- Salto Suchthilfe Salzgitter

Werbung
ROGEN- UND
SUCHTHILFE gGMBH
Die Gesellschafter der
Drogen- und Suchthilfe
gGmbH
Bezirksverband
Braunschweig e. V.
Verein zur Förderung
der Drogen- und
Suchthilfe e.V.
Konzept ambulante
Rehabilitation
Telefon:
05341/1885975
1885976
Fax:
05341-1885991
email:
Suchthilfe.Salzgitter
@web.de
Bankverbindung:
Volksbank Braunschweig
Kto-Nr.: 6971520000
BLZ: 27090077
Suchtberatungsstelle Salzgitter
Berliner Straße 78
38226 Salzgitter
Stand: 23. August 2004
Steuernummer:
51/200/25125
Handelsregister:
Amtsgericht Braunschweig
HRB 9716
Sitz der Gesellschaft und
Gerichtsstand:
Salzgitter
Geschäftsführer:
Klaus-Dieter Pauly
0
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung/ Einleitung
1.
Die Einrichtung
1.1
1.2
1.3
1.4
Träger der Einrichtung
Einzugsbereich und Lage der Einrichtung
Personal
Räumliche Ausstattung der Einrichtung
2.
Krankheits- und Therapieverständnis
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
Gesellschaft, Tradition, Normen
Wirkungen suchtpotenter Stoffe und Verhaltensweisen
Suchterkrankung als Konditionierungsprozess
Individuelle Faktoren des Suchtkranken
Suchterkrankung und Lebensbewältigung/Selbstheilungsversuch
Folgen von Suchterkrankungen
Grundlagen der Behandlung von Suchterkrankungen
3.
Zielgruppen
3.1
3.2
Indikationen
Kontraindikationen
4.
Behandlungsmodule
4.1
4.2
4.3
Diagnostik
Behandlungsziele
Behandlungsplanung und Gesamtdauer der Behandlung
4.4
Therapeutische Verfahren und Behandlungsansatz
4.4.1 Charakterisierung unseres Behandlungsansatzes
4.4.2 Analytisch-orientierter Therapieansatz
4.4.3 Verhaltenstherapie
4.4.4 Psychodrama
4.4.5 Systemische Familientherapie
4.4.6 Integrative Gestalttherapie
4.5
Behandlungsangebote und –methoden
4.5.1
4.5.2
4.5.3
4.5.4
4.5.5
4.5.6
4.5.7
Einzeltherapie
Gruppentherapie
Wochenendseminare
Praktika
Krisenintervention
Rückfallinterventionen
Familien-/Paartherapie
4.5.8 Indikationsgruppen
4.5.8.1Training sozialer Kompetenzen
4.5.8.2 Stressbewältigungstraining
4.5.8.3 Entspannungstraining
4.5.8.4 Angstbewältigungstraining
4.6.8.5 Kreativitätsförderung/Kunsttherapie
5.
Kooperierende Einrichtungen und Institutionen
5.1
5.2
5.3
Medizinische Beratung und Behandlung
Berufliche Integration
Vermittlung in Selbsthilfegruppen
6.
Qualitätssicherung
6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
Dokumentation und Berichtswesen
Suchtmittelkontrollen
Teamsitzungen
Supervision und Fortbildung
Qualitätsmanagement
1
4
4
4
4
7
7
7
8
8
9
11
11
12
13
14
14
14
14
15
16
16
16
17
18
18
19
19
20
20
21
22
22
22
22
23
24
24
25
26
27
27
28
28
28
29
29
29
29
30
30
30
Anhang: Literatur
0
1
Vorbemerkung/ Einleitung
Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH ist professioneller Anbieter von
Leistungen für Menschen mit Suchtproblemen. Eine weitere Zielgruppe
sind öffentliche Institutionen, deren Aufgabe die Begrenzung und
Rehabilitation der durch Suchterkrankungen hervorgerufenen Schäden ist.
Wir möchten mit diesem Konzept die grundsätzlichen Überlegungen für die
Durchführung von Leistungen zur Ambulanten Rehabilitation Suchtkranker
in Salzgitter vorlegen. Unser Bemühen besteht darin, neue Ergebnisse der
Sucht- und Therapieforschung zu berücksichtigen, ohne dabei bewährte
Standards und Methoden der Suchtkrankenhilfe aufzugeben.
Im Hinblick auf die chronifizierende Wirkung des Missbrauchs von
Suchtstoffen und dem damit verbundenem oft mehrjährigen wechselhaften
Ausstiegsprozess aus der Sucht, setzen wir in der Rehabilitation auf ein
differenzierteres und mit anderen Einrichtungen vernetztes System von
unterschiedlichen
kooperierenden
Hilfeeinrichtungen
und
Selbsthilfegruppen. Mit diesen Rehabilitationsangeboten wollen wir
angemessener auf die jeweilige Situation des Patienten und seinen
Rehabilitationsstand eingehen:
 Lokale Kooperationsnetze mit Betrieben, Arbeitsagenturen sowie
Bildungswerken zur Sicherung, Wiederherstellung und Stabilisierung der
Erwerbsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt
 Regionale Kooperationsnetze mit anderen Anbietern von Leistungen in
der Suchtkrankenhilfe, mit dem Ziel des Aufbaus differenzierter, flexibler
miteinander verzahnter Behandlungsangebote, aus denen unter
Berücksichtigung der Patienteninteressen und therapeutischen Prämissen
das jeweils effektivste Behandlungskonstrukt gewählt werden kann
(Wechselmöglichkeiten ambulant, stationär)
 Kooperationsnetzwerke mit Selbsthilfegruppen erleichtern den
suchtkranken Menschen den Zugang zum Therapieangebot und bieten ihm
nach der Therapie einen suchtmittelfreien und aktivierenden sozialen
Bezugsrahmen.
 Erlebnisorientierte Therapieverfahren und Behandlungsmethoden (s.
Indikationsgruppen) finden verstärkt Anwendung, weil sie mehr als das
Gespräch
geeignet
sind,
langjährig
verankerte
Denkund
Verhaltensstrukturen erlebbar zu machen und neue und angemessene
Verhaltensweisen erprobbar zu machen.
 Qualitätssicherung über interne Supervision, Benchmarking und der
kollegiale
Austausch
mit
Mitarbeitern
anderer
Einrichtungen.
Wissenschaftliche Entwicklungen münden in eine stetige prozessuale
Reflexion und kreative Ideenentwicklung in der Arbeit mit den Patienten
und den Kooperationspartnern.
1
2
Die z. Zt. bestehenden und angestrebten Kooperationen beziehen sich auf:
Suchtmedizin
Selbsthilfe
Betriebliche
Suchtkrankenhilfe
Facharzt für Psychiatrie
Uwe Gebel
(Beratungsstellenarzt)
Facharzt für Psychiatrie
Michael Rebling
(Psychiatrische
Behandlung)
Susanne Koch-Adam
St. Bluhm
(Allgemeinmedizinische
Behandlung)
7 Freundeskreise
6 Gruppen AA
2 Al-Anon
Eltern- und
Angehörigenkreis
Drogenabhängiger
Suchtkrankenhilfe/med.
Dienst Salzgitter AG
Suchtkrankenhilfe BoschBlaupunkt
Suchtkrankenhilfe
Volkswagenwerk SZ AG
Suchtkrankenhilfe MAN
Gremium
Arbeitsgruppe
Suchtmedizin
Arbeitskreis
Selbsthilfe
Arbeitskreis
Netzwerk
betriebliche
Suchtkrankenhilfe
Stadt Salzgitter
Suchtkrankenhilfe Alstom
Suchtkrankenhilfe Schulen
Stationäre
Rehabilitation
Stationäre Entgiftung
Haus Niedersachsen
(Reha Alkohol)
Therapiekette
Niedersachensen
(Reha Drogen)
DO Waldhaus Södderrich
DO Eschershausen
(Reha Drogen)
Provatklinik
Salzgitter, den 07.07.2004
Klaus Pauly
Leiter der Einrichtung
2
3
Netzwerk Rehabilitation
3
4
1.
Die Einrichtung
1.1
Träger der Einrichtung
Die Suchtberatungsstelle Salzgitter befindet sich in Trägerschaft der Drogenund Suchthilfe gGmbH, mit Sitz in der Berliner Straße 78 in 38226 Salzgitter.
Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH ist eine Gesellschaft
 der AWO Bezirksverband Braunschweig e.V.
 der AWO Trialog gGmbH
 des Vereins zur Förderung der Drogen- und Suchthilfe e.V.
1.2
Einzugsbereich und Lage der Einrichtung
Salzgitter ist eine kreisfreie Stadt mit 31 Stadtteilen auf einer Gemeindefläche
von 244 qkm. Im Jahr 2004 zählen ca. 110.000 Einwohner zur
Wohnbevölkerung. Es gibt in Salzgitter ca. 60000 abhängig beschäftigte
Erwerbspersonen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 13,1%. 6,1% der
Bevölkerung beziehen Leistungen aus der Sozialhilfe.
Die Suchtberatungsstelle Salzgitter ist im Stadtteil Lebenstedt angesiedelt,
dem flächen- und einwohnerbezogen größten Stadtteil Salzgitters. Hier
befindet sich auch die zentrale Verwaltung der Kommune. Die Einrichtung hat
ihren Standort in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums und hat mit einer
Bushaltestelle direkt vor der Haustür eine Anbindung an das Netz der
Stadtbusse sowie der umliegenden Städte und Gemeinden.
Die Suchtberatungsstelle kooperiert mit den medizinischen und sozialen
Diensten der in Salzgitter angesiedelten Großbetriebe und wird von diesen
Stellen zur Versorgung betroffener Mitarbeiter in Anspruch genommen.
1.3
Personal
Die Mitarbeiter der Einrichtung haben langjährige Erfahrungen in der
Behandlung von Suchtkranken und verfügen über VDR-anerkannte
therapeutische Qualifikationen.
Der Stellenplan sieht z- Zt. Folgende Zusammensetzung vor:
 Facharzt für Psychiatrie (Honorar- und Kooperationsvereinbarung über
mindestens 3 Std./Wo.
 Dipl. Psychologin, 19,25 Std./Wo (in Ausbildung zur Psychologischen
Psychotherapeutin in Verhaltenstherapie)
 Dipl. Sozialpädagoge 38,5 Std./Wo (Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeut, Familientherapie, Verhaltenstherapie VDR
anerk.)
 Dipl. Sozialpädagoge 34,65 Std./Wo (Psychodramatherapeut VDR anerk.)
 Dipl. Sozialpädagogin 28,88 Std./Wo (Gestalttherapeutin VDR anerk.)
 Dipl. Sozialpädagogin 28,88 Std./Wo (NLP-Master)
 Schreib- und Verwaltungskraft (19,25 Std./Wo)
4
5
Obergeschoss der Suchtberatungsstelle Salzgitter
Verwaltung
Rezeption
27qm
Treppe
Wartebereich
Küche
Wc
Büro
Einzeltherapie
Büro
Einzeltherapie
Büro
EinzelTherapie
18qm
20qm
22qm
wc
wc
Gruppenraum 2
51qm
Büro
Einzeltherapie
Gruppenraum 1
48qm
15qm
5
6
Untergeschoss der Suchtberatungsstelle Salzgitter
Treppe
Eingang
Keller
Galerie
Lager
21qm
14qm
Werkstatt
Kreativbereich
44qm
6
7
1.4
Räumliche Ausstattung der Einrichtung
Mit ca. 400 qm verfügt die Einrichtung über ein großzügiges Raumangebot
und ein hervorragendes Ambiente in der Aufteilung der Räumlichkeiten auf
zwei Geschossetagen. Im Erdgeschoss befindet sich eine ca. 30 qm große
Eingangshallen mit Treppenaufgang, ein Warte- und Aufenthaltsbereich für
Besucher und Klienten und eine ca. 50 qm große Werkstatthalle für die
Kunsttherapie zur Kreativitätsförderung und für kleinere Werkstattprojekte.
In dem ca. 300 qm großen Obergeschoss ist das Verwaltungsbüro
untergebracht. Hier befinden sich vier Büroräume die für die Einzelgespräche/therapie genutzt werden sowie zwei Räume für die Gruppentherapie mit je ca.
40 qm.
Die Eingangshalle, der Flur- und Wartebereich sowie die Gruppenräume
werden von regionalen Künstlern für Ausstellungen und Galerien genutzt und
fördern damit die Integration und Akzeptanz der Einrichtung in der
Bevölkerung.
2.
Krankheits- und Therapieverständnis
2.1
Gesellschaft, Tradition, Normen
In unserem Kulturkreis sind suchtpotente Stoffe wie Alkohol, Nikotin,
Beruhigungsmittel usw. leicht verfügbar und werden von einem Großteil der
Bevölkerung genutzt. Der Konsum wird mittels aufwendiger, psychologisch
ausgefeilter Werbestrategien gefördert. Dem stehen die illegalen Suchtstoffe
Cannabis, Ecstasy, Heroin, Kokain etc. gegenüber, die trotz der Tabuisierung
und des Verbotes konsumiert werden. Die Gesellschaft steht in einem stetigen
Abwägungsprozess zwischen Konsumfreiheit und Begrenzung der
Folgeerscheinungen eines sich epidemisch verbreitenden Suchtmittelmissbrauchs. Zum einen ist der Verkauf von suchtpotenten Stoffen ein großer
Geschäftszweig, aus dem Steuergelder eingenommen werden, zum anderen
entstehen erhebliche gesundheitliche und soziale Schäden durch den Konsum
suchtpotenter Stoffe mit den entsprechenden Folgekosten für die Gesellschaft
für Behandlung, Rehabilitation und Reintegration. Dieser Konflikt wird
besonders deutlich in der Gefährdung Jugendlicher durch immer neue
suchtpotente Produkte und die erheblichen Anstrengungen der Gesellschaft,
durch Präventionsmaßnahmen, negative Bewertung, Besteuerung und
Repression der Suchtentwicklung von jungen Menschen entgegen zu steuern.
2.2
Wirkungen suchtpotenter Stoffe und Verhaltensweisen
Alkohol, Tabak, Drogen und psychoaktive Medikamente lösen bei
Konsumenten körperliche und psychische Reaktionen aus, die euphorisch,
berauschend, entspannend, enthemmend, angstlindernd etc. wahrgenommen
und überwiegend positiv bewertet und wiederholt erwünscht werden. Die
gesamte Körper-, Sinnes- und Gefühlswahrnehmung wird verändert.
7
8
„Die Macht, mit der psychoaktive Substanzen unsere Stimmungen und
Gefühle verändern können, ist ein faszinierendes Phänomen... . Nervenzellen
verwenden chemische Signale, um miteinander zu kommunizieren. Und
psychoaktive
Substanzen
verändern
diese
normal
ablaufenden
„Unterredungen“ so, dass das gesamte, im Hirn ablaufende „Gespräch“ von
einzelnen Nervenzellverbänden dominiert und in eine bestimmte Richtung
gedrängt wird.“ (1).
Suchtpotente Stoffe wirken durch die Freisetzung von opiatähnlichen
Botenstoffen direkt auf das so genannte „Belohnungszentrum“ im Gehirn.
Dieses Hirnareal ist dafür verantwortlich, dass bestimmte existentielle
Verhaltensweisen des Menschen (Essen, Sexualität etc) mit Lust- und
Glücksgefühlen verknüpft werden und so der Reiz zur Wiederholung eines
bestimmten Verhaltens besteht.
Ohne „Belohnungszentrum“ wäre der
Mensch depressiv, denn es ist die Schlüsselregion für die Entstehung von
Antrieb, Verlangen, Suchtdruck und Sucht. Dauerhafter Alkohol- und
Drogenkonsum hinterlässt hier biochemische Spuren. Das Gehirn passt sich
an die stetige Stimulanz durch den überhöhten Spiegel von körpereigenen
Drogen an, entwickelt eine Abhängigkeit und löst beim Absetzen des Alkoholund
Drogenkonsums
schmerzhafte
körperliche
und
seelische
Entzugssymptome
aus.
Im
chronischen
Stadium
einer
Abhängigkeitserkrankung tritt der Genussaspekt für den Suchtkranken wegen
der Toleranzentwicklung immer mehr in den Hintergrund. Er braucht sein
Suchtmittel, um nicht in den Entzugsstatus zu gelangen. Auch
stoffungebundene Verhaltensweisen, die vom „Belohnungssystem“ positiv
verstärkt werden (Spielsucht, Sexsucht, Essstörungen etc.) können zu
Abhängigkeiten führen.
2.3
Suchterkrankung als Konditionierungsprozess
„Die Gefahr der Bahnung sehr einseitiger, das Denken, Fühlen und Handeln
eines Menschen bestimmender neuronaler Verschaltungsmuster ist um so
größer, je häufiger ganz bestimmte Strategien der Angstbewältigung von
einem Menschen im Lauf seiner Entwicklung immer wieder eingesetzt und
subjektiv als besonders erfolgreich bewertet werden.“ (2)
Die Entwicklung einer Suchterkrankung verläuft in einem individuell geprägten
verhaltenspsychologischen
und
neurophysiologischen
Lernund
Konditionierungsprozess mit den Phasen Gefährdung, Missbrauch und
chronische Abhängigkeit. Dieser Prozess führt zur Ausbildung eines
„Suchtgedächtnisses“, das als tief angelegte Struktur, auch nach
abgeschlossener Entgiftung und Entwöhnung des Suchtkranken, auf so
genannte Triggerimpulse mit erhöhter Stimulanz reagiert und einen erneuten
Alkohol- und Drogenkonsum auslösen kann.
Die durch den Suchtmittelkonsum ausgelöste Stimulierung bestimmter
Gefühle sowie die Überbrückung und Einschränkung der Wahrnehmung
unangenehmer Gefühle, führt beim Suchtkranken oft über Jahre hinweg zu
einer Fehlbewertung seiner gesundheitlichen, psychischen und sozialen
Situation und zur Vermeidung einer angemessenen Auseinandersetzung mit
(1) Gerald Hüther: Oh wie schön ist Panama, www.win-future.de, 2003, S. 2
(2) Gerald Hüther: Die soziale Dimension der Hirnforschung, www.win-future.de, 2003, s. 3
8
9
neuen aufregenden Wahrnehmungen, nicht erfüllten Erwartungen, verletzten
Gefühlen, Spannungen und Konflikten mit anderen Menschen usw..
2.4
Individuelle Faktoren des Suchtkranken
Es ist sehr schwer, allgemeine Aussagen darüber zu machen, warum jemand
süchtig wird oder nicht. Doch ähnlich wie bei anderen psychiatrischen
Krankheitsbildern geschieht die Entstehung und Ausbildung einer
Abhängigkeitserkrankung
unter
dem
komplexen
Zusammenwirken
verschiedener individueller Risiko- und Schutzfaktoren im Zusammenspiel mit
Lebensereignissen. Sie bilden den individuellen Nährboden oder aber das
individuelle Abwehrsystem in Bezug auf die Bewertung und das Wahlverhalten
eines Menschen im Umgang mit suchtpotenten Stoffen und Verhaltensweisen.
Schutzfaktoren
Risikofaktoren
Persönlichkeit
Intrapersonelle
Faktoren
Selbstvertrauen
Selbstsicherheit
Belastbarkeit und Kreativität bei
der Angst- und Stressbewältigung
Fähigkeit zur Wahrnehmung und
Bewertung von Körpersignalen
und Gefühlen
Labilität im Umgang mit
schmerzhaften Körpersignalen und
Gefühlen (Vulnerabilität)
Depressivität
Angst und Vermeidung von
altersgemäßen Reifungsschritten
Beängstigende Zukunftsperspektiven
Soziales
Umfeld
Interpersonelle
Faktoren
Suchtverbietendes bzw.
suchtkritisches Umfeld
Unbelastete Kindheitsentwicklung
Aufmerksame fördernde und
fordernde Bezugspersonen
Vollzogene altersgemäße soziale
Reifungsschritte
Sichere emotionale Beziehungen
Potential des
Suchtstoffes
Schlechte Verträglichkeit
Genetischorganische
Dispositionen
Keine Suchterkrankungen in der
Herkunftsfamilie
Suchtpermissives
Umfeld/suchtkranker Elternteil,
suchtkranke Freunde etc.
Seelischer, gewalttätiger und
sexueller Missbrauch
Kranke und stark belastete
Bezugspersonen
Ungesicherte emotionale
Beziehungen in der Familie
Beziehungsabbrüche
Anpassungskonflikte an soziales
Umfeld (Unter- bzw. Überanpassung)
Mangel an Orientierung – zuviel
Freiheit
Zu hohe Leistungsanforderungen
„zuviel Liebe oder zuviel Hiebe“
Starke neurophysiologische
Stimulanz
Hohe Affinität zwischen
pharmakologischem Potential und
psychischem Verlangen
Vorhandensein indizierter Suchtgene
Zu den wesentlichen individuellen Faktoren zählt die psychotherapeutische
Wissenschaft die innerpsychischen Prozesse im Zusammenhang mit
Erfahrungen aus der frühen Kindheit und Lernprozessen in der
Herkunftsfamilie, sowie die gegenwärtigen konkreten Lebensbedingungen und
genetisch-organische Dispositionen. Auch wenn das Suchtverhalten erst in
einer späteren Lebensphase auftritt, so hängt es doch mit der gesamten
9
10
Lebensgeschichte des Menschen zusammen und wird unter Umständen durch
eine aktuelle Situation ausgelöst.
Suchtverhalten ist nach unserem Verständnis ein Symptom für tiefer liegende
seelische Störungen. „Im Verlauf seines Heranwachsens wird ein Mensch
nicht nur zu einem sozialen Mitglied seiner Kultur, sondern er wird auch mit
ungelösten elterlichen Konflikten in seiner Herkunftsfamilie konfrontiert, die
wiederum
bei
ihm
zu
charakterlichen
Problemen,
erheblichen
Traumatisierungen und unbewussten Konflikten führen können.“ (3) Der
Mensch ist lebensnotwendig auf Kommunikation und Austausch, auf
Energiehergabe und Energiezufuhr angewiesen. Die grundlegenden
Persönlichkeitsstrukturen entwickeln sich schon früh aus dispositionellen
Faktoren, dem Beziehungsgeflecht der Ursprungsfamilie zum Kind, den
interaktionellen alltäglichen Erfahrungen in Aktion und Reaktion, den im Laufe
des Lebens wechselnden sozialen Beziehungen und aus bedeutsamen
Lebensereignissen. Die Entwicklung von Suchtmittelabhängigkeit wird stark
beeinflusst von dem, was in entscheidenden Entwicklungsphasen eines
Menschen passierte und wie darauf vom sozialen Umfeld reagiert wurde. Es
können z.B. Störungen mit Vorschädigungen aus früher Kindheit vorliegen,
Schädigungen im psychosozialen Kontext der Persönlichkeitsentwicklung
durch negative Ereignisketten, durch Beziehungsstörungen und -abbrüche,
rigide oder destruktive Atmosphären, Milieus u.a.. Sie bilden sich in der sich
entwickelnden Persönlichkeit als ,,innere Strukturen" ab, die ihre Erlebensund Verhaltensweise beeinflussen und z. B. entscheidend für das unbewusst
ablaufende
Entscheidungsund
Bewertungsverhalten
bzgl.
des
Suchtmittelkonsums sind. Aus psychoanalytischer Sicht werden diese frühen
Störungen nach der Schwere der Störung in drei Grundmodellen
unterschieden (4):

Neurose und Suchterkrankung (Schuldgefühle, Identifikationsdefizite, konflikte mit dem Vater/ödipale Störungen) – Trinken aus Schuldgefühl

Ich-Schwäche und Suchterkrankung (mangelnde Bestätigung und
Förderung
oder
auch
Überverwöhnung,
Überforderung
mit
Anpassungsleistungen im Alltag, mangelnde Affektdifferenzierung,
geminderte Affektkontrolle, schwache Ich-Grenzen gegen äußere Einflüsse
- Trinken als Selbstheilungsmittel

Basale Identitätsstörungen und Suchterkrankung (fehlen innerer guter
Objekte und fehlendes Urvertrauen aufgrund von Traumatisierung,
Unglücken, Missbrauch und Exzessen in der Kindheit, es fehlt die
Erlaubnis zum Leben, das destruktive Suchtmittel wird zum Ersatzmittel für
die fehlenden guten Objekte– Trinken als Selbstzerstörungsmittel
(3) Kraiker, Ch. (Hrsg): Psychotherapieführer, C. H. Beck, 1998, S 59
(4) Rost, W.-D.: Zur Aktualität des psychoanalytischen Ansatzes in der Suchtbehandlung; in: Psychotherapie im
Dialog, 2/2003, S. 112f
10
11
Diese belastete und defizitäre innere Struktur kann auf Anforderungen der
Umwelt (Familie, Schule, Arbeitsplatz) nicht adäquat reagieren, wenn sie
gekennzeichnet ist von Angst, Misstrauen, Hilflosigkeit, Rückzug, Apathie,
mangelnder Frustrationstoleranz und führt auf der Interaktionsebene zu
depressivem, ängstlichem, vermeidendem oder manischem, riskantem
Verhalten, unrealistischer Selbsteinschätzung, über- oder unterkonformem
Verhalten, zu Ambivalenzen zwischen symbiotischem und hohem
Unabhängigkeitsstreben. Besondere Gefahren der Entwicklung süchtigen
Verhaltens bestehen im Zusammenhang mit
2.5

Schwellensituationen des Lebens, wie z. B. der Adoleszenz, also der Zeit
der ersten Liebe, von Schulwechsel, der Ablösung vom Elternhaus und
dem Einstieg ins Berufsleben.

problematischen Lebensereignissen, wie z. B. (Entwicklungskrisen,
Trennungen mit Ressourcenverlust, Karriereknick, Arbeitslosigkeit etc.).

dem Suchtmittelkonsum der sozialen Bezugsgruppe, der unmittelbaren
Umgebung und dem Suchtmittelkonsum des Betroffenen.
Suchterkrankung und Lebensbewältigung/Selbstheilungsversuch
Sucht muss auf diesem multifaktoriellen Hintergrund als ein Versuch des
Menschen verstanden werden, sich mittels der Wirkung eines Suchtstoffes
oder Suchtverhaltens an seine Lebensbedingungen anzupassen, eine
seelische Balance zu finden und ein subjektiv empfundenes Gleichgewicht
zwischen sich und seiner sozialen Umwelt herzustellen. Leidet ein Mensch
längere Zeit unter hohen inneren Spannungen und Belastungen von außen
und stehen ihm keine oder zu wenig erlernte Verhaltensweisen zur
Spannungs- und Konfliktlösung zur Verfügung, so greift er auf einen einmal als
hilfreich empfundenen „Spannungslöser“ zurück. Suchtmittel, aber auch
bestimmte Verhaltensweisen (Spielen, Essen etc.) übernehmen hier diese
Funktion. Je weniger Möglichkeiten und Fähigkeiten ein Mensch hat, mit
seinen seelischen und sozialen Belastungen fertig zu werden und je größer
seine Schuldgefühle werden, um so mehr engt sich sein Verhalten auf den
Drang Suchtmittel zu konsumieren ein.
2.6
Folgen von Suchterkrankungen
Jede Suchterkrankung führt zu existentiellen, medizinischen und psychosozialen Folgeschäden, die durch die ständige toxische Überbelastung des
Organismus und die Überbelastung des sozialen Umfeldes und die Fixierung
des Suchtkranken auf sein Suchtmittel hervorgerufen werden, z.B.
 Entzugssyndrome
mit
Magen-Darm-Störungen,
Schlafstörungen,
Kreislaufstörungen
 Neurologische Störungen, wie Zittern, Gleichgewichtsstörungen,
Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, Hirnveränderungen
11
12



2.7
Psychische Störungen wie Angst, vermehrte Reizbarkeit, Depressionen,
Sinnestäuschungen
Suchtbedingte Folgeerkrankungen: Lebererkrankungen, Krebs, Hepatitis,
Aids
Psychosoziale
Folgeschäden:
Scheidung
und
Vereinsamung,
Führerscheinverlust und Arbeitsplatzverlust, Coabhängigkeit von
Angehörigen, körperliche und psychische Schäden bei den Kindern,
Enthemmungsdelikte,
wie
Sachbeschädigungen,
Sexualdelikte,
Unfallflucht, Delinquenz
Grundlagen der Behandlung von Suchterkrankungen
Suchtkranke Menschen können lernen ohne den Konsum von suchtpotenten
Stoffen ihr Leben angemessen zu bewältigen. Mit suchttherapeutischen
Angeboten sollen Suchtkranke und ihre Angehörigen auf dem Weg begleitet
werden bei der
 körperlichen und psychischen Gesundung
 Einsicht in die Notwendigkeit einer abstinenten Lebensführung
 Stärkung der Selbstheilungskräfte
 Erlangung neuer Sinnfindungen und neue Vergangenheits- und Alltagsbewältigungsstrategien
Bei der Behandlung einer Suchterkrankung müssen neben dem
Suchtmittelkonsum
immer
alle
Faktoren
des
umfangreichen
Bedingungsgefüges angegangen werden: Der Suchtkranke selbst mit seiner
psychischen, beruflichen und wirtschaftlichen Situation, die Familie und das
soziale Umfeld. Hierbei bietet nur die stabilisierte Abstinenz die Grundlage
dafür, dass die Therapieverfahren gegen Ängste, soziale Schwierigkeiten,
berufliche Konflikte, Ehe- und Familienprobleme wirksam werden können.
„Die Abhängigen müssen dazu die wiederholte Erfahrung machen, dass sich
ihre – zumeist aus psychosozialen Konflikten resultierenden – Ängste auch auf
andere als die bisher „bewährte“ Weise erfolgreich bewältigen lassen. Nur so
lassen sich alternative Strategien des Denkens, Fühlens und Handelns
allmählich ebenfalls strukturell verankern. Die Gefahr des automatischen
Zurückgreifens auf die ursprünglichen, älteren und daher tiefer gebahnten
Strategien bleibt jedoch vor allem in Zeiten psychischer Krisen ständig
präsent.“ (5) Ein während der Behandlung einsetzendes Suchtmittelrezidiv
muss nicht immer als Rückfall bewertet werden, sondern stellt unter
Umständen einen Vorfall dar, wenn er über die therapeutische Bearbeitung
dem Patienten die Chance eröffnet, über die zumeist unbewussten Umstände
des Rezidives zu reflektieren und notwendige Veränderungen in seinem
Lebensstil (z. B. Abgrenzung von anderen Suchtkranken, Lösung von
Konflikten) einzuleiten.
Die Therapie des Suchtkranken findet in der Begegnung mit dem Therapeuten
in der Einzeltherapie und in der Begegnung mit dem Therapeutischen Paar in
der Gruppentherapie statt. Insbesondere in der Gruppentherapie trifft er auf
Rückhalt und Ansprache, da die Mitpatienten aus eigener Betroffenheit
(5) Gerald Hüther: Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen und ihre Auswirkungen auf das spätere
Verhalten, www.lptw.de, 2001, S. 8
12
13
wissen, was eine Suchterkrankung bedeutet und er findet hier seinen ersten
suchtmittelfreien sozialen Bezugsrahmen, in dem das neue suchtmittelfreie
Leben entdeckt, geprobt und gelebt wird und neue Alltagsbewältigungsstrategien entwickelt werden können.
Neben der sorgfältigen Bearbeitung von Rückfällen und Stabilisierung eines
abstinenten
Umfeldes,
kann
ein
Suchtkranker
eine
ambulante
Rehabilitationsmaßnahme nur erfolgreich bestehen, wenn er über eine
genügende Krankheitseinsicht und Therapiemotivation verfügt, die an
folgenden Kriterien zu messen ist:
 Notwendigkeit für Veränderungen erkennen: „So geht es nicht mehr
weiter!“
 Hilfsbedürftigkeit feststellen: „Ich schaffe es nicht mehr allein!“
 Angebotene Hilfe akzeptieren: „Ich lasse mir helfen!“
 Abhängigkeit erkennen: „Ich bin ein Alkoholiker/Drogenabhängiger!“
 Abstinenzangebot akzeptieren: „Ich darf überhaupt kein Suchtmittel mehr
zu mir nehmen!“
 Allgemeine Lebens- und Verhaltensänderungen zum Ziel setzen: „Ich
muss mein Leben anders gestalten, wenn ich endgültig vom Suchtmittel
loskommen und nicht mehr rückfällig werden will!“
3.
Zielgruppen
3.1
Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen kommen in Betracht für:
 Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige und Menschen mit einem
pathologischen Spielverhalten, für die angesichts des bisherigen
Krankheitsverlaufes und aufgrund ihrer sozialen Situation eine stationäre
Leistung zur Rehabilitation derzeit nicht indiziert ist
 Teilnehmer an einer stationären Leistung zur Rehabilitation, wenn die
Entwöhnung noch nicht abgeschlossen, aber soweit fortgeschritten ist,
dass sie nicht mehr stationär erfolgen muss.
Indikationen
Eine Ambulante Therapie/Entwöhnungsbehandlung kommt in Betracht, wenn
folgende Kriterien durch den Patienten erfüllt sind:









Bereitschaft zur dauerhaften Abstinenz und zur Mitwirkung am
Behandlungserfolg
eine ärztlich begleitete Entgiftung
Motivation und Fähigkeit zur aktiven Teilnahme an der ambulanten
Behandlung
Möglichkeit zur kontinuierlichen Teilnahme an den Einzel- und
Gruppengesprächen
Bereitschaft, regelmäßig und pünktlich zu erscheinen
adäquate Frustrationstoleranz und psychosoziale Belastbarkeit
Fähigkeit zur Abstinenz über einen längeren Zeitraum
Eingebundensein in ein die Abstinenz förderndes soziales Umfeld
fester Wohnsitz
13
14

3.2
Bereitschaft, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen
Kontraindikationen
Nicht therapiefähig sind Patienten, die einen der folgenden Punkte erfüllen:








Akute Psychosen
Abstinenzunfähigkeit
(starker) hirnorganischer Abbau (Demenz)
akute Erkrankungen
akute Suizidgefahr
hohes Fremdgefährdungspotential
ungenügende soziale Integration
bevorstehende oder zu erwartende Haftstrafen (für Klienten der JVA)
4.
Behandlungsmodule
4.1
Diagnostik
Angesichts der Differenziertheit von Abhängigkeitserkrankungen arbeiten wir,
ausgehend von einer Eingangsdiagnostik, mit einer prozessualen Diagnostik,
die fortschreitend neue Erkenntnisse über den Patienten berücksichtigt und
der weiteren Therapieplanung zur Verfügung stellt.
Die Eingangsdiagnostik umfasst:










Problemanalyse
Indizierung der Abhängigkeit nach ICD 10
Motivation und Behandlungsfähigkeit
die Erhebung der Sozial- und Suchtanamnese
die Analyse der aktuellen Lebenssituation
aktuelle Risikofaktoren und Belastungen
aktuelle Beschwerden und Funktionseinschränkungen
Verhaltensaktiva
die Genese der Abhängigkeit
psychodiagnostische Testverfahren wie Motivations-, Abhängigkeits-,
Befindlichkeits-, Intelligenz- und Belastungstests
Die
kooperierenden
Fachmediziner
führen
EingangsAbschlussuntersuchungen durch. Die ärztliche Diagnostik umfasst:





und
Körperlicher Status mit neurologischem Befund und
Funktionseinschränkungen
Suchtmedizinische Anamnese
Psychiatrischer Befund
Behandlungsempfehlung inkl. medikamentöser Therapie
Somatische Diagnose
14
15
4.2
Behandlungsziele
Rehabilitationsziele
Das übergeordnete Rehabilitationsziel ist die Erhaltung und Verbesserung der
Erwerbsfähigkeit durch die Wiederherstellung der körperlichen, seelischen und
geistigen
Gesundheit
auf
der
Basis
einer
selbstbestimmten,
selbstverantwortlichen und suchtmittelunabhängigen Lebensgestaltung mit
dem Ziel der (Wieder-)Gewinnung einer aktiven Lebensgestaltung im Beruf, in
der Familie und im Freundeskreis.
Persönlichkeitsbezogene Therapieziele
Daraus ergeben sich im Einzelnen folgende Therapieziele:
 Resozialisierung durch die Wiedergewinnung und Erhaltung von Arbeitsund Leistungsfähigkeit bei besserer sozialer Integration und Stärkung der
Persönlichkeit
 weitgehende physische, psychische und soziale Wiederherstellung
 Erkennen und Verstehen der eigenen Suchtentwicklung und die
Befähigung,
eingefahrene
Verhaltensweisen
zugunsten
neuer
Handlungsstrategien zu korrigieren
 Entwicklung eines abstinenten Selbstkonzeptes
 Förderung und Stabilisierung von Beziehungsfähigkeit
 Ausbildung von sozialer Kompetenz und Erlernen von Konflikt- und
Stressbewältigungsstrategien
 Förderung der Eigenverantwortung und Entscheidungsfähigkeit
 Stärkung und Stabilisierung des Selbstwertgefühls und des
Selbstvertrauens
 Auflösung der süchtigen Beziehungsstrukturen und Befähigung zur
differenzierten Selbst- und Fremdwahrnehmung
 Wiederbelebung der eigenen Kreativität
 Entwicklung von Liebes-, Genuss- und Arbeitsfähigkeit
4.3
Behandlungsplanung und Gesamtdauer der Behandlung
Liegt eine Indikation für eine ambulante Rehabilitation vor, hat der zuständige
Kostenträger die Maßnahme bewilligt und hat der Patient eine stationäre
Entgiftungsbehandlung
erfolgreich
mit
medizinischer
Zustimmung
abgeschlossen, wird ein Behandlungsplan erstellt und ein Therapievertrag
abgeschlossen.
Die Erarbeitung der Therapieziele beginnt mit einer umfangreichen
Verhaltens- und Funktionsanalyse, der gemeinsamen Auseinandersetzung
über die Lebens- und Krankheitsgeschichte und die aktuelle Lebenssituation
des Patienten. Die Therapieplanung orientiert sich dabei an den Zielen des
Patienten, d. h. es werden individuelle Absprachen darüber getroffen, in
welchem zeitlichen Umfang die Behandlung erfolgen soll und welche Themen
schwerpunktmäßig mit welcher therapeutischen Methode behandelt werden
sollen.
15
16
Mit dem Patienten wird gemeinsam festgelegt, in welchem Umfang er an der
Einzel- und Gruppentherapie teilnimmt, in welche Gruppe er aufgenommen
wird, wer sein Bezugstherapeut wird und welche zusätzlichen therapeutischen
Maßnahmen für ihn sinnvoll sind.
Die Behandlungsdauer beträgt in der Regel 9-12 Monate und kann je nach
Indikation individuell bis zu 18 Monaten verlängert werden.
4.4
Therapeutische Verfahren und Behandlungsansatz
4.4.1 Charakterisierung unseres Behandlungsansatzes
Wie bereits dargestellt, muss die Behandlung einer Suchterkrankung an
folgenden Punkten ansetzen
 Der körperliche Konditionierungsprozess durch suchtpotente Stoffe und
Verhaltensweisen muss unterbrochen und die Abstinenz etabliert werden.
 Die
existentiellen
körperlichen,
wirtschaftlichen
und
sozialen
Folgeschädigungen der Suchterkrankung müssen soweit aufgefangen
werden, dass der Suchtkranke für die Therapie ausreichend stabilisiert ist
und für sich eine Zukunftsperspektive sieht.
 Der psychische und psychosoziale Konditionierungsprozess auf den
Gebrauch von Suchtmitteln und suchtpotenten Verhaltensweisen zur
Selbstregulierung von unangenehmen Gefühlen und Vermeidung von
notwenigen Anpassungsleistungen an die Realität muss aufgearbeitet und
verändert werden.
 Ein abstinentes Selbstkonzept muss entwickelt werden. Kompetenzen wie
Emotionalität, Kreativität, Unkonventionalität etc. des Patienten müssen für
die Entfaltung von Selbstheilungskräften und das Leben nach der
Abhängigkeit kultiviert und entwickelt werden.
Die Behandlung versucht, dem Patienten durch Stärkung von Ich-Funktionen,
durch die Stabilisierung des Selbstwertgefühls sowie durch das Aufzeigen und
Erproben suchtfreier Wege der Regulierung von überwältigenden Affekten und
innerer Spannungen unabhängig vom Suchtmittel zu machen. Da die
Entstehungsbedingungen und Auswirkungen der Suchterkrankung nicht
allein im Individuum begründet sind, gehört die Einbeziehung des gesamten
sozialen Umfeldes in den Behandlungsprozess unabdingbar dazu.
Unser Behandlungsansatz orientiert sich grundsätzlich an wissenschaftlichen
Erkenntnissen der psychosozialen Therapieforschung und wird aufgrund der
schnellen Entwicklung der naturwissenschaftlichen Suchtforschung stetig fort
geschrieben. Neben Behandlungsmethoden aus der Psychoanalyse, der NonDirektiven Gesprächspsychotherapie finden Methoden der Verhaltenstherapie,
des Psychodramas, der Systemischen Familientherapie und der Integrativen
Gestalttherapie je nach Ausbildung der Mitarbeiter Anwendung.
Die zentrale Therapiemethode von Suchterkrankungen ist für uns die
Behandlung und Begegnung der Suchtkranken in der Gruppe. In der
ambulanten Rehabilitation sind die Patienten zeitlich befristet in einer
stützenden,
heilsamen
Gemeinschaft
außerhalb
des
bisher
16
17
suchtmittelgeprägten Lebensalltags zusammen. Die Gruppenmitglieder helfen
sich auch außerhalb der Gruppe in Krisensituationen bei der Festigung der
Abstinenz. Das zweite Element der Therapie ist die partnerschaftliche
Begegnung mit den Therapeuten im Einzelgespräch und in der Gruppe. Durch
die Offenheit, das Interesse und die Kenntnis der Therapeuten entwickeln sich
beim Patienten psychodynamische Impulse und Kräfte hin zu der Einsicht,
Motivation und Fähigkeit, ohne Suchtmittel leben zu können.
4.4.2 Analytisch-orientierter Therapieansatz
Analytische Therapieansätze gehen davon aus, dass Symptome (z. B. Sucht)
psychisch und psychosomatisch erkrankter Menschen auf unbewussten
Konflikten oder Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsstruktur aufgrund
früherer Traumatisierungen beruhen. In der Therapie sollen unbewusst
gewordene Konflikte wieder dem Bewusstsein zugänglich gemacht und
abgespaltene Selbstanteile schrittweise integriert werden. Die analytische
Psychotherapie besteht aus einem intensiven emotionalen Prozess, bei dem
der entscheidende Faktor die Wiederbelebung der Emotionen ist, welche die
störenden
Reaktionen
und
Symptome
ausgelöst haben.
Diese
Wiederbelebung geschieht in der therapeutischen Situation durch
Übertragungsprozesse, Imaginationsprozesse und freies Assoziieren. Sie löst
im Patienten Gefühle aus, die dieser seinerzeit vielleicht einem Elternteil oder
einem Geschwisterteil gegenüber hatte. Es handelt sich um Gefühle und
Bewusstseinszustände, die sich in der ursprünglichen Gestalt niemals voll
ausdrücken und die niemals beruhigt abklingen konnten. In der analytischen
Therapie erhält der Patient die Gelegenheit, Erlebnisse und Gefühle zu
bearbeiten, die oft ein Leben lang unterdrückt und verdrängt werden mussten
oder die sich in störenden Symptomen, Charakterzügen oder sozialen
Konflikten Luft machen.
4.4.3 Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie ist wesentlich gekennzeichnet durch ihre
operationalisierbaren Methoden und Begriffe. Unter den Begriff „Verhalten“
fallen dabei beobachtbare Verhaltensweisen, kognitive, emotionale und
physiologische Prozesse. In der Verhaltenstherapie bestehen spezifische
Theorien über die Entstehung, Aufrechterhaltung und Änderung von
Verhalten, die eine laufende Fortentwicklung erfahren und sich in praktischen
Behandlungsmethoden
niederschlagen.
Der
Anwendungsbereich
verhaltenstherapeutischer Methoden und Theorien bezieht sich auf
langfristige, bis in die frühe Kindheit zurückreichende, und kurzfristige
Entwicklungen.
In der Suchtrehabilitation setzt sich die Verhaltenstherapie intensiv mit der
individuell vorliegenden Bedingungsanalyse und Lerngeschichte des
Suchtkranken auseinander. Die Analyse der Funktionalität des
Suchtmittelkonsums
dient
der
Herausarbeitung
der
individuellen
Auslösetrigger und der jeweils aufrechterhaltenden Verstärker des
17
18
Suchtmittelkonsums. Hieraus lassen sich individuell maßgeschneiderte
Therapieziele und Interventionen ableiten, z. B. Maßnahmen zur
Verbesserung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung oder der Impulskontrolle.
Durch Konfrontationsübungen bereiten sich stabile Suchtkranke auf reale
Versuchungssituationen vor. In der kognitiven Verhaltenstherapie arbeitet man
auf dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Patienten die kognitiven
Trigger und Verstärker heraus, um z. B. bei drohender Rückfälligkeit interne
Dialogstrukturen umzuarbeiten.
4.4.4 Psychodrama
Das Psychodrama ist eine interpersonal orientierte Psychotherapie, die
Beziehungen zwischen Menschen darstellt und analysiert, wobei verbale und
nonverbale Kommunikation durch die vielfältigen Methoden des Rollenspiels,
Stegreifspiels, Protagonistenspiels, Arbeit mit sozialem Atom etc. in die
Gruppe einbezogen wird. Störungen und psychische Erkrankungen (z. B.
Sucht) drücken sich in gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen und in
Störungen des Rollenkonzeptes, wie z. B. Rollenmangel, Rollenfixierungen,
Rollenblockierungen, intra- und interpersonalen Rollenkonflikten und der
fehlenden Organisation und Integration von Rollen aus. Das Psychodrama
führt über die Klärung problematischer zwischenmenschlicher Beziehungen,
über die Aufdeckung und das Erleben verdrängter Konflikte, über das
kathartische Wiedererleben und szenische Verstehen früherer Situationen und
über die Motivierung und Befähigung, neues Verhalten zu erproben, zur
Ausbildung neuer und angemessener Rollencluster.
Der Vorteil des Psychodramas liegt darin, dass es über das Spielen,
Darstellen, Erleben - im Gegensatz zum alleinigen Reden - den natürlichen
Zusammenhängen und Verwicklungen des Alltagslebens besonders gerecht
wird. Erst, was erlebt, getan und gesprochen wurde, kann hinter sinnvoll
gedeutet und für die Therapie genutzt werden. Die Risiken des Psychodramas
liegen in der emotionalen und strukturellen Überforderung der Patienten bei
der Rollenübernahme und in der erheblichen Erlebnisqualität des
Psychodramas, die gut konzeptgeleitet und therapiezielorientiert sein muss.
4.4.5 Systemische Familientherapie
In der Systemischen Familientherapie wird, neben der Erstellung der
anamnestischen Fakten das individuelle Problembewusstsein und die daraus
resultierende Wahrnehmung der Klientel erfasst. Sie geht davon aus, dass
alles Bewusstsein, emotionales Erleben und Verhalten Ausdruck und Ergebnis
von Aufmerksamkeitsfokussierung ist, auf willkürlicher und unwillkürlicher, auf
bewusster und unbewußter Ebene. Innerhalb der gewohnten Wertesysteme,
Glaubenshaltung und Verhaltensmuster hypnotisieren sich Menschen in ihre
Probleme bzw. in ihrer Bewertung dieser Probleme. Kann die
Aufmerksamkeitsfokussierung umgestaltet und verändert werden, bewirkt dies
häufig eine stabile Verbesserung des Erlebens und Empfindens. In Anlehnung
an die kompetenzorientierte Hypnotherapie nach Milton Erickson wird mit der
Systemischen Familientherapie versucht, die gesundheitsfördernden
Aufmerksamkeitsprozesse auf Dauer zu stabilisieren. Dazu nutzt die
18
19
Systemische Familientherapie erlebnisorientierte Therapieverfahren in der
Gruppentherapie. So können z. B. durch das Aufstellen von
Familienskulpturen bzw. –konstellationen Aufmerksamkeitsfokussierungen mit
Hilfe der Gruppenteilnehmer bildhaft und erlebbar gemacht werden. Dies
bietet die Möglichkeit, die vorhandenen Beziehungsstörungen und
Beziehungsfähigkeiten im Umgang mit den anderen Gruppenteilnehmer zu
überprüfen und ggf. zu korrigieren. Über diesen Gesamtprozess kommt es in
der Regel zur Umorientierung und eigeninitiierter Einbeziehung der realen
Familienmitglieder und –angehörigen, zu denen eine problemorientierte
Aufmerksamkeitsfokussierung bestanden hat und die dann in den weiteren
Veränderungsprozess einbezogen werden können.
4.4.6 Integrative Gestalttherapie
Die Integrative Therapie basiert auf wesentlichen Konzepten der klassischen
Gestalttherapie, des Psychodrama und der Psychoanalyse. Sie verbindet
diese Ansätze durch ein übergreifendes Konzept der Korrespondenz. Dies
bedeutet, dass ein Mensch nicht zu verstehen und zu behandeln ist, wenn er
nicht als ko-existierendes Wesen verstanden wird, als Wesen, das immer in
Beziehung steht (auch wenn es allein ist) und auf Beziehung angewiesen ist.
In diesem Verfahren geht es auch um die Integration verdrängter und
abgespaltener Gefühls- und Erfahrungsbereiche. Dabei werden die
unterschiedlichen Perspektiven gesehen (die innere Dynamik, die Leiblichkeit,
das soziale Umfeld, die Lebensgeschichte), die dementsprechend mit
unterschiedlichen Methoden behandelt werden müssen.
In der Therapie geht es insbesondere um die Erfahrung neuer
Reaktionsmuster, die Förderung der Wahrnehmung der inneren und äußeren
Realität und um die Ablösung von anderen Personen und Abhängigkeiten hin
zur Übernahme von Selbstverantwortung. Als Voraussetzung dafür, dass
tiefgreifende Veränderungsprozesse stattfinden können, wird das Anerkennen
der Realität und die Selbstakzeptanz gesehen. „Akzeptiere dich, wie du bist,
und du wirst dich ändern.“
Im therapeutischen Prozess finden verschiedene kreative Methoden des
Selbstausdruck zur Wiederherstellung der Gesundheit Anwendung.
19
20
4.5
Behandlungsangebote und –methoden
Die folgenden Behandlungsangebote und –methoden stellen das Grundgerüst
der ambulanten Rehabilitation dar, mit dem wir den Patienten in den
verschiedenen Kontexten als Individuum, als soziales Wesen und auf
verschiedenen Wahrnehmungsebenen kognitiv, erlebnisorientiert, introspektiv,
extrovertiert, strukturierend und spannungslösend etc. individuell angemessen
erreichen und Veränderungsprozesse unterstützen wollen.
4.5.1 Einzeltherapie
In der Einzeltherapie hat der Patient die Möglichkeit, im vertraulichen Kontakt
mit seinem Bezugstherapeuten an jenen persönlichen, sozialen und
lebenspraktischen Problemen zu arbeiten, die für die gruppentherapeutische
Bearbeitung nur wenig nutzbringend erscheinen und deren Thematisierung für
den Betreffenden in der Gruppe nicht zumutbar ist. Oft ist es erforderlich, dem
Patienten Aufmerksamkeit und Zeit zu geben, um mit der Suchterkrankung
einhergehende Selbstwertdefizite und negative Gedanken/Bewertungen des
bisherigen Lebensweges aufzufangen und umzuwerten, so dass der Patient
an Stärke und Selbstvertrauen für die Ziele der Behandlung gewinnt. Ziel
20
21
dieser Bearbeitung sollte die gegenwartsbezogene Analyse der bisherigen
Lebensgeschichte des Patienten sein, aus der heraus für das gegenwärtige
und zukünftige Leben des Patienten konstruktive Lösungsalternativen
entwickelt werden.
4.5.2 Gruppentherapie
Therapiegruppen umfassen 8-12 Patienten und finden einmal wöchentlich mit
einer Dauer von 100 Minuten statt. Die Therapiegruppe wird von einem
Therapeutenpaar über den gesamten Behandlungszeitraum geleitet, um durch
die so gegebene Beziehungskontinuität Halt und Struktur zu vermitteln. Die
angewandten Methoden sind vielfältig, denn die Mitarbeiter haben sich z. T. in
mehrere Therapieverfahren eingearbeitet und diese zu einem persönlichen
Behandlungsstil weiterentwickelt.
Die Gruppentherapie bietet in ihrer interaktionalen Dynamik die Möglichkeit
der
positiven
Beeinflussung
von
persönlichen
Störungen
und
Verhaltensweisen. Der Patient findet einen neuen sozialen Bezugsrahmen, in
dem er mit anderen Betroffenen, die die Problematik trotz aller Unterschiede
besser durchschauen und nachvollziehen können und in dem alle das gleiche
Ziel der Abstinenz verfolgen. Der Patient erhält durch die Gruppe konstruktive
Rückendeckung. Er entdeckt seine individuellen Stärken und Schwächen,
Möglichkeiten und Einschränkungen, seine Ambivalenzen und ihre
Auswirkungen. Und er lernt, nicht nur zu nehmen, sondern auch, anderen
etwas zu geben und aus seiner symbiotischen Beziehung zum Suchtmittel
herauszutreten und sich der Welt zuzuwenden. Mit Fortschreiten der Therapie
und wachsender Vertrautheit der Patienten miteinander entstehen über
Resonanz (Ärger, Wut, Mitleid etc.), Rückmeldung, Spiegeln, Konflikte und
andere kommunikative Prozesse Impulse der Verbesserung der Selbst- und
Fremdwahrnehmung sowie der Verhaltensänderung in sozialen Kontexten.
Die Arbeit der Therapeuten ist darauf ausgerichtet, durch Interventionen,
Unterrichtungen, Übungen und direkte Kommunikation mit den Patienten
darauf hinzuwirken, dass diese sozialen Dynamiken in der Gruppe
zielorientiert bleiben und wertschätzend miteinander umgehen. Über die
Veränderung innerer Bilder, Leitsätze, Gefühle und eingeschliffener
Verhaltensmuster werden zusammen mit den Patienten suchtmittelfreie
Lösungen der Lebensbewältigung erarbeitet.
Gerade die Gruppentherapie eignet sich besonders für den Einsatz
erlebnisorientierter Behandlungsmethoden, wie die Simulierung realer
Lebenssituationen im Rollenspiel/Psychodrama, dem Arbeiten mit
Familienskulpturen, kreativen Gruppenübungen etc..
Dies eröffnet
Möglichkeiten, sich neue Verhaltensweisen im „Gruppenlabor“ auszudenken,
zu erproben, überprüfen und zu stabilisieren. Im Verlauf einer erfolgreich
verlaufenden Gruppentherapie kann der Patient entspannter und konfliktfreier
leben, seine Abstinenzentscheidung ist konsolidiert, seine SelbstkontrollKompetenzen sind gestärkt und er ist in der Lage, neuen Gruppenteilnehmern
auf diesem Entwicklungshorizont Hilfestellungen und Anregungen zu geben.
Wir planen die Einrichtung von Basisgruppen für Menschen mit
Alkoholproblemen, mit Drogenproblemen und mit sonstigen Suchtproblemen.
Unabhängig von diesen Basisgruppen können die Patienten an den
Indikationsgruppen teilnehmen.
21
22
4.5.3 Wochenendseminare
Wochenendseminare dienen der Förderung und Intensivierung von
Gruppenprozessen, wie der Kontaktaufnahme, dem Aufbau von Beziehungen,
dem gemeinsamen Erleben der Grenzen und Möglichkeiten eines
gruppenaktiven Zusammenlebens. Wesentlicher Aspekt ist das intensivere
Kennenlernen der Teilnehmer und das Vermitteln von suchtmittelfreien
Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in Gruppen. Durch den längeren Kontakt
und die größere Nähe kann es zu Konflikten kommen, in deren Verlauf neue
und angemessene Verhaltensweisen erprobt werden können.
4.5.4 Praktika
Wesentliches
Ergebnis
der
Ambulanten
Rehabilitation
soll
die
Wiederherstellung, Stabilisierung und Sicherung der Erwerbsfähigkeit des
Patienten möglichst im 1. Arbeitsmarkt sein. Steht der Patient nicht mehr in
einem Arbeitsverhältnis, so hat die Planung, Vorbereitung und Durchführung
von Wiedereingliederungsmaßnahmen ins Erwerbsleben über Praktika in
Betrieben, beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der Therapie
eine zentrale Bedeutung. Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH kooperiert für
dieses
Ziel
mit
lokalen
Bildungsträgern,
der
Arbeitsagentur,
Handwerkskammern, Arbeitsprojekten, Betrieben etc..
4.5.5. Krisenintervention
Krisenintervention ist Bestandteil der ambulanten Rehabilitation. In
Krisensituationen können Patienten und deren Angehörige jederzeit innerhalb
der Öffnungszeiten Beratung in Anspruch nehmen. Es wird sichergestellt, das
hierfür als Ansprechpartner therapeutische Mitarbeiter zu Verfügung stehen.
Ein individueller Notfallplan für jeden Patienten wird erarbeitet und die weitere
Vorgehensweise gemeinsam mit dem Patienten besprochen. In Notfällen
setzen sich die Mitarbeiter mit den Beratungsstellenärzten, regionalen
Krankenhäusern oder externen Notfalleinrichtungen in Verbindung, um weitere
Kriseninterventionsmaßnahmen zu veranlassen. Ob der Schweregrad der
Krise eine ambulante Rehabilitation weiterhin möglich macht, wird unmittelbar
im therapeutischen Team entschieden. Über entschiedene Änderungen des
Behandlungsplanes wird der Kostenträger umgehend informiert.
4.5.6 Rückfallinterventionen und Rückfallprävention
Rückfälle sind Teil der Suchterkrankung. Unabhängig davon, ob der Patient
aktuell rückfällig ist, bieten wir in der Einzel- und Gruppenarbeit
Arbeitssequenzen an, in denen wir die Patienten über die neurobiologischen
und psychosozialen Bedingungsgefüge des Suchtmittelrezidives informieren
und Vorbereitungstrainings zur Bewältigung rückfalltypischer individueller
Alltagssituationen anbieten.
Rückfälle sind als Symptom eines Fehlverhaltens sowie als Neuorientierung
im therapeutischen Setting zu betrachten. Der Patient erlebt bei einem
22
23
Rückfall ein Scheitern seiner Selbstkontrolle mit Gefühlen wie Minderwertigkeit
und
Schuldgefühlen.
Dabei
zeigen
Patienten
oft
massive
Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Verharmlosung etc.. Innerhalb des
Therapierahmens soll dem Patienten Hilfe angeboten werden, damit er sich
mit seinem Scheitern auseinandersetzen kann und eine Verbesserung der
Realitätsprüfung stattfindet. Ein Rückfall führt nicht automatisch zur
Beendigung der Therapie, sondern wird für den therapeutischen Prozess
genutzt. Nach jedem Rückfall wird die Indikation für die ambulante
medizinische Rehabilitation gemeinsam mit dem Betroffenen überprüft.
Daraufhin wird entschieden, ob das therapeutische Setting weiter sinnvoll für
den Behandelten erscheint oder ob andere Behandlungsmöglichkeiten wie
eine Entgiftung oder stationäre Rehabilitation erfolgversprechender erscheint.
Sollte ein Maßnahmewechsel indiziert sein, wird der Leistungsträger sofort
darüber informiert.
Vorrangiges Ziel ist die Wiederherstellung der Abstinenz. Bei der Aufarbeitung
des Rückfalls steht die Analyse der individuellen Bedingungen und ReizReaktionsketten des Patienten im Vordergrund. Dies beinhaltet eine
ausführliche Thematisierung in der Therapiegruppe und im Einzelgespräch
sowie im Gespräch mit Angehörigen. Es geht darum, Rückfälle zu
entpathologisieren und dem Patienten Risikosituationen bewusst zu machen
und vorbeugende und gezielt für ihn geeignete Bewältigungsstrategien
aufzubauen.
4.5.7 Familien-/Paartherapie
Die Beteiligung von Bezugspersonen am Therapieprozess der Betroffenen ist
eng verbunden mit dem Begriff der Co-Abhängigkeit. Die Systemische
Familientherapie betrachtet die Suchterkrankung als eine Familienerkrankung,
in der zwar der Suchtmittelabhängige Symptomträger ist, jedoch alle anderen
Familienmitglieder mehr oder weniger von der Krankheit betroffen sind und bei
der Aufrechterhaltung der Bedingungen beteiligt sind. Die Einbeziehung
möglichst vieler Mitglieder einer solchen Lebensgemeinschaft erscheint somit
dringend indiziert und wünschenswert. Auch vor dem Hintergrund, dass sich
Familienangehörige, die co-abhängig handeln, ebenso wie die Betroffenen, in
einer emotionalen Krisensituation befinden, die mit Realitätsverleugnung,
Depression, Überwachsamkeit, Zwängen und Ängsten einhergeht, ist es
erforderlich, dass die Angehörigen einen ähnlichen Veränderungsprozess
durchlaufen, wie es von den Suchtkranken erwartet wird. Das bedeutet auch
für die Angehörigen die Auseinandersetzung mit Schuld- und Schamgefühlen,
Angst, Schmerz und Einsamkeit.
Die Beteiligung der Bezugspersonen erfolgt im Paar- und/oder Familiensetting
sowie im Gruppensetting mit anderen Angehörigen von Suchtkranken. Diese
Angebote verfolgen die Ziele, dass die Familie in Erfahrung bringt,
 wie das bestehende Familiensystem die Suchterkrankung aufrecht erhält.
Hierfür erscheint es hilfreich, möglichst alle Familienmitglieder über den
Prozess von Sucht und Co-Abhängigkeit zu informieren. In weiteren
Schritten ist es anzustreben, in therapeutischer Arbeit die Angehörigen auf
der emotionalen Ebene zu erreichen, damit sie die eigene Rolle in der
23
24


Familie verstehen lernen und ebenso wie der Suchterkrankte eine
Veränderungsbereitschaft entwickeln können.
ihr Familiensystem offener und präziser zu gestalten, d.h. einen Umgang
innerhalb der Familie zu entwickeln, in der jede Person die Freiheit hat, sie
selbst zu sein, zu wachsen und sich weiter zu entwickeln. Ein offener
Umgang miteinander, geprägt von gegenseitiger Zuneigung und
Wertschätzung, kennzeichnet sich über die Kommunikation untereinander.
dass sich Familienmitglieder zu eigenständigen Persönlichkeiten
entwickeln dürfen. Häufig zeigen einzelne Familienmitglieder innerhalb des
bestehenden Systems starke Selbstwertprobleme. Diese sollen ermutigt
werden, Schritte zu einem persönlichen Wachstum zu unternehmen und
darüber, ausgehend von den eigenen Ressourcen, den Selbstwert stärken.
Dieser Arbeitsansatz beinhaltet die globale Wissensvermittlung und die
individuelle Beratung der Familie sowie pädagogische, therapeutische und
handlungsorientierte Elemente, die die Veränderungsbereitschaft des
gesamten Familiensystems zum Ziel hat.
4.5.8 Indikationsgruppen
Indikationsgruppen finden neben der prozessualen Gruppentherapie in den
Basisgruppen für Menschen mit Alkohol-, Drogen- und sonstigen
Suchtproblemen themenzentriert statt und können auch für Menschen offen
stehen, die keine Suchtproblematik haben, sich aber vom Thema der
Indikationsgruppe angesprochen fühlen. Die Indikationsgruppen finden
geschlossen und zeitlich auf maximal 10 Einheiten begrenzt statt.
4.5.8.1Training sozialer Kompetenzen
Dieses Training beinhaltet eine Reihe verschiedener verhaltenstherapeutischer Prinzipien und Methoden, die mit dem Ziel kombiniert werden, ein
angemessenes, sozial kompetentes und persönlich zufriedenstellendes
Verhalten im sozialen Umgang mit anderen Menschen zu lernen und dabei
soziale Ängste abzubauen. Mangelnde bzw. mangelhafte soziale
Kompetenzen fördern und begünstigen häufig Suchterkrankungen. Soziale
Ängste werden mit dem süchtigen Verhalten oder der Wirkung des
Suchtmittels verdrängt und kompensiert.
Der wesentliche Grundgedanke des Begriffs „Soziale Kompetenz“ besteht
darin, daß Individuen in mehr oder minder starkem Maße über Fertigkeiten
verfügen, akzeptable Kompromisse zwischen sozialer Anpassung einerseits
und individuellen Bedürfnissen andererseits zu finden und zu verwirklichen.
Wenn man von sozialer Kompetenz spricht, können konkret folgende
Verhaltensweisen gemeint sein:

Impulskontrolle und Aufmerksamkeitsfokussierung in sozialen Situationen.
Hierzu gehört die gezielte Aufnahme sozialer Hinweisreize, die
insbesondere im Konfliktfall mit affektiver Erregung einhergeht (z.B. Wut,
Angst, Neid, Traurigkeit), die häufig mit Suchtmittelkonsum kompensiert
werden und daher eine Reaktionskontrolle erforderlich machen.
24
25





Entschlüsseln sozialer Hinweisreize.
Hierzu gehört die Enkodierung bzw. Interpretation der wahrgenommenen
sozialen Reize.
Entwickeln von Verhaltensalternativen.
Hierzu gehören Abwägung und Entscheidung für die Form der Reaktion
(z.B. Recht durchsetzen oder um Sympathie werben).
Reaktionsentscheidung.
Hierzu gehört die Entscheidung für die konkrete konstruktive (oder
destruktive) Reaktionsweise.
Reaktionsdurchführung mit anschließender Bewertung der entstandenen
Situation im Sinne einer erneuten gezielten Aufnahme und
Weiterverarbeitung sozialer Hinweisreize.
Selbstinstruktionstechniken zur Vermittlung und Einübung dieser
Problemlösefertigkeiten.
Sozial inkompetentes Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn eines
dieser Verhaltensmuster in entsprechenden Situationen nicht oder nur
unvollkommen verwirklicht werden kann. Soziale Kompetenz wird konkret als
die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und
motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen zu einem
langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für
den Handelnden führen definiert.
Ursprünglich waren die Trainings sozialer Kompetenzen darauf ausgerichtet
vor allem sozial ängstlichen, also zurückgezogenen und schüchternen
Klienten
zu
einem
selbstsicheren
Auftreten
zu
verhelfen
(„Selbstsicherheitstraining“). Die Entwicklung hat letztlich dazu geführt, daß
das Training nun Fähigkeiten zur zwischenmenschlichen Interaktion
schlechthin trainieren soll, die man unter dem Oberbegriff „Soziale
Kompetenzprobleme“ etwas unklar zusammenfasst. So werden im Rahmen
des Trainings Verhaltensweisen, die in der bisherigen Lebensgeschichte nicht
gelernt werden konnten, therapeutisch gefördert und aufgebaut. Es werden
Ängste, die sozial sicheres und kompetentes Verhalten behindern abgebaut.
Gedanken und Einstellungen (Kognitionen), die die Furcht fördern und sozial
sicheres Verhalten unmöglich machen, werden verändert. Dabei kommen eine
ganze Reihe verschiedener verhaltenstherapeutischer Techniken zum
Einsatz:
 operante Verstärkung;
 Modelllernen;
 Verhaltensübungen/Rollenspiel
 Selbstmanagement, Selbstinstruktion;
 Erkenntnisdialoge, Modellierungsdialoge, Verhaltensfeedback.
4.5.8.2 Stressbewältigungstraining
Stressbewältigung kann als Verhaltensrepertoire aufgefasst werden, das einen
Organismus unter Berücksichtigung seiner biologischen Ausstattung und seiner
bisherigen Lerngeschichte in die Lage versetzt, auf Stressoren und
Stresssituationen adäquat und adaptiv zu reagieren, um schädigende
Konsequenzen zu reduzieren oder zu vermeiden. Stressbewältigung bedeutet
25
26
Selbstkontrolle in belastenden Situationen. Im Stressbewältigungsprogramm
sollen adäquate alternative Verhaltensweisen eine inadäquate Stressreaktion
ersetzen. Vorhersehbare Stresssituationen können durch Änderungen und
Gestaltung der Situation erfolgreich angegangen werden.
Ein Stressbewältigungsprogramm kann dazu beitragen, dass Einstellungen und
Erwartungen, zeitlich überdauernde Verhaltensmuster, Persönlichkeitseigenschaften sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit geändert werden
können.
Im Rahmen des Stressbewältigungsprogramms bietet sich die Möglichkeit,
alternative Verhaltensweisen für gleichartige
Belastungssituationen zu
thematisieren, auszuwählen und zu realisieren. Dabei können von den Patienten
in der Gruppe die Vorteile des Sozialen Lernens genutzt werden, wie
Beobachtungslernen, Erstellen einer Situationsanalyse, Entwicklung von
Verhaltensalternativen durch gemeinsames Brainstorming, Übungshandeln in
Form von Rollenspielen, gezielte und individuelle Anleitung sowie soziale
Verstärkung und Verhaltensweisen.
Das Stressbewältigungsprogramm
 befasst sich psychoedukativ damit, was Stress bedeutet (di-stress, eustress).
 analysiert individuelle Stresssituationen und Stressreaktionen vor allem in
den wesentlichen Lebensbereichen Beruf, Freizeit und Beziehung, wo
Stress spürbar erlebt wird (physiologisch, kognitiv, emotional).
 hilft Zusammenhänge von Stress auf Körper, Psyche und Alkohol- sowie
Drogenkonsum zu erkennen.
 vermittelt
Stressbewältigungsmethoden
wie
Situationsvermeidung,
Abreagieren,
Entspannungsübungen,
Imaginationsübungen,
Wahrnehmungslenkung, positive Selbstgespräche, Veränderung von
Einstellungen und Sichtweisen, Aufbau befriedigender Aktivitäten, Aufbau
und Pflege sozialer Kontakte, Planung und Zeitmanagement,
Systematisches Lösen von Problemen.
4.5.8.3 Entspannungstraining
Entspannungsmethoden sind ein Sammelbegriff für Verfahren, die sich mit
verschiedenen Möglichkeiten befassen, Kontrolle über allgemeine
Anspannung und spezielle Verspannungen und Verkrampfungen zu
gewinnen. Sie sind allgemein wirksame Verfahren zur Veränderung der
psychischen Befindlichkeit. Auch wenn der theoretische Hintergrund der
verschiedenen Verfahren unterschiedlich ist, scheinen sie alle, wenn auch auf
unterschiedlichen Wegen, zu einem zentralen Entspannungsgefühl zu führen.
Im Regelfall sind sie nur symptomunspezifisch einsetzbar, d. h., sie sind der
spezifischen, individuellen Problemlage bzw. Verhaltensstörung nicht
anzupassen.
Mögliche Methoden sind u. a.:
 Progressive Muskelrelaxation (oder Muskelentspannung) nach Jacobson;
 Autogenes Training;
 Meditation;
 Tai Chi;
 Yoga;
 Biofeedback
26
27

Atemtechniken.
Die Methoden finden einerseits dort Anwendung, wo es gilt, die o. g.
Anspannungen, Verkrampfungen etc. in den Griff zu bekommen oder generell
Entspannung zu finden. Sie sind aber teilweise auch Bestandteil anderer
verhaltenstherapeutischer Methoden (z. B. Systematische Desensibilisierung,
Angstbewältigungstraining). In der Behandlung von Suchtkranken ist ihr
direkter Einsatz als leicht zugängliche, alternative und eigenständige Methode
immer dann sinnvoll, wenn der Konsum des Suchtmittels zumindest teilweise
der Spannungsreduktion diente.
4.5.8.4 Angstbewältigungstraining
Das
primäre
Ziel
des
Angstbewätigungstrainings
ist
es,
die
aufrechterhaltenden Bedingungen der Störung zu verändern, d. h. den
Kreislauf von Vermeidungsverhalten und Aufrechterhaltung der Angst zu
stoppen. Die Bewältigung von angstauslösenden Situationen in der Gruppe
hat folgende Inhalte:
 Diagnostische Inhalte: Zusammentragen von Erfahrungen der Patienten
mit Angst und ihren Folgen, Ursachen- und Bedeutungsforschung,
Ergebnisse bisheriger Bewältigungsstrategien etc..
 Theoretische Inhalte: Krankheitsmodelle, Verständnis von Angstentstehung und Wissen über Heilungsmöglichkeiten.
In der Gruppentherapie kann durch erlebnisorientierte Therapieverfahren
(Psychodrama) ein Explorationstraining erfolgen, in dem angstbesetzte
Lebenssituationen und Aufmerksamkeitsfokussierungen durch Skulpturarbeit
bzw. Rollenspiel dargestellt und erlebt werden und in dem neue kreative
Verhaltensweisen oder Aufmerksamkeitsfokussierungen im Umgang mit Angst
erprobt werden können. In der letzten Phase des Angstbewältigungstrainings
setzen sich die PatientInnen in Begleitung von anderen Gruppenteilnehmern
und/oder Vertrauenspersonen direkt mit angstauslösenden Situationen in der
für den Patienten individuell relevanten natürlichen Umgebung aus. Die hiermit
gesammelten Erfahrungen werden in der Indikationsgruppe sorgfältig
therapeutisch nachbereitet und ausgewertet. Durch diesen kontinuierlichen
Begleitungsprozess soll der Patient am Ende in der Lage sein, angstbesetzte
Situationen selbstständig und aktiv anzugehen.
4.6.8.5 Kreativitätsförderung/Kunsttherapie
Kreative Angebote im Rahmen der Therapie dienen der Förderung und
Entfaltung des Ausdrucksvermögens und der Entwicklung der Spontanität bei
den Patienten. Die mit kreativen Methoden, wie farbiges Malen, Rollenspiel,
Musik etc. zu erzielende Erwärmung und Öffnung der Patienten für neue
Erfahrungen belebt und erweitert die Therapie und initiiert Gruppenprozesse.
Mit der Indikationsgruppe für Kreativitätsförderung sollen Patienten
angesprochen werden, die Schwierigkeiten haben, sich in der
Gruppentherapie mitzuteilen und auszudrücken. Kunsttherapie ist ein
eigenständiges Verfahren, welches mit Mitteln der Kunst, der Psychologie und
der Pädagogik arbeitet. Sie basiert auf dem Bedürfnis und der Fähigkeit des
27
28
Menschen sich auszudrücken, zu spielen und zu experimentieren, um das,
was ihn bewegt, nach außen zu bringen, es sichtbar und (be-)greifbar zu
machen und es in neue Zusammenhänge zu bringen. Der künstlerische
Prozess bedingt und evoziert Hingabe, Konzentration und Vertiefung,
sinnliche Wahrnehmung, emotionale Betroffenheit und kritische Reflexion. Die
entstandene künstlerische Gestaltung (Grafik, Malerei, Plastik) ermöglicht ein
Abstandnehmen und Betrachten von außen und dadurch eine konkrete,
bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Umgebung.
Kunsttherapie initiiert und fördert kreative Prozesse, verstanden als ein
aktuelles Verhalten und Handeln, welches Hinweise auf unbewusste innere
Orientierung, Muster und Prägungen sowie deren Hintergründe gibt.
Kunsttherapie schult die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und
unterstützt den Ausdruck von Gefühlen, Stimmungslagen und Phantasien. Die
Kunsttherapie begleitet damit pädagogische/psychologische Prozesse, bietet
Unterstützung im Ausgleich von Entwicklungsdefiziten und ermöglicht somit
Nachreifungsprozesse.
Ein ca. 50 qm großer Werkstattraum steht der Einrichtung für die
Kreativitätsförderung/Kunsttherapie der Klientel zur Verfügung.
5.
Kooperierende Einrichtungen und Institutionen
5.1
Medizinische Beratung und Behandlung
Die medizinische Beratung und Behandlung ist obligatorischer Bestandteil der
gesamten Rehabilitationsmaßnahme. Das medizinische Erstgespräch, die
medizinische Diagnostik und medizinische Begleitung stellt sicher, dass neben
der Suchterkrankung somatische und psychische Begleiterkrankungen
möglichst früh erkannt und medizinisch oder psychiatrisch angemessen
behandelt werden. Darüber hinaus erfolgt eine umfangreiche medizinische
Beratung und Aufklärung der Patienten bezüglich einer den Erkrankungen
angemessenen Lebensweise (Ernährung etc.). Die für jeden Patienten
verbindliche medizinische Behandlung durch den Rehabilitationsarzt soll
darüber hinaus auch sicherstellen, dass die Patienten nicht mit suchtpotenten
Medikamenten behandelt werden, soweit dies vermeidbar ist. Der
Rehabilitationsarzt
empfiehlt
stationäre
Entgiftungsund
Entwöhnungsbehandlungen.
5.2
Berufliche Integration
In die Ambulante Rehabilitation werden vorrangig die Personen aufgenommen
die über ein bestehendes Arbeitsverhältnis verfügen. Die Erhaltung der
Erwerbsfähigkeit und die Stabilisierung des noch bestehenden
Arbeitsverhältnisses
ist
ein
wesentliches
Ziel
der
ambulanten
Rehabilitationsmaßnahme. Erstrebenswert ist die Einbeziehung des
Arbeitgebers (des betrieblichen Sozialdienstes) in die Therapieplanung und
den Therapieverlauf.
Bei intakten und stabilen sozialen Bedingungen können auch arbeitslose
Personen an der ambulanten Therapie teilnehmen, wenn die berufliche
28
29
Wiedereingliederung z.B. über den so genannten zweiten Arbeitsmarkt in
Aussicht steht und in absehbarer Zeit begonnen werden kann.
5.3
Vermittlung in Selbsthilfegruppen
Wir kooperieren eng mit den lokalen Selbsthilfegruppen (5 Freundeskreise,
Anonyme Alkoholiker). Regelmäßige Treffen dienen dem Kennenlernen und
dem Erarbeiten von Kooperationsstrukturen, therapeutische Mitarbeiter stellen
sich in den Selbsthilfegruppen vor. Suchtkranke Menschen, die mit einer
akuten Problematik und ohne bisherige professionelle Behandlung eine
Selbsthilfegruppe aufsuchen, werden von den Vorsitzenden der
Freundeskreise in die Suchtberatung/-therapie begleitet. Kontakte zu
Selbsthilfegruppen sollen bereits während der ambulanten Behandlung
gesucht und aufgenommen werden, um zum Therapieende einen möglichst
übergangslosen Wechsel in die Selbsthilfe zu gewährleisten. Neben den
suchtspezifischen Selbsthilfegruppen sind auch spezielle Selbsthilfeinitiativen
(z.B. sexueller Missbrauch, Homosexualität, Arbeitslose u.a.) zu
berücksichtigen. Darüber hinaus soll die Entwicklung und Förderung weiterer
Selbsthilfeinitiativen gezielt unterstützt werden.
6.
Qualitätssicherung
6.1
Dokumentation und Berichtswesen
Die Suchtberatungsstelle dokumentiert ihre Arbeit anhand eines EDVgestützten in der Suchtkrankenhilfe gebräuchlichen Dokumentationssystems
(ebis/patfak)) für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für
Suchtkranke und Suchtgefährdete. Die Patientendokumentation und
Therapieplanung wird unter Beachtung des Datenschutz mit einem intern
vernetzten PC-System geführt. Sie erstellt Jahresstatistiken und
Jahresberichte. Der Erfolg der Rehabilitation wird durch die Dokumentation
und Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) beschrieben. Die
Entwicklung
von
geeigneten
Verfahren
zur
Beratungsund
Behandlungskontrolle (Katamnese) wird angestrebt.
6.2
Suchtmittelkontrollen
Unregelmäßige und unter Aufsicht genommene Urinkontrollen, die im Labor
oder mit Schnellteststäbchen auf den Konsum von Suchtstoffen untersucht
werden, sowie Atemluftkontrollen, stellen in der Behandlung von suchtkranken
Menschen ein wichtiges Instrument zur Überprüfung und zum sicheren
Nachweis der Alkohol- und Drogenabstinenz dar. Alkohol- und
Drogenscreenings sind bei Straßenverkehrsämtern, Justizbehörden etc.
anerkannte Mittel zum Nachweis andauernder Abstinenz und können dem
Patienten helfen, seinen Führerschein wieder zu erlangen, eine Inhaftierung
zu vermeiden und seinen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz zu erhalten etc..
In der therapeutischen Arbeit können verleugnete Rückfälle so schneller
aufgedeckt und die geeigneten Maßnahmen zur Krisenintervention getroffen
29
30
werden. Die Ergebnisse der Suchtmittelkontrollen dienen darüber hinaus auch
der Dokumentation der Effektivität der Behandlung in bezug auf die
Herstellung und Stabilisierung der Abstinenz.
6.3
Teamsitzungen
Die therapeutischen Mitarbeiter treffen sich regelmäßig einmal wöchentlich zu
Teamsitzungen, die dem kurzfristigen Informationsaustausch und der
Organisation der betrieblichen Abläufe dienen. Fallbesprechungen
ermöglichen die kurzfristige Reflexion aktueller Entwicklungen mit Patienten in
der Therapie. Alle Mitarbeiter erhalten so Einblick zum Stand der Therapie bei
allen Patienten.
6.4
Supervision und Fortbildung
Die therapeutische Arbeit der Mitarbeiter mit den Patienten wird durch einen
kontinuierlichen Supervisionsprozess mit einem anerkannten externen
Supervisor begleitet. Die Supervision dient der Überprüfung der Arbeitsqualität
an aktuellen wissenschaftlichen Standards der Therapie- und Suchtforschung.
Darüber hinaus findet in der Teamsupervision exemplarisch ein kreativer
Ideenfindungsprozess
für
die
Bewältigung
einzelner
stockender
Therapieprozesse statt. Ähnliche Ideenbörsen finden zur inhaltlichen
Gestaltung von Therapiegruppen statt.
Fachliche Fortbildungsmaßnahmen und themenrelevante Tagungen sind
Bestandteil der Arbeitstätigkeit und werden ausdrücklich gefördert.
6.5
Qualitätsmanagement
Bestandteil der Ambulanten Rehabilitation ist ein Qualitätsmanagement, in
dem überprüft werden soll, ob die vorgehaltenen Angebote sinnvoll,
ausreichend, wirtschaftlich und zielorientiert sind. Aktuelle und anerkannte
medizinische, besonders rehabilitationsmedizinische Erkenntnisse fließen in
die Konzepte ein und dienen dazu, unsere Angebote in ihrer
Kundenorientierung zu überprüfen und entsprechend den Erfordernissen
anzupassen. Die Beratungsstelle wird mit Methoden der EFQM (European
Foundation for Quality Management) nach den Konzepten des
„Benchmarking“ arbeiten. Das Grundprinzip dabei ist, dass nur durch die
Mitwirkung der Mitarbeiter Prozesse im Arbeitsleben effektiv und
erfolgsversprechend
erzielt
werden
können.
Im
kontinuierlichen
Benchmarking-Prozess werden Stärken und Verbesserungsbereiche
identifiziert und zur Grundlage der Innovationsplanung gemacht. Bei dieser
Qualitätssicherung befinden sich Problemerkennung, Schwachstellenanalyse
und Qualitätsverbesserung in einem kontinuierlichem Prozess.
Anhang:
Zugrunde gelegte Artikel:
30
31







Broda, M. (Hrsg): Psychotherapie im Dialog, Sucht, Thieme, 2/2003
Hüther, G., Oh wie schön ist Panama, www.win-future.de, 2003
Hüther, G., Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen, www.lptw.de, 2001
Hüther, G., Die soziale Dimension der Hirnforschung, www.win-future.de, 2003
NN., Sucht-Rehabilitation in Deutschland, Expertise der Humboldt-Universität Berlin, 2001
Röser, J., So viel Bindung braucht der Mensch, Christ und Gegenwart, 2000
Wiegand, G., Wie geht`s weiter in der Sucht-Reha, NLS, 2003
Zugrunde gelegte Literatur:






























Bamberger, G. G.,Lösungsorientierte Beratung,Beltz PVU, Weinheim (2001)
Bartling, G., Echelmeyer, L. Engberding, M.,Problemanalyse im therapeutischen Prozess
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart (1998)
Batra, A., Wassmann, R., Buchkremer, G. (Hrsg.),Verhaltenstherapie, Grundlagen –
Methoden – Anwendungsgebiete, Thieme Verlag, Stuttgart (2000)
BfA (Hrsg.), Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Abhängigkeitserkrankungen
Berlin, (September 1999)
Burtscheidt, W., Integrative Verhaltenstherapie bei Alkoholabhängigkeit, Springer Verlag,
Berlin (2001)
Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H. (Hrsg.), Internationale Klassifikation psychischer
Störungen. ICD-10 Kapitel V (F), Verlag Hans Huber, Bern (2000)
Elsesser, K., Sartory, G., Medikamentenabhängigkeit, Hogrefe Verlag(2001)
Feuerlein, W., Küfner, H. & Soyka, M., Alkoholismus- Missbrauch und Abhängigkeit:
Entstehung – Folgen – Therapie, Thieme, Stuttgart (1998)
Fiedler, P., Persönlichkeitsstörungen, Beltz PVU, Weinheim (2002)
Fliegel, S., Groeger, W. M., Künzel, R., Schulte, D., Sogatz, H., Verhaltenstherapeutische
Standartmethoden, Beltz PVU, Weinheim (1998)
Franke, G. H., Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis (Kurzform SCL-90-R), deutsch
Fassung, Beltz Verlag, Göttingen (1999)
Grawe, K., Psychologische Therapie, Hogrefe Verlag, Göttingen (1998)
Hautzinger, M. (Hrsg.), Kognitive Verhaltenstherapie bei psychischen Störungen, Beltz
PVU, Weinheim (2000)
Hinsch, R., Pfingsten, U., Gruppentraining sozialer Kompetenzen, Beltz PVU, Weinheim
(2002)
Kraiker, Ch., Burckhard, P., Psychotherapieführer, C.H. Beck, (1998)
Langmaak, B., Braune-Krickau, M., Wie die Gruppe laufen lernt, Beltz PVU, Weinheim
(2000)
Lauth, Back, Linderkamp (Hrsg.), Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen, Beltz
(2001)
Lindenmeyer, J., Alkoholabhängigkeit, Hogrefe Verlag, Göttinge (1999)
Lindenmeyer, J.
LVA (Hrsg.), Ambulante Suchtbehandlungen, Verfahrensabsprachen, Hannover,
(September 2000)
Mallody, P., Miller, A.W., Wege aus der Co-Abhängigkeit, Kösel Verlag, München (2001)
Margraf, J., Rudolph, K. (Hrsg.), Soziale Kompetenz - Soziale Phobie, Schneider Verlag,
Hohengehren (1999)
Reinecker, H. u.a., Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Dgvt-verlag, Tübingen (1999)
Stahl, E., Dynamik in Gruppen, Handbuch der Gruppenleitung, Beltz PVU, Weinheim
(2002)
Stavemann, H. H., Sokratische Gesprächsführung, Beltz PVU, Weinheim (2002)
Tausch, R., Hilfen bei Stress und Belastungen, Rowohlt Verlag, Reinbeck (1999)
Tretter, F., Müller, A. (Hrsg.), Psychologische Therapie der Sucht, Hogrefe Verlag,
Göttingen (2001)
Tschuschke, V. u.a., Praxis der Gruppenpsychotherapie, Thieme Verlag, Stuttgart (2001)
Ullrich, R., de Muynck, R., ATP: Anleitung für den Therapeuten, Pfeiffer Verlag, München
(1998)
Watzlawick, P., Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Hans
Huber Verlag (2000)
31
Herunterladen