten Erklärungen führt zu höheren
LE; low-level-Hilfe dagegen nicht. Begründung: Beim Prozess des Erklärens muss der
Erklärende sich über sein Wissen klar werden, es organisieren und evtl.
umstrukturieren; dabei kann er Lücken entdecken und diese durch neue Info zu
schließen versuchen  lernt dabei mehr
Außerdem: versteht es der Fragende nicht gleich, muss der Erklärende neue Wege
finden, es zu erklären: andere symbolische Repräsentationen, Beispiele,
Formulierungen
Allerdings konfundiert: Fähigkeiten korrelieren mit Leistung und ebenso damit,
elaborierte Erklärungen zu geben.  Forschungsfrage: profitieren schwächere Schüler
auch vom Erklären?
2.8
Lernen ohne Fragen und Fehlermachen
Was ist los, wenn jemand nix fragt und keine Fehler macht? Er kann trotzdem von der
Gruppe lernen, wenn
- die anderen ihre Arbeit deutlich und korrekt darstellen
- er das auch versteht
- wenn er und die Gruppe relativ zeitgleich die Aufgabe bearbeiten
- wenn er das Material noch nicht beherrscht
 Lernen voneinander durch: Internalisieren der Problemlösestrategien anderer oder des
Lernmaterials, Inkonsistenzen bei den Arbeiten der anderen entdecken und nach Info
suchen, diese aufzulösen; auf den Ideen der anderen aufbauen (z.B. Palincsar&Brown)
Zusammen-führen verschiedener Informationen von Einzelpersonen (Strategien, Ideen,
...)
Warum fragen aber manche nicht, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind und
sie nichts verstehen? Mögliche Gründe:
- sie merken nicht, dass sie es nicht verstehen
- Angst, inkompetent zu sein oder blöde Fragen zu stellen (evtl. schlechte
Erfahrungen, z.B. k.Anw.)
- sie glauben, dass niemand in der Gruppe kompetent genug ist
- fehlende Motivation
- andere Arbeitsgewohnheit („Einzelkämpfer“)
3 Faktoren, die das Schülerverhalten beeinflussen
Im obigen Modell gibt’s viele Verzweigungsstellen; wie sich ein Student dort verhält, kann
von seinen Eigenschaften & Erfahrungen eingeschätzt werden bzgl.
- persönliche Eigenschaften (Fähigkeit, Geschlecht, Herkunft...)
- Gruppenzusammensetzung
- Aufgabenstruktur
- bisheriges Verhalten
Im folgenden werden einige Variablen und deren Abschätzungsmöglichkeit vorgestellt.
3.1
Antworten auf Fragen und Fehler
Faktoren, die die Elaboriertheit von Antworten, die ein Teilnehmer erhält, beeinflussen:
- Fähigkeit und Persönlichkeit der Fragenden
- Gruppenzusammensetzung (auch bzgl. Geschlecht)
- Art der Frage
3
die Wirkung persönlicher Fähigkeit und Gruppenzusammensetzung müssen gemeinsam
betrachtet werden (Webb): z.B. mittelmäßige Studenten erhalten in homogenen oder
schwach heterogenen Gruppen (bzgl. der Fähigkeit) viel eher elaborierte Antworten als in
stark heterogenen Gruppen (da eher Lehrer-Schüler-artig)
weitere Faktoren:
- extrovertierte Vpn bekommen eher hochelaborierte Antworten als
introvertierte, die häufiger überhört werden (Webb)
- Frauen geben eher elaborierte Antworten als Männer (Webb)
- direkte o. spezifische Fragen erhalten eher elaborierte Antworten als allgemeine o.
indirekte (Webb)
- Auffassung der Gruppe über den Lokus of Controll des Fragegenden (fehlende
Anstrengung)
- Gruppengröße: größer  individ. Verantwortung wird kleiner, damit auch
Bereitschaft zu helfen
- Belohnungssystem: individuell-kompetitive Belohnung sind schlecht für
Hilfsbereitschaft und Qualität der Antworten, da jeder mehr auf seinen Vorteil
bedacht ist; Gruppenbelohnungen haben positiven Einfluss.
3.2
Sich selbst antworten und korrigieren
noch untersucht, welche Schüler wann dazu neigen. Hypothesen: eher fähig, motiviert,
nehmen vielleicht an, dass die anderen ihnen nicht helfen können oder wollen, evtl.
schlechte Erfahrungen
3.3
Wer gibt eher elaborierte Erklärungen?
Faktoren, die die Elaboriertheit von Antworten, die ein Teilnehmer gibt, beeinflussen, sind:
- Fähigkeit (sign.)
- Geschlecht
- Zusammensetzung der Gruppe bzgl. Fähigkeiten: Schüler in homogenen Gruppen
oder Gruppen Heterogenität in einem engeren Bereich geben häufiger Erklärungen
- geschlechtliche Zusammensetzung der Gruppe: bei Gleichverteilung gab´s weniger
Erklärungen als bei 3:1-Verhältnis; Erklärungen wurden von beiden Geschlechtern
meistens an die Männer gerichtet
4. Fazit
Das vorgestellte Modell veranschaulicht, dass Lernleistung und Performanz von
Teilnehmern in LG stark von der Sequenz ihrer Erfahrungen in der Gruppe abhängt;
des weiteren wurden Faktoren vorgestellt, die das Verhalten von Studenten in LG
vorhersagen können (individuelle Charakteristik, Gruppenzusammen-setzung, Aufgabenund Belohnungsstruktur). Nur z.T. belegt.
Es gibt einen Zsh. zwischen Elaboriertheit der Interaktionen und Lernerfolg:
 das Geben hochelaborierter Erklärungen korreliert positiv mit LE
 das Erhalten dieser als Antwort auf Anfragen oder Fehler weist keine konsistente
Beziehung zu LE auf.
 das Erhalten von Antworten mit niedrigerer Elaboration als angefragt hängt negativ mit
dem LE zusammen
4
Allein der Grad der Elaboriertheit der Interaktionen innerhalb der LG kann jedoch nicht die
Erfahrungen der einzelnen Schüler nachvollziehen, die zu erhöhtem Verständnis oder
besserer Leistung führen.
 Ob eine Antwort für einen Schüler effektiv ist, hängt ab:
1. davon, was der Schüler gerade wirklich braucht (kann von der Frage abweichen)
2. ob die Antwort diesem Bedürfnis angemessen ist (relevant, korrekt, vollständig)
3. ob der Schüler die Antwort verstehen kann
4. ob der Schüler die Antwort internalisieren kann und dies auch tut
 Was zeichnet effektive Antworten allgemein aus?
 an vorhandenes Wissen der Schüler anknüpfen, mehrere Repräsentationen benutzen,
um Sachverhalt zu erklären; Beispiele machen, bekanntes Vokabular benutzen.
 Wichtig: Entwicklung der Gruppe, wenn sie über längere Zeit zusammenarbeitet; man
lernt sich kennen, lernt zusammenzuarbeiten; Rollen und Verhalten verändern sich
möglicherweise.
Fest steht: der Lernerfolg eines Schülers kann nicht isoliert vom Gruppenkontext und sein
Verhalten nicht isoliert von den Sequenzen der Interaktionen in der Gruppe betrachtet
werden; und: viele der hier festgestellten Implikationen gelten auch in anderen
pädagogischen Kontexten als kleine Lerngruppen.
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