Samenkeimung - Förderung und Hemmung Es gibt nur wenige Pflanzenarten, deren Samen nach dem Freiwerden aus der Frucht sofort keimfähig sind, selbst wenn die Keimbedingungen (Wasser, Temperatur, Sauerstoff) günstig sind. Bei vielen Pflanzen erfolgt nach der Samenreife eine Zeit der Samenruhe, die je nach Pflanzenart unterschiedlich lange andauern kann. Da der Wassergehalt des Samens gering ist, ist er weitgehend resistent gegen Kälte und Hitze. Außerdem ist die Atmungsund Stoffwechselaktivität während der Samenruhe reduziert. Wird die Samenkeimung durch das Fehlen von Wasser gehemmt, spricht man von exogener (äußerer) Samenruhe; keimen die Samen auch dann nicht, wenn genügend Wasservorhanden ist und auch die anderen Keimbedingungen günstig sind, spricht man von endogener (innerer) Samenruhe. Je nach Pflanzenart kann die endogene Samenruhe verschiedene Ursachen haben: morphologische Unreife des Embryos, physiologische Unreife des Embryos, Einfluss von Keimungshemmstoffen, Undurchlässigkeit der Samenschale für H2O, 02 und C02, mechanische Widerstandsfähigkeit der Samenschale. Die endogene Samenruhe gilt als abgeschlossen, wenn sich der Embryo entwickelt, die Hemmstoffe entweder durch Luftsauerstoff oxidiert oder enzymatisch abgebaut sind, die Samenschale vermodert oder enzymatisch aufgeschlossen worden ist. Durch bestimmte Faktoren kann der Prozess beschleunigt werden, z. B. indem Hemmstoffe durch Wasser ausgewaschen oder durch Erde absorbiert werden oder die Samenschale durch mehrfaches Austrocknen, Frieren und Tauen durchlässiger und instabiler wird und somit von Bakterien und Pilzen leichter aufgeschlossen werden kann. Die Keimung kann auch nach beendeter endogener Samenruhe ausbleiben, wenn Wasser fehlt. Andererseits können bereits gequollene Samen am Keimen gehindert werden, z. B. durch 02-Mangel oder hohe Temperaturen, was zur Folge hat, dass sie erneut in einen Ruhestand (sekundäre Samenruhe) eintreten. Tabelle: Keimungsgeschwindigkeit von Samen einiger Nutzpflanzen Erbse Gerste Gurke Hafer Kürbis Luzerne Mais Möhre Mohn Raps Roggen Sonnenblume Weizen 10° 72 72 90 90 272 162 114 48 54 600 84 15° 42 48 66 258 66 78 102 60 24 30 72 48 25° 72 96 48 52 48 56 56 48 24 32 32 33 Angegeben ist die Zelt in Stunden, nach der die Keimwurzeln sichtbar werden (aus: Flindt 2001). In vielen Fällen können Phytohormone die Samenruhe aufheben. Licht kann die Samenkeimung je nach Pflanzenart fördern oder hemmen. Man unterscheidet Lichtkeimer, Dunkelkeimer, Langtag- und Kurztagkeimer. Bei Lichtkeimern (z. B. Virginischer Tabak, Salat, Weißer Senf) genügen wenige Minuten Licht, um die Keimung auszulösen. Bei Dunkelkeimern (z. B. Gartenkürbis, Damaszener Schwarzkümmel) übt Licht einen hemmenden Einfluss aus. Bei Langtagkeimern (z. B. Begonia-Arten) und Kurztagkeimern (z. B. Persischer Ehrenpreis) ist die Photoperiodizität für die Beendigung der Samenruhe entscheidend. Vielfach ist ein Kälteschock (Temperaturerniedrigung auf 10°C und weniger) Voraussetzung für die Beendigung der Samenruhe, z. B. bei Eiche, Apfel, Linde, Ahorn. In der Praxis kann die Samenruhe verkürzt und die Keimungsbereitschaft gesteigert werden, wenn man gequollenen Samen in einem Gemisch von Erde, Sand und Torf bei 0°C bis +5°C aufbewahrt. Dieser Vorgang wird Stratifikation oder Kalt–Nass–Behandlung genannt und insbesondere bei Obst-, Zier- und Forstgehölzsamen angewandt. Die Dauer der Stratifikation ist abhängig von der Pflanzenart und dem Zustand des Samens. Bei anderen Pflanzen unterbrechen hohe Temperaturen die Samenruhe, z. B. bei Soja, Baumwolle, Hirse. Bei einer Reihe von Pflanzen wirken Wechseltemperaturen keimungsfördernd (5/20cC oder 10/250C im Tag-Nacht-Rhythmus). Neben den natürlichen Hemmstoffen der Samenkeimung gibt es auch solche, die chemisch synthetisiert werden, z. B. das Simazin, ein Herbizid, welches in der Landwirtschaft (Ackerbau, Obst-, Gemüse- oder Getreideanbau) zur Bekämpfung von »Unkräutern« eingesetzt wird. Simazin hemmt die Photosynthese im Bereich der Photolyse des Wassers und damit die Synthese von Zuckern. In dieser Unterrichtseinheit erfahren die Schüler, dass pflanzliche Entwicklungsprozesse je nach Pflanzenart und in Abhängigkeit von bestimmten exogenen und endogenen Faktoren unterschiedlich ablaufen. Der Einfluss verschiedener Faktoren, wie Sauerstoff, Temperatur, Wasser, Licht, Phytohormone, wird an unterschiedlichem Samenmaterial geprüft und beurteilt. Für die Untersuchungen werden Samen ausgewählt, die einerseits in Bezug auf Form, Farbe und Größe für die Schüler reizvoll sind und gut voneinander unterschieden werden können, andererseits auf bestimmte exogene Faktoren unterschiedlich reagieren. Da die entsprechenden stoffwechselphysiologischen Kenntnisse noch nicht vorliegen, genügt es in dieser Klassenstufe, wenn die Schüler erfahren, dass es pflanzliche Botenstoffe gibt, die sich in der Fruchtwand oder Samenschale befinden und ein frühzeitiges Auskeimen der Samen verhindern. Abb. 1: Entwicklung einer Samenpflanze Abb. 2: Keimung der Buschbohne Aufgabe: Versuche Lösungen im folgenden Arbeitsblatt zu finden!