Bestimmung der Michaeliskonstante 7.3.2.4 Die enzymatische Hydrolyse von Harnstoff in wässriger Lösung liefert Kohlenstoffdioxid und Ammoniak. Die Ionen dieser Verbindungen erhöhen die Leitfähigkeit der Lösung. Über Leitfähigkeitsmessungen können die Geschwindigkeiten der Harnstoffhydrolyse durch das Enzym Urease bei unterschiedlichen Substratkonzentrationen bestimmt werden. Aus diesen Werten lässt sich die Michaeliskonstante berechnen. Material 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 6 1 6 6 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 Cobra4 Wireless Manager Cobra4 Wireless-Link Cobra4 Sensor-Unit Leitfähigkeit/Temperatur Leitfähigkeit-/Temperatur-Sonde Magnetrührer Mini, ohne Heizung Magnetrührstäbchen, l = 30 mm Entfernungsstab für Magnetrührstäbchen Waage MXX-212R, 210 g / 0,01 g, RS232, 230 V Bunsenstativ, l = 750 mm Doppelmuffe Universalklemme Becherglas, 100 ml, hohe Form, Duran Becherglas, 250 ml, niedrige Form, PP Erlenmeyerkolben, 100 ml, Enghals, SB 19 Gummistopfen, 22/25 mm Vollpipette, 20 ml Vollpipette, 50 ml Pipettierball Mikroliterspritze, 100 µl Mikrospatellöffel, Edelstahl Spritzflasche, 500 ml, Kunststoff Harnstoff, 250 g Urease-Lösung in 50% Glyzerin, 1000 U/ml, 10 ml Wasser, dest., 5 l Software measure für Cobra4 12600.00 12601.00 12632.00 13701.01 47334.93 46299.02 35680.03 49111.93 37694.00 02043.00 37715.00 36002.00 36013.01 36418.00 39255.00 36579.00 36581.00 36592.00 02606.00 33393.00 33931.00 30086.25 31924.03 31246.81 14550.61 Zusätzlich wird benötigt 1 PC mit USB-Schnittstelle, Windows XP oder höher 1 Papiertücher Abb. 1: Versuchsaufbau www.phywe.com P1369860 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved 1 7.3.2.4 Bestimmung der Michaeliskonstante Vorbereitende Arbeiten Für den Versuch werden Lösungen mit verschiedenen Konzentrationen an Harnstoff benötigt. Diese sind vor Versuchsbeginn jeweils frisch herzustellen: — 0,4%ige Harnstoff-Lösung (Harnstoff-Stammlösung): In einen 100 ml-Erlenmeyerkolben werden 0,40 g Harnstoff eingewogen und in 99,6 g destilliertem Wasser gelöst. — 0,2%ige Harnstoff-Lösung: Durch Pipettieren von 50 ml der 0,4%igen Harnstoff-Lösung mit der 50 ml Vollpipette in einen 100-ml-Erlenmeyerkolben und Zugabe von 50 ml destilliertem Wasser. — 0,1%ige Harnstoff-Lösung: Durch Pipettieren von 50 ml der 0,2%igen Harnstoff-Lösung mit der 50 ml Vollpipette in einen 100-ml-Erlenmeyerkolben und Zugabe von 50 ml destilliertem Wasser. — 0,05%ige Harnstoff-Lösung: Durch Pipettieren von 50 ml der 0,1%igen Harnstoff-Lösung mit der 50 ml Vollpipette in einen 100-ml-Erlenmeyerkolben und Zugabe von 50 ml destilliertem Wasser. — 0,025%ige Harnstoff-Lösung: Durch Pipettieren von 50 ml der 0,05%igen Harnstoff-Lösung mit der 50 ml Vollpipette in einen 100-ml-Erlenmeyerkolben und Zugabe von 50 ml destilliertem Wasser. — 0,0125%ige Harnstoff-Lösung: Durch Pipettieren von 50 ml der 0,025%igen Harnstoff-Lösung mit der 50 ml Vollpipette in einen 100-ml-Erlenmeyerkolben und Zugabe von 50 ml destilliertem Wasser. Hinweis: Die Ureaselösung sollte stets im Kühlschrank aufbewahrt werden! Aufbau und Durchführung — Der Aufbau erfolgt gemäß Abb. 1. — Universalklemme mit der Doppelmuffe an der Stativstange des Bunsenstativs befestigen. — Leitfähigkeits-/Temperatur-Sonde am entsprechenden Eingang der Cobra4 Sensor-Unit Leitfähigkeit/Temperatur anschließen. — Die Leitfähigkeitssonde mit der Universalklemme fixieren. — Cobra4 Wireless Manager in die USB-Schnittstelle des PCs stecken. — Die Software „measure Cobra4“ starten, das Messgerät wird automatisch erkannt. — Messdaten gemäß Abb. 2 einstellen. Im Menü „Navigator“ unter <Allgemeine Einstellungen> die Messdauer unter <Messung stoppen nach> auf 300 s einstellen und mit Rechtsklick auf das Diagramm unter <Darstellungsoptionen> die Leitfähigkeit auf einen Bereich von 0 bis 600 µS/cm einstellen. Alternativ einfach Versuch „Bestimmung der Michaeliskonstante“ laden (Experiment > Experiment öffnen…). Es werden nun alle benötigten Voreinstellungen zur direkten Messwertaufnahme geladen. — In ein 100-ml-Becherglas werden durch zweimaliges Pipettieren mit der 20-ml-Vollpipette 40 ml der 0,0125%igen Harnstofflösung (die niedrigste Konzentration zuerst) und ein Magnetrührstäbchen gegeben. — Das Becherglas auf den Magnetrührer stellen und die Leitfähigkeitssonde in die Lösung eintauchen. — Den Rührer auf eine mittlere Rührgeschwindigkeit einregeln. (Vorsicht: Das Magnetrührstäbchen darf nicht an die Leitfähigkeitssonde schlagen!) — Mit der Mikroliterspritze werden 50 µl der Ureaselösung zugegeben und die Messung wird ohne Verzögerung durch Anklicken des Startbuttons ● gestartet. — Der zeitliche Verlauf der Reaktion ist am Monitor visuell zu verfolgen. — Nach Beendigung der Messung die Daten zur weiteren Datenbearbeitung speichern. — Auf diese Weise werden die Messungen mit allen sechs vorbereiteten Harnstofflösungen (in aufsteigender Reihenfolge) durchgeführt. 2 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved P1369860 Bestimmung der Michaeliskonstante 7.3.2.4 — Für die Einzelmessungen wird das Becherglas jeweils vom Magnetrührer genommen und mit dem Entfernungsstab das Magnetrührstäbchen aus der Lösung herausgeholt. — Das Magnetrührstäbchen wird gründlich mit destilliertem Wasser abgespült, mit einem Papiertuch kurz getrocknet und in die nächste Lösung gegeben. — Die Leitfähigkeitssonde muss ebenfalls nach jedem Versuch gründlich mit destilliertem Wasser abgespült werden. Abb. 2: Messparameter www.phywe.com P1369860 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved 3 7.3.2.4 Bestimmung der Michaeliskonstante Abb. 3: Leitfähigkeits-Zeit-Diagramm der Harnstoffhydrolyse durch Urease Ergebnis und Auswertung Die Abbildung 3 zeigt beispielhaft ein Leitfähigkeits-Zeit-Diagramm, wie es nach Beendigung der Messungen vom Programm erstellt wird. Zur Bestimmung der Michaelis-Konstanten werden mit Hilfe der Auswertfunktion „Vermessen“ der Software measure die Leitfähigkeitswerte zu den Zeitpunkten 100 s und 200 s und ihre Differenz ∆ Y für alle sechs durchgeführten Messungen ermittelt und protokolliert. Der Mechanismus von enzymkatalysierten Reaktionen nach Michaelis-Menten geht von einem EnzymSubstrat-Komplex ES aus, das aus dem Enzym E und dem Substrat S in einer vorgelagerten Gleichgewichtsreaktion entsteht und zu Produkt P und unverändertem Enzym E zerfällt: k1 k2 E S ES PE k'1 (1) k1, k'1 , k2 Geschwindigkeitskonstanten der Elementarreaktionen Nach dem Bodensteinprinzip ist die zeitliche Änderung der Konzentration von ES ≈ 0 (2) dcES k1cEcS k'1cES k2cES 0 dt Umgestellt nach der Konzentration von ES ergibt sich: 4 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved P1369860 Bestimmung der Michaeliskonstante (3) cES 7.3.2.4 k1cEcS k'1 k2 Die freie Substratkonzentration cs kann der Gesamtkonzentration von S gleichgesetzt werden, da nur wenig Enzym zugegeben wird. Die Gesamtkonzentration von E, cE,0, ist gleich der Summe der Konzentration an freiem Enzym cE und an Enzym-Substrat-Komplex, cES: (4) cE,0 cE cES Nach Umstellen und Einsetzen von Gleichung (4) in Gleichung (3) erhält man: (5) cES k1 cE,0 cES cS k'1k2 Abb. 4: Konzentrationsabhängigkeit der Enzymolysegeschwindigkeit Umstellen nach cES liefert: (6) cES k1 cE,0 cS k'1k2 k1cS Für den Schritt der Produktbildung lautet das Zeitgesetz: (7) dcP k2cES dt Setzt man für cES den Ausdruck Gleichung (6) ein, erhält man: (8) kk c c dcP 1 2 E,0 S dt k'1k2 k1cS www.phywe.com P1369860 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved 5 7.3.2.4 Bestimmung der Michaeliskonstante Der Quotient (9) k'1k2 KM k1 wird zur Michaeliskonstante, KM, zusammengefasst. Somit lautet das Zeitgesetz: (10) kc c dcP 2 E,0 S dt KM cS Die Geschwindigkeit der Enzymolyse ist also linear von der Enzymkonzentration abhängig. Der Einfluss der Substratkonzentration ist komplizierter. Für den Fall cS > KM vereinfacht sich die Gleichung (10) zu (11) dcP k2cE,0 dt In diesem Fall ist die Reaktion nullter Ordnung nach S und die Enzymolyse hat ihr Geschwindigkeitsmaximum mit k2 cE,0. Ist cS = KM, so wird die Hälfte der Maximalgeschwindigkeit erreicht. Die Michaelis-Konstante KM entspricht also der Substratkonzentration, bei der die Reaktion mit halbmaximaler Geschwindigkeit abläuft. Für den Fall, dass nur noch wenig Substrat vorhanden ist, also cS > KM, ergibt sich (12) dcP k 2 cE,0cS dt KM d.h., die Bildungsgeschwindigkeit von P ist erster Ordnung nach E und S. Zur Auswertung werden die Durchschnittsgeschwindigkeiten der Enzymolyse zwischen 100 s und 200 s nach dem Start bestimmt. Es ist dazu die Differenz der Leitfähigkeitswerte nach jeweils 100 und 200 Sekunden zu bilden (∆ Y) und durch 100 s zu teilen. Diese Geschwindigkeiten (in µS cm -1 s-1) werden gegen die Harnstoffkonzentration (in mmol l-1) aufgetragen (vgl. Abb. 4). Die Substratkonzentration cs (in mmol/l) ergibt sich nach der Formel: (13) mit: cS W 10000 / M W = Konzentration der Harnstofflösung in % M = molaren Masse von Harnstoff = 60,06 g/mol Da es schwierig ist, die der halbmaximalen Geschwindigkeit entsprechende Konzentration, also K M, direkt abzulesen, bedient man sich der Lineweaver-Burk-Auftragung. 6 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved P1369860 Bestimmung der Michaeliskonstante 7.3.2.4 Abb. 5: Lineweaver-Burk-Auftragung Mit der Reaktionsgeschwindigkeit v = dcp/dt und in reziproker Darstellung erhält man aus Gleichung (10): (14) 1 1 KM 1 v k2 k2 cS Die Auftragung von 1/v gegen 1/cs (vgl. Abb.5) liefert demnach k2-1 als Ordinatenabschnitt (1/cs = 0) und KM/k2 als Anstieg einer Geraden. Zunächst werden der Ordinatenabschnitt und die Steigung der Geraden ermittelt. Diese Steigung wird dann durch den Ordinatenabschnitt geteilt, um die MichaelisKonstante zu erhalten. Die Berechnung ergibt einen Wert von 4,86 x 10-3 mol l-1 für die MichaelisKonstante von Urease. Ein kleiner KM-Wert bedeutet eine hohe Affinität des Enzyms zu seinem Substrat. Urease war das erste Enzym, das kristallin dargestellt wurde (Sumner, 1926). Es gehört, im Gegensatz zu den allosterischen Enzymen, zu den „normalen“ Enzymen, die dem Michaelis-Menten-Mechanismus genügen. www.phywe.com P1369860 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved 7 7.3.2.4 Bestimmung der Michaeliskonstante Raum für Notizen 8 PHYWE Systeme GmbH & Co. KG © All rights reserved P1369860