 
                                NEODARWINISMUS GEBURTSSTÄTTE DES NEOLIBERALISMUS Ewald Walterskirchen Akademie Graz 6. Februar 2006 Kardinal Schönborn und die Wissenschaft  Kritik am Neodarwinismus  Design der Schöpfung, nicht bloß Zufall  Aufschrei der Wissenschaft: Einmischung  Unerwartet großes Echo Neodarwinismus  Evolution der biologischen Arten  Mechanismus: zufällige Mutation und Selektion  Kein Platz für Fortschritt, Plan, Design und Sinn  Dawkins spricht vom “blinden Uhrmacher”  Leben = “Kampf egoistischer Gene” (zynisch) Kritik am Neodarwinismus als Weltanschauung  Kein Zweifel an Mutation und Selektion  Zweifel an ausschließlicher Ursache    Zweifel an zentraler Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft Missbrauch als “Sozialdarwinismus” Überleben der Fittesten Biologie als Leitwissenschaft  Hochblüte der Biologie  Ausstrahlung auf andere Wissenschaften  Früher Physik als Leitwissenschaft  Mikrowelt dominiert die Makrowelt Neoliberalismus Geist Darwins in der Wirtschaft   Neo-Darwinismus als Geburtsstätte des Neoliberalismus Mutation und Selektion = Innovation und Markt  Überleben = Cut-throat-competition  Selektion freien Lauf lassen Hayeks Biologismus     “Aussiebung” durch den Markt Arbeitslosigkeit (Populationsüberschuss) erforderlich, damit Selektion greifen kann Mangelnde Anpassungsfähigkeit (Aussterben) Gegen den Sozialstaat: Egoismus der Großgruppe statt Solidarität der Kleingruppe Politische Konsequenzen    Neoliberalismus = Freiheit der Selektion durch den Markt (Deregulierung) Rahmenbedingungen setzen, die “Aussiebung” nicht behindern (Hayek) Sozialstaat als Hindernis für Selektionsprozess beseitigen (Hayek) Soziale Marktwirtschaft    Europa schlug den Weg der sozialen Marktwirtschaft ein: Wettbewerbsfähigkeit und soziale Absicherung Reagan und Thatcher beriefen sich auf Hayek Hayek empfahl Thatcher kurzfristig eine Arbeitslosenquote von 20% Kritik am Neoliberalismus  verliert den Menschen aus dem Blickfeld • Sozialabbau wird euphemistisch als “Strukturreform” bezeichnet • Begriffe wie “Freisetzungspotential” und Restrukturierungsbedarf, als wären keine Menschen davon betroffen  Unterschiede Biologie/Kultur Selbstorganisation hat eine Richtung    Selbstorganisation oder „Design“? Stufenweise Entfaltung von komplexen Strukturen und Organisationsformen Neue Systemeigenschaften durch Koordination und Zusammenschluss (Konrad Lorenz) Mein Modell       4 typische Phasen der Entwicklung 1. Isolation kleiner Einheiten 2. Symbiose/Paarbildung 3. Aggregation (Größenwachstum) 4. Informationsübertragung (Komplexität) Jede neue Organisationsstufe ermöglicht die Koordination größerer Einheiten Phasen der Entwicklung des Lebens Isolation Bindung Aggregation Information Abgrenzung Endosymbiose Aggregation v. Einzellern von Eukaryoten zu Vielzellern Epithelien Autonomie Bindegewebe Adhäsion Muskelgewebe Kontraktion und Ausdehnung Komplexe Tiere Nerven/Gehirn Nervengewebe Information und Kommunikation Phasen der historischen Entwicklung Isolation Bindung Aggregation Information isolierte verwandtschaftl. Staatliche Horden der Bindungen der Organisation Jäger und Dorfgemeinschaft Sammler Magie Autarkie Religion Symbiose mit der Natur Staat Klassengesellschaft Netzwerke der Informationsgesellschaft Wirtschaft demokratische Gesellschaft Informationsgesellschaft     Zwangsläufiges Ergebnis eines Entwicklungsprozesses - kein Zufall Großteil der Menschen produziert nicht mehr Waren, sondern verarbeitet Informationen Vom Mechanik- zum Elektronik-Zeitalter Spezifische Form der Informationsgesellschaft ist freie Entscheidung - nicht determiniert Das US-Modell im Vergleich zum europäischen    Vorherrschaft der Finanzmärkte gegenüber dem Bankensystem und der Industrie (RisikoGesellschaft und Shareholder Value) Staat als Nachtwächterstaat und Wirtschaftslobby Flexibler Arbeitsmarkt mit Hire-and-Fire Prinzip statt dauerhaften Arbeitsplätzen (Working Poor) Europäisches Wirtschafts- und Sozialmodell     Fällt das europäische Sozialmodell dem Selektionsmechanismus zum Opfer? Oder überwindet die europäische Gesellschaft das biologische Recht des Stärkeren? USA: konflikt- und mobilitätsorientiert Europa: solidarisch und konsensorientiert Warum kam das europäische Sozialmodell ins Gerede?  Schwache Wirtschaftsentwicklung  Hohe Arbeitslosigkeit  Ist das europäische Sozialmodell der Grund?  Kann dieses Modell in einer globalisierten Welt überleben? Modelle der europäischen Gesellschaft    Das angelsächsische Modell: Liberalisierung und Deregulierung Das mitteleuropäische Modell: umfassende Sozialversicherung, an Erwerbstätigkeit geknüpft Das skandinavische Modell: wichtige Rolle des Staates und Einkommensumverteilung Kritik am mitteleuropäischen Modell     Zu hohe Transferleistungen Zu geringe Dienstleistungen des Staates (Kinderbetreuung) Sicherheit auf Kosten von Flexibilität (Arbeitsverträge) Schwerpunkt: Lebensstandard halten Kritik am angelsächsischen Modell  Keine umfassende Sozialversicherung  Hire-and-fire Prinzip auf dem Arbeitsmarkt  sehr flexible Immobilienpreise  Hohe Armut und Kriminalität, geringere Lebenserwartung (USA) Wirtschaftsentwicklung in Europa   Langfristig (1960-2005) überraschend geringe Wachstumsunterschiede zwischen den verschiedenen Modellen 1995-2005 höheres Wachstum in: • sehr liberalen Ländern (GB) und • Ländern mit starkem Staat (Skandinavien) Ursachen für Wachstumsunterschiede     Inländische Nachfrage, nicht Nettoexporte (Wettbewerbsfähigkeit) Einfluss der Wohnungspreise (Konsum) Innovations- und Kommunikationstechnologien Forschung und Entwicklung IKT-Ausgaben in % des BIP • • • • • • • • • Schweden Großbritannien Niederlande Finnland Dänemark Österreich Deutschland Frankreich Italien 8,2 7,5 7,1 6,6 6,5 6,1 6,1 5,9 5,0 Amerikanisierung Europas     Der europäische Arbeitsmarkt wurde amerikanisiert (dereguliert und flexibilisiert) Sozialstaat teilweise abgebaut Zunehmende Arbeitsmarkt- und Pensionsrisiken führten zu Vertrauensschwund “Angstsparen”- Lebenszufriedenheit Tichy: Europa muss Identität bewahren sonst nur schlechter Abklatsch der USA - Ein neues europäisches Wirtschaftsund Sozialmodell Nach skandinavischem Vorbild?      Innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft Rolle des Staates: Zukunftsinvestitionen und Dienstleistungen (Kinder- und Altenbetreuung) Freie Wahl von Voll- oder Teilzeit Sozialsystem stärker steuerfinanziert “Workfare” statt “Welfare” EU-Politik   Lissabon-Strategie als richtiger Weg: Wettbewerbsfähigkeit + Umweltschutz + soziale Kohäsion Wenn der Steuerwettlauf nach unten weitergeht und es der EU nicht gelingt, Mindestsätze für Körperschaftsteuern einzuführen, wird der Sozialstaat wahrscheinlich nicht überleben. Drei Potenzen der Geschichte Jacob Burckhardt  Religion: metaphysisch-ethisches Bedürfnis Staat: Politik und Recht Wirtschaft und Kultur: Das Bewegte  Schwerpunkt in bestimmten Epochen    Gefahr der Einseitigkeit, der Übertreibung der vorherrschenden Potenz – Kontrolle notwendig Schlussfolgerungen   Risiko, dass die Wirtschaft als dominante Macht die Bedürfnisse der Menschen aus den Augen verliert. Die hohe Arbeitslosigkeit, die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich, die Ereignisse in den Vororten von Paris und die schwindenden Berufschancen vieler junger Menschen sollten uns betroffen machen. Materielle Basis der Zukunftstechnologien • Materielle Basis Zukunftstechnologien • Elektromagnetismus Elektonik, IKT • Kohlenstoff organische Chemie • Silizium-Technologien • Kohlenwasserstoff Pharmazie,Kunststoff • DNA Gentechnik • Nervengewebe Hirnforschung • Sinne visuelle Medien, Optik Politische Schlussfolgerungen • Informationsgesellschaft mit elektronischen Technologien und weltweiten Vernetzungen ist die Zukunft • Europa: Informationsgesellschaft mit seinen sozialen und humanen Traditionen verbinden • Schwerpunktbildung der Wirtschaftspolitik  Schlüsselbranchen der Zukunft fördern  F&E und Bildung ganz allgemein reicht nicht ISAC-Modell      Isolation     Aggregation Information Physikalisch-kosmische Evolution schwache K. starke Kraft Gravitation elektromagnet.K. Zerfall Bindung Aggegation Signale Teilchen Atome Galaxien Planetensysteme Chemische Evolution   Bindung Wasserstoff relativ isoliert Kosmos Lipide für Membrane Sauerstoff bindungsfreudig Erde Polysaccharide Nahrung/Energie Stickstoff für Wachstum Atmosphäre Proteine zum Strukturaufbau Kohlenstoff kommunikativ Biosphäre DNA, RNA zur Information ISAC-Modell     Isolation Bindung Aggregation Information Psychische/kognitive Entwicklung (Ontogenese) Autismus Symbiose Einordnung Narzissmus Abgrenzung Gefühlsbindung Pflicht/Zwang Geltungstrieb    isoliertes Verdichtung zu Wahrnehmen Symbolen    magisch Animismus Realitätsinn Möglichkeitsinn Klassifizieren Beziehungen Mythen und Denken mythisch mental Religion Philosophie integral Wissenschaft