75885166 Inhalt 1 Die Begriffe Hilflosigkeit und Ohnmacht 2 2 Lösungsansatz für Ohnmacht 3 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.3 2.3.1 2.4 2.4.1 2.4.2 Haltung Konsequenz I Systemdynamik Konsequenz II Systemstruktur Konsequenz III Was kann das Individuum ändern? Der basale persönliche Veränderungsimpuls Inkompatibilitätsdruck zwischen Individuum und Umwelt 2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.3 2.4.4 2.4.4.1 2.4.4.2 2.4.5 2.4.5.1 2.4.5.2 2.4.5.3 2.4.6 2.4.6.1 2.4.6.2 2.4.7 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 3 3.1 3.2 1-50 3 4 4 7 8 9 10 11 11 Das Wesentliche ist die Offenheit des Systems Die Gefahr in der Strategie von Viktor Frankl Die biophile Strategie 12 13 14 Zu erwartender Beschädigungsumfang und Verfügbarkeit adäquater exogener Ressourcen Man kann andere nicht nicht ändern! 14 15 Konsequenz IV für die Handlungsebene: Die richtige Antwort Konsequenz V des Nichtbeantwortens: Das Böse Selbstdefinition ist unmöglich 16 17 19 Definition ist immer Fremddefinition 19 Die Definitionshoheit der Umwelt 20 Das Handeln (und Nichthandeln) der Umwelt ist das Bestimmende 21 Falsifikation durch Selbstreflektion und Selbstorganisation Selbstreflektion und Selbstorganisation sind selbstreferenziell Das Intersubjektive ist fremdreferenziell Der beziehungsoffene Mensch kann in einer psychopatischen Umwelt nicht leben Lösungsansätze Temporäre Kompensation einer sozial toxischen Umwelt Ersatz der sozial toxischen Umwelt Resultat Anhang 21 22 22 23 24 24 25 25 26 Arthur Janov (1975, Primal Man. The New Consciousness, Deutsche Übersetzung 1977 bei Fischer, S. 306), Kapitel: Über Moral 26 Aspekte des Hemisphärenmodells 32 14.05.2016 75885166 1 Die Begriffe Hilflosigkeit und Ohnmacht Wenn ein potentieller Helfer in einer gegebenen Situation Hilflosigkeit (Hilf-Losigkeit, ohne Hilfe) erlebt, dann ist das bestenfalls die Situation (Realität erster Ordnung) desjenigen, dem geholfen werden soll. Das hat also direkt nichts mit dem potentiellen Helfer zu tun, und ist somit nur als empathische Spiegelung der situativen Gegebenheiten des Anderen angemessen.1 Hilflosigkeit ist eine per se soziale Qualität, da sie die reale existentielle Überlastung eines sozialen Wesens ausdrückt, dessen System damit logischerweise Hilfe aus dem Umgebungssystem benötigt und konsequent erwartet. Wer in einer real hilflosen Situation hingegen Ohnmacht empfindet, ist folglich asozial. Auf sich selbst bezogen kann der potentielle Helfer in dieser Situation Ohnmacht (Ohn-Macht, synonym Macht-Losigkeit) erleben, denn er benötigt keine Hilfe, kann sich aber für seine Situation nicht ausreichend mit Macht versehen erleben, was in den allermeisten Fällen ebenso irreal und irrational ist. Ohnmacht ist keine soziale Qualität, da sie für sich alleine stehen kann, und sie ist nicht existenziell, da sie die endogenen und exogenen Ressourcen des (sozialen!) Individuums nicht in der Art überlastet, dass es, um zu überleben, zusätzlich Unterstützung von seinem Umgebungssystem benötigt. Wer in einer real ohnmächtigen Situation Hilflosigkeit erlebt, sieht nicht genau genug hin, was Angst zur Folge hat, was dem Bewusstsein suggeriert, dass es Hilfe benötigen würde. Warum jemand nicht genau genug hinsieht, kann mannigfaltige Gründe haben: Z.B. kann ein anderer in einer real hilflosen Situation sein. Nimmt jemand dies war und hat er seine eigenen vergangenen Hilflosigkeitserfahrungen nicht ausreichend rational analysieren und mit hilfreichen Erfahrungen reintegrieren können, so werden diese eigenen Erfahrungen hiervon getriggert, was den damit verbundenen Schmerz reaktiviert und ihn gewöhnlich zurückschrecken lässt. Erst wenn kein eigener derartiger Schmerz mehr getriggert werden kann und (!) die Erfahrung der Hilflosigkeit für das Bewusstsein offen ist 2, kann Hilflosigkeit beim anderen ohne zurückschrecken zu müssen empathisch wahrgenommen werden und für den Anderen adäquat beantwortet werden.3 Alternativ zur Triggerfreiheit benötigt man ein hohes Resilienzniveau gegenüber den eigenen Schmerzen und saubere und bewusste Trennung vor allem zwischen exogenen und endogenen und ichsyntonen und ichdystonen4 Aspekten der Situation. 14.05.2016 2-50 75885166 2 Lösungsansatz für Ohnmacht Diese Ohnmacht kann der potentielle Helfer mental auflösen. 2.1 Haltung Den notwendigen ersten Schritt der respektvollen Achtsamkeit als Grundhaltung, als hermeneutische Basis beschreibt Søren Kierkegaard5. Diese Haltung, wird sie gelebt, ist die Lösung des Problems der Ohnmacht. Die Umsetzung der Lösung, die Aufgabe, folgt danach: „Dass man, wenn es einem in Wahrheit gelingen soll, einen Menschen an einen bestimmten Ort zu führen, vor allen Dingen darauf achten muss, ihn dort zu finden wo er ist, und allda zu beginnen hat. Dies ist das Geheimnis in aller Helferkunst. Jeder, der das nicht kann, er ist selber in einer Einbildung befangen, wenn er meint einem anderen helfen zu können. Um in Wahrheit einem anderen helfen zu können, muss ich mehr als er verstehen - zu allererst aber doch wohl das verstehen, was er versteht. Tue ich das nicht, so hilft mein größtes Verständnis ihm gar nichts. Will ich gleichwohl mein größeres Verständnis geltend machen, so ist es deshalb, weil ich eitel bin oder stolz, so dass ich im Grunde anstatt ihm zu nutzten von ihm bewundert werden will. Alles wahre Helfen jedoch beginnt mit einer Demütigung; der Helfer muss sich zuerst unter den demütigen, dem er helfen will und daran verstehen, dass helfen nicht herrschen heißt, sondern dienen, daß helfen nicht heißt der Herrschsüchtigste sein, sondern der Geduldigste, dass helfen Willigkeit ist, bis auf weiteres sich darein zu finden, dass man unrecht habe, darein, dass man nicht verstehe, was der andere versteht. […] Lehrer sein, das heißt nicht sagen: so ist es, es heißt auch nicht Lektionen aufgeben und dergleichen, nein, Lehrer sein heißt in Wahrheit der Lernende sein. Die Unterweisung fängt damit an, dass du, der Lehrer, lernest vom Lernenden, dich hineinversetzest in das, was er verstanden hat, und wie er es verstanden hat, falls du selbst es zuvor nicht verstanden hattest; oder, falls du es verstanden hattest, dass du dich gleichsam von ihm abhören lässt, damit er sicher ist, dass du deine Lektion kannst.“ Der Ansatz findet sich aktuell bei John Hattie wieder:6 “It is teachers seeing learning through the eyes of students; and students seeing teaching as the key to their ongoing learning.”7 […] “What is most 3-50 14.05.2016 75885166 important is that teaching is visible to the student, and that the learning is visible to the teacher. The more the student becomes the teacher and the more the teacher becomes the learner, then the more successful are the outcomes.”8 2.1.1 Konsequenz I Hieraus ergibt sich: Nicht irgendeine Theorie oder ein Konzept, die der potentielle Helfer kennen müssten, egal welche, gibt vor, was benötigt wird und wo die Grenzen liegen, sondern das betrachtete System selbst.9 Damit ist der potentielle Helfer die Not los, irgendetwas Bestimmtes für den konkreten Fall wissen zu müssen. 10 Dies ist eine absolute Referenz, die ad hoc prozedural11 gelesen werden kann, und damit entlastet es auch von einem unsinnigen, auf Statistik basierenden Auswahlverfahren, da Statistik bekannterweise nicht auf Individuen angewandt werden kann. Medizinische, psychologische und pädagogische Interventionen verfehlen in über 90% der Fälle ihr Ziel vollständig und in den restlichen 10% zumindest in wesentlichen Aspekten, eben weil dies nicht beachtet wird. 2.2 Systemdynamik Nach der Aufnahme der Haltung Søren Kierkegaards findet man unter einem Fokuswechsel zum Gegenüber das, was Hippokrates formulierte: Systeme heilen sich immer selbst; der Arzt kann adjuvant an der Peripherie vom System geforderte Ressourcen beisteuern, und, wenn diese per se exogen sind, z.B. ein Antidot, das vom System nicht selbst synthetisiert werden kann, muss der Arzt dieses liefern, damit das (grundsätzlich endogene) Selbstheilungsprogramm weiterarbeiten kann. Dies entspricht spiegelbildlich Søren Kierkegaards Position, da dieser dem System des Gegenübers vollständig vertraut. „Medicus curat, natura sanat.“12 Der Ansatz der Salutogenese (Aaron Antonovsky) als Gegensatz zur Pathogenese arbeitet mit derselben Erkenntnis auf derselben Basis und mit derselben Dynamik. 14.05.2016 4-50 75885166 Das Prinzip des durch Dopamin geregelten mesolimbischen Systems (Belohnungssystem, Nucleus Accumbens) zeigt die Regelungsdynamik auf der somatischen Ebene. Heute würde man diesen Sachverhalt als komplexes selbstreferenzielles, selbstregulierendes, selbstorganisierendes, durch nichtlineare Attraktoren geregeltes, offenes, nichtlineares dynamisches System beschreiben. Determinismus und Statistik führen wie man heute z.B. im „Gesundheits-“ und Finanzsystem sieht, nicht weiter. Das Feigenbaumszenario der Logistischen Gleichung zeigt besonders den Aspekt der Nichtlinearität und des Verhaltens bei Veränderung der Umgebungsbedingungen eindrücklich. Nebenbei liefert die Betrachtung von Komplexität den Lösungsweg für den Begriff Freiheit im Makrokosmos, was für die Selbstwirksamkeitserwartung bedeutend ist. Komplexe Systeme, wie das Wetter, Menschenmassen oder der Körper und der Geist des Menschen, sind niemals steuerbar 13, ja direkte Steuerversuche stören oder beschädigen oder deaktivieren oder zerstören die innere Regelung14 und führen entweder in den Bereich der Bifurkation15 und des Chaos16 oder vernichten das System oder ein Subsystem gänzlich. Homöostase wird also gerade durch exogene Eingriffe in die Selbstregelung gestört und zerstört. Die Steuerungsidee, als Eingriff in das Innere, als Veränderung der inneren Regelungsmechanismen, ist im Komplexen nur destruktiv, aber nicht konstruktiv anwendbar. Konstruktive Beeinflussung von Außen ist über Veränderung der Parametrisierung des Systems, also von Umgebungsparametern an der Peripherie, der Oberfläche des Systems möglich. Man biete den inneren Bedürfnissen (Selbstregelung) des Systems das Benötigte an dessen Oberfläche (Grenzachtung) an, dann wird das System alles Weitere von selbst tun, was vor allem Pädagogen, Psychologen und Mediziner endlich beherzigen sollten. 17 Beispiele für komplexe Systeme gibt es in allen Bereichen: Wenn man einen peripheren Parameter wie eine Finanztransaktionssteuer (z.B. Tobinsteuer) einführt, werden Transaktionen (hier Devisengeschäfte aber auch Derivate) in ihrer Frequenz limitiert, was Spekulationen reduziert, und das Finanzsystem 5-50 14.05.2016 75885166 stabilisiert sich mit den selben Mitteln in einem veränderten Attraktor, der insgesamt weniger Potential hat in den Bifurkationsbereich zu wandern, also instabil zu werden.18 Die Regelung an sich wird aber nicht angetastet. In gleicher Weise erzeugt die Aerosolzusammensetzung als zentraler Parameter der Atmosphäre bei Veränderung deutliche thermische Änderungen, obwohl das Regelungskonzept natürlich dasselbe bleibt (z.B. der Vulkanausbruch am 8.6.1783 auf Island). Zukünftige Kfz-Verkehrsleitsysteme, die durch die direkte Kommunikation zwischen nahen Verkehrsteilnehmern wie in Vogelschwärmen19 aufgebaut sind, implementieren Stauumgehung, Kartenaktualisierung (z.B. für Baustellen oder Umfälle) und Unfallverhütung gleichermaßen als dezentrale lokale Lösung. Shared Spaces, hochkomplexe Räume, die durch aufmerksame ad hoc Kommunikation aller Teilnehmer eine lokale innere Regelung erschaffen und ohne explizite Raumsteuerung wie separate Bahnen, Verkehrsschilder, Ampeln und ohne allgemeine Steuerung wie z.B. Rechts vor Links Vorgaben funktionieren. Die Herzfrequenz, die sich sehr fein auf eine im höchsten Maße komplexe Leistungskurve des gesamten Körpers einstellen muss, ist deshalb lokal (Sinusknoten) komplex reguliert; Ebenso entstehen Gerüche im Gehirn durch nichtlineare Attraktoren. Schockreaktionen und akute Belastungsreaktionen pendeln sich als nichtlineare Funktion in den ursprünglichen Zustand zurück. Kreative Tätigkeiten werden durch nichtdeterministisches und nichtstatistisches komplexsystemisches Setting gefördert: z.B. das fehlerfreundliche Toyota-Produktionssystem oder die durch Freiräume strukturierte Google-Unternehmenskultur oder das auf bewusst reflektierte Selbstregulation bauende Lehr- und Lernkonzept des Cooperative Open Learning COOL. Ameisenstraßen sind nichtlineare Systeme, die durch Kommunikation über Duftstoffe in einem rekursiv iterierten System selbstreguliert sind.20 Für gefährliche Tätigkeiten gilt dasselbe, wie man beispielsweise an Untersuchungen von Feuerwehreinsätzen sieht, die um so weniger 14.05.2016 6-50 75885166 Unfälle aufweisen, je weniger die Feuerwehrleute sich an Vorgaben festhalten. Stochastisches Denken führt direkt zu Katastrophen wie in Fukushima oder Tschernobyl, da per definitionem bestimmte Szenarien ausgeschlossen werden und man dann natürlich auch nicht mehr ad hoc darauf reagieren kann. Intelligente und erfahrene Programmierer erlauben sich diese Starrheit in der Fehlerbehandlung niemals! Genauso führt deterministisches Denken zu mangelnder Fehlertoleranz durch mangelnde Flexibilität und Kreativität in all jenen Fällen, die man übersehen hat, denn genau dass man etwas übersehen kann, kann niemals ausgeschlossen werden, weil niemals alle Informationen zur Verfügung stehen, die Voraussetzungen sich ändern können und das komplexe Zusammenspiel eben nicht deterministisch ist und damit zu grundsätzlichem Nichtdeterminismus und Nichtlinearitäten neigt, was vollständig sichere Vorhersagen prinzipiell unmöglich macht. Jede Programmierung hat also prinzipiell (!) mit allen Möglichkeiten zu rechnen, auch mit den unerwarteten. Jedes offene und komplexe System, wie vor allem alle biologischen Systeme, ist somit zwangsläufig autonom reguliert aber sowohl energetisch und materiell wie informationell, sensomotorisch und mental nichtautark, also offen für den unabdingbaren Aufbau der für Leben benötigten Negentropie. 2.2.1 Konsequenz II Hieraus ergibt sich: Nicht der potentielle Helfer heilt jemanden und auch nicht das Bewusstsein des Beschädigten heilt sich, das System des Beschädigten heilt sich selbst. Es ist weder das Bewusstsein des potentiellen Helfers noch dasjenige des Beschädigten für die selbstreferenzielle Selbstregelung notwendig; ganz im Gegenteil betont das Bewusstsein, zumindest in unserer Kultur, den Steuerungsaspekt vor dem Regelaspekt und ist so meistens schädlich. Primum numquam nocere!21 Dies gilt insbesonders für die Bereiche Medizin, Pädagogik, und Psychologie; Diese sollten nichts mit der Zielperson oder Zielgruppe machen, sie sollen diese beantworten, denn Verantwortung ist nichts anderes als adäquates Beantworten im 7-50 14.05.2016 75885166 Definitionsrahmen des Beantworteten. Dies würde die Effizienz um vier (!) Größenordnungen anheben, weil das, was in einem selbstreferenziellen Regelsystem möglich ist, durch Steuerung ins Gegenteil verkehrt wird: Ein Beispiel sind typische Behandler, deren primäre Maßgabe Compliance22 heißt, die also den zu Behandelnden als zu steuernde Maschine23 ansehen und nicht als selbstreferenzielles selbstregulierendes Subjekt. Im Extrem wird der Unsinn von direkten Systemeingriffen an der Psychiatrie deutlich: von der 100% praktizierten ruhigstellenden Drehtürpsychiatrie über Elektro- und Insulinschocks bis zur Lobotomie.24 Ein anderes schlagendes Beispiel aus der Praxis, wie man es nicht macht, sind Lehrer, die in ihrer Ausbildung standardmäßig lernen, die intrinsische Motivation (selbstreferenzielle Selbstregelung und -organisation) ihrer Schüler zu deaktivieren, um dafür mit immensem Aufwand dem Lehrplan gemäße extrinsische Motivation in jeden einzelnen Schüler hinein verfrachten zu müssen, um sich dann zu beklagen, dass ihre Schüler apathisch, desinteressiert, faul, aufsässig und zappelig sind und sie sich um jeden einzelnen Schüler kümmern müssten, was sie natürlich nicht leisten können.25 Man findet Beispiele in allen Bereichen der Gesellschaft, weil das Denken nach wie vor diesem grundfalschen Paradigma folgt. Nütze also die bestehenden Systemressourcen, vor allem die intrinsische Motivation, Intuition und Flow26, den Thymos27, den sense of coherence (Aaron Antonovsky), den felt sense (Eugene T. Gendlin), Hypnagoge Arbeit, Yoga Nidra, Tempelschlaf, das feeling28 und die insights after primals29 (Arthur Janov) etc. und deine Arbeit wird leicht sein und zwangsläufig in die richtige Richtung gehen. 2.3 Systemstruktur Der dritte Fehler ist der des Reduktionismus und Isolationismus auf die Monade30. Das kann von der Physik beginnend bis hinauf zu sozialen Systemen überall gesehen werden. Die unterste Ebene sind der qualitative Aspekt der Dekohärenz in der Quantenphysik und der quantitative Aspekt der Entropie in der Thermodynamik, der von der Negentropie in der Biologie durch Affinitäten, die Wechselwirkungen erzeugen und hierdurch Strukturen aufbauen können, „beantwortet“ wird. Auf der Ebene des Sozialen und des Geistes bezeichnen wir dies als Beziehung und Intersubjektivität, die dem Strukturaufbau dort seine Basis gibt. 14.05.2016 8-50 75885166 Es gibt folglich nichts, das nicht in Wechselwirkung bzw. Beziehung stünde.31 Ja selbst ein Erweckungserlebnis in der christlichen Mystik, Kundalini32 im Yoga und Kensho33/Satori34 im Zen könnte man als Wahrnehmung dieses Sachverhalts durch die „nichtdominante Hemisphäre“ 35 ansehen, was den Aspekt Gott eines gläubigen Menschen nicht schmälert, sondern insofern betont, dass Gott in dieser Sichtweise das äußerste und umfassendste System ist, mit dem damit alles in Verbindung steht. 2.3.1 Konsequenz III Hieraus ergibt sich: Niemand heilt autark für sich, man heilt innerhalb eines Umgebungssystems, mit dem man aus Gründen der Entropie in offenem Austausch mit für den Beschädigten energetischer, materieller und informationeller positiver Bilanz (Negentropie) stehen muss. Das Bewusstsein ist adjuvant als minimaler Reflektionsraum36 und abstrahierender Kommunikationsaspekt gegenüber der Umwelt und dem Nichtbewussten37 beteiligt. Damit ist die endogene Funktion des potentiellen Helfers per definitionem immer ausreichend, was alle, das System des Individuums entwertenden Ansätze ausschließt. Das, was der potentielle Helfer über die Funktion hinaus benötigt – sämtliche energetischen, materiellen und informationellen Ressourcen – muss zwangsläufig aus dem Umgebungssystem kommen. Wird dies vom Umgebungssystem geleistet, funktioniert der Regenerationsprozess, wenn nicht, so bleibt er wartend stehen. Wenn der Eindruck entsteht, dass endogene funktionelle Ressourcen fehlen, dann wurde deren Einsatz durch falsche, unzureichende oder fehlende energetische, materielle und informationelle Ressourcen von außen blockiert. Wo keine (weiteren) exogenen Ressourcen benötigt werden, läuft der Regenerationsprozess automatisch bis zu seinem Ende. Endogene Ressourcen können durch die Umwelt durch Nichtund Fehlbeantwortung ausgehungert und vergiftet werden, was bis zum Absterben dieser Funktionen führen kann. Dies und nur dies erzeugt wirkliches Leiden! In solchen Fällen müssen die zerstörten Funktionen anhand des endogenen Bauplans neu aufgebaut werden. Dieser Aufwand ist für das System und das Umgebungssystem um mehrere Größenordungen höher als jener, die Systemanforderungen sofort adäquat zu beantworten! 9-50 14.05.2016 75885166 2.4 Was kann das Individuum ändern? Wenn ein potentieller Helfer sagt: „Das Einzige, das ich wirklich ändern kann, bin ich selbst.“, dann ist dies nicht richtig, weil nur ein Drittel der Wahrheit, weil es sich nur auf dessen bewusste Ziele gegenüber relativ zu ihm übermächtigen Umgebungsaspekten, aber nicht auf seine basalen Bedürfnisse und seine basale Grenzsicherung und nicht auf sein „nicht nicht handeln Können“ und nicht auf die prinzipielle Offenheit aller Umgebungssysteme, die er grundsätzlich nicht nicht beantworten kann, bezieht. Außerdem besitzen potentielle Helfer gewöhnlich viel mehr exogene Macht und können daher wesentlich mehr im Außen verändern als sie endogene Macht besitzen und daher in sich etwas „ändern“ können. Zumal, man „ändert“ nichts in sich; das ist wenig sinnvoll, weil es ein blinder Steuerungseingriff des Bewusstseins in das von diesem aus als Blackbox erlebtes Unterbewusstsein wäre 38 – der Fehler der Psychoanalyse und praktisch aller Psychotherapeuten in Folge, egal welcher Province, der nur die Realität zweiter Ordnung (Paul Watzlawick) der „dominanten Hemisphäre“ bedient, was natürlich hervorragend zum autoritären hierarchischen grandios kompensierten Narzissmus (Leugnung der Intentionalität), Autoritarismus (Leugnung der Autonomie), Psychologismus (Leugnung des Bewusstseins), Egoismus (Leugnung der Nichtautarkie) und der Egozentrik (Leugnung der Qualia) unserer Zeit passt, die in der Medizin ja schon immer (und schon deshalb auch bei Sigmund Freud) existierten und in erster Linie durch konstruierte Phantasmen39 ohne Bezug zur Realität erster Ordnung, dem wahren Selbst und der „nichtdominanten Hemisphäre“40, 41, 42 andere zum Eigennutz ohne realen sozialen Bezug manipulieren. Man fördert hingegen sinnvollerweise in direkter Kommunikation mit dem Unterbewusstsein die Selbstregelung und Selbstorganisation durch, einfach gesagt: primär Wachstum beim Säugling, Selektion beim Kind, Entfaltung in der Adoleszenz und Differenzierung über das gesamte Erwachsenenleben, wie unter „2.4.2 Inkompatibilitätsdruck zwischen Individuum und Umwelt“ beschrieben. Ein potentieller Helfer formuliert obigen Satz möglicherweise, weil seine basalen Bedürfnisse (Versorgung und Anerkennung) und seine basale Grenzsicherung (Sicherheit) von seiner Umwelt immer so weit 14.05.2016 10-50 75885166 adäquat beantwortet wurden, dass er damit leben kann und dessen essentielle und existenzielle Wichtigkeit deshalb nicht wahrnehmen kann, wie jemand Schmerzfreiheit oder Gesättigtsein oder Sicherheit nicht würdigt, weil er keine chronischen Schmerzen, keinen Hunger und keine existenzielle Vernichtung kennt. Dass man grundsätzlich nicht nicht handeln kann, sollte hingegen von niemandem jemals ignoriert werden! 2.4.1 Der basale persönliche Veränderungsimpuls Die zentrale und natürliche Veränderung ist das gemäß der intrinsischen selbstreferenziellen Dynamik automatische Wachstum und danach lebenslange Differenzierung und Entfaltung des Potentials. Das Bewusstsein tut hier nichts, sondern Es tut gemäß seiner genetischen Programme und den epigenetisch modulierend wirkenden Umgebungsbedingungen. Deshalb ist die Psychoanalyse zum Teil zumindest theoretisch zu der Umkehrung der Freudschen Vorgabe übergegangen: „Wo Ich herrscht, soll Es werden.“ Dieses Es entspricht dem sense of coherence bei Aaron Antonovsky43 oder dem felt sense bei Eugene T. Gendlin (Focusing) oder der Invertierung des „Du sollt nicht merken“ bei Alice Miller oder dem Begriff des feelings und der insights after primal bei Arthur Janov (vgl. Fußnote 28) oder dem Seelenvogel bei Josef Zehentbauer, Sloterdijks Thymos44, dem Gewissen, dem (Un-)Gerechtigkeitsempfinden, der Stimmigkeit45, der dem indianischen vision quest, der seit Anbeginn der Menschheit existierenden schamanischen Reise46, der Traumkraft47 und der geschulten, ins Bewusstsein verbundenen Intuition. Für das selbstreferenzielle Selbstregenerations-, Selbstregelungs- und Selbstorganisationssystem benötigt man demnach zwingend, wie schon in der Definition zu sehen, eine passende Umwelt, die eine für das Individuum passende Modulation der Epigenetik und aller darüber gelagerten Regelsysteme48 und damit sein sich differenzierendes Wachstum und seine Entfaltung erlaubt, indem diese von der Umwelt adäquat beantwortet werden.49 2.4.2 Inkompatibilitätsdruck zwischen Individuum und Umwelt Was nicht passende Situationen betrifft, bei denen ein Veränderungsimpuls nicht durch das endogen Biophile, sondern durch 11-50 14.05.2016 75885166 das exogene Lebensfeindliche erzeugt wird, sagte Viktor Frankl: „[Erst] wenn wir nicht länger in der Lage sind eine Situation zu ändern, sind wir [auf]gefordert uns selbst zu ändern.“50 Setzt man dies absolut, so ist der Satz logisch vollkommen richtig. Er beschreibt damit aber auch eine absolut asoziale Situation, die den Betroffenen sicher vernichtet, und eine Asozialisierung und Antisozialisierung (Psychopathisierung) des Betroffenen, indem vom Außen nichts mehr erwartet werden kann und das außen nicht mehr als Subjekt empfunden werden kann, also alle bilateralen Beziehungen aufgelöst sind und demzufolge aus Hilflosigkeit Ohnmacht entsteht, was besser auszuhalten, aber weder nachhaltig noch als allgemeine Maxime erfolgversprechend ist. Unter Umständen ist diese Maxime notwendig, um länger zu überleben, aber es zerstört zwangsläufig Teile des genuinen Ichs und ist auf Dauer eben so tödlich wie dem Selbst in einer solchen Umwelt treu zu bleiben. 2.4.2.1 Das Wesentliche ist die Offenheit des Systems Das Wesen jedes biologischen Systems bestimmt der Umstand, dass es prinzipiell offen ist und daher niemals nur es selbst ist. Wenn ein gläubiger Mensch ein Bekehrungserlebnis erfährt, in dem er sich von Gott vollständig geschützt und versorgt und anerkannt erlebt, entspricht dies der vollständigen vollkommenen Beantwortung seiner Offenheit, da Gott als das Transzendente die umfassendste Umwelt darstellt, die gedacht werden kann. In derselben Weise ist man als körperliches Wesen, geistiges Wesen, intersubjektives Wesen, soziales Wesen keine Monade. Das ist, sieht man sich die Details an, eigentlich trivial. Schon die Darmflora51, ohne die niemand leben könnte, zeigt dies, weil diese sowohl immunologisch vor dem Umgebungssystem an der Systemoberfläche schützt (Grenze) als auch z.B. mit Vitaminen synthetisierend für die immanente, Negentropie aufbauende, selbstreferenzielle Systemregelung, -organisation und -regeneration versorgt (Bedürfnisse) – der Unterschied ist hier, ob man dies erlebt. Was immer man von Niklas Luhmann halten mag52, er hat diesen Aspekt in der Soziologie sehr deutlich gemacht. Auf allen Ebenen ist man ein offenes System, das ohne permanenten Austausch mit eigener positiver Bilanz (wie die Energiebilanz über die Ernährung) (Erhöhung von Negentropie) gegenüber dem 14.05.2016 12-50 75885166 umschließenden Umgebungssystem (Erhöhung von Entropie) auf der betreffenden Ebene zu sterben beginnt. Genau hier setzt Viktor Frankl ein. Dass er das so klar sah, ist aus seiner Erfahrung in einer Umgebung mit gezielt negativ angelegter Bilanz für den Einzelnen bestens nachvollziehbar. Demgemäß wird sich beispielsweise die katholische Kirche, da sie bedauerlicherweise ein auf Stabilität und nicht auf intrinsische selbstreferenzielle Dynamik zu Wachstum und Entfaltung ausgerichtetes System ist, erst ändern, wenn das Umgebungssystem sich soweit verändert hat, dass das System (Amts)Kirche nicht mehr überleben kann (denn exogene und endogene Veränderungsimpulse erhielte die Kirche genug). 2.4.2.2 Die Gefahr in der Strategie von Viktor Frankl Grundsätzlich gilt: Zu bedenken ist für Viktor Frankls Strategie immer, dass das endogene Veränderungs- und Ausweichpotential beschränkt ist und Veränderungen langfristig nur dann mit dem Selbst verträglich sind, wenn sie den Vorgaben des oben genannten basalen Veränderungsimpulses gehorchen, sonst droht Selbstentfremdung und folglich Verlust der biophilen53 – d.h. Negentropie aufbauenden – Qualität! Arno Gruen beschreibt umgekehrt den Wandlungsprozess in unserer empathielosen Gesellschaft vom ursprünglich geborenen einmaligen Original zu einer identitätslosen Kopie der gesellschaftlich vorgegebenen Schablone. 54, 55 Dieser Prozess kann unter nicht existenziell bedrohlichen Bedingungen nur geschehen, wenn man ihn ignoriert und mitmacht (vgl. Hannah Arendt). Entsprechend gibt es gemäß Theodor W. Adorno tatsächlich kein richtiges Leben im falschen! Viktor Frankls Aussage wurde aus der Erfahrung mit einer Umgebung geboren, die nicht nur lebensfeindlich, die explizit, bewusst und vorsätzlich Leben verhindernd (nicht nur zerstörend!) war, und der man in keiner Art und Weise durch Selbstwirksamkeit entrinnen konnte, zumindest nicht unter Aufrechterhaltung einer ethischen Basis56. In einer solchen Situation ist die Aufgabe von Teilen des Selbst unabdingbar, damit der Rest überleben kann, was partielles Absterben bedeutet, was wiederum nur lebensbejahend ist, wenn ausreichend noch nicht gelebte Aspekte im eigenen Potential übrig bleiben57 und das jetzt aufgegeben Potential für das System nicht essentiell ist. 13-50 14.05.2016 75885166 2.4.2.3 Die biophile Strategie Die einzig vollständig biophile58 Strategie ist folglich, falls noch irgend ein erreichbarer äußerer Möglichkeitsraum besteht, die Suche nach einer Umgebung, in der ausreichend Passung zwischen Individuum und Umwelt herrscht, d.h. sowohl der Sicherungsaspekt (Systemoberfläche, systemische Offenheit, Grenze) als auch der Versorgungsaspekt (selbstreferenzielle Selbstregulation, Negentropie, Bedürfnisse) auf allen relevanten Ebenen ausreichend ermöglicht wird. Dies ist durch geeignete Ortswahl und bewusste Anreicherung von zum einen passenden Beziehungen und Meidung von unpassenden Beziehungen anzustreben, sonst lebt man primär in einem ständigen Verteidigungsund Erlangenskampf, der irgendwann bei jedem zum Tode führt. Deshalb ist es so entscheidend, dass die Umwelt von Anfang an passt; sonst lernt man, 1. dass man sich auch mit Unpassendem begnügen kann, soll, muss; 2. keine Mustererkennung aufzubauen, die a. förderliche Menschen und Situationen aufzeigt b. vor Schädigendem warnt; 3. dass nur ständige Erhöhung von Ignoranz Schmerz (Anteriorer Cingulärer Cortex) und Ekel (primär Insula) in Grenzen halten kann, was als einzig gangbarer Bewältigungsmechanismus physisch in Anästhesie59, kognitiv in Antiaufklärung 60 und sozial in erlernter Hilflosigkeit 61 bzw. final dem Suizid62 mündet. 2.4.3 Zu erwartender Beschädigungsumfang und Verfügbarkeit adäquater exogener Ressourcen Je komplexer und höherwertiger ein System ist, umso komplexer und höher sind die Anforderungen an die Umwelt, weswegen Alice Miller folgerichtig das Drama besonders beim begabten Kind sah63. Ebenso wird, je komplexer und höherwertiger ein System ist, dieses länger durchhalten und mehr Belastungen ertragen, was im Falle des finalen Zusammenbruchs wesentlich mehr Schaden bei ihm erzeugt, als bei einem primitiven trivialen System. Und daher wird 14.05.2016 14-50 75885166 im Falle des finalen Kollaps logischerweise der Größte, Stärkste, Ausdauerndste, Kreativste, Resilienteste, mit Copingstrategien Bewährteste etc. am wenigsten jemanden finden, der willens und fähig ist zu helfen, und er wird durch seinen am spätesten stattfindenden Zusammenbruch am wenigsten verbleibende Möglichkeiten zur Verfügung haben und den größtmöglichen Schaden erleiden. 2.4.4 Man kann andere nicht nicht ändern! Wenn obige Aussagen über Systemstruktur und -dynamik aber richtig sind, so ist jeder auch Teil des Umgebungssystems aller Menschen, mit denen er direkten oder indirekten Kontakt hat. Daraus ergibt sich zwanglos, dass er andere Menschen sehr wohl verändert und zwar immer und automatisch und unvermeidbar. So wie Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren“, so ist die Erbschuld als „Man kann nicht nicht handeln“ verstehbar. Die Psychoanalyse kommt langsam zum Konzept der Intersubjektivität (Robert D. Stolorow), also der Erkenntnis, dass es zwei Subjekte sind (und nicht ein Subjekt und ein Objekt) und dass dadurch immer und automatisch und unvermeidbar ein emergentes Neues erzeugt wird, das zu fokussieren ist. Differenziert man zwischen dem Du, dem emergenten Intersubjektiven, dem intersubjektiven Ich (das die austauschende Instanz in einem selbst ist) und dem monadischen Ich (Körper: Genetik und Geist: Qualia) in einem selbst und im anderen, sieht man wo die Schnittmenge ist, wie die Vereinigungsmenge sich ergibt und wo der Wirkungsraum liegt: Man wird die Gene seines Gegenübers nicht verändern64, und die Epigenetik wird man nur selten bewusst und gezielt verändern können65, aber man wird systembedingt immer den emergenten intersubjektiven Raum beeinflussen, dessen Teil jeder hier und jetzt in dieser Beziehung stehende Mensch prinzipiell ist, man selbst wie jedes Gegenüber. Da das Gegenüber Teil dieses emergenten Raums ist, wird es verändert – und man selbst rückwirkend aus dem intersubjektiven Raum natürlich auch. 15-50 14.05.2016 75885166 2.4.4.1 Konsequenz IV für die Handlungsebene: Die richtige Antwort Wie oben beschrieben, ist der direkte Eingriff in ein anderes System meistens nicht zu empfehlen, weil er die selbstreferenzielle Selbstregelung (das Leben an sich) stört, außer man möchte etwas zerstören (z.B. Bakterien oder Krebs66), was in manchen Fällen mangels geeigneten Wissens über Regelungsmechanismen durchaus hilfreich erscheinen mag oder derzeit aus pragmatischen Gründen noch ist.67 Es geht hier also darum, dass man aus der Sicht des Gegenübers dem antwortenden Umgebungssystem angehört und alle Antworten zwangsläufig alle, die sie empfangen, ändern. Bei Matthäus 8,5 und der Brotbrechung findet man dies explizit als „einziges Wort“ nicht im quantitativen, sondern im qualitativen Sinne, wenn es das vom System Benötigte, das Richtige ist. Immanuel Kants intrinsische (!) „Pflicht zum kategorischen Imperativ“ gibt dies als in der „dominanten Hemisphäre“ ausformulierte und durchanalysierte natürliche und unabdingbare Qualität im Menschen wieder, die Kant zuerst (!) in der „nichtdominanten Hemisphäre“ (nonverbal, holistisch, beziehungsorientiert) als „moralisches Gesetz“ in sich erlebte.68 C. G. Jung betont ebenso die grundsätzliche und unauflösliche Qualität der Verbundenheit und bilateralen Wirkmächtigkeit in der Emergenz der Beziehung: „Das lebendige Geheimnis des Lebens ist immer zwischen Zweien verborgen.“69 Jean-Paul Sartres Untersuchung des Blicks und „Geschlossene Gesellschaft“ beschreibt das Versagen der Beantwortung durch Objektivierung. Theodor W. Adornos „Minima Moralia“ fokussiert das Leerwerden der Umwelt an passenden Bindungspunkten70. Axel Honneths „Kampf um Anerkennung“ fokussiert wie Judith Hermans „Die Narben der Gewalt“71 in der Psychotraumatologie die Unabdingbarkeit von Anerkennung von Geschehenem a) als Schlüssel für das Selbstregenrationssystem des Betroffenen wie auch b) als Aktivierungssignal für Wachstums- und Entfaltungsqualitäten im Individuum. Der zweite Aspekt kann nachvollzogen werden, wenn man sich z.B. die umfangreiche Ausbildung 72, die ein Jesuit in seinem Orden erhält, betrachtet. Alice Miller nannte den ersten Aspekt der Anerkennung „Wissender Zeuge“ und Judith Herman formulierte: 14.05.2016 16-50 75885166 „Erst, wenn die Wahrheit [durch die Umwelt] anerkannt ist, kann die Genesung […] beginnen.“ 71 2.4.4.2 Konsequenz V des Nichtbeantwortens: Das Böse Direkt kommt man hierdurch zu Hannah Arendts „menschlichen Wesen, die sich weigern, Person zu sein“ 73 und zum Grund, warum Augustinus vom Nihil privativum sprach, warum man in den Naturwissenschaften nur die Abwesenheit der Struktur schaffenden Negentropie finden kann, aber keine gegenteilige zielgerichtete „Kraft“74 und warum damit Konstruktion und Destruktion 75 einerseits vom Guten und Bösen76, und andererseits das Böse als einziges Nichtseiendes (Beziehungsverweigerndes) strikt unterschieden werden muss.77 Es gibt, wie man sieht, nur einen Werdungsprozess (Schöpfungsprozess) als (teleonomisch „zielgerichtet“) kreierender Prozess (Teilhard de Chardin)78 und Destruktion und Tod sind unabdingbar notwendiges Element dieses Werdungsprozesses, da dieser Werdungsprozess ein qualitativer und kein quantitativer ist und qualitatives Wachstum (Evolution) im Gegensatz zum quantitativen Wachstum (der Irrglaube z.B. in der Ökonomie) beider Aspekte bedarf, also nichts wovor man sich fürchten müsste. Wandelt man sein Denken von quantitativer Betrachtung zur qualitativen Betrachtung, ist die Lösung sofort offensichtlich, indem man sieht, dass das Problem durch falsches Denken79 (konstruierte Realität zweiter Ordnung), d.h. nicht der Natur der Dinge entsprechendem Denken (Realität erster Ordnung), überhaupt erst erzeugt wurde, also in Wahrheit gar kein Problem existiert. Man muss sich damit auch nicht fürchten, weil alle nicht unvermeidbar zum Tode führenden Beschädigungen durch die selbstreferenzielle Selbstregeneration in allen biologischen und höheren Systemen automatisch und sofort so weit es irgend geht repariert oder ausgeglichen werden (Homöostase), wenn (!) die benötigten exogenen Ressourcen80, die für jeden Struktur schaffenden bzw. wieder aufbauenden Prozess notwendig sind, vorhanden sind, wie man immer und überall und auf jeder Ebene sehen kann. Der Tod ist, da ein natürliches und notwendiges Element, ebenso nicht zum fürchten, zumal man damit alle bestehenden Beschädigungen hinter sich lässt. Die Störung und Verhinderung dieser Selbstregeneration ist das Fehlen von dem, was natürlicherweise da ist und daher vom System erwartet 17-50 14.05.2016 75885166 wird81. Das wirklich Bedrohliche ist nicht die Beschädigung (Destruktion), sondern – Und davor muss man sich in der Tat hüten! – die Verhinderung der Selbstregeneration durch das Nichtsein (nicht in Beziehung treten und damit exkludieren 82 und nicht dem System gemäß reagieren und damit die Weiterführung des Selbstregenerationsprogramms verhindern) der Umwelt (eben das Böse bei Hannah Arendt und das Nihil privativum bei Augustinus) durch „menschliche Wesen, die sich weigern, Person zu sein“: „[Das] größte begangene Böse ist das Böse, das von Niemandem getan wurde, das heißt, von menschlichen Wesen, die sich weigern, Personen zu sein.“83 Das Böse der Umwelt blockiert die automatischen, autonomen und nichtautarken Qualitäten 1. Selbstheilung nach Beschädigungen 2. Wachstum 3. Selektion nach dem Wachstum 4. Entfaltung nach der Selektion 5. Differenzierung nach der Entfaltung Das Böse besitzt also keine Entität wie das Gute, aber es besitzt durch das Fehlen eines für alles Biologische essentiellen Guten84, im Sinne des Nichtvorhandenseins (Nihil privativum bei Augustinus) der unabdingbaren adäquaten Beantwortung selbstreferenzieller selbstregulierter offener Systeme, Wirkung!85 Sollten ein potentieller Helfer tatsächlich Hilflosigkeit empfinden, so ist es die Hilflosigkeit der Situation desjenigen, dem er helfen sollte. Aber gerade darin, dass der potentielle Helfer nicht adäquat antwortet, indem er sich verweigerten, erzeugten er diese Situation bzw. bestätigt diese bzw. erhält diese als hilflos. Und wegen dieser Aufrechterhaltung der Hilflosigkeit der Situation desjenigen, der Hilfe benötigen würde, ist der potentielle Helfer ohnmächtig und phantasiert Hilflosigkeit. Und genau deshalb wurde und wird die Situation des Menschen, der eine energetische, materielle oder informationelle Ressource aus seiner Umwelt (Hilfe) benötigen würde, immer schlimmer und schlimmer. Der potentielle Helfer hat dieses Verhalten irgendwann gelernt. Und weil er und die allermeisten Menschen dieses Verhalten lernten, 14.05.2016 18-50 75885166 existiert es immer weiter; es ist selbstvermehrend, selbstverstärkend und selbsterhaltend, da es lebendige Beziehung des potentiellen Helfers verhindert, was jede konstruktive Veränderung verhindert, da das Nicht-in-Beziehung-Sein selbst das eigentliche Übel ist. Arno Gruen, Alice Miller, Arthur Janov, Jean Liedloff würden sagen: Der potentielle Helfer hat das Gesetz „Hilf nicht!“ verinnerlicht 86, weil, wenn er helfen würden, in ihm das Erleben aller Situationen in denen ihm nicht geholfen wurde, reaktiviert wird, und das will er nicht erleben. Ob das im konkreten Fall so ist, muss der potentielle Helfer bei sich prüfen. Die Lösung liegt in der Konfrontation unter der Prämisse, dass der potentielle Helfer heute sicher, versorgt und anerkannt ist. Es ist wirklich notwendig, vorher (!) gewissenhaft zu prüfen, ob man tatsächlich sicher, versorgt und anerkannt ist, denn wenn das nicht der Fall ist, führt das unweigerlich in eine Retraumatisierung oder Verstärkung der automatischen Abwehr. Auflösung von mentalen Blockaden geht niemals über Selbstbetrug, denn die Irrealität (bisher noch durch die Umwelt) stand am Anfang jeder Blockade und darf nicht selbst weitergeführt werden. 2.4.5 Selbstdefinition ist unmöglich Aus der beschriebenen Systemstruktur und -dynamik heraus kann sich niemand mental und sozial selbst definieren87. 2.4.5.1 Definition ist immer Fremddefinition Das, was wir Definition nennen, bezieht sich auf Sein im Gegensatz zu Existenz: So wie in der Physik Kohärenz durch In-Beziehung-Stehen, Affinität und daraus resultierendem Wechselwirken zu Dekohärenz übergeht, und erst dadurch Teilchen realisiert werden (vorher war da nur eine den Raum virtuell ausfüllende Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion), so geht Existenz zu Sein über. D.h. Sein ist immer ein Element-Sein-Von, weil Sein niemals alleine stehen kann. Gemäß der Afrikanischen Philosophie Ubuntu ist der Mensch eben nur deshalb ein Mensch, weil es andere Menschen gibt, und somit bin ich nur in Relation zu den anderen, weswegen die anderen (das Umgebungssystem) der überwiegende Teil des Maßstabs sind; überwiegend, weil ich als Teil der Menschen auch Teil des Maßstabs bin: 19-50 14.05.2016 75885166 „Ich werde gesehen, also bin ich.“88 „Der Mensch wird am Du zum Ich.“89 „Ich bin ein Mensch, weil es andere Menschen gibt“90 „Daß du mich liebst, macht mich mir wert.“ 91 „Esse est percepi.“92 « Le stade du miroir est fonction du Je »93 « C'est faux de dire: Je pense. On devrait dire: On me pense. »94 « Le Je n’est pas le Moi »95 « Je est un autre »96 « L’enfer c’est les Autres »97 „Im Blick des Anderen erfahre ich den Anderen als Freiheit, die mich zum Objekt macht.”98 - “Almost anybody can learn to think or believe or know, | but not a single human being can be taught to feel. | Why? | Because whenever you think or you believe or you know, | you're a lot of other people: | but the moment you feel, | you're nobody-but-yourself.”99 - „Das lebendige Geheimnis des Lebens ist immer zwischen Zweien verborgen.“100 - Der „Glanz in den Augen der Mutter“ 101, der das intersubjektive und darauf aufbauend das soziale Selbst statuierende. - Der „Wissende Zeuge“102, der eine intersubjektive Beschädigung sich nicht zusätzlich auf der sozialen Ebene manifestieren lässt. - „Gesellschaftliche Verantwortung“ und „Anerkennung“103 Die Liste ist beliebig fortsetzbar. - 2.4.5.2 Die Definitionshoheit der Umwelt 104 Die soziale Selbstdefinition, der Selbstwert im Weltbild ist (im Gegensatz zur stabilen Selbstreferenz 105) also letztendlich immer eine Fremddefinition, was sich auf allen Ebenen, zeigt106: Selbst das im Individuum stabile (und damit statistisch [!] nicht mit dem Außen wechselwirkende) Genom ist das Resultat der Evolution, also eines umweltgesteuerten Prozesses. Das Epigenom ist das Resultat der intrauterinen Umwelt bis hin zu heutigen sozialen, mentalen und materiellen Umwelt107 des Individuums. Das soziale Ich ist zwangsläufig in wesentlichen Aspekten ein Abbild der Umwelt. Der 14.05.2016 20-50 75885166 Bildungsprozess ist es in gleicher Weise. Die gesellschaftliche Moral ist vollständig abhängig von Ort und Zeit und demnach ist die persönliche Moral ebenfalls bei fast allen Menschen ein Abbild der Umwelt108, was im Besonderen den Aspekt des Maßstabs hervorhebt, der natürlicherweise ein Gemeinschaftsprodukt sein muss. Alles was das Ich ist und wie sein Sein bewertet ist, resultiert wesentlich aus einem Interaktionsprozess, in dem das definierte Subjekt in einer 1-zu-N-Beziehung109 weit unterliegt. Ludwig Wittgenstein formulierte es folgendermaßen: „1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge. […] 2. Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten. 2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. 2.011 Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.“110 2.4.5.3 Das Handeln (und Nichthandeln) der Umwelt ist das Bestimmende Für Pragmatiker ist offensichtlich, dass letztendlich nur die Handlungen bzw. das Sosein der Umwelt die Selbstdefinition und Selbstwahrnehmung verändert, und, dass diese Handlung bzw. das Sosein die ethische Basis und das moralische Entwicklungsniveau (Lawrence Kohlberg) der Umwelt zeigt. Demnach sollte ein Pragmatiker bestrebt sein, das hier und jetzt offensichtlich Notwendige zu tun (und nicht irgendeine Ideologie, Gesinnung, Maxime111, Perspektive112, Technik, Methode etc. wie eine simple Maschine reproduzieren), damit die Selbstdefinition seiner Umwelt sich Leid reduzierend und Lebendigkeit vermehrend gestaltet.113 2.4.6 Falsifikation durch Selbstreflektion und Selbstorganisation Man kann nun erwidern, dass man zumindest die Irrealitäten und blinden Flecke selbst durch Falsifikation mittels systematischer kritischer Selbstreflektion in sich eliminieren könne. Aber bei genauer Betrachtung geschieht dies genau dann und nur dann, wenn von Außen bzw. in der Interaktion mit dem Außen ein entsprechender korrektiver Hinweisreiz ankommt (also eine exogene Handlung, die eine Erfahrung ermöglicht), dass bisherige Annahmen falsch sein könnten oder einer Erweiterung harren. 21-50 14.05.2016 75885166 Lässt man sich andererseits auf Meditation oder Kontemplation 114 ein, ist das immer ein lang angelegter Prozess, der einen Entwicklungsraum eröffnet, um systematisch übernommene Vorgaben 115 bewusst und gezielt in Frage zu stellen (Koans116) bzw. durch systemimmanente Prüfroutinen117, die zumindest vor der Erkenntnis nicht bewusst sind, einen generellen Falsifikationsprozess durch Mustererkennung über das Gesamte118 anlaufen zu lassen, um final z.B. ein mystisches Gotteserleben im Christentum oder persönliche Befreiung und Glückseeligkeit im Hinayana119 oder Kensho und Satori im Mahayana120 zu erlangen. Im Hinduismus zeigt sich die auf die konsequente Übung begrenzte Selbstwirksamkeit am deutlichsten: Eine Kundalini-Erfahrung „erarbeitet“ man sich nicht; die Göttin kommt, wenn man Glück hat, unbeeinflussbar „zufälligerweise“ vorbei: Man bereite alles für die Möglichkeit, wie sinngemäß auch in Matthäus 2444 und Lukas 12-40. Hinzu kommt: Auch dann, wenn man selbstständig mit acht Jahren auf das Prinzip der Meditation stößt, ist es doch ein exogener Impuls, der das System des Betreffenden dieses phylogenetisch geschaffene Prinzip aktivieren lässt. 2.4.6.1 Selbstreflektion und Selbstorganisation sind selbstreferenziell Dieser systemimmanente Prozess kann aber nur das im gesamten Leben gesammelte „Gestrüpp“ beseitigen und die exogenen Verbiegungen und Beschränkungen bewusst machen121 und deaktivierte oder noch nicht aktivierte Bereiche (re-)aktivieren122; Er kann also das monadische Ich anhand der Selbstreferenz123 und kollektiver, phylogenetischer und universaler Gesetze, Prinzipien, Strukturen und Qualitäten restrukturieren, reorganisieren und optimieren; Er kann aber niemals ein neues intersubjektives Ich aufbauen, wenn dieses einmal von der Umwelt zerstört worden ist, da der obige Falsifikations- und Reaktivierungsprozess eben rein systemimmanent und somit monadisch ist und deshalb eben prinzipiell niemals intersubjektive oder soziale Erfahrung sein kann. 2.4.6.2 Das Intersubjektive ist fremdreferenziell Das intersubjektive Ich kann nur und ausnahmslos außerhalb dieses immanenten Prozesses im sozialen Raum, in für das 14.05.2016 22-50 75885166 beschädigte System adäquaten intersubjektiven Begegnungen neu aufgebaut werden.124 Dass diese wirklich triviale Offensichtlichkeit von so wenigen Menschen verstanden wird, ist erschütternd, weil es sowohl die innere Leere als auch das Fehlen eines lebendigen intersubjektiven Ichs125 der Menschen zeigt. Selbst im sehr selbstbezognen Buddhismus existieren daher in den drei Aspekten der Zuflucht des Triatna126 neben Buddha127 und Dharma128 die Sangha129! Karma130 und Meditation können für sich genommen nichts bringen. 131 Anschauliche Beispiele und Belege hierfür findet man in Beschreibungen von anerkannten Meistern132, Kundalini133 Erfahrungen und Überlebenden von Katastrophen134. 2.4.7 Der beziehungsoffene Mensch kann in einer psychopatischen Umwelt nicht leben Wenn ein natürlicher, (nach innen) sensibler und empathisch(beziehungs-)offener Mensch durch diese Umweltdefinition permanent entwertet und exkludiert wird, dann wird sein System dies irgendwann nicht mehr kompensieren können, egal wie viel Begabung in seinem Genom gespeichert ist, was er in seiner Kindheit an Ressourcen aufbaute, was er sich an Bildung erarbeitete, wie resilient er ist und wie kreativ er mit Copingstrategien umgehen kann; von dem immensen Aufwand, der anderweitig fehlen wird, ganz abgesehen. Nur Psychopathen können mit solchen Situationen umgehen. 135 Fragte man einen jüdischen Überlebenden des Nationalsozialismus, was das Schlimmste war, wird er den Judenstern nennen. 136 Fragt man einen Überlebenden eines Konzentrationslagers, was am schnellsten tötete, wird er nicht den Hunger nennen, sondern die Kälte137. Hannah Arendt benannte die den Terror de facto gutheißende Ignoranz als Quelle des Bösen. Sehr anschaulich sieht man den Zusammenhang von Umwelt und Ich unter der therapeutischen Applikation von LSD: Das Setting ist hier alles entscheidend, da LSD ein extrem potenter Serotoninagonist ist, der den serotonerg dominierten sensorisch-somatischen Aspekt des Erlebens maximiert und den dopaminerg dominierten rational regulierenden Aspekt minimiert, was gleichbedeutend mit der erzwungenen Öffnung des mentalen Abwehrsystems ist.138 Umgekehrt setzt man bei komplexen Belastungsreaktionen therapeutisch einmalig MDMA ein, weil diese Droge ein sehr starkes Empathogen ist, also 23-50 14.05.2016 75885166 dem Konsumenten das Bewusstsein von sozialer Verbundenheit zumindest temporär wiedergeben kann, was die Verbindungen zwischen den zugehörigen Hirnarealen und dem Bewusstsein erneuert oder, falls sie noch rudimentär vorhanden ist, verstärkt und sie mit dem heutigen Leben neu vernetzt. Sobald die Verachtung, Ausgrenzung, Entwertung, Objektivierung, die Bereitschaft der Opferung aus dem Geist des Peinigers in den Geist des Betroffenen eindringt, zerstört dies das intersubjektive Ich wie Säure. Bei Jean-Paul Sartre ist es das: « L'enfer, c'est les autres. »139 Bei Edvard Munch ist es „Der Schrei“. Die Medusa symbolisiert das absolute Entsetzen, das die dritte und letzte Stressreaktion des Erstarrens gebiert. Dies kann bis zur vollständigen Vernichtung des intersubjektiven Ichs gehen. Erich Kästner warnte: „Was auch immer geschieht: Nie dürft Ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch zu trinken!“140 2.5 Lösungsansätze 2.5.1 Temporäre Kompensation einer sozial toxischen Umwelt Alles, was in der „nichtdominanten beziehungsorientierten Hemisphäre“ an sozial toxischer Erfahrung (bewusst zugänglich oder vollkommen unterbewusst) gespeichert wurde, kann und muss durch die „dominante Hemisphäre“ temporär neutralisierend kompensiert werden. Dies kann diese nur solange leisten, wie sie gut genug funktioniert, weswegen sich bei Demenzerkrankungen oder Wegfall von stabilisierenden Aspekten des Lebens141 alle möglichen Traumata des Lebens wieder reaktivieren können, und solange, wie sie genügend „Material“142 zur Erzeugung eines „Antidots“ zur Verfügung steht, das aber immer nur kompensativ für eine gewisse Zeit funktioniert, eben wie ein Schmerzmittel, das rein symptomatisch wirkt und eine spezifische Halbwertszeit hat. Tatsächlich handelt es sich bei den überwiegenden spezifischen Empfindungen von komplexen Traumata (neben dem Arousal) um Schmerzerleben im Anterioren Cingulären Cortex ACC (und Ekel primär in der Insula). 14.05.2016 24-50 75885166 2.5.2 Ersatz der sozial toxischen Umwelt Mit systemeigenen Mitteln kann der Schaden schon deshalb nicht repariert werden, weil es sich, wie oben gezeigt, zum weit überwiegenden Teil um eine Fremddefinition handelt, die aus dem emergenten Intersubjektiven, also aus Erfahrungen im intersubjektiven Raum des gesamten Lebens143 aufgebaut wurde. Das Antidot muss also ein neues adäquates emergentes Intersubjektives sein, das wiederum ein zweites Subjekt erfordert, das dem obigen Ansatz folgt und den sozial toxischen Geist der bisherigen Umwelt durch Erfahrung (!) relativieren, kompensieren, löschen, überschreiben lässt.144 Dieser Lernprozess ist, da ein grundsätzlich intersubjektiver Prozess, auf rein physischer, emotionaler, kognitiver theoretischer und intelligibler Ebene – also sozial autark – prinzipiell nicht leistbar! 2.5.3 Resultat Der Hauptmann von Kapernaum in Matthäus 8,5 wusste um die selbstreferenzielle Selbstregeneration seines Knechts (sein erster „Glaube“) und er war sich sicher, dass Jesus das, was das System des Knechts natürlicherweise erwartete, sah und sich demgemäß verhielt, ja gar nicht anders verhalten konnte (sein zweiter „Glaube“), und deshalb konnte der Hauptmann so reagieren. Jesus konnte so handeln, weil er fähig war, das zu sehen, was wirklich ist145. Die Macht liegt in der Dynamik des Systems, der potentielle Helfer muss sie nicht haben146, er muss sie nur zulassen (sein147)! Deswegen muss er keine Ohnmacht empfinden. Ihm kann nichts passieren, weil das, was er erbringen muss, nur sein Antwortverhalten ist, und das erbringen er immer und unausweichlich. Es ist schlimmstenfalls eine Herausforderung für ein Abenteuer, bei dem er etwas Neues erleben und lernen kann. Jesus wusste dies und deshalb handelt er so, wie er es tat. 148 Die bei Søren Kierkegaard beschriebene Haltung offenbart dies explizit. Komplexsystemisches Denken zeigt in Systemstruktur und Systemdynamik, wo und wie man diese Erkenntnis umsetzt. Die einfache Tatsache, dass, egal was man tut, man immer tätig ist und damit immer wirken wird, und, dass gerade das Nichtsein in Beziehung und Handlung mit dem Bösen gleichzusetzen ist, macht es für einen 25-50 14.05.2016 75885166 gebildeten und fluid intelligenten Menschen 149, der sich zumindest auf der sechsten moralischen Stufe nach Lawrence Kohlbergs150 befindet, einfach, das Richtige zu tun. Und wenn es nicht das Richtige war, so ist dies auch nicht falsch, denn nur die Falsifikation zeigt die Wirklichkeit (Realität erster Ordnung). Nur dadurch kann man noch besser hinsehen (Søren Kierkegaard) und der (komplexsystemische rekursiv-iterierte) sukzessive Approximationsprozess an Realität erster Ordnung gelangt zur nächst näheren Stufe. 3 Anhang 3.1 Arthur Janov (1975, Primal Man. The New Consciousness, Deutsche Übersetzung 1977 bei Fischer, S. 306), Kapitel: Über Moral Die Terminologie Arthur Janovs ist sehr speziell und kann nicht mit der Alltagsbedeutung gleichgesetzt werden. Z.B. ist das Wort Gefühl (Original: feeling) im folgenden Text komplex und kann nicht mit Einzelaspekten wie Gefühl, Empfindung, Emotion etc. angemessen übersetzt werden. Ein feeling ist die vollständige und bewusste Verknüpfung aller sozialen und mentalen und physischen Aspkte (sensomotorische statische und dynamische Empfindungen des Hirnstamms; emotionale Regelimpulse des Limbischen Systems; intuitive konkrete bildliche holistische beziehungsorientierte und logische abstrakte sprachliche reduktionistisch informationelle Kognitionen des Neocortex; intersubjektive und soziale und transpersonale Aspekte der Umwelt). Das von Arthur Janov beschrieben natürliche intrinsische Prinzip ist im Kern identisch mit Immanuel Kants „aus Pflicht“ des Kategorischen Imperativs, der einer „heiligen“ intrinsischen Pflicht151 entspricht. Der Begriff der Moral ist bei Arthur Janov im Gegensatz zu Kant praktisch immer rein extrinsisch oktroyiertes pädagogisches konstruktivistisches Artefakt definiert und entspricht daher dem „pflichtgemäß“ bei Kant. „Über Moral 14.05.2016 26-50 75885166 Meine Hypothese lautet, daß es Moral auf den tiefen Ebenen menschlichen Seins nicht gibt. Moral ist ein Konzept der dritten Ebene, das das umfaßt, was sein sollte, und dann auftritt, wenn Menschen ihren inneren Zugang verloren haben. Auf der fühlenden Ebene des Seins gibt es keine Moral, keine Vorstellungen von Recht und Unrecht; da gibt es nur das, was ist. Gefühle sind im Gegensatz zu Moral nie Bewertungen; es sind Zustände. Moralische Grundsätze, weil sie nur so tief wie die dritte Ebene sind, müssen, um überhaupt eine Wirkung zu haben, immer wieder neu heraufbeschworen werden, unter Zuhilfenahme wirklicher und imaginärer Strafen, um so natürlichen Gefühlen und Impulsen entgegenzuwirken. Wenn ein Mensch seine eigenen Gefühle haben darf, verflüchtigt sich jede Moral. Gefühle sind die einzigen moralischen Prinzipien des natürlichen Menschen. Sie leiten ihn an, ehrlich, rücksichtsvoll, freundlich, großzügig etc. zu sein. Wenn Fühlen durch Neurose verhindert wird, wenn der Mensch frustriert und wütend ist und dem, was er fühlt, nicht trauen kann, dann muß er durch Moral in Schach gehalten werden. Der neurotische Mensch kann nicht freundlich oder rücksichtsvoll sein und all die Tugenden, die wir gemeinhin preisen, nicht wirklich haben. Wenn Menschen nicht ihren Gefühlen entsprechend leben können, müssen sie sich von den Kategorien »richtig/falsch« leiten lassen. Für sie muß alles Verhalten klassifiziert sein. Wenn die Großmutter sagt, die Kinder seien »böse«, weil sie sie nie anrufen oder besuchen, so berücksichtigt sie nicht deren Wünsche und deren Gefühle, sondern sieht nur ihre eigenen Bedürfnisse. Ja, es ist der Moralist, der »Sünde« überhaupt erst erschafft, und das nicht nur im semantischen Sinne, nämlich insofern, als es eines Moralisten bedarf, um allein die Vorstellung von Sünde zu entwickeln, sondern auch weil es die moralischen Prinzipien sind, die Gefühle bekämpfen und im späteren Leben abweichendes, »sündiges« Verhalten erzeugen. Diese Prinzipien blockieren natürliche, reine Impulse und verwandeln sie in unmoralische Handlungen. Man denke an den Mann, der trinkt, nach Hause kommt, die Kinder verprügelt und dann zur Beichte geht und »Vergebung« erhält. Wenn er seinen Schmerz fühlen könnte, hätte er es von vornherein gar nicht erst nötig, ihn wegzutrinken. Wenn er seinen alten Zorn auf die 27-50 14.05.2016 75885166 Eltern fühlen könnte, müßte er ihn nicht an seinen Kindern auslassen. Und nachdem er seine Kinder verprügelt hätte, müßte er schon gar nicht irgendwohin gehen und sein Verhalten als »Sünde« einordnen lassen, damit ihm vergeben werde. Die Vorstellung von der »Vergebung« ändert überhaupt nichts, beseitigt gar nichts. Sie ermöglicht dem Menschen allenfalls eine vorübergehende Erleichterung, aber nur für kurze Zeit; danach agiert er wieder auf die gleiche Weise wie vorher. Gefühle heben Moral auf und machen sie zu einem nichtigen Konzept; Verhalten zu klassifizieren hilft uns nicht automatisch, es zu verstehen. Fühlende Menschen können anderen nicht weh tun, nicht einmal Tieren. Denn sie fühlen, sie erleben die Wirkung jeder ihrer Handlungen. Sie können den Schmerz anderer fühlen und würden einfach nichts machen, was anderen weh tun könnte. Für fühlende Menschen besteht keine Veranlassung, unmoralisch zu sein (in dem Sinne, wie es gemeinhin verstanden wird). Sie wollen nicht mehr, als sie brauchen; deshalb müssen sie nicht ermahnt werden, sie sollten nicht habgierig sein. Die gesamte Moral basiert doch auf der Annahme, wir seien von Geburt schlecht und müßten vor natürlichen »schlechten« Impulsen bewahrt werden. Wir haben uns so lange mit Neurose und den dazugehörigen unmoralischen Verhaltensweisen befaßt, daß wir inzwischen verfälschtes Leben als die Natur der Sache akzeptieren. Erst wenn wir den Menschen wirklich zu seinen Gefühlen bringen, sehen wir, was für ein reines, ehrliches und moralisches Wesen er ist. Und die eigenartige Dialektik liegt darin, daß gerade die moralischste aller Institutionen – die Kirche – eben jene gegen Gefühle gerichtete Idiologie verbreitet, die zu »unmoralischem« Verhalten führt – wie Trunksucht, Homosexualität etc. Wenn man den Menschen nicht geben kann, was sie brauchen, muß man ihnen Moral geben. Moral ist der Erzfeind des Menschen. Als Unterdrücker von Gefühlen bewirkt sie, daß wir uns einander gegenüber unmoralisch verhalten. Gerade in Ländern, in denen Religion einen besonders festen Stand hat, herrscht oft Hunger. Wo die Gesellschaft sich den Menschen gegenüber am unmoralischsten verhält, ist Moral besonders mächtig. 14.05.2016 28-50 75885166 Die ganze Vorstellung einer späteren Belohnung dient dazu, Menschen daran zu hindern, in der Gegenwart Erfüllung zu finden. Es bringt sie dazu, sich ausbeuten zu lassen und Profit für andere zu produzieren. Denn ohne eine spätere Belohnung im Himmel könnte das Volk beschließen, sich im »Jetzt« ein besseres Leben zu machen. Je mehr Bedürfnisse den Menschen versagt werden, um so größer das Bedürfnis, ihnen Moralprinzipien einzuimpfen, die sie diese Entbehrungen ertragen lassen. Moral ist das Opiat des Volkes. Die Suprastruktur der Moral einer Gesellschaft steht in umgekehrtem Verhältnis dazu, wie fühlend sie ist. Moral ist im Grunde ein totalitäres Konzept, denn sie stellt eine äußere Kraft dar, die den Menschen bestimmte Verhaltensweisen aufzwingt. Je weniger eine Gesellschaft auf Bedürfnisse Rücksicht nimmt, um so stärker muß sie unterdrücken. Je weniger Gefühle zugelassen werden, um so mehr äußere Richtlinien müssen geboten werden. Unterdrückung und Moralismus gehen miteinander Hand in Hand. Moralismus ist die Art, wie Unterdrückung durchgeführt wird, und Unterdrückung ist der Urquell für Moralismus. Meistens lassen gerade die von einer Kirche dominierten, besonders moralischen Gesellschaften die mit Abstand unmoralischsten Dinge geschehen, durch die Kriege fortgesetzt, Sicherheitsdenken gefördert und jene bestraft werden, die fühlen und ihren Gefühlen entsprechend handeln wollen, anstatt nach Moralgesetzen. Einem fühlenden Menschen käme der Gedanke an Moral gar nicht erst in den Sinn. Sein Fühlen selbst läßt ihn moralisch handeln; Moral ist mithin keine äußere Kraft, die feierliche Verehrung verdient. Moral ist seine Lebensart und nicht etwas, was ihm gegen seinen Willen aufgepfropft wird. Recht und Unrecht sind offensichtlich Abstraktionen, keine Realitäten. Wir sind zu unseren Kindern nicht grausam, und das nicht etwa, weil es »Unrecht« ist, ihnen weh zu tun, sondern weil ein fühlender Mensch einem anderen nicht weh tun kann. Wir sehen nicht deshalb davon ab, sie zu schlagen, weil ein anderer dem das symbolische Etikett »böse« verleiht, sondern weil fühlende Menschen von vornherein im wirklichen Sinne des Wortes moralisch sind. Wenn wir Menschen sagen müssen, sie dürften nicht grausam sein, so geschieht das nur, weil wir davon ausgehen, daß sie es ohne Be- und Einschränkungen tatsächlich wären – Moral basiert also auf einem grundlegenden Mißtrauen in menschliche Intentionen. Wir müssen noch lernen, daß Gefühle die 29-50 14.05.2016 75885166 einzig sinnvolle Disziplin sind. Gefühle setzen impulsivem, antisozialem Verhalten ein Ende. Die obige Diskussion muß notgedrungen zu der Frage führen: »Wird das Fehlen moralischer Prinzipien in einer Gesellschaft nicht zur Anarchie führen?« Die Antwort lautet »ja«, allerdings bedarf diese Antwort einer Klärung des Begriffs »Anarchie«. Ich bin der Auffassung, daß das Bedürfnis, regiert zu werden, sich sagen zu lassen, was man zu tun und zu machen habe, mit zunehmendem Fühlen nachläßt. Wir werden für eine reibungslose soziale Interaktion immer einige Grundregeln brauchen, aber sich den Regeln des Gesetzes anstatt den Regeln der Gefühle zu unterwerfen ist eine andere Sache. Von Gefühlen regiert zu werden verringert das Bedürfnis nach dem Gesetz als externer Kraft. Anarchie – eine »Jeder-für-sich-Haltung« – wird durch unsere gegenwärtige nichtfühlende Gesellschaft erzeugt. Die Gesellschaft produziert eine Überfülle von Gesetzen, weil man den Menschen nicht trauen kann. In einer fühlenden Gesellschaft macht jeder Mensch »seine eigene Sache«, nur ist das nicht mit Ausbeutung anderer verbunden, da niemand überschüssige vergrabene Bedürfnisse hat. Wenn in einer neurotischen Gesellschaft jeder Mensch »seine eigene Sache« macht, dann läßt sich von wahrer Anarchie sprechen. Wenn ich sage, wir müßten uns von unserem Feeling regieren lassen, sollte ich hinzufügen, daß Neurotiker meinen, sie fühlten. Ehe sie nicht tiefen Urschmerz erlebt haben, können sie nicht wissen, daß sie niemals tief gefühlt haben. Der Neurotiker mag sich für moralisch halten, weil er sich über seinen Zorn »erhoben«, hat, aber diese Haltung vermag seinen Zorn nicht zu beseitigen, sie hält ihn nur vergraben. Erst dadurch, daß man in die eigene tiefe Wut »versinkt«, wird sie ausgerottet, erst so werden wir zu aggressionsfreien, moralischen Wesen. Anders erreicht man allenfalls oberflächliche Frömmelei und salbungsvolles Getue, und die sind nie real. Das ist Scheinmoral. Wenn man frustriert und depriviert heranwächst, müssen im Innern ganz offensichtlich wirkliche Wut und vielleicht auch Rachegelüste entstehen. Wenn wir uns über diese Gefühle erheben, geben wir nur vor, moralisch zu sein, im Grunde aber ist dann alles Heuchelei. Für 14.05.2016 30-50 75885166 Neurotiker ist mithin Schmerz der Weg zu wahrer Moral, und neurotische Moral ist der Weg zu Schmerz. Sobald wir einmal verstanden haben, wie neurotisches Verhalten – zum Beispiel Perversionen – durch Schmerz in Gang gehalten wird, besteht kein Bedürfnis mehr, zu moralisieren und »Sünde« zu erschaffen. Wir können Sünde erst überwinden, wenn wir uns über die Moral hinwegsetzen. Schmerz erster und zweiter Ebene führt zu Unmoral auf der dritten Ebene; und das Erleben dieses Schmerzes führt zu wahrer Moral. Schmerz ist der Preis, den wir für die Wahrheit zahlen, und Sünde ist das Unvermögen, diese Wahrheit zu fühlen – das Unvermögen, wir selbst zu sein. Solange Menschen keinen inneren Zugang zu der schmerzhaften Wahrheit haben, müssen sie allein auf der dritten Ebene operieren. Und auf dieser Ebene treten sowohl Moral als auch Sünde in Erscheinung. Ist man einmal zu seinen Gefühlen vorgedrungen, gibt es weder Sünde noch Moral. Ich betrachte das Primärinstitut als eine moralische Institution, gerade weil sie keine Moral einimpft. Es gibt bei uns keine Bewertung und keine Schuld. Beziehungen zwischen Institutsangehörigen und Patienten beruhen auf Gefühlen, nicht auf Regeln. Es gibt eine Hierarchie, soweit es die Fachkenntnisse betrifft, jedoch keine Befehlskette. Es gibt keine höhere Moral, an die wir uns wenden, um unsere Schwierigkeiten zu bewältigen; das wird von Gefühlen besorgt. In der äußeren Gesellschaft ist die gesamte Suprastruktur moralisch getönt, eben weil sie nicht von Gefühlen gelenkt wird. Jede soziale Institution ist, und sei es noch so unbewußt, darauf angelegt, sich auf die eine oder andere Art mit dem Unvermögen zu fühlen auseinanderzusetzen. Selbst in den Nervenheilanstalten gibt es »schlechte« Verhaltensweisen, die weg-konditioniert werden müssen. Die therapeutische Ideologie ist so durchtränkt von aufgesetzter Moral, daß sie nicht einmal bemerkt wird. Schulen sind in jeder Hinsicht genauso moralisch wie die Kirchen; auch hier werden Gefühle als nicht dazugehörige Dinge betrachtet, die sich störend auf die Regeln auswirken. Die Schulbehörden kommen gar nicht erst auf den Gedanken, daß Regelungen sich erübrigen würden, wenn man uneingeschränktes Feeling zuließe. Wenn Gefühle dominieren, besteht kein Bedarf für äußere Kräfte. Im Gegenteil, für jede Abschaffung entsteht ein nur noch stärkerer Zwang – das ist eine 31-50 14.05.2016 75885166 Tretmühle, ein Netz, in dem die wirkliche Lektion nie gelernt wird. Feeling ist das einzig wirklich moralische Prinzip. Es ist ohne Frage ein beängstigender und einsamer Gedanke, zu erkennen, daß niemand »dort oben« ist, der urteilt und die Rechnungen für all unsere früheren Leiden begleicht. Der Gedanke, daß wir uns nur durch Fühlen leiten lassen sollten, ist beängstigend, denn es bedeutet, unserer »Sicherheit« ein Ende zu setzen. Wir können unser Handeln nicht mehr anhand von Formeln gesellschaftlicher Anerkennung oder Ablehnung berechnen; haben keine praktischen Anleitungsbücher, keine ewigen Wahrheiten oder östlichen Philosophien mehr, die uns führen könnten; keinen Halt in Familientradition, Etikette etc. Es ist alles nur eine Frage des mit sich selbst Ehrlichseins. Qual ist der Preis für ein moralisches Leben.“ 3.2 Aspekte des Hemisphärenmodells Das Hemisphärenmodell ist mehr als Metapher und als funktionales Modell, denn als neurologische Struktur zu verstehen. Je nach Begriffsdefinition kann die Einordnung unpassend werden. Der wesentliche Unterschied zeigt sich in extremer Ausprägung z.B. in der Wittgensteinschen Sprachverwirrung („dominante Hemisphäre“) und in der mystischen direkten Schau der Zusammenhänge („nichtdominante Hemisphäre“). „dominante Hemisphäre“ Sprache Aufklärung/Ratio Odysseus Gedanke Quantität monadisch deterministisch reduzierend linear zentral global generell subjektiv und objektiv objektiv informationell auf das Objekt orientiert Inhaltsebene (Kommunikation) extravertiert extraspektiv 14.05.2016 „nichtdominante Hemisphäre“ Gesang Mythos/Magie Achilleus Affekt Qualität offen komplex diversifizierend nichtlinear dezentral lokal speziell systemisch subjektiv beziehungsorientiert Beziehungsebene (Kommunikation) introvertiert introspektiv 32-50 75885166 max. exogene Orientierung des Bewusstseins bewusst gefährdet sprachlich sprachlich gesteuert (Steuerung ist immer exogen) prädikatives Denken deklaratives Gedächtnis kristalline Intelligenz reduktionistisch tagbewusstseinsorientierte intelligibel apperzeptiv abstrahierend analytisch Affirmation konstruktivistisch erklärend Kommunikation: Informationsebene Erklärung ist notwendig; bei fehlender widerspruchsfreier Erklärung wird kreativ fabuliert analytische Beschreibungen bildend zeitorientiert folgerichtig dynamisch deduktiv und induktiv syntaktisch rational kreiert Realität 2. Ordnung und beschreibt Realität 1. Ordnung muss wegen seiner konstruktivistischen Qualität stets logisch und empirisch prüfen kann jegliche Systemgrenze durch kreatives probatorisches Fabulieren überwinden Wahrheit existiert, da Unwahrheit durch probatorische Konstruktionen geschaffen werden kann Ethik im Sinne eines allgemeinen kognitiven Konzepts existiert (Moral ist abhängig vom Umgebungssystem – Raum und Zeit) (*) (Ästhetik ist kein Aspekt) 33-50 Flow unbewusst/unterbewusst tolerant sozial bildlich selbstreguliert (Regulation ist immer endogen) funktionales Denken prozedurales/episodisches Gedächtnis fluide Intelligenz holistisch schlaforientierte sensorisch/sinnlich perzeptiv konkret synthetisch Imagination rationalistisch beschreibend Kommunikation: Beziehungsebene (Erklärung ist kein Aspekt; die Dinge sind wie sie sind, weswegen nicht kreativ fabuliert werden muss) Muster bildend raumorientiert assoziativ statisch abduktiv semantisch irrational erlebt Realität 1. Ordnung und stellt diese direkt dar direkte sinnliche Wahrnehmung und emotionale Bewertung ist evident kann Systemgrenzen durch das Prinzip des sinnlichen Erlebens und emotionalen Bewertens nicht überwinden Wahrheit ist kein Aspekt, da es im sinnlichen Erleben und emotionalen Bewerten keine Unwahrheit gibt (Ethik ist kein Aspekt) Moral im Sinne situativer (!) gemeinschaftlich und persönlich förderlicher Bewertung existiert (*) Ästhetik existiert 14.05.2016 75885166 Hierarchie, Macht, Geld existieren Regeln sind absolut und global Vernunft existiert Glaube an ein Transzendentes ist möglich Dharma systematisches kognitives Wissen Logik „Der kategorische Imperativ ist also nur ein einziger und zwar dieser: handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ (Immanuel Kant, 1785, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Zweiter Abschnitt. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten., Akademie Ausgabe IV, S 421, Z 6, http://www.korpora.org/Kant/aa04/421.html, 7.2013) „Ich nenne alle subjective Grundsätze, die nicht von der Beschaffenheit des Objects, sondern dem Interesse der Vernunft in Ansehung einer gewissen möglichen Vollkommenheit der Erkenntniß dieses Objects hergenommen sind, Maximen der Vernunft.“ (Immanuel Kant, 1787, Kritik der reinen Vernunft (2. Aufl.). I. Transscendentale Elementarlehre. Anhang zur transzendentalen Dialektik. Zweite Abtheilung. Die transscendentale Dialektik. Zweites Buch. Von den dialektischen Schlüssen der reinen Vernunft. 3. Hauptstück. Das Ideal der reinen Vernunft. Anhang zur transscendentalen Dialektik. Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft., Akademie Ausgabe III, S. 440, Z. 23, http://korpora.zim.uni-duisburgessen.de/Kant/aa03/440.html, 7.2013) 14.05.2016 (Hierarchie, Macht, Geld sind keine Aspekte) Regeln sind flexibel und lokal (Vernunft ist kein Aspekt) Erkennen des Transzendenten ist möglich Buddha Erkennen (Erleuchtung, mystische Schau) Intuition „Zwei Dinge erfüllen das Gemüth mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt, oder im Überschwenglichen, außer meinem Gesichtskreise suchen und blos vermuthen; ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein meiner Existenz. Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußern Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer. Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit, an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich nicht wie dort in blos zufälliger, sondern allgemeiner und nothwendiger Verknüpfung erkenne.“ (Immanuel Kant, 1788, Kritik der Praktischen Vernunft. Zweiter Theil. Methodenlehre der reinen praktischen Vernunft. Beschluss., Akademie Ausgabe V, S. 161 f, Z. 33, http://www.korpora.org/Kant/aa05/161.html, 7.2013) 34-50 75885166 „Das moralische Gesetz ist nämlich für den Willen eines allervollkommensten Wesens ein Gesetz der Heiligkeit, für den Willen jedes endlichen vernünftigen Wesens aber ein Gesetz der Pflicht, der moralischen Nöthigung, und der Bestimmung der Handlungen desselben durch Achtung für dies Gesetz und aus Ehrfurcht für seine Pflicht. Ein anderes subjectives Princip muß zur Triebfeder nicht angenommen werden, denn sonst kann zwar die Handlung, wie das Gesetz sie vorschreibt, ausfallen, aber da sie zwar pflichtmäßig [*] ist, aber nicht aus Pflicht [*] geschieht, so ist die Gesinnung dazu nicht moralisch, auf die es doch in dieser Gesetzgebung eigentlich ankommt.“ (Immanuel Kant, 1788, Kritik der praktischen Vernunft. Erster Theil. Elementarlehre der reinen praktischen Vernunft. Erstes Buch. Die Analytik der reinen praktischen Vernunft. Drittes Hauptstück. Von den Triebfedern der reinen praktischen Vernunft., Akademie Ausgabe V, S. 82, Z. 8, http://korpora.zim.uni-duisburgessen.de/Kant/aa05/082.html, 7.2013) (*) Siehe auch 3.1 Arthur Janov (1975, Primal Man. The New Consciousness, Deutsche Übersetzung 1977 bei Fischer, S. 306), Kapitel: Über Moral 1 Eine Ausnahme wäre, dass der potentielle Helfer akut in einer ähnlichen Situation wäre oder eine solche Situation bestanden hätte, die mangels exogener Ressourcen bis jetzt noch nicht aufgelöst werden konnte, was hier jedoch beides ausgeschlossen wird. 2 Wird die Erfahrung gegenüber dem Bewusstsein verschlossen, wird dieser Bereich antisozial, d.h. er kann, wie bei einem Psychopathen, nur noch abstrakt wahrnehmen, aber nicht mehr somatisch, emotional, kognitiv, intersubjektiv und sozial mitschwingen. 3 Vgl. den Begriff mock-therapist (Schein-Therapeut, Möchtegern-Therapeut) bei Arthur Janov, 2005, Grand Delusion – Psychotherapies Without Feeling (http://www.primaltherapy.com/GrandDelusions/, 7.2013) und 1993, Der neue Urschrei Fortschritte in der Primärtherapie, S. 353/360-361/363/366/387 (Original: 1991, The New Primal Scream Primal Therapy 20 Years on) (http://www.dieontogenetischeseite.de/artikelundbuchauszuege.htm, 7.2013). 4 Ichdystone endogen Aspekte sind z.B. Erlebnisqualitäten von Introjekten oder situative Erlebensqualitäten, die dem eigenen Charakter fremd sind und vom eigenen 35-50 14.05.2016 75885166 Ich als fremd erlebt werden, also von außen übernommen und im eigenen Ich gespeichert wurden. 5 Søren Kierkegaard, 1859, Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller, S. 38 f 6 John Hattie, 2008, Visible Learning, S. 22 und S. 25 7 „Es geht darum, dass der Lehrer den Lernprozess durch die Augen des Schülers und der Schüler den Lehrer als Katalysator für den jeweils nächsten Schritt erleben kann.” 8 „Am wichtigsten ist, dass das Lehren für den Schüler und Lernen für den Lehrer transparent ist. Je mehr der Lernende zum Lehrer und je mehr der Lehrer zum Lernenden wird, umso erfolgreicher werden die Ergebnisse sein.“ 9 Vgl. John Hattie, 2013, Lernen sichtbar machen, 2014, Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen 10 Dies heißt nicht, dass man nicht alles lernen soll, was man lernen kann! 11 Dynamisch prozedurales Beantworten ist sensomotorisch rekursiv approximativ adaptierend. Das Gegenteil ist statisch deklaratives Beantworten, das absolut definitorisch und damit nicht adaptiv ist. 12 „Der Arzt behandelt, die Natur heilt.“ 13 Steuerung ist immer die Manipulation eines Systems, einer Blackbox von außen. 14 Regelung ist immer die endogene immanente Dynamik. 15 Z.B. der Zustand unserer derzeitigen Ökonomie. 16 Chaos ist der dritte Abschnitt des Feigenbaumszenarios. 17 Der Erfolg des Therapieansatzes des Kontrollierten Trinkens bei ansonsten therapieresistenten Langzeitalkoholikern ist eines von vielen Beispielen. 18 Für die Analyse des globalen Finanz- und Wirtschaftssystems als komplexes nichtlineares dynamisches System ist vor allem Stefano Battiston von der ETH Zürich bekannt geworden. Siehe: Stefano Battiston et al., 2012, DebtRank: Too Central to Fail? Financial Networks, the FED and Systemic Risk (2.8.2012, http://dx.doi.org/10.1038/srep00541); Danilo Delpini et al., 2013, Evolution of Controllability in Interbank Networks (9.4.2013, http://dx.doi.org/10.1038/srep01626); Tarik Roukny et al., 2013, Default Cascades in Complex Networks: Topology and Systemic Risk (26.9.2013, http://dx.doi.org/10.1038/srep02759) 19 In Schwärmen korreliert jedes Tier seine Route mit z.B. den nächsten 5 Tieren, die sich direkt um ihn herum befindenden, und richtet seine Route nach diesen aus. Hieraus ergibt sich das typische elastische Bild von Schwärmen, Herden und Schulen. 20 Je öfter Ameisen einen Punkt passieren, umso höher wird die Pheromonkonzentration dort und umso attraktiver ist der Punkt. Da die zurückkommenden Ameisen den Punkt früher passieren als ungünstigere Wege, ergibt sich auf der kürzesten Strecke die höchste Konzentration und somit die höchste Attraktivität. 14.05.2016 36-50 75885166 21 “Zuallererst [beachte]: Niemals schaden!” (Scribonius Largus, Arzt am Hof von Kaiser Tiberius Claudius, 50 n. Chr.) 22 Vgl. Grundhaltung der Hypnotherapie bei Milton Erickson. 23 Vgl. Welt- und Menschenbild von René Descartes. 24 Siehe das Rosenhan-Experiment (David Rosenhan, 1973, On Being Sane in Insane Places), Peter Breggin, Josef Zehentbauer, Peter Lehmann im Besonderen und das zugrunde liegende System betreffend Arno Gruen, Alice Miller, Paul Watzlawick, Klaus Schlagmann, Robert Stolorow, Jeffrey Masson gegenüber Sigmund Freud, Melanie Klein, Otto Kernberg, Rainer Krause, Eva Bänninger-Huber, Otto Benkert und Hanns Hippius (1998 bis 2013, Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie) sowie dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM IV (1994, Deutsch: 1996) und die unglaublichen Erweiterung des DSM V (1999, Deutsch 2013) um nur ein paar herauszugreifen. 25 Selbst ein mehr als konservativer Manfred Spitzer kommt nicht umhin dies zu betonen, wenn er über das Mesolimbische System und über die neurologische Lernschleife spricht. 26 Siehe Gerald Hüther, John Hattie, André Stern, Ken Robinson. 27 Peter Sloterdijk, 2006, Zorn und Zeit. 28 Arthur Janov, 1970, The Primal Scream (neben allen anderen Büchern von Arthur Janov) Der Begriff feeling bei Arthur Janov ist komplex, darf also nicht mit „fühlen“, „Gefühl“, „Emotion“, „Empfindung“ übersetzt werden. Ein feeling ist ein mentaler Attraktor, der alle relevanten Ebenen gleichzeitig und bewusst (”consciousnessawareness”) enthält: viszerale, endokrine, neuronale, strukturelle, soziale, intersubjektive, emotionale, sensorische, konstruierte, kognitive, intelligible. 29 Hat man Kontakt zu einem feeling, resultiert daraus ein primal (direktes und vollständiges Erleben im Originalkontext) und daraus eine Flut von insights (kognitive Erkenntnisse mit der emotionalen Bewertung eines Heureka). 30 Es geht hier nicht um Gottfried Wilhelm Leibniz Monadenlehre (http://gutenberg.spiegel.de/buch/2790/1, 7.2013) sondern um den Begriff der Monade als isolierte Einheit, die offensichtlich die Basis für die Welt- und Menschensicht unserer Gesellschaft und der allermeisten Menschen in ihr stellt. Die Idee, dass sich ein Individuum isoliert und deterministisch und einzig und auf allen Ebenen über SelbstBewusstsein, Selbst-Sicherheit, Selbst-Versorgung, Selbst-Wert, Selbst-Ständigkeit, Selbst-Bestimmung, Selbst-Wirksamkeit, Selbst-Verantwortung, Selbst-Steuerung, Selbst-Regelung, Selbst-Kontrolle, Selbst-Management, Individualität, Unabhängigkeit, Resilienz, Coping etc. definiert, wie es gerade die Psychologie nicht müde wird zu phantasieren, ist irreal in der Anschauung und irrational in der Intention und zeugt von einem selbstentfremdeten Selbst, einem asozialen und antisozialen Ich und einem anti- und pseudowissenschaftlichen und „verwirrschaftlichen“ Geist. Leibnizs Denkfehler war, zu untersuchen, was das Einzelne an sich (sic!) ist, und dabei die Umgebung auszublenden, ohne die das Einzelne sich genauso auflöst, wie das „reine Sein“ bei Hegel (Siehe: www.zeno.org, 7.2013: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Erster Teil: Die Wissenschaft der Logik, 1. Abteilung: Die Lehre vom Sein, A. Qualität, a. Sein, § 37-50 14.05.2016 75885166 87). Jedes biologische, geistige und soziale System ist schon aus Gründen der Thermodynamik vollständig und ausnahmslos nichtautark und es muss folglich prinzipbedingt offen sein, was für alle materiellen, energetischen und informationellen Ressourcen gleichermaßen gilt: Es gibt kein Perpetuum mobile, kein creatio ex nihilo, kein Wissen ohne empirische Falsifikation in und durch und mit der Umwelt. Jedoch ist jedes biologische, geistige und soziale System in seiner Funktion im Status quo ebenso vollständig und ausnahmslos autonom, weswegen es selbstreferenziell und selbst-reguliert und selbst-organisiert ist; wobei jede Veränderung seiner Funktion auf materielle, energetische und informationelle Ressourcen angewiesen ist, die zwangsläufig exogen und damit jede Änderung der Funktion vollständig und ausnahmslos nichtautark ist. Selbst eine epigenetische Umschaltung geht auf einen systemfremden Auslöser zurück. 31 „2. Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhalten. 2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. 2.011 Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.“ (Ludwig Wittgenstein, 1922, Tractatus Logico-Philosophicus, http://tractatus-online.appspot.com/Tractatus/jonathan/D.html, 7.2013) drückt dies aus. 32 Das Erwachen der Kundalini ist ein Erweckungsprozess, der im Gegensatz zum Satori im Zen eine sehr starke körperliche Komponente aufweist, die auch beabsichtigt ist. Siehe Beispiele in Bonnie Greenwell, 2000, Kundalini. 33 Kensho = Sehen der eigenen Buddha-Natur. 34 Satori = ganzheitliches und vollständiges Verstehen im Sinne eines bewussten direkten sinnlichen holistischen Erkennens, das soweit versprachlicht werden kann, wie dies prinzipiell möglich ist. Satori epistemologischer Schritt, ist eine bestimmte Qualität der Wahrnehmung, wie in der Arbeit mit Koans gut zu sehen ist. Quantitativ ist Satori ein endloser Prozess, der niemals abgeschlossen ist, weil der Kosmos als Ganzes nie vollständig erfasst werden kann. 35 Das Hemisphärenmodell ist umstritten, was hier jedoch nicht stört, da es nicht um den neurologischen, sondern um den Erlebensaspekt geht. Der Erfahrungsrahmen der nichtdominanten Hemisphäre bezieht sich auf luzides Träumen, hypnagoge Arbeit und Meditation gegenüber explizitem Versprachlichen und Analysieren. Siehe auch 3.2 Aspekte des Hemisphärenmodells. 36 Die Gedächtnisspanne umfasst 7±2 Items. 37 Das Nichtbewusste umfasst das nicht oder nur durch besondere Maßnahmen bewusst zugängliche Unterbewusstsein, das Vorbewusstsein und die ebenso riesige Menge an prinzipiell gezielt abrufbaren oder triggerbaren Daten (z.B. aktiver und passiver Wortschatz), die im Moment nicht im Fokus des Bewusstseins stehen. Es umfasst prädikative/funktionale (Elisabeth Dägling; Inge Schwank), deklarative / prozedural / episodische, strukturelle/dynamische, kollektive (C. G. Jung), phylogenetische, ontogenetische und genetische/epigenetische Information. Das Verhältnis von im Normalfall nicht direkt bewusst zugänglichen zu direkt bewusst zugänglichen Inhalten liegt im Bereich mehrerer Größenordnungen. 38 Dies würde wiederum nur das System der relativ hohen exogenen Macht speziell professioneller Helfer und generell aller nach einem formalen System arbeitenden Helfer widerspiegeln, denn solcherart Macht wird zwangsläufig steuernd eingesetzt, 14.05.2016 38-50 75885166 da sie von außen gegeben wurde, um das Außen zu manipulieren, um damit die Hierarchie durch von oben nach unten gegebener Autorität aufrechtzuerhalten. Regelung ist hingegen ein bilaterales demokratisches egalitäres kooperatives kommunikatives Geschehen auf Augenhöhe, das auf der inneren Macht beruht, der thymotischen Energie bei Peter Sloterdijk, die aus ihrer eigenen Fülle, Größe und Stärke heraus geben und vertrauen kann, ohne vorher aus ihrem inneren Mangel und ihrer inneren Kleinheit und Schwäche erosgesteuert ängstlich und gierig Verträge ratifizieren zu müssen, und Beschädigungen, exogene Fehlsteuerungen und exogen blockierte Entwicklungen als willkommenen Entwicklungsraum und Wirklichkeitsannäherungsschritt versteht und nicht als Mängel und Fehler, die mit Entwertung und Bestrafung beantwortet werden müssen. 39 „Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“ Ludwig Wittgenstein, 1953, Philosophische Untersuchungen, 109, (Ludwig Wittgenstein Werkausgabe Band 1, 1999, S. 231-485, http://www.geocities.jp/mickindex/wittgenstein/witt_pu_gm.html#LocalLink-c109, 7.2013). 40 „§ 11. Die Sinne betrügen nicht. […] und dieses darum, nicht weil sie immer richtig urtheilen, sondern weil sie gar nicht urtheilen; weshalb der Irrthum immer nur dem Verstande zur Last fällt.“ Immanuel Kant, 1798, Der Streit der Fakultäten, Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Erster Teil, Erstes Buch, Rechtfertigung der Sinnlichkeit wider die Dritte Anklage, § 11, (Akademieausgabe VII, S. 146, http://www.korpora.org/Kant/aa07/146.html, 7.2013). 41 „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“ Karl Rahner, 1966, Frömmigkeit heute und morgen, (Geist und Leben, Nr. 39, 1966, S. 326-342, S. 335); Karl Rahner, 1966, Vortragsentwurf Frömmigkeit früher und heute, (Schriften zur Theologie, Bd. 7, Zur Theologie des geistlichen Lebens, 1966, S. 11-31). 42 „Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung derjenigen, die die Welt nie angeschaut haben.“ (Alexander von Humboldt, ?, ?) 43 Eine sehr anschauliche, aber bereits von der direkten Verbindung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein entkoppelte Qualität ist der Kinesiologische Muskeltest. 44 Sloterdijks Thymos kann auch zweckentfremdet werden, wie man z.B. an Adolf Hitlers generalisiertem Rachefeldzug gegen die Welt sieht. Dies setzt aber zusätzlich einen vorausgehenden extrem intensiven Kontakt mit dem Bösen im Sinne Hannah Arendts voraus. Hitler erlebte durch seine Umwelt so lange Hilflosigkeit, bis er im doppelten Wortsinne ohnmächtig wurde, d.h. bis alle Beziehungen aufgelöst waren, er seine Sozialität, seine Empathie, seine Fähigkeit in Beziehung zu sein gänzlich aufgeben musste (vgl. Arno Gruen), denn seine Umwelt war offensichtlich vollständig asozial und antisozial, also nach Hannah Arendt böse, was für jemanden, der auch nur noch ein Minimum an sozialen Spiegelneuronen aktiviert hat, unerträglich ist. (Auch KZ-Insassen berichteten praktisch durchgängig, dass sie die interpersonale Ebene kappen mussten, um zu überleben!) Er starb sozial und 39-50 14.05.2016 75885166 überlebte physisch und musste so zum Psychopathen werden. Hilflosigkeit ist sozial: der Hilflose erwartet etwas von seiner Umwelt, steht also mit ihr in Beziehung. Die Ohnmacht ist monadisch: der Ohnmächtige erwartet nichts von seiner Umwelt, da er keine Beziehung zu ihr hat. Der Mensch erfährt schon im Mutterleib Beziehung, was in der Tradition des Initiationsritus vollendet wird. Der Mensch erlernt so ebenso die Fähigkeit zur Hilflosigkeit, da diese nur erlebt werden kann, wenn sein Gehirn in Beziehung zum Außen steht. Wird diese, bei jedem aufgebaute Beziehungsstruktur im Nervensystem durch die Umwelt systematisch zerstört, kann ein Mensch wieder zurückfallen in den asozialen Zustand der isolierten Ohnmacht, der bloßen Existenz. Dem Prinzip nach ist dies Jean-Jacques Rousseaus Menschenbild. Zum Initiationsritus: Ein Kind das bisher Beschützsein und Genährtsein idealerweise in jeder Lebenslage auf allen Ebenen erlebte (Bestimmungsstücke: Offenheit, Sozialität, Regenerabilität), muss erkennen, dass die Welt auch eine zerstörende Seite (Bestimmungsstücke: Vulnerabilität, Zufälligkeit) besitzt, die, ist man alleine, hochpotent tödlich wird, und es selbst nicht omnipotent ist (Bestimmungsstücke: materielle Begrenztheit und zeitliche Endlichkeit). Der Ritus dient der Begrenzung der Gefahr. Nach der Erfahrung der Initiation kann es das letzte Bestimmungsstück der menschlicher Existenz erleben: Sexualität, um die, seinem Kontinuum (vgl. Jean Liedloff, 1975, The Continuum-Concept – In Search of Lost Happiness) gemäß gemachte vollständige Erfahrung der inneren und äußeren Welt jetzt an die nächste Generation weiterzugeben und der Gruppe, die ihn schützt und erhält, zu Diensten sein zu können. 45 Im Sinne eines sukzessiven Prozesses einer Annäherung an Passung, an harmonische Proportion, an optimale Gestalt, die vollkommene Form, den geschlossenen runden Kreis, wie es z.B. ein Michelangelo bei seiner Arbeit empfand. 46 Michael Harner, 1991, Der Weg des Schamanen; Paul Uccusic, 1993, Der Schamane in uns; Sandra Ingerman (Transpersonale Psychologie), 2002, Auf der Suche nach der verlorenen Seele. 47 Hier ist nicht Traumdeutung gemeint, sondern induzierte Traumthemen, luzides Träumen, hypnagoges Arbeiten und Enkoimesis. 48 Regelsysteme: Endokrinum, Enzymsystem, Immunsystem, Mikrobiom, synaptische, biochemische und epigenetische Plastizität und Neurogenese des Nervensystems neben der belastungsabhängigen Adaption des Muskel-, BindegewebsKnochensystems u. a. 49 Es gibt einen Jesuitenwitz über die Autorität, dem zu Folge der Obere den Unteren ausführlich befragt, was seines sei und wo er im Leben hin wolle, um dann zu befehlen, dass dies so und nicht anders zu geschehen habe. (Wer nicht wisse, wer und was er sei und wo her hin wolle, den mache man zu einem Oberen.) Die Jesuitische Ausbildung verläuft über 10 bis 15 Jahre, der eine weitere 5 bis 10 Jahre dauernde praktische Orientierungsphase angeschlossen ist. Die Führung sollte dem Geführten dazu dienen, seinen Weg zu finden. 50 Viktor Frankl, ?, ? 14.05.2016 40-50 75885166 51 Das Mikrobiom des Menschen umfasst ca. so viele Bakterien (1013-1014) wie Zellen (1013-1014) im Körper sind. (https://de.wikipedia.org/wiki/Bakterien#Bakterien_auf_und_im_Menschen, https://de.wikipedia.org/wiki/Darmflora, https://de.wikipedia.org/wiki/Symbioselenkung, http://www.spektrum.de/frage/wie-viele-zellen-hat-der-mensch/620672, 7.2013) Das Human Microbiome Project ist noch nicht abgeschlossen. Die Anzahl der Mikrobenarten im Mikrobiom eines Erwachsenen wird auf 10.000 geschätzt. (https://de.wikipedia.org/wiki/Human_Microbiome_Project, 7.2013) Die Genomgröße des homo sapiens umfasst 3,27 × 109 Basenpaare, 23.000 Gene (10 Gene pro Millionen Basenpaaren). Das Darmbakterium Escherichia coli umfasst 4,6 × 106 Basenpaare auf 4.500 Genen (900 Gene pro Millionen Basenpaaren) Das Genom des homo sapiens enthält somit 711-mal mehr Basenpaare als das des Escherichia coli (https://de.wikipedia.org/wiki/Genom#Genomgr.C3.B6.C3.9Fen, 7.2013). Geht man von 10.000 Mikrobenarten in einem erwachsenen Menschen aus, so ergäbe dies auf der Basis der Genomgröße des Escherichia coli eine um den Faktor 14 (!) größere Informationsmenge im Mikrobiom eines Menschen als in seinem eigenen Genom. 52 Die Auflösung des Ichs in einen vollständig abstrakten leeren Netzwerkknoten ist eine grobe Unzulässigkeit und ein gravierender Fehler bei (der Anwendung von) Niklas Luhmann, der direkt bestimmte verhängnisvolle Folgen für soziale Aspekte in der Ökonomie zeitigte bzw. das zugehörige neoliberale Denken unterstützte, das mit Margaret Thatcher (1979) und Ronald Reagan (1981) seinen Siegeszug antrat: wie totale Austauschbarkeit und totale Wertlosigkeit des Subjekts jenseits seiner temporären Funktion und Kosten-Nutzen-Bilanz für ein Unternehmen. Das „Plattmachen“ von Firmen, um sie mit billigeren Leihkräften oder den heute beliebten noch asozialeren Werksverträgen, die durch das menschenverachtende Hartz IV auf ein künstliches Minimalniveau angehoben werden, wieder aufzubauen, ist ein konsequentes Beispiel dieses fehlerhaften Ansatzes. 53 Erich Fromm, 1974, Anatomie der menschlichen Destruktivität 54 “We are all born originals - why is it so many of us die copies?” (Edward Young, ?, ?) „Wir sind alle als Originale geboren - Wie kommt es, dass so viele von uns als Kopie sterben?“ „Jeder Mensch wird als Original geboren, aber die meisten sterben als Kopie.“ (Kaspar Schmidt, ?, ?) „Unter den Menschen gibt es viel mehr Kopien als Originale.“ (Pablo Picasso, ?, ?) 55 Vgl. Jean-Jacques Rousseaus Menschenbild unter dem Aspekt des von Natur aus gegebenen Potentials zum Guten unter der Prämisse günstiger (!) Umweltbedingungen und dem genuinen Potential des homo sapiens bei Friedrich Nietzsche zum „Übermenschen“ sowie der als nächstes zu verwirklichenden Noosphäre bei Teilhard de Chardin, die den Menschen noch vom „Omegapunkt“ trennt. Empirische orientierte Darstellungen finden sich z.B. in der Psychologie bei Jean Liedloff (1975, The Continuum-Concept, In Search of Lost Happiness) und durchgängig bei Alice Miller, Arthur Janov und in der Medizin bei Frédérick Leboyer. 56 „Nicht wir, die Überlebenden, sind die wirklichen Zeugen. Das ist eine unbequeme Einsicht, die mir langsam bewußt geworden ist, während ich die Erinnerungen anderer las und meine eigenen nach einem Abstand von Jahren wiedergelesen habe. 41-50 14.05.2016 75885166 Wir Überlebenden sind nicht nur eine verschwindend kleine, sondern auch eine anomale Minderheit; wir sind die, die aufgrund von Pflichtverletzung, aufgrund ihrer Geschicklichkeit oder ihres Glücks den tiefsten Punkt des Abgrunds nicht berührt haben. Wer ihn berührt hat, konnte nicht mehr zurückkehren, um zu berichten, oder er ist stumm geworden.“ (Primo Levi, 1990, Die Untergegangenen und die Geretteten) 57 Prämisse: Man kann in einem einzigen Leben niemals alles verwirklichen, was einem an endogenen Potentialen zur Verfügung steht. 58 Biophilie im Sinne: Erich Fromm, 1974, Anatomie der menschlichen Destruktivität. 59 Das Extrem des CIPA-Syndroms (congenital insensitivity to pain and anhidrosis; Deutsch: Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV, HSAN IV) zeigt die Lebensgefährlichkeit von fehlender Sensitivität durch Analgesie nach innen und außen eindrücklich. 60 Immanuel Kant, 1784, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? 61 Martin Seligman, 1979, Erlernte Hilflosigkeit 62 Émile Durkheim, 1897, Le suicide 63 Alice Miller, 1979 und wesentlich überarbeitet 1994, Das Drama des begabten Kindes. 64 Kernkraftwerkbetreiber und Hersteller diverser Chemikalien können dies sehr wohl. 65 Posttraumatischer Stress resultiert aus einer epigenetischen Umschaltung; Sport und Ernährung wirken auch auf epigenetischer Ebene. 66 Beachte: Krebs ist per definitionem nicht mehr ein Aspekt des Körpers, weil er genetisch verändert ist! Die kooperative (!) Selbstregelung innerhalb eines komplexen Systems als primäre Basis ist bei Krebs gerade nicht mehr gegeben. Außerdem geht die Entstehung jedes Krebses auf destruktive exogene Faktoren zurück. 67 Die Krebstherapie der Zukunft wird die Selbstregelung des Gesamtsystems unterstützen und jene der Krebszelle neu parametrisieren (z.B. monoklonale Antikörper, Einsatz von Viren als Informationsvermittler zur Aktivierung der Apoptose der Krebszellen). 68 Das vollständige Zitat von Immanuel Kant findet sich am Ende von 3.2 Aspekte des Hemisphärenmodells. 69 C. G. Jung, ?, ? 70 Vgl. den Begriff der Anschlussfähigkeit bei Niklas Luhmann. 71 Judith Herman, (Englisch) 1992, Trauma and Recovery, (Deutsch) 2003, Die Narben der Gewalt. (Zitat in Einleitung 2003.) 72 Vgl. Fußnote 49. 73 Hannah Arendt, 1965, Vorlesungen (2007, Piper) (2009, Onomato) 74 Die Auflösung der Struktur durch Entropie ist ein statistischer Prozess, der bei Abwesenheit Energiezufuhr benötigender Komplexität schaffender Prozesse, wie man sie in der Chemie und Biologie findet, durch die verbleibende Thermodynamik den Zustand höchster Wahrscheinlichkeit herbeiführt, und dies ist eben jener, der keinerlei Struktur in sich trägt. 14.05.2016 42-50 75885166 75 Konstruktion und Destruktion sind direkt einsehbar natürliche und notwendige Prozesse für qualitatives Wachstum (Evolution). 76 Wie bei Augustinus, Hannah Arendt, und teilweise auch bei Erich Fromm beschrieben, stellt das Gute eine Entität dar, wogegen das Böse gerade das Fehlen des biophilen Antwortverhaltens ist, also keine Entität stellt, also das Fehlen einer existentiellen bzw. essentiellen Entität repräsentiert. 77 Ein Konstrukt wie ein Todestrieb oder ähnliches ist deshalb Unsinn. 78 Dies ist kein Widerspruch zur grundsätzlichen Aussage der Thermodynamik, dass die Entropie des Gesamten stets ansteigt, da sich der Werdungsprozess/Schöpfungsprozess auf den Teilbereich, in dem die Negentropie wirkt (Chemie, Biologie, [Information: Geist]), bezieht, der durch das Biologische erzeugte Zuwachs an Entropie aber sich im Unbelebten ergibt: Alles, was den Körper verlässt (Atem, Wärmestrahlung etc.) erhöht die Entropie der Umgebung, während das System sich durch die aufgenommene Nahrung, die niedriger Entropie (Struktur) war, regeneriert und so Entropie (Strukturschäden und Entwicklungspotential) reduziert. Final löst sich die Körperstruktur gänzlich auf, was wiederum Entropie erzeugt. Die Entropiebilanz ist für den lebenden Körper negativ und für die Umwelt als Ganzes positiv, wodurch der Physik Genüge getan ist. Siehe auch Fußnote 74. 79 Vgl. die Vier Edlen Wahrheiten des Buddhismus in Fußnote 127. 80 Im sozialen Bereich sind diese exogenen Ressourcen das intersubjektive Antwortverhalten der Umwelt, welches das Ich definiert. 81 Das Continuum concept von Jean Liedloff (1975) beschreibt dies beispielsweise explizit für den Umgang mit unserem Nachwuchs. 82 Exklusion bedeutet Ausschluss von Ressourcen, was für ein offenes System zwangsläufig tödlich ist. 83 Hannah Arendt, 1965, Vorlesungen (2007, Piper) (2009, Onomato) 84 Das Gute ist die Leben ermöglichende (!) adäquate Beantwortung der Leben schaffenden (!) autonomen selbstregulierten Dynamik eines offenen und damit grundsätzlich nichtautarken komplexen Systems durch das Umgebungssystem im Sinne des Empfängersystems. 85 Wenn die Sonne verschwände, so stürbe alles Leben auf der Erde. Durch ihre Unabdingbarkeit für alles Leben entsteht eine tödliche Wirkung auf alles Leben. 86 Irgendeine Methode, Technik oder Ideologie zu verkaufen, ist keine Hilfe, das ist Handel (vgl. Søren Kierkegaard)! 87 Es geht um die Bewertung des eigenen Menschseins und damit ist die Selbstbewertung schon deshalb unmöglich, weil man alleine und isoliert keinen Maßstab/Bezugsrahmen zur Verfügung hat, der für eine Bewertung nun mal nötig ist, bzw. ohne Bezugssystem jedes Resultat gleichwertig wäre. 88 John Banville, 2005, Die See 89 Martin Buber, 1923, Ich und Du 90 Antjie Krog (Ursprung: Ubuntu Philosophie in Afrika) 91 Friedrich Rückert, 1861, Liebesfrühling 43-50 14.05.2016 75885166 92 George Berkeley, 1710 (Deutsch 1969), Abhandlung über die Principien der menschlichen Erkenntnis, III., „Sein ist Wahrgenommenwerden“, http://www.zeno.org/Philosophie/M/Berkeley,+George/Abhandlungen+%C3%BCber+die+Principien+der+mensch lichen+Erkenntnis/Ueber+die+Principien+der+menschlichen+Erkenntniss, „Denn was von einer absoluten Existenz undenkender Dinge ohne irgend eine Beziehung auf ihr Percipirtwerden gesagt zu werden pflegt, scheint durchaus unverständlich zu sein. Das Sein (esse) solcher Dinge ist Percipirtwerden (percipi). Es ist nicht möglich, dass sie irgend eine Existenz ausserhalb der Geister oder denkenden Wesen haben, von welchen sie percipirt werden.“ 93 Jacques Lacan, ?, ? „Das Spiegelstadium ist Bildner der Ichfunktion [im Sinne der Ermöglichung der Selbstwerdung wie der Entfremdung]“ 94 Arthur Rimbaud, Brief an Georges Izambard, 13. Mai 1871 „Es ist falsch, zu sagen: Ich denke. Es müsste heißen: Man denkt mich.“ 95 Jacques Lacan, ?, ? „Das [äußere] Ich ist nicht das [innere] Selbst“ 96 Arthur Rimbaud, Brief an Paul Demeny, 15. Mai 1871, zweiter Seherbrief „Ich ist ein Anderer.“ 97 Jean-Paul Sartre, 1944-1945, Huis clos (Geschlossene Gesellschaft) „Die Hölle, das sind die Anderen.“ 98 Jean-Paul Sartre, 1943, Das Sein und das Nichts 99 E. E. Cummings, 1958, A Poet's Advice „Beinahe jeder kann lernen zu denken oder zu glauben oder zu wissen, | aber keinem einzigen menschlichen Wesen kann man beibringen zu fühlen. | Warum? | Weil, jedesmal, wenn du denkst oder glaubst oder weißt, | dann bist du zugleich viele andere Menschen, | aber in dem Moment, indem du fühlst, | bist du niemand anderer, als du selbst.“ 100 Späte Erkenntnis von C. G. Jung in einem Brief (C. G. Jung, ?, ?) Siehe auch 1956, Mysterium Coniunctionis. 101 Heinz Kohut, 1971, Narzissmus 102 Alice Miller, 1990, Abbruch der Schweigemauer, (http://www.scribd.com/doc/115706067/Miller-Abbruch-Der-Schweigemauer, http://www.scribd.com/doc/50405097/Miller-Alice-Abbruch-Der-Schweigemauer, www.alice-miller.com, 31.07.2014) 103 Judith Herman, 1992, Trauma and Recovery „Erst wenn die Wahrheit [des Beschädigten durch die Umwelt] anerkannt ist, kann die Genesung […] beginnen.“ 104 Wenn man genau ist, gehört der Teil des Epigenoms, der physische Aspekte definiert, hier ebenso dazu. Da es hier aber um den Geist geht, beschränken wie uns auf die lebenslang das neuronale Netz schaffenden und modulierende sozial erfahrbaren und intelligiblen Aspekte, die hier alle Maßstäbe, Wertesysteme, Wissensgebiete, Seinsbereiche, zu denen Beziehungen bestehen, und alle persönlichen Beziehungen umfassen. 105 Das Genom ist nur über exogene Beschädigungen veränderbar, von denen die allermeisten automatisch endogen repariert werden. Je nach Quelle werden 104 bis 106 DNS-Schäden pro Tag und Zelle angegeben, die praktisch allesamt repariert bzw. 14.05.2016 44-50 75885166 durch Apoptose, also selbstreferenzielle Selbstregelung unschädlich gemacht werden, was die hohe Stabilität des Genoms demonstriert. In der Psychologie sind die stabil erscheinenden Elemente im Begriff des Charakters summiert. Limitierungen in kritischen somatischen Entwicklungsphasen führen zu Prägungen, die lebenslang bestehen bleiben (z.B.: das später noch maximal trainierbare Lungenvolumen, die Körpergröße, die Geschmacksprägung usw.). Ausrichtungen in kritischen somatischen Entwicklungsphasen führen ebenfalls zu Prägungen, die lebenslang bestehen bleiben: z.B. die Ausdifferenzierung der Neuronen durch Ausdünnung nach dem 1. Lebensjahr bis zur Pubertät by “use it or lose it forever“. Ebenso gibt es Prägungen des grundsätzlichen Umgangs mit der Umwelt durch das frühe soziale Setting bis in die pränatale Phase, die das neuronale Netz (basale Struktur) und dessen epigenetische Einstellung (Transmission) betreffen, die (heute noch) nicht oder nur mit extremem Aufwand und nicht ungefährlich (z.B. primal therapy von Arthur Janov oder tausende Stunden Meditation oder Drogen wie LSD, Psilocybin, Mescalin, MDMA) nachreguliert werden können. Generell kann man in allen physischen und neuronalen endogenen Regelsystemen Attraktoren finden, die weitgehend stabil sind, d.h. sich auch nach einem massiven „Schlag“ mit der Zeit wieder in die Ausgangslage einpendeln oder nach einem exogen erzwungenen Attraktorwechsel wieder in den ursprünglichen Attraktor zurückkehren, wenn die Umgebungsbedingungen sich wieder auf die vom System erwartete Norm zurückgesetzt haben. 106 Vgl. auch C. G. Jungs Kollektives Unbewusstes sowie Kulturtechniken wie schamanische und meditative Methoden, die, auch wenn sie vergessen wurden, immer wieder neu entdeckt werden (Luise Reddemann fand sie beispielsweise bei ihren Patientinnen). 107 Die epigenetische Aktivierung und Deaktivierung von Genen kann z.B. durch Chemikalien oder deren Fehlen oder körperlich oder sozial erzeugten Stress (Sport, Trauma) direkt und durch die Kognition indirekt verändert werden. 108 Ethik als Basis der Moral ist den meisten Menschen fremd! 109 N liegt akut in der Größenordung 150 (Robin Dunbar) und das gesamte Leben umfassend entsprechend höher, wobei Beziehungen in kritischen Entwicklungs- und Lebensphasen für diese Betrachtung höher zu bewerten sind. 110 Ludwig Wittgenstein, 1922, online.appspot.com/Tractatus/jonathan/D.html, Tractatus 7.2013. Logico-Philosophicus, http://tractatus- 111 Die Auslegung von Immanuel Kant als absolute Definition von Ehrlichkeit, die unabhängig von der Situation ist und sich damit in der Praxis selbst ad absurdum führt, ist hier beispielhaft gemeint. 112 Vgl. Jean-Paul Sartres objektivierenden Blick. 113 Dies im Sinne der Verantwortungsethik bei Max Weber. 114 In ähnlichem Umfang gilt das Gesagte natürlich auch für Techniken wie Luzides Träumen, Hypnagoges Arbeiten, Enkoimesis, Schamanische Reisen, bestimmte Atemtechniken z.B. aus dem Kundalini-Yoga etc. die ebenso eingesetzt werden können und derselben Beschränkung unterliegen. 45-50 14.05.2016 75885166 115 Z.B.: E. E. Cummings A Poet’s Advice, Sigmund Freuds Überich und (vorbewusstes) Kultur(-Unbehagen), Arthur Janovs Neurosedefinition, den Zeitgeist, gesellschaftliche Normen, Rollenbilder und Mythen, Autorität, Hierarchie, die eigene Courage. 116 Koans sind eine Form des Zazen, die in der Rinzai-Schule (vor allem gegenüber der zweiten großen Schule, der Soto-Schule) praktiziert wird. Sie bestehen aus einer Reihe überlieferter Aussagen und Fragen, die für den reduktionistischen analytischen sprachlichen Geist auf der Informationsebene sinnlos oder widersprüchlich oder nur unvollständig lösbar sind, wie die Frage nach dem „Geräusch einer einzelnen klatschenden Hand“ oder: „Hat ein Hund die Buddha-Natur oder hat er sie nicht?“ Eine Lösung findet sich nur in der holistischen beziehungsorientierten Ebene des Geistes, die dann eingeschränkt (meist nur durch Negativdefinition) versprachlicht werden kann, wie auch die Transkription der Dialoge eines Films eine erhebliche Einschränkung zum selbst erlebten Film im Falle einer Fiktion oder gar dem selbst erlebten Original im Falle einer Dokumentation darstellt. Im Gegensatz zur Transkription des Films gibt es keine eindeutigen Lösungen für einen Koan; Der Meister erkennt in der Gesamtreaktion des Schülers dessen Fortschritts, indem er seinen Geist öffnet und sich den Geist – und nicht nur das vordergründige Bewusstsein – des Schülers darin abbilden lässt. 117 Die nicht dominante Hemisphäre arbeitet im Gegensatz zu dominanten Hemisphäre nicht konstruktivistisch. Absolute Wahrheiten, Realität erster Ordnung, Gerechtigkeitsempfinden, Gewissen etc. existieren, wenn (!) man Zugang dazu hat. 118 Vgl. Fußnote 54 119 Hinayana, das „kleine Fahrzeug“, ist eine von zwei Hauptrichtungen des Buddhismus, dem es um persönliche Befreiung vom Leid im Samsara, dem Rad der Wiedergeburten, geht. Hinayana ist ein typisch menschliches Konstrukt, da jeder, der sich vom Leid vollständig befreit hat, auch vollkommenes Mitgefühl entwickelt haben wird, und daher zwangsläufig alle anderen fühlenden Wesen erlösen wollen wird, also direkt zum Mahayana übergeht. 120 Mahayana, das „große Fahrzeug“, ist eine von zwei Hauptrichtungen des Buddhismus, das die Buddha-Natur anstrebt, um alle fühlenden Wesen zu erlösen. 121 Die mentale Reinigung wird vor allem in Zazen beschrieben. Siehe z.B. die Ernennung von Hui-neng zum sechsten Patriarchen in Paul Reps, 1976, Ohne Worte ohne Schweigen oder unter https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/Huineng (17.6.2013) 122 Die Aktivierung wird insbesondere im Kundalini-Prozess beschrieben (Bonnie Greenwell, 2000, Kundalini); Der Reinigungsgedanke steht im Zentrum der zwölfjährigen Vorbereitung des Kundalini-Yoga. 123 Zum selbstreferenziellen Datenbestand gehört das Genom, das Epigenom, der lebenslange Erfahrungsraum auf allen Ebenen, die Qualia, strukturelle Informationen im Bindegewebe, Skelett, Muskeltonus etc. und aktive wie inaktive Attraktoren in allen dynamischen Systemen. 124 Siehe 2.4.5.1 Definition ist immer Fremddefinition. 125 Arno Gruen beschreibt diesen Zustand als Entfremdung eines empathielosen Menschen, der sich der Macht unterwarf. 14.05.2016 46-50 75885166 126 Triatna = Drei Edelsteine. 127 Buddha: Im Soto-Zen und Rinzai-Zen ist es das direkte Erkennen des eigenen Buddhaseins und so erreicht man das unpersönliche Nirwana (den Zustand der Erlösung) ohne jedwedes höhere Wesen, als Ergebnis eines sich stetig optimierenden Seins innerhalb von Samsara (dem stetigen Wandern im Kommen und Vergehen, dem Rad der Wiedergeburt) durch die Vier Edlen Wahrheiten: 1. Leben gebiert von sich aus Leid. 2. Die Ursachen für Leid sind Gier, Hass und Verblendung. 3. Wo keine Ursache, da ist kein Leid. 4. Der Edle Achtfache Pfad beseitigt die Ursachen. Da man Buddha ist, kann man sein Buddhasein getrost vergessen und sich ganz dem Weg im Sinne des Edlen Achtfachen Pfades hingeben. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt: Hiervon abweichend gibt es im Obaku-Zen (einer Variante des Amitabha-Buddhismus) die Idee des Buddhas Amitabha, des transzendenten Buddhas, auf den man sich ähnlich wie im Christentum persönlich direkt vertrauend, verehrend und glaubend beziehen kann, der ein „reines Land“ Sukhavati (Buddha-Feld) repräsentiert, in dem man fei von Samsara (dem Rad der Wiedergeburt und allem Leid) ist. 128 Dharma ist das nur dem bewussten menschlichen Geist mögliche systematische Wissen, die Lehre. Das Dharma muss man sich systematisch erarbeiten. 129 Sangha bedeutet wörtlich Versammlung und meint soziale Gemeinschaft. Sangha kann ganz ohne Spezifikation verwendet werden, dann meint sie alle „fühlenden Wesen“, die es im Mahayana zu erlösen gilt. Sangha kann ebenso nur alle Buddhisten meinen, oder die sozialen Gruppen, denen man selbst angehört, oder noch spezifischer, diejenige Gruppe praktizierender Buddhisten, der man selbst angehört. Sangha muss einem gegeben werden. 130 Karma ist die Handlungsebene. Das Prinzip des Karma entspricht der christlichen Erbschuld im Sinne des: „Du kannst nicht nicht handeln!“ 131 Im psychotherapeutischen Bereich kann Meditation nur bei Akuten Belastungsreaktionen oder unter bestimmten Umständen auch bei Posttraumatischen Belastungsreaktionen Erfolge verzeichnen, wenn und genau dann, wenn die Belastung definitiv und vollständig beendet ist und – für den zweiten Fall – der Rest der Umwelt sich aus der Sicht des Beschädigtensystems adäquat verhält! Im Bereich der Komplexen Posttraumatischen Belastungsreaktion, also wenn das „Gesundheitssystem“ und die restliche Umwelt nach dem Primärtrauma das Selbstheilungssystem des Beschädigten blockierte und seine endogenen Ressourcen aufzehrte, was in den meisten Fällen geschieht, ist Meditation logischerweise kontraindiziert, da der intersubjektive Bereich (die Sangha) niemals monadisch (im Buddha) regenerierbar ist; er kann systemimmanent bestenfalls (durch Dharma) ruhig gestellt, abgeschottet und zum Absterben gebracht werden. 132 Erdmute Klein, 1998, Buddhistische Persönlichkeiten. Ein gutes Beispiel ist die Geschichte von Claude AnShin Thomas, dessen Selbstheilungssystem erst weiterarbeiten konnte, als es von Thich Nhat Hanh gemäß der Erwartung des Selbstheilungssystems (mit einer adäquaten Sangha-Qualität) beantwortet wurde. Ebenso deutlich ist die Aussage des Dalai Lama über meditierende aus dem Westen, die, wenn sie Schwierigkeiten in der Meditation haben, die Vorstellung ihrer Müttern 47-50 14.05.2016 75885166 nicht hilfreich finden, wie das in Tibet üblicherweise praktiziert wird, aber auf das Introjekt ihrer Großmütter günstig reagieren! 133 Bonnie Greenwell, 2000, Kundalini. 134 Zeitzeugen wie Primo Levi, Viktor Frankl, Walter Joelsen, Henny Brenner aber auch beliebige Berichte aus heutiger Zeit. 135 Vgl. Kevin Dutton , 2013, Psychopathen. 136 Siehe z.B. die Aussagen der Zeitzeugin Henny Brenner über den Judenstern. Das nicht in die Augen des anderen Sehen war überlebensnotwendig, um die Vernichtungsbereitschaft der selbst (sic!) ernannten Arier nicht in sich einzulassen und ihnen keine Ansatzpunkt durch Blickkontakt und damit Beziehungsaufnahme zu geben. 137 Der Hunger geht irgendwann, die Kälte aber bleibt! Physische und soziale Kälte bzw. Exklusion (Beziehungsverlust) werden im Körper austauschbar erlebt, verstärken sich gegenseitig und können gegenseitig kompensiert werden. Beides erzeugt Schmerz, der in beiden Fällen im Anterioren Cingulären Cortex ACC registriert wird. Wir verwenden nicht umsonst den Begriff Kälte metaphorisch im Sozialen. Physische und soziale Kälte und Wärme sind gegeneinander austauschbar: Menschen in kalter sozialer Umgebung frieren z.B. leichter und duschen wärmer und länger. Hunger hat kaum soziales Potential, weil es in der Evolution Hunger schon immer gab, Kälte jedoch nicht, und Kälte kann vor allem auch durch Zusammenrücken in der Gruppe reduziert werden, wogegen Hunger im Gegenteil ein lebensgefährliches Selektionsund damit Exklusionsproblem verursachen kann. 138 Vgl. Arthur Janov. 139 Jean-Paul Sartre, 1944-1945, Huis clos (Geschlossene Gesellschaft) „Die Hölle, das sind die Anderen.“ 140 Erich Kästner, 1932, Gesang zwischen den Stühlen. Siehe auch den Perseus-Mythos: Perseus konnte der Medusa das Haupt abschlagen, weil er durch Athenes Hilfe, die ihm ihren Schild, den Sie wiederum von Zeus selbst erhalten hatte, nur das Spiegelbild (!) betrachten musste. 141 Z.B. finanzieller Zusammenbruch, Karriereknick, Arbeitslosigkeit, Ruhestand, Tod des Partners. 142 Je nach Mentalität können dies physische (Sport, Ernährung, Drogen), kognitive (kompensative Konstrukte in der „dominanten Hemisphäre“ jeglicher Art) oder soziale (Gruppenzugehörigkeit und umgekehrt Abgrenzung) Interventionen sein, die entweder als Ressourcen fertig vorliegen oder mit vorliegenden Ressourcen konstruiert werden. Bei innerlich großen und starken, thymotischen, vitalen, konstruktiven Menschen sind beliebte kompensative Strategien z.B. a) der ignorante Irrglaube, dass es das Böse nicht gäbe, indem das Nihil privativum ausgeblendet wird, was schon sprachlich ein Witz ist, der zeigt, wie leicht die „dominante Hemisphäre“ zu übertölpeln ist bzw. sich selbst übertölpelt; b) die Überzeugung, dass man selbst ein Durchschnittsmensch – in der Mitte der Normalverteilung – wäre, obwohl man weit überdurchschnittlich ist; c) die Hoffnung, dass kleine, schwache, hässliche Kreaturen irgendwann groß, 14.05.2016 48-50 75885166 stark und schön würden, woran man hervorragend sieht, das Hoffung grundsätzlich neurotisch ist, wie Arthur Janov sehr richtig erkannte. Bestens einsetzbare Methoden sind Entspannungsverfahren, Zazen, Yoga, Ausdauersport, Kraftsport. Kompensativ wirken Studien der Ökotrophologie, Orthomolekulare Medizin, Naturheilkunde, da diese biophile Aspekt enthalten; ebenso Naturwissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Handwerk oder die Lektüre von Science-Fiction oder romantischer Literatur, da diese konstruktive Aspekte enthalten; oder auch der Psychologie, solange man diese noch nicht verstanden hat. Genauso Dopamin hebend wirkt exzessives geistiges Arbeiten im Flow z.B. in der Informatik. Generell kann man alles, was man an stärkenden, aufbauenden, unterstützenden, vereinfachenden, hilfreichen adjuvanten (Schein-)Wahrheiten, Techniken, Praktiken, Übungen, Tätigkeiten und Stoffen findet, einsetzen. Die letzte Zuflucht sind Philosophie, Lyrik, Romane, Erzählungen, klassische Dramen, weil diese dem Wahn-, Irr- und Schwachsinn der Umwelt durch klare rationale Darstellung der Wahrheit und Realität erster Ordnung entgegentreten. Im sozialen Bereich wird man im Gegensatz zum physischen und kognitiven Bereich nur fündig werden, wenn man selbst unterdurchschnittlich ist. Der wesentliche limitierende Faktor ist natürlich immer die Zeit, da die Endlichkeit das absolute begrenzende Bestimmungsstück des Materiellen und damit des Menschen ist. 143 Das Intersubjektive beginnt bereits im akustischen, olfaktorischen, haptischen und hormonellen Bereich im Mutterleib; Die Geburt ist der Prototyp für Interaktion, Kooperation und Hilfsbereitschaft (Arthur Janov, Frédérick Leboyer); Das Stillen und permanenter Körperkontakt und generelle vom Kind bestimmte Verfügbarkeit der Mutter in der Säuglingszeit sind die wesentliche Basis für die Körperintegrität (Jean Liedloff, Anna Katharina Braun); Der Blick der Bezugsperson baut die Basis für höhere soziale Kommunikation und Interaktion auf (Heinz Kohut). Gleichaltrige, Schule, Studium, Beruf, eigene Familie, Angriffe, Verluste, Beschädigungen und Katastrophen erweitern, differenzieren und verändern das Intersubjektive Ich lebenslang. 144 Normalerweise reicht die wahrhaftige, reale, rationale, doublebindfreie (Paul Watzlawick) kognitive Ebene, die zu Gerechtigkeit und Anerkennung fähig ist. 145 Jesus sah mittels seiner „nichtdominanten Hemisphäre“ die Realität erster Ordnung ohne Vernebelung und Verwirrungen durch Konstruktionen der Realität zweiter Ordnung aus der „dominanten Hemisphäre“, und er handelte stets danach, was das wirklich Besondere an ihm war, das ihn in dieser Welt ans Kreuz bringen musste, denn sehen kann mancher, aber fast alle verweigern sich dem Gesehenen und deshalb können sie nicht demgemäß handeln. 146 Siehe Erich Fromm, 1976, Haben oder Sein. 49-50 14.05.2016 75885166 147 Sein ist hier ein in bilateraler Beziehung Stehen, das die notwendige Wahrnehmung (→ Kierkegaard) ermöglicht, die das Problem löst (2.1.1 Konsequenz I) und die resultierende Aufgabe (→ Salutogenese) leicht macht (2.2.1 Konsequenz II, 2.3.1 Konsequenz III). 148 Wenn Jesus den Hauptmann in Matthäus 8,5 nach Hause schickte und sonst nichts tat, so deshalb, weil er fähig war zu sehen, was von Nöten war, und, dass der Hauptmann bereits alles getan hatte bzw. das Richtige für seinen Knecht tun würde. Wenn der Knecht trotzdem sterben sollte, dann deshalb, weil dies auf der physischen Ebene nicht zu verhindern war. Auf der sozialen, intersubjektiven und mentalen Ebene und damit auch für die Selbstregenration des Knechts und im worst case für seinen friedlichen Tod war alles getan, was in dieser Welt getan werden konnte, und das ist das Wesentliche. Auf ein Wunder kann man hier nicht nur deshalb verzichten, weil es im Neuen Testament nicht erwähnt wurde, sondern auch deshalb, weil es in der „zivilisierten“ Welt bereits ein Wunder ist, wenn jemand sehen kann und dann, was noch viel, viel seltener ist, auch noch danach handelt! 149 Fluide versus kristalline Intelligenz nach Raymond Bernard Cattell. 150 Anwendung eines universalen ethischen Prinzips wie bei Immanuel Kant. Nebenbei: es gibt darüber hinaus tatsächlich, wie von Lawrence Kohlberg angenommen, eine weitere Stufe – ein lohnenswerter Koan. 151 Siehe unter 3.2 Aspekte des Hemisphärenmodells „aber da sie zwar pflichtmäßig ist, aber nicht aus Pflicht geschieht, so ist die Gesinnung dazu nicht moralisch, auf die es doch in dieser Gesetzgebung eigentlich ankommt.“ (Immanuel Kant, 1788, Kritik der praktischen Vernunft) 14.05.2016 50-50