interaktiv Biologie: Allgemeine Biologie Schweinepest 19 22 16 Sekundarstufen I und II Sachinformation Die Schweinepest ist eine Viruserkrankung von Hausschweinen, die nicht auf den Menschen übertragen wird. Während die Krankheit in Großbritannien und den USA als weit gehend ausgerottet gilt, kommt es in den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu Neuinfektionen, die sich gelegentlich epidemieartig ausbreiten. Wegen der hohen Infektionsgefahr gehört die Schweinepest in der Bundesrepublik zu den anzeigepflichtigen Tierseuchen. Eine Behandlung der Schweinepest ist nicht möglich, Heilversuche sind sogar gesetzlich untersagt. Stattdessen werden Höfe, auf denen die Schweinepest ausbricht, gesperrt (Sperrzone von 3 km) und alle Tiere durch den Amtstierarzt getötet. Dabei wird kein Unterschied zwischen sichtbar erkrankten und gesunden Tieren gemacht, denn selbst scheinbar nicht infizierte Tiere können als Virusträger in Frage kommen. Eine Entschädigung der betroffenen Landwirte ist gesetzlich vorgesehen. Erst vier Wochen nachdem die Schweine getötet und die Stallungen gereinigt und desinfiziert wurden, kann die Quarantäne durch den Amtstierarzt wieder aufgehoben werden. Eine Impfung wäre zwar möglich, ist in der EU aber zum Teil aus politischen Gründen verboten. Zum einen impfen nicht alle Länder, zum anderen ist nicht ganz auszuschließen, dass geimpfte Tiere dennoch Virusträger und -Überträger sein können. Schwierigkeiten macht auch die Markierung geimpfter Tiere. Das Schweinepest-Virus Der Erreger der Schweinepest gehört zu den Togaviren (toga [lateinisch]: Gewand), Gattung Pestivirus. Togaviren sind RNA-Viren, deren genetische Information auf einem RNA-Einzelstrang (der Plusstrang-RNA) gespeichert ist. Diese Genom-RNA ist etwa 13.000 Basen lang und hat eine relative Molekularmasse von 4 x 106. Der zentrale Teil des Virus (Nucleocapsid) enthält neben der RNA auch Proteine. Diese bilden zusammen einen 3035 nm großen Ikosaeder (ein Polyeder aus 20 gleichseitigen Dreiecken als Oberfläche), der von einer eng anliegende Hülle aus Lipoproteinen umgeben ist. Insgesamt erreicht das Viruspartikel damit eine Größe von 50-70 nm. Aus der Oberfläche ragen zwei bis drei 6-10 nm lange Fortsätze (Spikes) heraus. Vermehrung der Toga-Viren Die Viren heften sich an eine Zelle (Adsorption), die Hülle des Virus zerfällt, und die viralen Nukleinsäuren dringen in die Zelle ein (Penetration). Die eingedrungene Plusstrang-RNA (RNA+) des Togavirus dient einerseits direkt als mRNA (messenger RNA), aus der nichtstrukturelle Virus-Proteine synthetisiert werden (vor allem die virale RNA-Polymerase, die für die Vermehrung viraler RNA verantwortlich ist). Andererseits bildet die PlusstrangRNA die Matrix für die Synthese der komplementären Minusstrang-RNA (RNA-). Aus dieser entsteht wiederum durch Transkription eine messenger RNA (mRNA), die zur Codierung der Strukturproteine für die Hülle und die Spikes nötig ist. Außerdem liefert die Minusstrang-RNA wiederum die Vorlage für die Synthese komplementärer PlusstrangRNA. Nachdem sich die Virus-RNA und die Hüllproteine wieder zu neuen Viruspartikeln vereinigt haben (Maturalien- Reifung), verlassen die Virionen den Ort ihrer Vermehrung und befallen ihrerseits neue Zellen. Infektionsweg des Schweinepest-Virus Der Übertragungsweg für die Schweine erfolgt über die Schnauze (Kontakt mit infizierten Tieren, Nahrung) oder über die Atmungswege. Da Virusträger unter den Schweinen nicht unmittelbar zu erkennen sind (vor allem bei der chronischen Form der Schweinepest), besteht Ansteckungsgefahr auch in Transportfahrzeugen sowie durch medizinische Instrumente und Injektionsspritzen. Kranke Muttersauen übertragen die Togaviren auf ihre Ferkel, so dass – insbesondere durch Verkauf und Transport der Jungschweine – die Seuche rasch weit verbreitet werden kann. Das Schweinepest-Virus kann im Stall vier Tage lang überleben. Bei der Afrikanischen Schweinepest, die durch Iridoviren übertragen wird, beträgt die Überlebensdauer sogar 112 Tage. Im Pökelfleisch können Togaviren monatelang, in gefrorenem Schweinefleisch jahrelang virulent bleiben. Daher schreibt der Gesetzgeber vor, dass Nahrungsreste aus Gaststätten oder Großküchen, die an Schweine verfüttert werden, erhitzt werden müssen, um eine Übertragung möglicherweise vorhandener Erreger zu verhindern. Zur Desinfektion von Ställen verwendet man in der Regel 2%ige Natronlauge, um die Erreger abzutöten. Behandelt werden auch Dung und Gülle, um der Verbreitung der Seuche entgegenzuwirken. Krankheitsverlauf, Symptome Der Krankheitsverlauf beginnt mit einer Vermehrung der Viren in den Mandeln und Lymphknoten des Rachenraumes. Nach ungefähr einem Tag sind erste Viren im Blut nachweisbar, und nach weiteren 4-5 Tagen haben sich die Viren maximal ausgebreitet und vermehrt. Die Schweinepest tritt in einer leicht erkennbaren akuten und einer chronischen Form auf, die weitaus schwerer zu diagnostizieren ist. Die akute Form der Schweinepest ist für den Tierarzt nach zwei bis sechs Tagen erkennbar. Die Schweine haben hohes Fieber (41 °C), wirken benommen und verweigern das Futter. Ihre Bewegungskoordination ist gestört, sie taumeln, laufen im Kreis oder werden von Krämpfen geplagt. An der Körperoberfläche treten Hautblutungen auf, es kommt zur Blutung innerer Organe. Die Tiere leiden unter starker Herz- und Kreislaufschwäche und sterben innerhalb von fünf bis fünfzehn Tagen. In Beständen, die von der akuten Form der Schweinepest befallen sind, gibt es jedoch immer wieder auch einige resistente Tiere. In den letzten Jahren nahmen die Fälle chronischer Schweinepest in der Bundesrepublik zu. Bei dieser Form der Krankheit ist die Inkubationszeit in der Regel verlängert, von ihr werden auch jene Tiere befallen, die die akute Form überlebt haben. Da weder Fieber noch Hautblutungen zwangsläufig auftreten müssen (dafür ist das Absterben von Ohrgewebe häufig) und die Krankheit meist von zusätzlichen Infektionen (Rotlauf, Salmonellen-Infektion) begleitet wird, ist die Diagnose der Schweinepest in der Praxis oft schwierig. Fressunlust, Durchfall oder Verstopfung können dem Tierarzt nur erste Hinweise auf den Ausbruch chronischer Schweinepest liefern. Ein relativ sicheres Kennzeichen ist die Unfruchtbarkeit von Sauen, Tot- oder Frühgeburten oder die Geburt von Ferkeln mit missgebildeten Gliedmaßen. In Verdachtsfällen kann der 1 Tierarzt aber durch den Virusnachweis im Blut befallener Tiere eine sichere Diagnose stellen. Vorsorgemaßnahmen Die Möglichkeit von Vorsorgemaßnahmen vor der Schweinepest-Infektion ist eingeschränkt. Neben dem Abtöten von Keimen im Futter können die Tiere geimpft werden, doch muss sichergestellt sein, dass nur völlig gesunde Tiere behandelt werden. Bereits infizierte Schweine können nämlich auch nach der Impfung noch virulente Schweinepest-Viren ausscheiden. Vor allem Verkauf und Transport von infizierten Jungschweinen (Impfung ab der 6. Lebenswoche möglich) sorgen immer wieder dafür, dass neue Schweinepestfälle entfernt vom Ursprungsort ausbrechen. Bei der gewöhnlich vorherrschenden engen Haltung der Mastschweine („Massentierhaltung“) erreicht die Seuche dann leicht epidemieartige Ausmaße. Eine Impfung ist in Deutschland verboten. Didaktisch-methodische Hinweise Die grauenvollen Bilder im Fernsehen von torkelnden Schweinen, die an Schweinepest litten und reihenweise erschossen wurden, oder von strauchelnden Rindern mit Rinderwahnsinn (BSE) sind sicherlich noch lebhaft in Erinnerung. Auch auf Grund aktueller Meldungen in der Presse sind Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen brennend daran interessiert, mehr über diese erschreckenden Krankheiten zu erfahren und fundierte Informationen zu erhalten. Hinter allem steht zweifelsfrei die Frage, inwieweit diese tödlich verlaufenden Erkrankungen auf den Menschen übertragbar sind und wie man sich gegebenenfalls davor schützen kann. Die zur Gruppe der Togaviren gehörenden Erreger der Schweinepest können als idealtypisches Beispiel für die Entwicklung und Vermehrung von RNA-Viren in den Körperzellen stehen. Bekanntlich sind Viren zu ihrer Vermehrung auf lebende Zellen angewiesen, da sie keinen eigenen Stoffwechsel besitzen. Die Grafik auf dem Arbeitsblatt zeigt eindrucksvoll die einzelnen Schritte der Infektions- und Vermehrungsstrategie in einer Wirtszelle, bei RNA-Viren, aber auch bei DNA-Viren. Je nach Vorwissen der Schülerinnen und Schüler kann unterschiedlich intensiv auf die Transkription und Translation eingegangen werden. Mit Hilfe der interaktiven Tafelbilder lernen die Schülerinnen und Schüler die Übertragung der Schweinepest-Viren (Infektionsweg), Symptome und Vorbeugungsmöglichkeiten kennen. Hier bietet sich im Klassengespräch eine Diskussion über die verschiedenen Übertragungsmöglichkeiten von Viren an. Zusammen mit der Grafik zur Anzahl der Neuerkrankungen an Schweinepest können Schülerinnen und Schüler die Bedrohung der Haustierbestände realistisch einschätzen. Die Schweinepest kann außerdem im Zusammenhang mit den Themen „Haustiere“ und „bäuerliche Viehhaltung“ als Fallbeispiel für die Gefahren bei Massentierhaltung und Tiertransporten gewählt werden. Hieran könnte sich eine Diskussion über die Schwierigkeit einer Schutzimpfung anschließen. Kopiervorlage Arbeitsblatt: Infektionsstrategien von Viren Lösungen Zu 1: 1. Anlagern und Eindringen des Virus 2. Freisetzen der Virus-Nukleinsäure 3. Transkription der RNA durch Virus-Transkriptase (komplementäre Kopie oder DNA) 4. Einschleusen ins Chromosom 5. Biosynthese der Virus-RNA 6. Synthese von Virus-Proteinen 7. Zusammenbau der Virus-Bestandteile 8. Ausschleusen Zu 2 : Die Viren heften sich an eine Zelle, die Hülle des Virus zerfällt, und die viralen Nukleinsäuren dringen in die Zelle ein. Die Plusstrang-RNA (RNA+) des Togavirus dient einerseits direkt als mRNA (messenger RNA), aus der nicht-strukturelle Virus-Proteine synthetisiert werden. Andererseits bildet die Plusstrang-RNA die Matrix für die Synthese der komplementären Minusstrang-RNA (RNA-). Aus dieser entsteht wiederum durch Transkription eine messenger RNA (mRNA), die zur Codierung der Strukturproteine für die Hülle und die Spikes nötig ist. Die DNA der DNA-Viren kann direkt kopiert werden. Sie wird dann ins Chromosom eingeschleust und Virus-RNA synthetisiert (Transkription). Nachdem sich die Virus-RNA und die Hüllproteine wieder zu neuen Viruspartikeln vereinigt haben, verlassen die Viren den Ort ihrer Vermehrung und befallen ihrerseits neue Zellen (siehe interaktives Tafelbild 19 22 11, Arbeitsblatt 2). Wurden die genetischen Grundlagen (Transkription, Translation) noch nicht ausführlich behandelt, kann der Lehrer die Plusstrang-RNA als „Vorlage“, die MinusstrangRNA als „spiegelbildliche Kopie“ einführen. Wird diese „Kopie“ erneut spiegelbildlich kopiert, entsteht zwangsläufig wieder die „Vorlage“. Zu 3: Der Erreger der Schweinepest gehört zu den RNAViren, daher fällt für den Schweinepest-Virus die gesamte untere Hälfte (unter gestrichelter Trennlinie) der Grafik (DNA-Viren) weg. Inhalt der interaktiven Tafelbilder Tafelbild 01: In das linke Schwein der oberen Abbildung ist ein überdimensionales Schweinepest-Virus eingezeichnet worden, so dass dieses Tier deutlich als das erkrankte zu erkennen ist! Die Stichworte unter der Abbildung gliedern sich in die Übertragungsmöglichkeiten des Virus, die auftretenden Krankheitssymptome und mögliche Vorbeugungsmaßnahmen. Bereits der Schnauzenkontakt der Schweine reicht für eine Infektion aus! Die Massentierhaltung (Schweine auf engstem Raum zusammengepfercht) und die langen Ferntransporte (ohne Zwischenaufenthalt) von Ferkeln und schlachtreifen Schweinen erhöhen die Infektionsgefahr nicht nur wegen des engen Kontaktes der Tiere untereinander, sondern auch wegen der körperlichen Schwächung und der Stressanfälligkeit. Die von der Schweinepest befallenen Tiere haben neben dem Verlust der Bewegungskoordination und hohem Fieber Durchfall oder Verstopfung sowie innere und äußere Blutungen. Tafelbild 02: Infektionsstrategien von Viren Autoren: Grafik: Fotos: Dr. habil. W Hensel, Prof. Dr. F. Rüther Rüdiger Sternal Angermeyer/Hans Reinhard © Copyright 1999/2010 by Lehrmittelverlag Wilhelm Hagemann GmbH, Düsseldorf Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf deshalb der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hagemann Bildungsmedien Postfach 10 35 45, D-40026 Düsseldorf 2