Sie benötigen zur Konstruktion des Spektrums mehrere Angaben, die Sie am besten schrittweise aus der Struktur der Verbindung ableiten: 1. Wie viele Gruppen äquivalenter Protonen und damit Resonanzsignale werden gefunden? 1. Wodurch wird die Zahl der von einer Verbindung zu erwartenden 1H-NMR-Signale bestimmt? 2. Wann bezeichnet man H-Atome als äquivalent? 3. Wie können äquivalente H-Atome in einer gegebenen Verbindung gefunden werden? 4. Wie verhalten sich die H-Atome der Methyl- bzw. der Methylengruppen? 1. Die Zahl der Signale im 1H-NMR-Spektrum einer Verbindung ist gleich der Anzahl der Gruppen äquivalenter H-Atome. 2. H-Atome sind dann äquivalent, wenn sie gleichartig gebunden sind, d.h., wenn die Geometrie des Restmoleküls bezüglich der H-Atome identisch ist, wenn der Bindungscharakter der benachbarten Bindungen identisch ist. 3. Um äquivalente H-Atome in einer Verbindung aufzufinden, kann entweder das Restmolekül der Reihe nach von allen H-Atomen aus betrachtet und beobachtet werden, wann übereinstimmende Umgebungsverhältnisse auftreten, oder nach Symmetrieelementen des Moleküls gesucht werden, die verschiedene H-Atome einander zuordnen. 4. In frei beweglichen Systemen ergeben die H-Atome von Methyl- oder Methylengruppen jeweils ein gemeinsames Signal. 2. Welche Werte der chemischen Verschiebung erwarten Sie für die Gruppen äquivalenter Protonen? Chemische Verschiebung - Lage der Resonanzsignale Um das NMR-Spektrum für eine vorgegebene Verbindung konstruieren zu können, muss man die Anzahl der Resonanzsignale und natürlich ihre Lage im Spektrum, d. h. die Werte ihrer chemischen Verschiebungen kennen. Auch für diese sind Voraussagen möglich: Äquivalente Protonen in Molekülen ergeben auf Grund der gleichen Elektronenverteilung in ihrer Umgebung gleiche chemische Verschiebungen. Haben nun zwei Protonen ähnliche chemische Umgebungen, dann werden ihre Signale im Spektrum nage beieinander liegen. So werden z. B. die Signale der Methylprotonen der beiden Gruppen -CH2-CH3 und >CH-CH3 ähnliche chemische Verschiebungen zeigen). Die Analyse vieler Spektren ergibt, dass das Signal der Methylprotonen in aliphatischen Verbindungen in den meisten Fällen in dem Erwartungsbereich der chemischen Verschiebung von = 0,6 ... 1,9 ppm liegt. Dagegen führt die vollkommen andere Elektronenstruktur der Carbonylgruppe -CHO auch zu einem anderen Erwartungsbereich der chemischen Verschiebung von = 9,l ... l0 ppm für das Proton der Aldehydgruppe. Die chemische Verschiebung kann quantitativ angegeben werden: 1. als Frequenzdifferenz zwischen dem Signal S einer Standardverbindung, meist Tetramethylsilan (TMS) und dem betrachteten Signal Pr der Probe, d.h. Pr = Abstand des Probesignals vom TMS-Signal. Dazu eine Erläuterung: Auf Grund der Proportionalitätsbeziehung zwischen der magnetischen Feldstärke und der Frequenz des elektromagnetischen Wechselfeldes nach = (/2 ) · Hz ist es üblich, die chemische Verschiebung nicht in Feldstärke-, sondern in den Frequenzeinheiten Hertz (Hz) (engl. cps = cycles per second) anzugeben. 2. in der -Skala nach der Formel: = (Pr · 106) / 0 ppm (1ppm = 1 · 106 (parts per million); 0 ist die Arbeitsfrequenz) Auf diese Art und Weise wird die chemische Verschiebung unabhängig von der Arbeitsfrequenz 0, denn: Die Frequenzdifferenz allein ist abhängig von der Arbeitsfrequenz 0 und gestattet deshalb keine Vergleiche der chemischen Verschiebungen bei verschiedenen Arbeitsfrequenzen (z.B. bei 250 MHz und 400 MHz). 3. in alten Spektren in der -Skala (nur bei Protonenresonanz) nach der Formel = 10 - 3. Welche relativen Intensitäten besitzen die Signale der Gruppen äquivalenter Protonen? 1. Warum können über die chemischen Verschiebungen von Protonensignalen Voraussagen gemacht werden? 2. In welchen Skalen wird die chemische Verschiebung gemessen? 3. Wie wird die Intensität der Resonanzsignale gemessen? 4. Warum können die Signalintensitäten ergänzende Aussagen über die Struktur von Verbindungen liefern? 1. Befinden sich Protonen in ähnlichen chemischen Umgebungen, dann haben ihre chemischen Verschiebungen auch ähnliche Werte. Es ist deshalb möglich, für charakteristische Protonengruppierungen Erwartungsbereiche für die chemischen Verschiebungen zu tabellieren. 2. Die chemische Verschiebung kann gemessen werden a. als Frequenzdifferenz zwischen dem Signal einer Standardverbindung (meist Tetramethylsilan - TMS) und dem betrachteten Signal der Probe; b. als frequenzunabhängige Größe in der -Skala nach der Formel: = ( · 106)/ 0 ppm wobei 0 die Arbeitsfrequenz des Spektrometers ist. 3. Die Intensität wird als Fläche (meist automatische Integration und daraus resultierende Integralkurve) unter dem Resonanzsignal gemessen. 4. Die Intensität ist proportional der Anzahl der äquivalenten Protonen, die das Signal bewirken. Deshalb verhalten sich die relativen Intensitäten der Signale einer Verbindung wie die Zahlen der die Signale bewirkenden Protonen. 4. Welche Aufspaltungsbilder treten für die Resonanzsignale auf Grund der Spin-Spin-Kopplung auf? (Art der Multipletts und Intensitäten der Multiplettlinien) 1. Wodurch kommt es zur Aufspaltung von Resonanzsignalen? 2. Wie nennt man diese Erscheinung? 3. Wie können Sie die Anzahl der Linien eines Multipletts, d.h. die Multiplizität eines Signals bestimmen? 4. Können Sie etwas über die relativen Intensitäten der Einzellinien eines Multipletts voraussagen? 1. Treten die Magnetfelder zweier H-Atomkerne miteinander in Wechselwirkung, so werden deren Energieniveaus im äußeren Magnetfeld weiter aufgespalten. Dadurch werden mehrere nahe beieinanderliegende Übergänge möglich. 2. Wegen dieser durch die Bindungselektronen vermittelten Wechselwirkung bezeichnet man die Erscheinung als indirekte Spin-Spin-Koplung. 3. Koppeln allgemein n äquivalente H-Kerne X mit dem Proton A, ergibt sich für die Multiplizität MA der Aufspaltung des Signals A die Formel: MA = n X + 1 4. Die relativen Intensitäten der Einzellinien eines Multipletts verhalten sich wie folgt: Multiplizität 2 3 4 5 Relative Intensitäten 1:1 1:2:1 1:3:3:1 1:4:6:4:1 Die Aufspaltung der Signale wird durch die indirekte Spin-Spin-Kopplung verursacht. Diese Bezeichnung weist schon darauf hin, dass die durch die Kernspins verschiedener Atome (hier werden nur Protonen berücksichtigt!) verursachten Magnetfelder miteinander in Wechselwirkung treten. Diese Kopplung der Kernspins wird über die Bindungselektronen mit ihren Magnetfeldern vermittelt. Ein Beispiel: Die beiden H-Atome im Dichloracetaldehyd (Dichlorethanal) Cl2CH - CHO X A zeigen indirekte Spin-Spin-Kopplung: Im äußeren Feld B0 spaltet das Energieniveau des Kerns A wegen der Einstellung des Kernspins in Richtung bzw. gegen die Richtung des äußeren Feldes auf. Damit wird ein Übergang zwischen den beiden Niveaus (= ein Resonanzsignal) möglich. Da der Kernspin des Kerns X ebenfalls zwei Einstellungsmöglichkeiten zum äußeren Feld (mIX = + ½ und mIX = - ½) hat, wird nun, vermittelt durch die Bindungselektronen, das wirksame äußere Feld am Kern A zweifach modifiziert. Dadurch spaltet jedes Niveau des Kerns A noch einmal um einen geringen Betrag auf, und statt des einen Übergangs werden zwei Übergänge möglich (= Dublett). Ein benachbartes H-Atom erzeugt also ein Dublett (nX = 1 daraus folgt MA = 2) 5. Welche Werte haben die Kopplungskonstanten der Spinmultipletts? Ein Maß für die Stärke der Kopplung zwischen zwei Gruppen A und X äquivalenter Protonen ist die Kopplungskonstante JAX: JAX = Abstand benachbarter Einzellinien des Multipletts A in Hertz Zusammengehörige Kopplungskonstanten (JAX und JXA) sind gleich groß! Die Kopplungskonstante J ist im Gegensatz zur chemischen Verschiebung eines Resonanzsignals eine frequenzbzw. feldunabhängige Größe. Zum Beispiel für das Dublett der Methylprotonen in (CH3)3CH-O-CH(CH3)2 gilt: JCH3,CH (bei 0 = 250 MHz) = 6,1 Hz (bei 0 = 600 MHz) = 6,1 Hz Da in der Spektrendarstellung bei höheren Arbeitsfrequenzen die Entfernung der Signale in ppm unverändert bleibt, während die Multiplettlinien eines Signals näher zusammenrücken, werden die Spektren mit hohem Kopplungsanteil übersichtlicher und damit leichter auswertbar. Deshalb besteht der Trend, Spektren bei immer höheren Arbeitsfrequenzen (derzeit bis 800 MHz) aufzunehmen. Unter welchen Bedingungen erwarten Sie keine Kopplung zwischen Protonen einer Verbindung? 1. bei größerer Entfernung der Protonen, z.B. H-C-C-C-H 2. innerhalb Gruppen äquivalenter Protonen, z.B. Spin-Spin-Kopplung mit benachbarten Protonen: Befinden sich in der Nachbarschaft eines Protons A 1. n andere äquivalente Protonen X, dann führt die Kopplung zwischen A und X zu einer Aufspaltung des Signals von A mit der Multiplizität MA = nX + 1 2. 3. mehrere verschiedene Sätze äquivalenter Protonen M, X... (z.B. CHnM- CHA=CHnX) mit jeweils nM, nX .... Protonen, dann koppeln sie unabhängig voneinander mit dem Proton A. Die Aufspaltung des Resonanzsignals von A berechnet sich dann nach MA = (nM + 1) * (nX + 1) ... Für die Verbindung ClCH = CH - CH2Cl lassen sich Zahl und M A X relative Intensitäten der Multiplettlinien des Signals von HA anschaulich unter Verwendung der Kopplungskonstanten ableiten. Für HA gilt: A = 4,86 ppm; JAM = 13,1 Hz; JAX = 7,3 Hz. Die Kopplung von HA mit HM ergibt ein Dublett (nM = 1; relative Intensitäten 1: 1). Durch die davon unabhängige zusätzliche Kopplung mit HX werden nun beide Dublettlinien noch einmal zu je einem Triplett (nX = 2; relative Intensitäten 1: 2: 1) aufgespalten. Insgesamt erscheinen also sechs Einzellinien (MA = 6). 1. Wann erwarten Sie indirekte Spin-Spin-Kopplung zwischen Protonengruppen? 2. Wie wird die Multiplizität der Aufspaltungen durch Spin-Spin-Kopplung für a. eine benachbarte nichtäquivalente Protonengruppe, b. mehrere benachbarte nichtäquivalente Protonengruppen berechnet? 3. Wie verhalten sich die Intensitäten der Einzellinien eines durch eine benachbarte nichtäquivalente Protonengruppe verursachten Multipletts? 4. Wie ist die Kopplungskonstante definiert, und welche Bedeutung hat sie? 1. Zwischen Protonengruppen einer Verbindung treten indirekte Spin- Spin- Kopplungen auf, wenn die Protonen der verschiedenen Gruppen a. nicht äquivalent und b. nicht zu weit voneinander entfernt sind (z. B. in -Systemen im allgemeinen nicht weiter als drei - Bindungen). 2. Die Multiplizität der Aufspaltung des Signals einer Protonengruppe A durch Kopplung a. mit einer benachbarten anderen Protonengruppe X mit nX äquivalenten Protonen berechnet sich nach MA = n X + 1 b. mit mehreren verschiedenen benachbarten Protonengruppen M, X,... mit jeweils nM, nX,... äquivalenten Protonen berechnet sich nach MA = (nM + 1)* (nX+ 1)... 3. Die Intensitäten der Einzellinien eines durch eine benachbarte Protonengruppe verursachten Multipletts verhalten sich wie die n-ten Binominalkoeffizienten (Pascalsches Dreieck). 4. Die Kopplungskonstante JAX ist ein Maß für die Stärke der indirekten Spin-SpinKopplung zwischen den Protonen A und X. Sie ist definiert als: JAX = Abstand benachbarter Einzellinien des Multipletts A, hervorgerufen durch die Kopplung mit X, in Hertz. Die Größe der Kopplungskonstanten ist unabhängig von der Arbeitsfrequenz.