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2.2 Ursachen von Veränderungen des Genpools: Evolutionsfaktoren
Prinzipiell gilt: Jede Veränderung des Genpools bedeutet Evolution. Was kann nun
Veränderungen des Genpools, d. h. der Allelhäufigkeiten bewirken?
2.2.1 Mutationen:
Sie führen zum Eintrag von neuen Allelen. Wenn mehr als zwei Allele pro Genort in einer
Population existieren, spricht man von multipler Allelie.
(Wiederholung: Welche Arten von Mutationen gibt es und wie werden sich die
verschiedenen Mutationsarten auf die Evolution bzw. auf den Genpool auswirken?)
Die Mutationsrate pro Einzelgen ist gering (10-5 bis 10 -6) auf den Gesamtorganismus bezogen
allerdings recht hoch: ca.10 % der menschl. Keimzellen tragen Neumutationen)
Fazit: Mutationen liefern das Rohmaterial für die Evolution
2.2.2 Rekombination
Sexuelle Fortpflanzung sorgt auf drei Ebenen für eine Neukombination der Allele:
a) durch zufällige Verteilung der Chromosomen in der Meiose I bei der Keimzellenbildung
(=interchromosomale Rekombination)
b) durch Stückaustausch beim Crossing-Over (=intrachromosomale Rekombination)
c) durch zufälliges Zusammentreffen von Gameten
Prinzipiell verändert die Rekombination nicht den Genpool einer Population, sie sorgt nur für
eine optimale Durchmischung. Rekombination über Populations- und Rassengrenzen hinweg
wird als Hybridisierung bezeichnet und gilt auch als Evolutionsfaktor.
2.2.3 Selektion:
2.2.3.2 Grundsätzliches
Selektion greift am durch Mutation und Rekombination gebildeten Phänotyp an.
Bestimmte Phänotypen (d. h. Allelkonstellationen) haben in einer bestimmten Umwelt
Überlebensvor- oder Überlebensnachteile, bzw. haben größere oder kleinere Chancen sich
fortzupflanzen. Die Selektion gibt der Evolution eine Richtung.
Beispiel: Oft kommen homozygot rezessive Träger einer Erbkrankheit (z. B. Mucoviszidose)
gar nicht oder mit stark verringerter Wahrscheinlichkeit zur Fortpflanzung, da ihre Fitness
gering ist.
Die Fitness (Kriterium für den Evolutionserfolg) hängt ab von:
1. Lebensdauer des Individuums (hängt oft ab vom Gesundheitszustand)
2. Chance, einen Geschlechtspartner zu finden (geschlechtliche Zuchtwahl)
3. Fertilität, d. h. Zahl der Nachkommen (hoch bei R-Strategen, vgl. Cornelsen S. 337))
4. Überlebensrate der Nachkommen (hoch bei K-Strategen, vgl. Cornelsen S. 337))
Das klassische Beispiel der Selektion beim Birkenspanner (Cornelsen S. 244) zeigt, dass
veränderte Umweltbedingungen (mehr oder weniger Ruß auf Birken) erheblichen Einfluss auf
die Richtung der Selektion haben können.
2.2.3.2 Selektionsarten: (Cornelsen S. 245)
- stabilisierende Selektion
- gerichtete = transformierende = verschiebende Selektion
- disruptive = aufspaltende Selektion
Merke!
Selektion bewirkt keine Variation, sondern sorgt nur für die Bevorzugung schon vorher
bestehender Varianten (Präadaptation oder Prädisposition).
2.2.3.3 Selektionsfaktoren: (Cornelsen S. 246 f. und S. 299-340 = Einschub Ökologie als
Expertenrunde)
abiotische: - Temperatur (Klimaregeln; Wüstenlebewesen, C4 und CAM-Pflanzen)
- Luftfeuchtigkeit
- Lichtmenge und Lichtqualität
- Salzkonzentration (im Wasser)
- Sauerstoffgehalt
- CO2-Gehalt,pH-Wert
- Wind (Bsp. Kerguelen-Fliege, Cornelsen S. 246), usw….
biotische: -
intra- und interspezifische Konkurrenten, z. B. Nahrungskonkurrenten
-
Beutetiere oder Räuber (→ Tarnung, Flucht, Warnung, Mimikry etc., z. B.
Abendpfauenauge erschreckt mit Augenpaar, Hornissenschwärmer ahmt
Hornisse nach = Mimikry)
-
Futterpflanzen
-
„Bestäuber“ bei Pflanzen (vgl. Koevolution, Die Evolution von Blüten und
Insekten ist gekoppelt und geschieht durch wechselseitige Selektion, z. B.
Fingerhut bietet Landeplatz für Hummeln, Cornelsen S. 246)
-
Parasiten (Koevolution)
-
Geschlechtspartner (oft Sexualdimorphismus, Weibchen und Männchen einer
Art sehen unterschiedlich aus und sind unterschiedlich groß, z. B.
Hirschkäfer);
Sexuelle Selektion, d.h. Weibchen wählt meistens unter verschiedenen
Männchen aus, wobei oft die äußerlich prachtvollsten Männchen das beste
Immunsystem haben und sich z. B. den Luxus eines parasitenfreien
Pfauenschwanzes leisten können. (auch Bsp. Birkhahn).
Außerdem kann es zu Einschüchterung und Kampf unter Konkurrenten um
Weibchen kommen (z. B. Hirsche).
-
Künstliche Zuchtwahl durch den Menschen (Bsp. Taubenrassen)
2.2.4 Isolation: Unterbindung der Paarung und somit des Genaustausches zwischen
Teilpopulationen
1. Geografische Isolation = Separation: Trennung von Teilpopulationen durch Meer,
Gebirge, Kontinentaldrift…
Beispiele: Erdhörnchen am Grand Canyon, Grünspecht und Grauspecht
Galapagosfinken (Cornelsen S. 248)
2. Ökologische Isolation = Einnischung: Anpassung an verschiedene ökologische
Nischen. Falls viele Nischen zu Beginn frei sind, kann dies zur adaptiven Radiation
(vgl. S. 253), d. h. zur breit gefächerten Aufspaltung einer Ursprungspopulation
führen. Allerdings sind hierbei vermutlich noch andere Mechanismen wie
ethologische Isolation und Hybridisierung der verschiedenen Unterpopulationen von
Bedeutung.
3. Zeitliche Isolation: Balz oder Blüte zu verschiedenen Zeiten, z. B. blüht der rote
Holunder früher als der schwarze Holunder , Gras- und Wasserfrosch laichen zu
verschiedenen Zeiten ab, abhängig von der Wassertemperatur (S. 249).
4. Ethologische Isolation: Teilpopulationen „verstehen“ sich nicht mehr, z. B.
unterschiedlicher Gesang von Grundfink und Baumfink auf den Galapagosinseln.
5. Mechanische Isolation: Blüten oder Begattungsorgane passen nicht mehr nach dem
Schlüssel-Schloss-Prinzip zusammen.
6. Genetische Isolation: Genetische Veränderungen, z. B. Polyploidisierung oder
Hinzukommen oder Wegfallen eines Chromosoms durch Teilen oder Verschmelzen
führen dazu, dass es keine fertilen Nachkommen mehr gibt.
Hierzu zählt auch die Isolation durch Sterilität, wie sie z. B. bei der Kreuzung von
Pferd und Esel zu Muli oder Maultier vorliegt. (Grund: Pferd hat 64, Esel 62
Chromosomen, was beim Mischling die Bildung befruchtungsfähiger Keimzellen
verhindert.)
2.2.5 Gendrift (Cornelsen S. 250)
Unter Gendrift versteht man das zufällige Verschwinden (oder Hinzukommen) von Allelen
bei kleinen Populationen vor allem in Folge von Katastrophen, wenn z. B. zufällig alle Träger
eines bestimmten Allels (z. B. alle gelockten Meerschweinchen) sterben.
Die drastische Dezimierung von Populationen aufgrund von Katastrophen oder
Klimaänderungen bezeichnet man als Flaschenhalseffekt. Die hierdurch erfolgte genetische
Verarmung kann auch zum Aussterben der Restpopulation führen.
Die Neubesiedlung eines Gebietes durch wenige Individuen führt zum so genannten
Gründereffekt, der ebenfalls auf Zufall beruht. Erklärung: Eine Population, die sich aus
wenigen Individuen , z. B. einem Kaninchenpaar entwickelt, besitzt in ihrem Genpool nur die
Allele dieses Paares, d. h. nur einen Bruchteil der Allele der Ursprungspopulation. (Bsp.: Ein
Pärchen glatter Meerschweinchen wird wieder nur glatte Nachkommen bekommen!)
Eine geringe Populationsgröße führt auch zu vermehrter Inzucht (=Störung der optimalen
Rekombination, keine Panmixie).
In kleinen isolierten Gebieten kommt es durch gehäufte Inzucht zum vermehrten Auftreten
von Homozygoten, d. h. auch zur gehäuften Ausprägung homozygot rezessiver
Erbkrankheiten. Dies gilt auch dort, wo viele Verwandtenehen vorkommen (Bsp.
Bluterkrankheit im Adel).
Anmerkung: Wenn man allerdings zwei Inzuchtlinien mit unterschiedlichen homozygoten
Allelen kreuzt, kommt es zum verstärkten Auftreten von Heterozygoten, die sich durch
besondere Fitness auszeichnen. Diesen Effekt bezeichnet man als Heterosiseffekt. Der
Hauptgrund ist vermutlich das Fehlen der Ausprägung von homozygot rezessiven Defekten.
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