ROGEN- UND SUCHTHILFE gGMBH Die Gesellschafter der Drogen- und Suchthilfe gGmbH Bezirksverband Braunschweig e. V. Verein zur Förderung der Drogen- und Suchthilfe e.V. Konzept ambulante Rehabilitation Telefon: 05341/1885975 1885976 Fax: 05341-1885991 email: Suchthilfe.Salzgitter @web.de Bankverbindung: Volksbank Braunschweig Kto-Nr.: 6971520000 BLZ: 27090077 Suchtberatungsstelle Salzgitter Berliner Straße 78 38226 Salzgitter Stand: 23. August 2004 Steuernummer: 51/200/25125 Handelsregister: Amtsgericht Braunschweig HRB 9716 Sitz der Gesellschaft und Gerichtsstand: Salzgitter Geschäftsführer: Klaus-Dieter Pauly 0 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung/ Einleitung 1. Die Einrichtung 1.1 1.2 1.3 1.4 Träger der Einrichtung Einzugsbereich und Lage der Einrichtung Personal Räumliche Ausstattung der Einrichtung 2. Krankheits- und Therapieverständnis 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 Gesellschaft, Tradition, Normen Wirkungen suchtpotenter Stoffe und Verhaltensweisen Suchterkrankung als Konditionierungsprozess Individuelle Faktoren des Suchtkranken Suchterkrankung und Lebensbewältigung/Selbstheilungsversuch Folgen von Suchterkrankungen Grundlagen der Behandlung von Suchterkrankungen 3. Zielgruppen 3.1 3.2 Indikationen Kontraindikationen 4. Behandlungsmodule 4.1 4.2 4.3 Diagnostik Behandlungsziele Behandlungsplanung und Gesamtdauer der Behandlung 4.4 Therapeutische Verfahren und Behandlungsansatz 4.4.1 Charakterisierung unseres Behandlungsansatzes 4.4.2 Analytisch-orientierter Therapieansatz 4.4.3 Verhaltenstherapie 4.4.4 Psychodrama 4.4.5 Systemische Familientherapie 4.4.6 Integrative Gestalttherapie 4.5 Behandlungsangebote und –methoden 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7 Einzeltherapie Gruppentherapie Wochenendseminare Praktika Krisenintervention Rückfallinterventionen Familien-/Paartherapie 4.5.8 Indikationsgruppen 4.5.8.1Training sozialer Kompetenzen 4.5.8.2 Stressbewältigungstraining 4.5.8.3 Entspannungstraining 4.5.8.4 Angstbewältigungstraining 4.6.8.5 Kreativitätsförderung/Kunsttherapie 5. Kooperierende Einrichtungen und Institutionen 5.1 5.2 5.3 Medizinische Beratung und Behandlung Berufliche Integration Vermittlung in Selbsthilfegruppen 6. Qualitätssicherung 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Dokumentation und Berichtswesen Suchtmittelkontrollen Teamsitzungen Supervision und Fortbildung Qualitätsmanagement 1 4 4 4 4 7 7 7 8 8 9 11 11 12 13 14 14 14 14 15 16 16 16 17 18 18 19 19 20 20 21 22 22 22 22 23 24 24 25 26 27 27 28 28 28 29 29 29 29 30 30 30 Anhang: Literatur 0 1 Vorbemerkung/ Einleitung Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH ist professioneller Anbieter von Leistungen für Menschen mit Suchtproblemen. Eine weitere Zielgruppe sind öffentliche Institutionen, deren Aufgabe die Begrenzung und Rehabilitation der durch Suchterkrankungen hervorgerufenen Schäden ist. Wir möchten mit diesem Konzept die grundsätzlichen Überlegungen für die Durchführung von Leistungen zur Ambulanten Rehabilitation Suchtkranker in Salzgitter vorlegen. Unser Bemühen besteht darin, neue Ergebnisse der Sucht- und Therapieforschung zu berücksichtigen, ohne dabei bewährte Standards und Methoden der Suchtkrankenhilfe aufzugeben. Im Hinblick auf die chronifizierende Wirkung des Missbrauchs von Suchtstoffen und dem damit verbundenem oft mehrjährigen wechselhaften Ausstiegsprozess aus der Sucht, setzen wir in der Rehabilitation auf ein differenzierteres und mit anderen Einrichtungen vernetztes System von unterschiedlichen kooperierenden Hilfeeinrichtungen und Selbsthilfegruppen. Mit diesen Rehabilitationsangeboten wollen wir angemessener auf die jeweilige Situation des Patienten und seinen Rehabilitationsstand eingehen: Lokale Kooperationsnetze mit Betrieben, Arbeitsagenturen sowie Bildungswerken zur Sicherung, Wiederherstellung und Stabilisierung der Erwerbsfähigkeit im ersten Arbeitsmarkt Regionale Kooperationsnetze mit anderen Anbietern von Leistungen in der Suchtkrankenhilfe, mit dem Ziel des Aufbaus differenzierter, flexibler miteinander verzahnter Behandlungsangebote, aus denen unter Berücksichtigung der Patienteninteressen und therapeutischen Prämissen das jeweils effektivste Behandlungskonstrukt gewählt werden kann (Wechselmöglichkeiten ambulant, stationär) Kooperationsnetzwerke mit Selbsthilfegruppen erleichtern den suchtkranken Menschen den Zugang zum Therapieangebot und bieten ihm nach der Therapie einen suchtmittelfreien und aktivierenden sozialen Bezugsrahmen. Erlebnisorientierte Therapieverfahren und Behandlungsmethoden (s. Indikationsgruppen) finden verstärkt Anwendung, weil sie mehr als das Gespräch geeignet sind, langjährig verankerte Denkund Verhaltensstrukturen erlebbar zu machen und neue und angemessene Verhaltensweisen erprobbar zu machen. Qualitätssicherung über interne Supervision, Benchmarking und der kollegiale Austausch mit Mitarbeitern anderer Einrichtungen. Wissenschaftliche Entwicklungen münden in eine stetige prozessuale Reflexion und kreative Ideenentwicklung in der Arbeit mit den Patienten und den Kooperationspartnern. 1 2 Die z. Zt. bestehenden und angestrebten Kooperationen beziehen sich auf: Suchtmedizin Selbsthilfe Betriebliche Suchtkrankenhilfe Facharzt für Psychiatrie Uwe Gebel (Beratungsstellenarzt) Facharzt für Psychiatrie Michael Rebling (Psychiatrische Behandlung) Susanne Koch-Adam St. Bluhm (Allgemeinmedizinische Behandlung) 7 Freundeskreise 6 Gruppen AA 2 Al-Anon Eltern- und Angehörigenkreis Drogenabhängiger Suchtkrankenhilfe/med. Dienst Salzgitter AG Suchtkrankenhilfe BoschBlaupunkt Suchtkrankenhilfe Volkswagenwerk SZ AG Suchtkrankenhilfe MAN Gremium Arbeitsgruppe Suchtmedizin Arbeitskreis Selbsthilfe Arbeitskreis Netzwerk betriebliche Suchtkrankenhilfe Stadt Salzgitter Suchtkrankenhilfe Alstom Suchtkrankenhilfe Schulen Stationäre Rehabilitation Stationäre Entgiftung Haus Niedersachsen (Reha Alkohol) Therapiekette Niedersachensen (Reha Drogen) DO Waldhaus Södderrich DO Eschershausen (Reha Drogen) Provatklinik Salzgitter, den 07.07.2004 Klaus Pauly Leiter der Einrichtung 2 3 Netzwerk Rehabilitation 3 4 1. Die Einrichtung 1.1 Träger der Einrichtung Die Suchtberatungsstelle Salzgitter befindet sich in Trägerschaft der Drogenund Suchthilfe gGmbH, mit Sitz in der Berliner Straße 78 in 38226 Salzgitter. Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH ist eine Gesellschaft der AWO Bezirksverband Braunschweig e.V. der AWO Trialog gGmbH des Vereins zur Förderung der Drogen- und Suchthilfe e.V. 1.2 Einzugsbereich und Lage der Einrichtung Salzgitter ist eine kreisfreie Stadt mit 31 Stadtteilen auf einer Gemeindefläche von 244 qkm. Im Jahr 2004 zählen ca. 110.000 Einwohner zur Wohnbevölkerung. Es gibt in Salzgitter ca. 60000 abhängig beschäftigte Erwerbspersonen. Die Arbeitslosenquote liegt bei 13,1%. 6,1% der Bevölkerung beziehen Leistungen aus der Sozialhilfe. Die Suchtberatungsstelle Salzgitter ist im Stadtteil Lebenstedt angesiedelt, dem flächen- und einwohnerbezogen größten Stadtteil Salzgitters. Hier befindet sich auch die zentrale Verwaltung der Kommune. Die Einrichtung hat ihren Standort in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums und hat mit einer Bushaltestelle direkt vor der Haustür eine Anbindung an das Netz der Stadtbusse sowie der umliegenden Städte und Gemeinden. Die Suchtberatungsstelle kooperiert mit den medizinischen und sozialen Diensten der in Salzgitter angesiedelten Großbetriebe und wird von diesen Stellen zur Versorgung betroffener Mitarbeiter in Anspruch genommen. 1.3 Personal Die Mitarbeiter der Einrichtung haben langjährige Erfahrungen in der Behandlung von Suchtkranken und verfügen über VDR-anerkannte therapeutische Qualifikationen. Der Stellenplan sieht z- Zt. Folgende Zusammensetzung vor: Facharzt für Psychiatrie (Honorar- und Kooperationsvereinbarung über mindestens 3 Std./Wo. Dipl. Psychologin, 19,25 Std./Wo (in Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin in Verhaltenstherapie) Dipl. Sozialpädagoge 38,5 Std./Wo (Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut, Familientherapie, Verhaltenstherapie VDR anerk.) Dipl. Sozialpädagoge 34,65 Std./Wo (Psychodramatherapeut VDR anerk.) Dipl. Sozialpädagogin 28,88 Std./Wo (Gestalttherapeutin VDR anerk.) Dipl. Sozialpädagogin 28,88 Std./Wo (NLP-Master) Schreib- und Verwaltungskraft (19,25 Std./Wo) 4 5 Obergeschoss der Suchtberatungsstelle Salzgitter Verwaltung Rezeption 27qm Treppe Wartebereich Küche Wc Büro Einzeltherapie Büro Einzeltherapie Büro EinzelTherapie 18qm 20qm 22qm wc wc Gruppenraum 2 51qm Büro Einzeltherapie Gruppenraum 1 48qm 15qm 5 6 Untergeschoss der Suchtberatungsstelle Salzgitter Treppe Eingang Keller Galerie Lager 21qm 14qm Werkstatt Kreativbereich 44qm 6 7 1.4 Räumliche Ausstattung der Einrichtung Mit ca. 400 qm verfügt die Einrichtung über ein großzügiges Raumangebot und ein hervorragendes Ambiente in der Aufteilung der Räumlichkeiten auf zwei Geschossetagen. Im Erdgeschoss befindet sich eine ca. 30 qm große Eingangshallen mit Treppenaufgang, ein Warte- und Aufenthaltsbereich für Besucher und Klienten und eine ca. 50 qm große Werkstatthalle für die Kunsttherapie zur Kreativitätsförderung und für kleinere Werkstattprojekte. In dem ca. 300 qm großen Obergeschoss ist das Verwaltungsbüro untergebracht. Hier befinden sich vier Büroräume die für die Einzelgespräche/therapie genutzt werden sowie zwei Räume für die Gruppentherapie mit je ca. 40 qm. Die Eingangshalle, der Flur- und Wartebereich sowie die Gruppenräume werden von regionalen Künstlern für Ausstellungen und Galerien genutzt und fördern damit die Integration und Akzeptanz der Einrichtung in der Bevölkerung. 2. Krankheits- und Therapieverständnis 2.1 Gesellschaft, Tradition, Normen In unserem Kulturkreis sind suchtpotente Stoffe wie Alkohol, Nikotin, Beruhigungsmittel usw. leicht verfügbar und werden von einem Großteil der Bevölkerung genutzt. Der Konsum wird mittels aufwendiger, psychologisch ausgefeilter Werbestrategien gefördert. Dem stehen die illegalen Suchtstoffe Cannabis, Ecstasy, Heroin, Kokain etc. gegenüber, die trotz der Tabuisierung und des Verbotes konsumiert werden. Die Gesellschaft steht in einem stetigen Abwägungsprozess zwischen Konsumfreiheit und Begrenzung der Folgeerscheinungen eines sich epidemisch verbreitenden Suchtmittelmissbrauchs. Zum einen ist der Verkauf von suchtpotenten Stoffen ein großer Geschäftszweig, aus dem Steuergelder eingenommen werden, zum anderen entstehen erhebliche gesundheitliche und soziale Schäden durch den Konsum suchtpotenter Stoffe mit den entsprechenden Folgekosten für die Gesellschaft für Behandlung, Rehabilitation und Reintegration. Dieser Konflikt wird besonders deutlich in der Gefährdung Jugendlicher durch immer neue suchtpotente Produkte und die erheblichen Anstrengungen der Gesellschaft, durch Präventionsmaßnahmen, negative Bewertung, Besteuerung und Repression der Suchtentwicklung von jungen Menschen entgegen zu steuern. 2.2 Wirkungen suchtpotenter Stoffe und Verhaltensweisen Alkohol, Tabak, Drogen und psychoaktive Medikamente lösen bei Konsumenten körperliche und psychische Reaktionen aus, die euphorisch, berauschend, entspannend, enthemmend, angstlindernd etc. wahrgenommen und überwiegend positiv bewertet und wiederholt erwünscht werden. Die gesamte Körper-, Sinnes- und Gefühlswahrnehmung wird verändert. 7 8 „Die Macht, mit der psychoaktive Substanzen unsere Stimmungen und Gefühle verändern können, ist ein faszinierendes Phänomen... . Nervenzellen verwenden chemische Signale, um miteinander zu kommunizieren. Und psychoaktive Substanzen verändern diese normal ablaufenden „Unterredungen“ so, dass das gesamte, im Hirn ablaufende „Gespräch“ von einzelnen Nervenzellverbänden dominiert und in eine bestimmte Richtung gedrängt wird.“ (1). Suchtpotente Stoffe wirken durch die Freisetzung von opiatähnlichen Botenstoffen direkt auf das so genannte „Belohnungszentrum“ im Gehirn. Dieses Hirnareal ist dafür verantwortlich, dass bestimmte existentielle Verhaltensweisen des Menschen (Essen, Sexualität etc) mit Lust- und Glücksgefühlen verknüpft werden und so der Reiz zur Wiederholung eines bestimmten Verhaltens besteht. Ohne „Belohnungszentrum“ wäre der Mensch depressiv, denn es ist die Schlüsselregion für die Entstehung von Antrieb, Verlangen, Suchtdruck und Sucht. Dauerhafter Alkohol- und Drogenkonsum hinterlässt hier biochemische Spuren. Das Gehirn passt sich an die stetige Stimulanz durch den überhöhten Spiegel von körpereigenen Drogen an, entwickelt eine Abhängigkeit und löst beim Absetzen des Alkoholund Drogenkonsums schmerzhafte körperliche und seelische Entzugssymptome aus. Im chronischen Stadium einer Abhängigkeitserkrankung tritt der Genussaspekt für den Suchtkranken wegen der Toleranzentwicklung immer mehr in den Hintergrund. Er braucht sein Suchtmittel, um nicht in den Entzugsstatus zu gelangen. Auch stoffungebundene Verhaltensweisen, die vom „Belohnungssystem“ positiv verstärkt werden (Spielsucht, Sexsucht, Essstörungen etc.) können zu Abhängigkeiten führen. 2.3 Suchterkrankung als Konditionierungsprozess „Die Gefahr der Bahnung sehr einseitiger, das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen bestimmender neuronaler Verschaltungsmuster ist um so größer, je häufiger ganz bestimmte Strategien der Angstbewältigung von einem Menschen im Lauf seiner Entwicklung immer wieder eingesetzt und subjektiv als besonders erfolgreich bewertet werden.“ (2) Die Entwicklung einer Suchterkrankung verläuft in einem individuell geprägten verhaltenspsychologischen und neurophysiologischen Lernund Konditionierungsprozess mit den Phasen Gefährdung, Missbrauch und chronische Abhängigkeit. Dieser Prozess führt zur Ausbildung eines „Suchtgedächtnisses“, das als tief angelegte Struktur, auch nach abgeschlossener Entgiftung und Entwöhnung des Suchtkranken, auf so genannte Triggerimpulse mit erhöhter Stimulanz reagiert und einen erneuten Alkohol- und Drogenkonsum auslösen kann. Die durch den Suchtmittelkonsum ausgelöste Stimulierung bestimmter Gefühle sowie die Überbrückung und Einschränkung der Wahrnehmung unangenehmer Gefühle, führt beim Suchtkranken oft über Jahre hinweg zu einer Fehlbewertung seiner gesundheitlichen, psychischen und sozialen Situation und zur Vermeidung einer angemessenen Auseinandersetzung mit (1) Gerald Hüther: Oh wie schön ist Panama, www.win-future.de, 2003, S. 2 (2) Gerald Hüther: Die soziale Dimension der Hirnforschung, www.win-future.de, 2003, s. 3 8 9 neuen aufregenden Wahrnehmungen, nicht erfüllten Erwartungen, verletzten Gefühlen, Spannungen und Konflikten mit anderen Menschen usw.. 2.4 Individuelle Faktoren des Suchtkranken Es ist sehr schwer, allgemeine Aussagen darüber zu machen, warum jemand süchtig wird oder nicht. Doch ähnlich wie bei anderen psychiatrischen Krankheitsbildern geschieht die Entstehung und Ausbildung einer Abhängigkeitserkrankung unter dem komplexen Zusammenwirken verschiedener individueller Risiko- und Schutzfaktoren im Zusammenspiel mit Lebensereignissen. Sie bilden den individuellen Nährboden oder aber das individuelle Abwehrsystem in Bezug auf die Bewertung und das Wahlverhalten eines Menschen im Umgang mit suchtpotenten Stoffen und Verhaltensweisen. Schutzfaktoren Risikofaktoren Persönlichkeit Intrapersonelle Faktoren Selbstvertrauen Selbstsicherheit Belastbarkeit und Kreativität bei der Angst- und Stressbewältigung Fähigkeit zur Wahrnehmung und Bewertung von Körpersignalen und Gefühlen Labilität im Umgang mit schmerzhaften Körpersignalen und Gefühlen (Vulnerabilität) Depressivität Angst und Vermeidung von altersgemäßen Reifungsschritten Beängstigende Zukunftsperspektiven Soziales Umfeld Interpersonelle Faktoren Suchtverbietendes bzw. suchtkritisches Umfeld Unbelastete Kindheitsentwicklung Aufmerksame fördernde und fordernde Bezugspersonen Vollzogene altersgemäße soziale Reifungsschritte Sichere emotionale Beziehungen Potential des Suchtstoffes Schlechte Verträglichkeit Genetischorganische Dispositionen Keine Suchterkrankungen in der Herkunftsfamilie Suchtpermissives Umfeld/suchtkranker Elternteil, suchtkranke Freunde etc. Seelischer, gewalttätiger und sexueller Missbrauch Kranke und stark belastete Bezugspersonen Ungesicherte emotionale Beziehungen in der Familie Beziehungsabbrüche Anpassungskonflikte an soziales Umfeld (Unter- bzw. Überanpassung) Mangel an Orientierung – zuviel Freiheit Zu hohe Leistungsanforderungen „zuviel Liebe oder zuviel Hiebe“ Starke neurophysiologische Stimulanz Hohe Affinität zwischen pharmakologischem Potential und psychischem Verlangen Vorhandensein indizierter Suchtgene Zu den wesentlichen individuellen Faktoren zählt die psychotherapeutische Wissenschaft die innerpsychischen Prozesse im Zusammenhang mit Erfahrungen aus der frühen Kindheit und Lernprozessen in der Herkunftsfamilie, sowie die gegenwärtigen konkreten Lebensbedingungen und genetisch-organische Dispositionen. Auch wenn das Suchtverhalten erst in einer späteren Lebensphase auftritt, so hängt es doch mit der gesamten 9 10 Lebensgeschichte des Menschen zusammen und wird unter Umständen durch eine aktuelle Situation ausgelöst. Suchtverhalten ist nach unserem Verständnis ein Symptom für tiefer liegende seelische Störungen. „Im Verlauf seines Heranwachsens wird ein Mensch nicht nur zu einem sozialen Mitglied seiner Kultur, sondern er wird auch mit ungelösten elterlichen Konflikten in seiner Herkunftsfamilie konfrontiert, die wiederum bei ihm zu charakterlichen Problemen, erheblichen Traumatisierungen und unbewussten Konflikten führen können.“ (3) Der Mensch ist lebensnotwendig auf Kommunikation und Austausch, auf Energiehergabe und Energiezufuhr angewiesen. Die grundlegenden Persönlichkeitsstrukturen entwickeln sich schon früh aus dispositionellen Faktoren, dem Beziehungsgeflecht der Ursprungsfamilie zum Kind, den interaktionellen alltäglichen Erfahrungen in Aktion und Reaktion, den im Laufe des Lebens wechselnden sozialen Beziehungen und aus bedeutsamen Lebensereignissen. Die Entwicklung von Suchtmittelabhängigkeit wird stark beeinflusst von dem, was in entscheidenden Entwicklungsphasen eines Menschen passierte und wie darauf vom sozialen Umfeld reagiert wurde. Es können z.B. Störungen mit Vorschädigungen aus früher Kindheit vorliegen, Schädigungen im psychosozialen Kontext der Persönlichkeitsentwicklung durch negative Ereignisketten, durch Beziehungsstörungen und -abbrüche, rigide oder destruktive Atmosphären, Milieus u.a.. Sie bilden sich in der sich entwickelnden Persönlichkeit als ,,innere Strukturen" ab, die ihre Erlebensund Verhaltensweise beeinflussen und z. B. entscheidend für das unbewusst ablaufende Entscheidungsund Bewertungsverhalten bzgl. des Suchtmittelkonsums sind. Aus psychoanalytischer Sicht werden diese frühen Störungen nach der Schwere der Störung in drei Grundmodellen unterschieden (4): Neurose und Suchterkrankung (Schuldgefühle, Identifikationsdefizite, konflikte mit dem Vater/ödipale Störungen) – Trinken aus Schuldgefühl Ich-Schwäche und Suchterkrankung (mangelnde Bestätigung und Förderung oder auch Überverwöhnung, Überforderung mit Anpassungsleistungen im Alltag, mangelnde Affektdifferenzierung, geminderte Affektkontrolle, schwache Ich-Grenzen gegen äußere Einflüsse - Trinken als Selbstheilungsmittel Basale Identitätsstörungen und Suchterkrankung (fehlen innerer guter Objekte und fehlendes Urvertrauen aufgrund von Traumatisierung, Unglücken, Missbrauch und Exzessen in der Kindheit, es fehlt die Erlaubnis zum Leben, das destruktive Suchtmittel wird zum Ersatzmittel für die fehlenden guten Objekte– Trinken als Selbstzerstörungsmittel (3) Kraiker, Ch. (Hrsg): Psychotherapieführer, C. H. Beck, 1998, S 59 (4) Rost, W.-D.: Zur Aktualität des psychoanalytischen Ansatzes in der Suchtbehandlung; in: Psychotherapie im Dialog, 2/2003, S. 112f 10 11 Diese belastete und defizitäre innere Struktur kann auf Anforderungen der Umwelt (Familie, Schule, Arbeitsplatz) nicht adäquat reagieren, wenn sie gekennzeichnet ist von Angst, Misstrauen, Hilflosigkeit, Rückzug, Apathie, mangelnder Frustrationstoleranz und führt auf der Interaktionsebene zu depressivem, ängstlichem, vermeidendem oder manischem, riskantem Verhalten, unrealistischer Selbsteinschätzung, über- oder unterkonformem Verhalten, zu Ambivalenzen zwischen symbiotischem und hohem Unabhängigkeitsstreben. Besondere Gefahren der Entwicklung süchtigen Verhaltens bestehen im Zusammenhang mit 2.5 Schwellensituationen des Lebens, wie z. B. der Adoleszenz, also der Zeit der ersten Liebe, von Schulwechsel, der Ablösung vom Elternhaus und dem Einstieg ins Berufsleben. problematischen Lebensereignissen, wie z. B. (Entwicklungskrisen, Trennungen mit Ressourcenverlust, Karriereknick, Arbeitslosigkeit etc.). dem Suchtmittelkonsum der sozialen Bezugsgruppe, der unmittelbaren Umgebung und dem Suchtmittelkonsum des Betroffenen. Suchterkrankung und Lebensbewältigung/Selbstheilungsversuch Sucht muss auf diesem multifaktoriellen Hintergrund als ein Versuch des Menschen verstanden werden, sich mittels der Wirkung eines Suchtstoffes oder Suchtverhaltens an seine Lebensbedingungen anzupassen, eine seelische Balance zu finden und ein subjektiv empfundenes Gleichgewicht zwischen sich und seiner sozialen Umwelt herzustellen. Leidet ein Mensch längere Zeit unter hohen inneren Spannungen und Belastungen von außen und stehen ihm keine oder zu wenig erlernte Verhaltensweisen zur Spannungs- und Konfliktlösung zur Verfügung, so greift er auf einen einmal als hilfreich empfundenen „Spannungslöser“ zurück. Suchtmittel, aber auch bestimmte Verhaltensweisen (Spielen, Essen etc.) übernehmen hier diese Funktion. Je weniger Möglichkeiten und Fähigkeiten ein Mensch hat, mit seinen seelischen und sozialen Belastungen fertig zu werden und je größer seine Schuldgefühle werden, um so mehr engt sich sein Verhalten auf den Drang Suchtmittel zu konsumieren ein. 2.6 Folgen von Suchterkrankungen Jede Suchterkrankung führt zu existentiellen, medizinischen und psychosozialen Folgeschäden, die durch die ständige toxische Überbelastung des Organismus und die Überbelastung des sozialen Umfeldes und die Fixierung des Suchtkranken auf sein Suchtmittel hervorgerufen werden, z.B. Entzugssyndrome mit Magen-Darm-Störungen, Schlafstörungen, Kreislaufstörungen Neurologische Störungen, wie Zittern, Gleichgewichtsstörungen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, Hirnveränderungen 11 12 2.7 Psychische Störungen wie Angst, vermehrte Reizbarkeit, Depressionen, Sinnestäuschungen Suchtbedingte Folgeerkrankungen: Lebererkrankungen, Krebs, Hepatitis, Aids Psychosoziale Folgeschäden: Scheidung und Vereinsamung, Führerscheinverlust und Arbeitsplatzverlust, Coabhängigkeit von Angehörigen, körperliche und psychische Schäden bei den Kindern, Enthemmungsdelikte, wie Sachbeschädigungen, Sexualdelikte, Unfallflucht, Delinquenz Grundlagen der Behandlung von Suchterkrankungen Suchtkranke Menschen können lernen ohne den Konsum von suchtpotenten Stoffen ihr Leben angemessen zu bewältigen. Mit suchttherapeutischen Angeboten sollen Suchtkranke und ihre Angehörigen auf dem Weg begleitet werden bei der körperlichen und psychischen Gesundung Einsicht in die Notwendigkeit einer abstinenten Lebensführung Stärkung der Selbstheilungskräfte Erlangung neuer Sinnfindungen und neue Vergangenheits- und Alltagsbewältigungsstrategien Bei der Behandlung einer Suchterkrankung müssen neben dem Suchtmittelkonsum immer alle Faktoren des umfangreichen Bedingungsgefüges angegangen werden: Der Suchtkranke selbst mit seiner psychischen, beruflichen und wirtschaftlichen Situation, die Familie und das soziale Umfeld. Hierbei bietet nur die stabilisierte Abstinenz die Grundlage dafür, dass die Therapieverfahren gegen Ängste, soziale Schwierigkeiten, berufliche Konflikte, Ehe- und Familienprobleme wirksam werden können. „Die Abhängigen müssen dazu die wiederholte Erfahrung machen, dass sich ihre – zumeist aus psychosozialen Konflikten resultierenden – Ängste auch auf andere als die bisher „bewährte“ Weise erfolgreich bewältigen lassen. Nur so lassen sich alternative Strategien des Denkens, Fühlens und Handelns allmählich ebenfalls strukturell verankern. Die Gefahr des automatischen Zurückgreifens auf die ursprünglichen, älteren und daher tiefer gebahnten Strategien bleibt jedoch vor allem in Zeiten psychischer Krisen ständig präsent.“ (5) Ein während der Behandlung einsetzendes Suchtmittelrezidiv muss nicht immer als Rückfall bewertet werden, sondern stellt unter Umständen einen Vorfall dar, wenn er über die therapeutische Bearbeitung dem Patienten die Chance eröffnet, über die zumeist unbewussten Umstände des Rezidives zu reflektieren und notwendige Veränderungen in seinem Lebensstil (z. B. Abgrenzung von anderen Suchtkranken, Lösung von Konflikten) einzuleiten. Die Therapie des Suchtkranken findet in der Begegnung mit dem Therapeuten in der Einzeltherapie und in der Begegnung mit dem Therapeutischen Paar in der Gruppentherapie statt. Insbesondere in der Gruppentherapie trifft er auf Rückhalt und Ansprache, da die Mitpatienten aus eigener Betroffenheit (5) Gerald Hüther: Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen und ihre Auswirkungen auf das spätere Verhalten, www.lptw.de, 2001, S. 8 12 13 wissen, was eine Suchterkrankung bedeutet und er findet hier seinen ersten suchtmittelfreien sozialen Bezugsrahmen, in dem das neue suchtmittelfreie Leben entdeckt, geprobt und gelebt wird und neue Alltagsbewältigungsstrategien entwickelt werden können. Neben der sorgfältigen Bearbeitung von Rückfällen und Stabilisierung eines abstinenten Umfeldes, kann ein Suchtkranker eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme nur erfolgreich bestehen, wenn er über eine genügende Krankheitseinsicht und Therapiemotivation verfügt, die an folgenden Kriterien zu messen ist: Notwendigkeit für Veränderungen erkennen: „So geht es nicht mehr weiter!“ Hilfsbedürftigkeit feststellen: „Ich schaffe es nicht mehr allein!“ Angebotene Hilfe akzeptieren: „Ich lasse mir helfen!“ Abhängigkeit erkennen: „Ich bin ein Alkoholiker/Drogenabhängiger!“ Abstinenzangebot akzeptieren: „Ich darf überhaupt kein Suchtmittel mehr zu mir nehmen!“ Allgemeine Lebens- und Verhaltensänderungen zum Ziel setzen: „Ich muss mein Leben anders gestalten, wenn ich endgültig vom Suchtmittel loskommen und nicht mehr rückfällig werden will!“ 3. Zielgruppen 3.1 Ambulante Rehabilitationsmaßnahmen kommen in Betracht für: Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängige und Menschen mit einem pathologischen Spielverhalten, für die angesichts des bisherigen Krankheitsverlaufes und aufgrund ihrer sozialen Situation eine stationäre Leistung zur Rehabilitation derzeit nicht indiziert ist Teilnehmer an einer stationären Leistung zur Rehabilitation, wenn die Entwöhnung noch nicht abgeschlossen, aber soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr stationär erfolgen muss. Indikationen Eine Ambulante Therapie/Entwöhnungsbehandlung kommt in Betracht, wenn folgende Kriterien durch den Patienten erfüllt sind: Bereitschaft zur dauerhaften Abstinenz und zur Mitwirkung am Behandlungserfolg eine ärztlich begleitete Entgiftung Motivation und Fähigkeit zur aktiven Teilnahme an der ambulanten Behandlung Möglichkeit zur kontinuierlichen Teilnahme an den Einzel- und Gruppengesprächen Bereitschaft, regelmäßig und pünktlich zu erscheinen adäquate Frustrationstoleranz und psychosoziale Belastbarkeit Fähigkeit zur Abstinenz über einen längeren Zeitraum Eingebundensein in ein die Abstinenz förderndes soziales Umfeld fester Wohnsitz 13 14 3.2 Bereitschaft, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen Kontraindikationen Nicht therapiefähig sind Patienten, die einen der folgenden Punkte erfüllen: Akute Psychosen Abstinenzunfähigkeit (starker) hirnorganischer Abbau (Demenz) akute Erkrankungen akute Suizidgefahr hohes Fremdgefährdungspotential ungenügende soziale Integration bevorstehende oder zu erwartende Haftstrafen (für Klienten der JVA) 4. Behandlungsmodule 4.1 Diagnostik Angesichts der Differenziertheit von Abhängigkeitserkrankungen arbeiten wir, ausgehend von einer Eingangsdiagnostik, mit einer prozessualen Diagnostik, die fortschreitend neue Erkenntnisse über den Patienten berücksichtigt und der weiteren Therapieplanung zur Verfügung stellt. Die Eingangsdiagnostik umfasst: Problemanalyse Indizierung der Abhängigkeit nach ICD 10 Motivation und Behandlungsfähigkeit die Erhebung der Sozial- und Suchtanamnese die Analyse der aktuellen Lebenssituation aktuelle Risikofaktoren und Belastungen aktuelle Beschwerden und Funktionseinschränkungen Verhaltensaktiva die Genese der Abhängigkeit psychodiagnostische Testverfahren wie Motivations-, Abhängigkeits-, Befindlichkeits-, Intelligenz- und Belastungstests Die kooperierenden Fachmediziner führen EingangsAbschlussuntersuchungen durch. Die ärztliche Diagnostik umfasst: und Körperlicher Status mit neurologischem Befund und Funktionseinschränkungen Suchtmedizinische Anamnese Psychiatrischer Befund Behandlungsempfehlung inkl. medikamentöser Therapie Somatische Diagnose 14 15 4.2 Behandlungsziele Rehabilitationsziele Das übergeordnete Rehabilitationsziel ist die Erhaltung und Verbesserung der Erwerbsfähigkeit durch die Wiederherstellung der körperlichen, seelischen und geistigen Gesundheit auf der Basis einer selbstbestimmten, selbstverantwortlichen und suchtmittelunabhängigen Lebensgestaltung mit dem Ziel der (Wieder-)Gewinnung einer aktiven Lebensgestaltung im Beruf, in der Familie und im Freundeskreis. Persönlichkeitsbezogene Therapieziele Daraus ergeben sich im Einzelnen folgende Therapieziele: Resozialisierung durch die Wiedergewinnung und Erhaltung von Arbeitsund Leistungsfähigkeit bei besserer sozialer Integration und Stärkung der Persönlichkeit weitgehende physische, psychische und soziale Wiederherstellung Erkennen und Verstehen der eigenen Suchtentwicklung und die Befähigung, eingefahrene Verhaltensweisen zugunsten neuer Handlungsstrategien zu korrigieren Entwicklung eines abstinenten Selbstkonzeptes Förderung und Stabilisierung von Beziehungsfähigkeit Ausbildung von sozialer Kompetenz und Erlernen von Konflikt- und Stressbewältigungsstrategien Förderung der Eigenverantwortung und Entscheidungsfähigkeit Stärkung und Stabilisierung des Selbstwertgefühls und des Selbstvertrauens Auflösung der süchtigen Beziehungsstrukturen und Befähigung zur differenzierten Selbst- und Fremdwahrnehmung Wiederbelebung der eigenen Kreativität Entwicklung von Liebes-, Genuss- und Arbeitsfähigkeit 4.3 Behandlungsplanung und Gesamtdauer der Behandlung Liegt eine Indikation für eine ambulante Rehabilitation vor, hat der zuständige Kostenträger die Maßnahme bewilligt und hat der Patient eine stationäre Entgiftungsbehandlung erfolgreich mit medizinischer Zustimmung abgeschlossen, wird ein Behandlungsplan erstellt und ein Therapievertrag abgeschlossen. Die Erarbeitung der Therapieziele beginnt mit einer umfangreichen Verhaltens- und Funktionsanalyse, der gemeinsamen Auseinandersetzung über die Lebens- und Krankheitsgeschichte und die aktuelle Lebenssituation des Patienten. Die Therapieplanung orientiert sich dabei an den Zielen des Patienten, d. h. es werden individuelle Absprachen darüber getroffen, in welchem zeitlichen Umfang die Behandlung erfolgen soll und welche Themen schwerpunktmäßig mit welcher therapeutischen Methode behandelt werden sollen. 15 16 Mit dem Patienten wird gemeinsam festgelegt, in welchem Umfang er an der Einzel- und Gruppentherapie teilnimmt, in welche Gruppe er aufgenommen wird, wer sein Bezugstherapeut wird und welche zusätzlichen therapeutischen Maßnahmen für ihn sinnvoll sind. Die Behandlungsdauer beträgt in der Regel 9-12 Monate und kann je nach Indikation individuell bis zu 18 Monaten verlängert werden. 4.4 Therapeutische Verfahren und Behandlungsansatz 4.4.1 Charakterisierung unseres Behandlungsansatzes Wie bereits dargestellt, muss die Behandlung einer Suchterkrankung an folgenden Punkten ansetzen Der körperliche Konditionierungsprozess durch suchtpotente Stoffe und Verhaltensweisen muss unterbrochen und die Abstinenz etabliert werden. Die existentiellen körperlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgeschädigungen der Suchterkrankung müssen soweit aufgefangen werden, dass der Suchtkranke für die Therapie ausreichend stabilisiert ist und für sich eine Zukunftsperspektive sieht. Der psychische und psychosoziale Konditionierungsprozess auf den Gebrauch von Suchtmitteln und suchtpotenten Verhaltensweisen zur Selbstregulierung von unangenehmen Gefühlen und Vermeidung von notwenigen Anpassungsleistungen an die Realität muss aufgearbeitet und verändert werden. Ein abstinentes Selbstkonzept muss entwickelt werden. Kompetenzen wie Emotionalität, Kreativität, Unkonventionalität etc. des Patienten müssen für die Entfaltung von Selbstheilungskräften und das Leben nach der Abhängigkeit kultiviert und entwickelt werden. Die Behandlung versucht, dem Patienten durch Stärkung von Ich-Funktionen, durch die Stabilisierung des Selbstwertgefühls sowie durch das Aufzeigen und Erproben suchtfreier Wege der Regulierung von überwältigenden Affekten und innerer Spannungen unabhängig vom Suchtmittel zu machen. Da die Entstehungsbedingungen und Auswirkungen der Suchterkrankung nicht allein im Individuum begründet sind, gehört die Einbeziehung des gesamten sozialen Umfeldes in den Behandlungsprozess unabdingbar dazu. Unser Behandlungsansatz orientiert sich grundsätzlich an wissenschaftlichen Erkenntnissen der psychosozialen Therapieforschung und wird aufgrund der schnellen Entwicklung der naturwissenschaftlichen Suchtforschung stetig fort geschrieben. Neben Behandlungsmethoden aus der Psychoanalyse, der NonDirektiven Gesprächspsychotherapie finden Methoden der Verhaltenstherapie, des Psychodramas, der Systemischen Familientherapie und der Integrativen Gestalttherapie je nach Ausbildung der Mitarbeiter Anwendung. Die zentrale Therapiemethode von Suchterkrankungen ist für uns die Behandlung und Begegnung der Suchtkranken in der Gruppe. In der ambulanten Rehabilitation sind die Patienten zeitlich befristet in einer stützenden, heilsamen Gemeinschaft außerhalb des bisher 16 17 suchtmittelgeprägten Lebensalltags zusammen. Die Gruppenmitglieder helfen sich auch außerhalb der Gruppe in Krisensituationen bei der Festigung der Abstinenz. Das zweite Element der Therapie ist die partnerschaftliche Begegnung mit den Therapeuten im Einzelgespräch und in der Gruppe. Durch die Offenheit, das Interesse und die Kenntnis der Therapeuten entwickeln sich beim Patienten psychodynamische Impulse und Kräfte hin zu der Einsicht, Motivation und Fähigkeit, ohne Suchtmittel leben zu können. 4.4.2 Analytisch-orientierter Therapieansatz Analytische Therapieansätze gehen davon aus, dass Symptome (z. B. Sucht) psychisch und psychosomatisch erkrankter Menschen auf unbewussten Konflikten oder Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsstruktur aufgrund früherer Traumatisierungen beruhen. In der Therapie sollen unbewusst gewordene Konflikte wieder dem Bewusstsein zugänglich gemacht und abgespaltene Selbstanteile schrittweise integriert werden. Die analytische Psychotherapie besteht aus einem intensiven emotionalen Prozess, bei dem der entscheidende Faktor die Wiederbelebung der Emotionen ist, welche die störenden Reaktionen und Symptome ausgelöst haben. Diese Wiederbelebung geschieht in der therapeutischen Situation durch Übertragungsprozesse, Imaginationsprozesse und freies Assoziieren. Sie löst im Patienten Gefühle aus, die dieser seinerzeit vielleicht einem Elternteil oder einem Geschwisterteil gegenüber hatte. Es handelt sich um Gefühle und Bewusstseinszustände, die sich in der ursprünglichen Gestalt niemals voll ausdrücken und die niemals beruhigt abklingen konnten. In der analytischen Therapie erhält der Patient die Gelegenheit, Erlebnisse und Gefühle zu bearbeiten, die oft ein Leben lang unterdrückt und verdrängt werden mussten oder die sich in störenden Symptomen, Charakterzügen oder sozialen Konflikten Luft machen. 4.4.3 Verhaltenstherapie Die Verhaltenstherapie ist wesentlich gekennzeichnet durch ihre operationalisierbaren Methoden und Begriffe. Unter den Begriff „Verhalten“ fallen dabei beobachtbare Verhaltensweisen, kognitive, emotionale und physiologische Prozesse. In der Verhaltenstherapie bestehen spezifische Theorien über die Entstehung, Aufrechterhaltung und Änderung von Verhalten, die eine laufende Fortentwicklung erfahren und sich in praktischen Behandlungsmethoden niederschlagen. Der Anwendungsbereich verhaltenstherapeutischer Methoden und Theorien bezieht sich auf langfristige, bis in die frühe Kindheit zurückreichende, und kurzfristige Entwicklungen. In der Suchtrehabilitation setzt sich die Verhaltenstherapie intensiv mit der individuell vorliegenden Bedingungsanalyse und Lerngeschichte des Suchtkranken auseinander. Die Analyse der Funktionalität des Suchtmittelkonsums dient der Herausarbeitung der individuellen Auslösetrigger und der jeweils aufrechterhaltenden Verstärker des 17 18 Suchtmittelkonsums. Hieraus lassen sich individuell maßgeschneiderte Therapieziele und Interventionen ableiten, z. B. Maßnahmen zur Verbesserung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung oder der Impulskontrolle. Durch Konfrontationsübungen bereiten sich stabile Suchtkranke auf reale Versuchungssituationen vor. In der kognitiven Verhaltenstherapie arbeitet man auf dem Hintergrund der Lebensgeschichte des Patienten die kognitiven Trigger und Verstärker heraus, um z. B. bei drohender Rückfälligkeit interne Dialogstrukturen umzuarbeiten. 4.4.4 Psychodrama Das Psychodrama ist eine interpersonal orientierte Psychotherapie, die Beziehungen zwischen Menschen darstellt und analysiert, wobei verbale und nonverbale Kommunikation durch die vielfältigen Methoden des Rollenspiels, Stegreifspiels, Protagonistenspiels, Arbeit mit sozialem Atom etc. in die Gruppe einbezogen wird. Störungen und psychische Erkrankungen (z. B. Sucht) drücken sich in gestörten zwischenmenschlichen Beziehungen und in Störungen des Rollenkonzeptes, wie z. B. Rollenmangel, Rollenfixierungen, Rollenblockierungen, intra- und interpersonalen Rollenkonflikten und der fehlenden Organisation und Integration von Rollen aus. Das Psychodrama führt über die Klärung problematischer zwischenmenschlicher Beziehungen, über die Aufdeckung und das Erleben verdrängter Konflikte, über das kathartische Wiedererleben und szenische Verstehen früherer Situationen und über die Motivierung und Befähigung, neues Verhalten zu erproben, zur Ausbildung neuer und angemessener Rollencluster. Der Vorteil des Psychodramas liegt darin, dass es über das Spielen, Darstellen, Erleben - im Gegensatz zum alleinigen Reden - den natürlichen Zusammenhängen und Verwicklungen des Alltagslebens besonders gerecht wird. Erst, was erlebt, getan und gesprochen wurde, kann hinter sinnvoll gedeutet und für die Therapie genutzt werden. Die Risiken des Psychodramas liegen in der emotionalen und strukturellen Überforderung der Patienten bei der Rollenübernahme und in der erheblichen Erlebnisqualität des Psychodramas, die gut konzeptgeleitet und therapiezielorientiert sein muss. 4.4.5 Systemische Familientherapie In der Systemischen Familientherapie wird, neben der Erstellung der anamnestischen Fakten das individuelle Problembewusstsein und die daraus resultierende Wahrnehmung der Klientel erfasst. Sie geht davon aus, dass alles Bewusstsein, emotionales Erleben und Verhalten Ausdruck und Ergebnis von Aufmerksamkeitsfokussierung ist, auf willkürlicher und unwillkürlicher, auf bewusster und unbewußter Ebene. Innerhalb der gewohnten Wertesysteme, Glaubenshaltung und Verhaltensmuster hypnotisieren sich Menschen in ihre Probleme bzw. in ihrer Bewertung dieser Probleme. Kann die Aufmerksamkeitsfokussierung umgestaltet und verändert werden, bewirkt dies häufig eine stabile Verbesserung des Erlebens und Empfindens. In Anlehnung an die kompetenzorientierte Hypnotherapie nach Milton Erickson wird mit der Systemischen Familientherapie versucht, die gesundheitsfördernden Aufmerksamkeitsprozesse auf Dauer zu stabilisieren. Dazu nutzt die 18 19 Systemische Familientherapie erlebnisorientierte Therapieverfahren in der Gruppentherapie. So können z. B. durch das Aufstellen von Familienskulpturen bzw. –konstellationen Aufmerksamkeitsfokussierungen mit Hilfe der Gruppenteilnehmer bildhaft und erlebbar gemacht werden. Dies bietet die Möglichkeit, die vorhandenen Beziehungsstörungen und Beziehungsfähigkeiten im Umgang mit den anderen Gruppenteilnehmer zu überprüfen und ggf. zu korrigieren. Über diesen Gesamtprozess kommt es in der Regel zur Umorientierung und eigeninitiierter Einbeziehung der realen Familienmitglieder und –angehörigen, zu denen eine problemorientierte Aufmerksamkeitsfokussierung bestanden hat und die dann in den weiteren Veränderungsprozess einbezogen werden können. 4.4.6 Integrative Gestalttherapie Die Integrative Therapie basiert auf wesentlichen Konzepten der klassischen Gestalttherapie, des Psychodrama und der Psychoanalyse. Sie verbindet diese Ansätze durch ein übergreifendes Konzept der Korrespondenz. Dies bedeutet, dass ein Mensch nicht zu verstehen und zu behandeln ist, wenn er nicht als ko-existierendes Wesen verstanden wird, als Wesen, das immer in Beziehung steht (auch wenn es allein ist) und auf Beziehung angewiesen ist. In diesem Verfahren geht es auch um die Integration verdrängter und abgespaltener Gefühls- und Erfahrungsbereiche. Dabei werden die unterschiedlichen Perspektiven gesehen (die innere Dynamik, die Leiblichkeit, das soziale Umfeld, die Lebensgeschichte), die dementsprechend mit unterschiedlichen Methoden behandelt werden müssen. In der Therapie geht es insbesondere um die Erfahrung neuer Reaktionsmuster, die Förderung der Wahrnehmung der inneren und äußeren Realität und um die Ablösung von anderen Personen und Abhängigkeiten hin zur Übernahme von Selbstverantwortung. Als Voraussetzung dafür, dass tiefgreifende Veränderungsprozesse stattfinden können, wird das Anerkennen der Realität und die Selbstakzeptanz gesehen. „Akzeptiere dich, wie du bist, und du wirst dich ändern.“ Im therapeutischen Prozess finden verschiedene kreative Methoden des Selbstausdruck zur Wiederherstellung der Gesundheit Anwendung. 19 20 4.5 Behandlungsangebote und –methoden Die folgenden Behandlungsangebote und –methoden stellen das Grundgerüst der ambulanten Rehabilitation dar, mit dem wir den Patienten in den verschiedenen Kontexten als Individuum, als soziales Wesen und auf verschiedenen Wahrnehmungsebenen kognitiv, erlebnisorientiert, introspektiv, extrovertiert, strukturierend und spannungslösend etc. individuell angemessen erreichen und Veränderungsprozesse unterstützen wollen. 4.5.1 Einzeltherapie In der Einzeltherapie hat der Patient die Möglichkeit, im vertraulichen Kontakt mit seinem Bezugstherapeuten an jenen persönlichen, sozialen und lebenspraktischen Problemen zu arbeiten, die für die gruppentherapeutische Bearbeitung nur wenig nutzbringend erscheinen und deren Thematisierung für den Betreffenden in der Gruppe nicht zumutbar ist. Oft ist es erforderlich, dem Patienten Aufmerksamkeit und Zeit zu geben, um mit der Suchterkrankung einhergehende Selbstwertdefizite und negative Gedanken/Bewertungen des bisherigen Lebensweges aufzufangen und umzuwerten, so dass der Patient an Stärke und Selbstvertrauen für die Ziele der Behandlung gewinnt. Ziel 20 21 dieser Bearbeitung sollte die gegenwartsbezogene Analyse der bisherigen Lebensgeschichte des Patienten sein, aus der heraus für das gegenwärtige und zukünftige Leben des Patienten konstruktive Lösungsalternativen entwickelt werden. 4.5.2 Gruppentherapie Therapiegruppen umfassen 8-12 Patienten und finden einmal wöchentlich mit einer Dauer von 100 Minuten statt. Die Therapiegruppe wird von einem Therapeutenpaar über den gesamten Behandlungszeitraum geleitet, um durch die so gegebene Beziehungskontinuität Halt und Struktur zu vermitteln. Die angewandten Methoden sind vielfältig, denn die Mitarbeiter haben sich z. T. in mehrere Therapieverfahren eingearbeitet und diese zu einem persönlichen Behandlungsstil weiterentwickelt. Die Gruppentherapie bietet in ihrer interaktionalen Dynamik die Möglichkeit der positiven Beeinflussung von persönlichen Störungen und Verhaltensweisen. Der Patient findet einen neuen sozialen Bezugsrahmen, in dem er mit anderen Betroffenen, die die Problematik trotz aller Unterschiede besser durchschauen und nachvollziehen können und in dem alle das gleiche Ziel der Abstinenz verfolgen. Der Patient erhält durch die Gruppe konstruktive Rückendeckung. Er entdeckt seine individuellen Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Einschränkungen, seine Ambivalenzen und ihre Auswirkungen. Und er lernt, nicht nur zu nehmen, sondern auch, anderen etwas zu geben und aus seiner symbiotischen Beziehung zum Suchtmittel herauszutreten und sich der Welt zuzuwenden. Mit Fortschreiten der Therapie und wachsender Vertrautheit der Patienten miteinander entstehen über Resonanz (Ärger, Wut, Mitleid etc.), Rückmeldung, Spiegeln, Konflikte und andere kommunikative Prozesse Impulse der Verbesserung der Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie der Verhaltensänderung in sozialen Kontexten. Die Arbeit der Therapeuten ist darauf ausgerichtet, durch Interventionen, Unterrichtungen, Übungen und direkte Kommunikation mit den Patienten darauf hinzuwirken, dass diese sozialen Dynamiken in der Gruppe zielorientiert bleiben und wertschätzend miteinander umgehen. Über die Veränderung innerer Bilder, Leitsätze, Gefühle und eingeschliffener Verhaltensmuster werden zusammen mit den Patienten suchtmittelfreie Lösungen der Lebensbewältigung erarbeitet. Gerade die Gruppentherapie eignet sich besonders für den Einsatz erlebnisorientierter Behandlungsmethoden, wie die Simulierung realer Lebenssituationen im Rollenspiel/Psychodrama, dem Arbeiten mit Familienskulpturen, kreativen Gruppenübungen etc.. Dies eröffnet Möglichkeiten, sich neue Verhaltensweisen im „Gruppenlabor“ auszudenken, zu erproben, überprüfen und zu stabilisieren. Im Verlauf einer erfolgreich verlaufenden Gruppentherapie kann der Patient entspannter und konfliktfreier leben, seine Abstinenzentscheidung ist konsolidiert, seine SelbstkontrollKompetenzen sind gestärkt und er ist in der Lage, neuen Gruppenteilnehmern auf diesem Entwicklungshorizont Hilfestellungen und Anregungen zu geben. Wir planen die Einrichtung von Basisgruppen für Menschen mit Alkoholproblemen, mit Drogenproblemen und mit sonstigen Suchtproblemen. Unabhängig von diesen Basisgruppen können die Patienten an den Indikationsgruppen teilnehmen. 21 22 4.5.3 Wochenendseminare Wochenendseminare dienen der Förderung und Intensivierung von Gruppenprozessen, wie der Kontaktaufnahme, dem Aufbau von Beziehungen, dem gemeinsamen Erleben der Grenzen und Möglichkeiten eines gruppenaktiven Zusammenlebens. Wesentlicher Aspekt ist das intensivere Kennenlernen der Teilnehmer und das Vermitteln von suchtmittelfreien Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in Gruppen. Durch den längeren Kontakt und die größere Nähe kann es zu Konflikten kommen, in deren Verlauf neue und angemessene Verhaltensweisen erprobt werden können. 4.5.4 Praktika Wesentliches Ergebnis der Ambulanten Rehabilitation soll die Wiederherstellung, Stabilisierung und Sicherung der Erwerbsfähigkeit des Patienten möglichst im 1. Arbeitsmarkt sein. Steht der Patient nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis, so hat die Planung, Vorbereitung und Durchführung von Wiedereingliederungsmaßnahmen ins Erwerbsleben über Praktika in Betrieben, beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der Therapie eine zentrale Bedeutung. Die Drogen- und Suchthilfe gGmbH kooperiert für dieses Ziel mit lokalen Bildungsträgern, der Arbeitsagentur, Handwerkskammern, Arbeitsprojekten, Betrieben etc.. 4.5.5. Krisenintervention Krisenintervention ist Bestandteil der ambulanten Rehabilitation. In Krisensituationen können Patienten und deren Angehörige jederzeit innerhalb der Öffnungszeiten Beratung in Anspruch nehmen. Es wird sichergestellt, das hierfür als Ansprechpartner therapeutische Mitarbeiter zu Verfügung stehen. Ein individueller Notfallplan für jeden Patienten wird erarbeitet und die weitere Vorgehensweise gemeinsam mit dem Patienten besprochen. In Notfällen setzen sich die Mitarbeiter mit den Beratungsstellenärzten, regionalen Krankenhäusern oder externen Notfalleinrichtungen in Verbindung, um weitere Kriseninterventionsmaßnahmen zu veranlassen. Ob der Schweregrad der Krise eine ambulante Rehabilitation weiterhin möglich macht, wird unmittelbar im therapeutischen Team entschieden. Über entschiedene Änderungen des Behandlungsplanes wird der Kostenträger umgehend informiert. 4.5.6 Rückfallinterventionen und Rückfallprävention Rückfälle sind Teil der Suchterkrankung. Unabhängig davon, ob der Patient aktuell rückfällig ist, bieten wir in der Einzel- und Gruppenarbeit Arbeitssequenzen an, in denen wir die Patienten über die neurobiologischen und psychosozialen Bedingungsgefüge des Suchtmittelrezidives informieren und Vorbereitungstrainings zur Bewältigung rückfalltypischer individueller Alltagssituationen anbieten. Rückfälle sind als Symptom eines Fehlverhaltens sowie als Neuorientierung im therapeutischen Setting zu betrachten. Der Patient erlebt bei einem 22 23 Rückfall ein Scheitern seiner Selbstkontrolle mit Gefühlen wie Minderwertigkeit und Schuldgefühlen. Dabei zeigen Patienten oft massive Abwehrmechanismen wie Verleugnung, Verharmlosung etc.. Innerhalb des Therapierahmens soll dem Patienten Hilfe angeboten werden, damit er sich mit seinem Scheitern auseinandersetzen kann und eine Verbesserung der Realitätsprüfung stattfindet. Ein Rückfall führt nicht automatisch zur Beendigung der Therapie, sondern wird für den therapeutischen Prozess genutzt. Nach jedem Rückfall wird die Indikation für die ambulante medizinische Rehabilitation gemeinsam mit dem Betroffenen überprüft. Daraufhin wird entschieden, ob das therapeutische Setting weiter sinnvoll für den Behandelten erscheint oder ob andere Behandlungsmöglichkeiten wie eine Entgiftung oder stationäre Rehabilitation erfolgversprechender erscheint. Sollte ein Maßnahmewechsel indiziert sein, wird der Leistungsträger sofort darüber informiert. Vorrangiges Ziel ist die Wiederherstellung der Abstinenz. Bei der Aufarbeitung des Rückfalls steht die Analyse der individuellen Bedingungen und ReizReaktionsketten des Patienten im Vordergrund. Dies beinhaltet eine ausführliche Thematisierung in der Therapiegruppe und im Einzelgespräch sowie im Gespräch mit Angehörigen. Es geht darum, Rückfälle zu entpathologisieren und dem Patienten Risikosituationen bewusst zu machen und vorbeugende und gezielt für ihn geeignete Bewältigungsstrategien aufzubauen. 4.5.7 Familien-/Paartherapie Die Beteiligung von Bezugspersonen am Therapieprozess der Betroffenen ist eng verbunden mit dem Begriff der Co-Abhängigkeit. Die Systemische Familientherapie betrachtet die Suchterkrankung als eine Familienerkrankung, in der zwar der Suchtmittelabhängige Symptomträger ist, jedoch alle anderen Familienmitglieder mehr oder weniger von der Krankheit betroffen sind und bei der Aufrechterhaltung der Bedingungen beteiligt sind. Die Einbeziehung möglichst vieler Mitglieder einer solchen Lebensgemeinschaft erscheint somit dringend indiziert und wünschenswert. Auch vor dem Hintergrund, dass sich Familienangehörige, die co-abhängig handeln, ebenso wie die Betroffenen, in einer emotionalen Krisensituation befinden, die mit Realitätsverleugnung, Depression, Überwachsamkeit, Zwängen und Ängsten einhergeht, ist es erforderlich, dass die Angehörigen einen ähnlichen Veränderungsprozess durchlaufen, wie es von den Suchtkranken erwartet wird. Das bedeutet auch für die Angehörigen die Auseinandersetzung mit Schuld- und Schamgefühlen, Angst, Schmerz und Einsamkeit. Die Beteiligung der Bezugspersonen erfolgt im Paar- und/oder Familiensetting sowie im Gruppensetting mit anderen Angehörigen von Suchtkranken. Diese Angebote verfolgen die Ziele, dass die Familie in Erfahrung bringt, wie das bestehende Familiensystem die Suchterkrankung aufrecht erhält. Hierfür erscheint es hilfreich, möglichst alle Familienmitglieder über den Prozess von Sucht und Co-Abhängigkeit zu informieren. In weiteren Schritten ist es anzustreben, in therapeutischer Arbeit die Angehörigen auf der emotionalen Ebene zu erreichen, damit sie die eigene Rolle in der 23 24 Familie verstehen lernen und ebenso wie der Suchterkrankte eine Veränderungsbereitschaft entwickeln können. ihr Familiensystem offener und präziser zu gestalten, d.h. einen Umgang innerhalb der Familie zu entwickeln, in der jede Person die Freiheit hat, sie selbst zu sein, zu wachsen und sich weiter zu entwickeln. Ein offener Umgang miteinander, geprägt von gegenseitiger Zuneigung und Wertschätzung, kennzeichnet sich über die Kommunikation untereinander. dass sich Familienmitglieder zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln dürfen. Häufig zeigen einzelne Familienmitglieder innerhalb des bestehenden Systems starke Selbstwertprobleme. Diese sollen ermutigt werden, Schritte zu einem persönlichen Wachstum zu unternehmen und darüber, ausgehend von den eigenen Ressourcen, den Selbstwert stärken. Dieser Arbeitsansatz beinhaltet die globale Wissensvermittlung und die individuelle Beratung der Familie sowie pädagogische, therapeutische und handlungsorientierte Elemente, die die Veränderungsbereitschaft des gesamten Familiensystems zum Ziel hat. 4.5.8 Indikationsgruppen Indikationsgruppen finden neben der prozessualen Gruppentherapie in den Basisgruppen für Menschen mit Alkohol-, Drogen- und sonstigen Suchtproblemen themenzentriert statt und können auch für Menschen offen stehen, die keine Suchtproblematik haben, sich aber vom Thema der Indikationsgruppe angesprochen fühlen. Die Indikationsgruppen finden geschlossen und zeitlich auf maximal 10 Einheiten begrenzt statt. 4.5.8.1Training sozialer Kompetenzen Dieses Training beinhaltet eine Reihe verschiedener verhaltenstherapeutischer Prinzipien und Methoden, die mit dem Ziel kombiniert werden, ein angemessenes, sozial kompetentes und persönlich zufriedenstellendes Verhalten im sozialen Umgang mit anderen Menschen zu lernen und dabei soziale Ängste abzubauen. Mangelnde bzw. mangelhafte soziale Kompetenzen fördern und begünstigen häufig Suchterkrankungen. Soziale Ängste werden mit dem süchtigen Verhalten oder der Wirkung des Suchtmittels verdrängt und kompensiert. Der wesentliche Grundgedanke des Begriffs „Soziale Kompetenz“ besteht darin, daß Individuen in mehr oder minder starkem Maße über Fertigkeiten verfügen, akzeptable Kompromisse zwischen sozialer Anpassung einerseits und individuellen Bedürfnissen andererseits zu finden und zu verwirklichen. Wenn man von sozialer Kompetenz spricht, können konkret folgende Verhaltensweisen gemeint sein: Impulskontrolle und Aufmerksamkeitsfokussierung in sozialen Situationen. Hierzu gehört die gezielte Aufnahme sozialer Hinweisreize, die insbesondere im Konfliktfall mit affektiver Erregung einhergeht (z.B. Wut, Angst, Neid, Traurigkeit), die häufig mit Suchtmittelkonsum kompensiert werden und daher eine Reaktionskontrolle erforderlich machen. 24 25 Entschlüsseln sozialer Hinweisreize. Hierzu gehört die Enkodierung bzw. Interpretation der wahrgenommenen sozialen Reize. Entwickeln von Verhaltensalternativen. Hierzu gehören Abwägung und Entscheidung für die Form der Reaktion (z.B. Recht durchsetzen oder um Sympathie werben). Reaktionsentscheidung. Hierzu gehört die Entscheidung für die konkrete konstruktive (oder destruktive) Reaktionsweise. Reaktionsdurchführung mit anschließender Bewertung der entstandenen Situation im Sinne einer erneuten gezielten Aufnahme und Weiterverarbeitung sozialer Hinweisreize. Selbstinstruktionstechniken zur Vermittlung und Einübung dieser Problemlösefertigkeiten. Sozial inkompetentes Verhalten liegt insbesondere dann vor, wenn eines dieser Verhaltensmuster in entsprechenden Situationen nicht oder nur unvollkommen verwirklicht werden kann. Soziale Kompetenz wird konkret als die Verfügbarkeit und Anwendung von kognitiven, emotionalen und motorischen Verhaltensweisen, die in bestimmten Situationen zu einem langfristig günstigen Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für den Handelnden führen definiert. Ursprünglich waren die Trainings sozialer Kompetenzen darauf ausgerichtet vor allem sozial ängstlichen, also zurückgezogenen und schüchternen Klienten zu einem selbstsicheren Auftreten zu verhelfen („Selbstsicherheitstraining“). Die Entwicklung hat letztlich dazu geführt, daß das Training nun Fähigkeiten zur zwischenmenschlichen Interaktion schlechthin trainieren soll, die man unter dem Oberbegriff „Soziale Kompetenzprobleme“ etwas unklar zusammenfasst. So werden im Rahmen des Trainings Verhaltensweisen, die in der bisherigen Lebensgeschichte nicht gelernt werden konnten, therapeutisch gefördert und aufgebaut. Es werden Ängste, die sozial sicheres und kompetentes Verhalten behindern abgebaut. Gedanken und Einstellungen (Kognitionen), die die Furcht fördern und sozial sicheres Verhalten unmöglich machen, werden verändert. Dabei kommen eine ganze Reihe verschiedener verhaltenstherapeutischer Techniken zum Einsatz: operante Verstärkung; Modelllernen; Verhaltensübungen/Rollenspiel Selbstmanagement, Selbstinstruktion; Erkenntnisdialoge, Modellierungsdialoge, Verhaltensfeedback. 4.5.8.2 Stressbewältigungstraining Stressbewältigung kann als Verhaltensrepertoire aufgefasst werden, das einen Organismus unter Berücksichtigung seiner biologischen Ausstattung und seiner bisherigen Lerngeschichte in die Lage versetzt, auf Stressoren und Stresssituationen adäquat und adaptiv zu reagieren, um schädigende Konsequenzen zu reduzieren oder zu vermeiden. Stressbewältigung bedeutet 25 26 Selbstkontrolle in belastenden Situationen. Im Stressbewältigungsprogramm sollen adäquate alternative Verhaltensweisen eine inadäquate Stressreaktion ersetzen. Vorhersehbare Stresssituationen können durch Änderungen und Gestaltung der Situation erfolgreich angegangen werden. Ein Stressbewältigungsprogramm kann dazu beitragen, dass Einstellungen und Erwartungen, zeitlich überdauernde Verhaltensmuster, Persönlichkeitseigenschaften sowie körperliche und geistige Leistungsfähigkeit geändert werden können. Im Rahmen des Stressbewältigungsprogramms bietet sich die Möglichkeit, alternative Verhaltensweisen für gleichartige Belastungssituationen zu thematisieren, auszuwählen und zu realisieren. Dabei können von den Patienten in der Gruppe die Vorteile des Sozialen Lernens genutzt werden, wie Beobachtungslernen, Erstellen einer Situationsanalyse, Entwicklung von Verhaltensalternativen durch gemeinsames Brainstorming, Übungshandeln in Form von Rollenspielen, gezielte und individuelle Anleitung sowie soziale Verstärkung und Verhaltensweisen. Das Stressbewältigungsprogramm befasst sich psychoedukativ damit, was Stress bedeutet (di-stress, eustress). analysiert individuelle Stresssituationen und Stressreaktionen vor allem in den wesentlichen Lebensbereichen Beruf, Freizeit und Beziehung, wo Stress spürbar erlebt wird (physiologisch, kognitiv, emotional). hilft Zusammenhänge von Stress auf Körper, Psyche und Alkohol- sowie Drogenkonsum zu erkennen. vermittelt Stressbewältigungsmethoden wie Situationsvermeidung, Abreagieren, Entspannungsübungen, Imaginationsübungen, Wahrnehmungslenkung, positive Selbstgespräche, Veränderung von Einstellungen und Sichtweisen, Aufbau befriedigender Aktivitäten, Aufbau und Pflege sozialer Kontakte, Planung und Zeitmanagement, Systematisches Lösen von Problemen. 4.5.8.3 Entspannungstraining Entspannungsmethoden sind ein Sammelbegriff für Verfahren, die sich mit verschiedenen Möglichkeiten befassen, Kontrolle über allgemeine Anspannung und spezielle Verspannungen und Verkrampfungen zu gewinnen. Sie sind allgemein wirksame Verfahren zur Veränderung der psychischen Befindlichkeit. Auch wenn der theoretische Hintergrund der verschiedenen Verfahren unterschiedlich ist, scheinen sie alle, wenn auch auf unterschiedlichen Wegen, zu einem zentralen Entspannungsgefühl zu führen. Im Regelfall sind sie nur symptomunspezifisch einsetzbar, d. h., sie sind der spezifischen, individuellen Problemlage bzw. Verhaltensstörung nicht anzupassen. Mögliche Methoden sind u. a.: Progressive Muskelrelaxation (oder Muskelentspannung) nach Jacobson; Autogenes Training; Meditation; Tai Chi; Yoga; Biofeedback 26 27 Atemtechniken. Die Methoden finden einerseits dort Anwendung, wo es gilt, die o. g. Anspannungen, Verkrampfungen etc. in den Griff zu bekommen oder generell Entspannung zu finden. Sie sind aber teilweise auch Bestandteil anderer verhaltenstherapeutischer Methoden (z. B. Systematische Desensibilisierung, Angstbewältigungstraining). In der Behandlung von Suchtkranken ist ihr direkter Einsatz als leicht zugängliche, alternative und eigenständige Methode immer dann sinnvoll, wenn der Konsum des Suchtmittels zumindest teilweise der Spannungsreduktion diente. 4.5.8.4 Angstbewältigungstraining Das primäre Ziel des Angstbewätigungstrainings ist es, die aufrechterhaltenden Bedingungen der Störung zu verändern, d. h. den Kreislauf von Vermeidungsverhalten und Aufrechterhaltung der Angst zu stoppen. Die Bewältigung von angstauslösenden Situationen in der Gruppe hat folgende Inhalte: Diagnostische Inhalte: Zusammentragen von Erfahrungen der Patienten mit Angst und ihren Folgen, Ursachen- und Bedeutungsforschung, Ergebnisse bisheriger Bewältigungsstrategien etc.. Theoretische Inhalte: Krankheitsmodelle, Verständnis von Angstentstehung und Wissen über Heilungsmöglichkeiten. In der Gruppentherapie kann durch erlebnisorientierte Therapieverfahren (Psychodrama) ein Explorationstraining erfolgen, in dem angstbesetzte Lebenssituationen und Aufmerksamkeitsfokussierungen durch Skulpturarbeit bzw. Rollenspiel dargestellt und erlebt werden und in dem neue kreative Verhaltensweisen oder Aufmerksamkeitsfokussierungen im Umgang mit Angst erprobt werden können. In der letzten Phase des Angstbewältigungstrainings setzen sich die PatientInnen in Begleitung von anderen Gruppenteilnehmern und/oder Vertrauenspersonen direkt mit angstauslösenden Situationen in der für den Patienten individuell relevanten natürlichen Umgebung aus. Die hiermit gesammelten Erfahrungen werden in der Indikationsgruppe sorgfältig therapeutisch nachbereitet und ausgewertet. Durch diesen kontinuierlichen Begleitungsprozess soll der Patient am Ende in der Lage sein, angstbesetzte Situationen selbstständig und aktiv anzugehen. 4.6.8.5 Kreativitätsförderung/Kunsttherapie Kreative Angebote im Rahmen der Therapie dienen der Förderung und Entfaltung des Ausdrucksvermögens und der Entwicklung der Spontanität bei den Patienten. Die mit kreativen Methoden, wie farbiges Malen, Rollenspiel, Musik etc. zu erzielende Erwärmung und Öffnung der Patienten für neue Erfahrungen belebt und erweitert die Therapie und initiiert Gruppenprozesse. Mit der Indikationsgruppe für Kreativitätsförderung sollen Patienten angesprochen werden, die Schwierigkeiten haben, sich in der Gruppentherapie mitzuteilen und auszudrücken. Kunsttherapie ist ein eigenständiges Verfahren, welches mit Mitteln der Kunst, der Psychologie und der Pädagogik arbeitet. Sie basiert auf dem Bedürfnis und der Fähigkeit des 27 28 Menschen sich auszudrücken, zu spielen und zu experimentieren, um das, was ihn bewegt, nach außen zu bringen, es sichtbar und (be-)greifbar zu machen und es in neue Zusammenhänge zu bringen. Der künstlerische Prozess bedingt und evoziert Hingabe, Konzentration und Vertiefung, sinnliche Wahrnehmung, emotionale Betroffenheit und kritische Reflexion. Die entstandene künstlerische Gestaltung (Grafik, Malerei, Plastik) ermöglicht ein Abstandnehmen und Betrachten von außen und dadurch eine konkrete, bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Umgebung. Kunsttherapie initiiert und fördert kreative Prozesse, verstanden als ein aktuelles Verhalten und Handeln, welches Hinweise auf unbewusste innere Orientierung, Muster und Prägungen sowie deren Hintergründe gibt. Kunsttherapie schult die Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und unterstützt den Ausdruck von Gefühlen, Stimmungslagen und Phantasien. Die Kunsttherapie begleitet damit pädagogische/psychologische Prozesse, bietet Unterstützung im Ausgleich von Entwicklungsdefiziten und ermöglicht somit Nachreifungsprozesse. Ein ca. 50 qm großer Werkstattraum steht der Einrichtung für die Kreativitätsförderung/Kunsttherapie der Klientel zur Verfügung. 5. Kooperierende Einrichtungen und Institutionen 5.1 Medizinische Beratung und Behandlung Die medizinische Beratung und Behandlung ist obligatorischer Bestandteil der gesamten Rehabilitationsmaßnahme. Das medizinische Erstgespräch, die medizinische Diagnostik und medizinische Begleitung stellt sicher, dass neben der Suchterkrankung somatische und psychische Begleiterkrankungen möglichst früh erkannt und medizinisch oder psychiatrisch angemessen behandelt werden. Darüber hinaus erfolgt eine umfangreiche medizinische Beratung und Aufklärung der Patienten bezüglich einer den Erkrankungen angemessenen Lebensweise (Ernährung etc.). Die für jeden Patienten verbindliche medizinische Behandlung durch den Rehabilitationsarzt soll darüber hinaus auch sicherstellen, dass die Patienten nicht mit suchtpotenten Medikamenten behandelt werden, soweit dies vermeidbar ist. Der Rehabilitationsarzt empfiehlt stationäre Entgiftungsund Entwöhnungsbehandlungen. 5.2 Berufliche Integration In die Ambulante Rehabilitation werden vorrangig die Personen aufgenommen die über ein bestehendes Arbeitsverhältnis verfügen. Die Erhaltung der Erwerbsfähigkeit und die Stabilisierung des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ist ein wesentliches Ziel der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme. Erstrebenswert ist die Einbeziehung des Arbeitgebers (des betrieblichen Sozialdienstes) in die Therapieplanung und den Therapieverlauf. Bei intakten und stabilen sozialen Bedingungen können auch arbeitslose Personen an der ambulanten Therapie teilnehmen, wenn die berufliche 28 29 Wiedereingliederung z.B. über den so genannten zweiten Arbeitsmarkt in Aussicht steht und in absehbarer Zeit begonnen werden kann. 5.3 Vermittlung in Selbsthilfegruppen Wir kooperieren eng mit den lokalen Selbsthilfegruppen (5 Freundeskreise, Anonyme Alkoholiker). Regelmäßige Treffen dienen dem Kennenlernen und dem Erarbeiten von Kooperationsstrukturen, therapeutische Mitarbeiter stellen sich in den Selbsthilfegruppen vor. Suchtkranke Menschen, die mit einer akuten Problematik und ohne bisherige professionelle Behandlung eine Selbsthilfegruppe aufsuchen, werden von den Vorsitzenden der Freundeskreise in die Suchtberatung/-therapie begleitet. Kontakte zu Selbsthilfegruppen sollen bereits während der ambulanten Behandlung gesucht und aufgenommen werden, um zum Therapieende einen möglichst übergangslosen Wechsel in die Selbsthilfe zu gewährleisten. Neben den suchtspezifischen Selbsthilfegruppen sind auch spezielle Selbsthilfeinitiativen (z.B. sexueller Missbrauch, Homosexualität, Arbeitslose u.a.) zu berücksichtigen. Darüber hinaus soll die Entwicklung und Förderung weiterer Selbsthilfeinitiativen gezielt unterstützt werden. 6. Qualitätssicherung 6.1 Dokumentation und Berichtswesen Die Suchtberatungsstelle dokumentiert ihre Arbeit anhand eines EDVgestützten in der Suchtkrankenhilfe gebräuchlichen Dokumentationssystems (ebis/patfak)) für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke und Suchtgefährdete. Die Patientendokumentation und Therapieplanung wird unter Beachtung des Datenschutz mit einem intern vernetzten PC-System geführt. Sie erstellt Jahresstatistiken und Jahresberichte. Der Erfolg der Rehabilitation wird durch die Dokumentation und Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL) beschrieben. Die Entwicklung von geeigneten Verfahren zur Beratungsund Behandlungskontrolle (Katamnese) wird angestrebt. 6.2 Suchtmittelkontrollen Unregelmäßige und unter Aufsicht genommene Urinkontrollen, die im Labor oder mit Schnellteststäbchen auf den Konsum von Suchtstoffen untersucht werden, sowie Atemluftkontrollen, stellen in der Behandlung von suchtkranken Menschen ein wichtiges Instrument zur Überprüfung und zum sicheren Nachweis der Alkohol- und Drogenabstinenz dar. Alkohol- und Drogenscreenings sind bei Straßenverkehrsämtern, Justizbehörden etc. anerkannte Mittel zum Nachweis andauernder Abstinenz und können dem Patienten helfen, seinen Führerschein wieder zu erlangen, eine Inhaftierung zu vermeiden und seinen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz zu erhalten etc.. In der therapeutischen Arbeit können verleugnete Rückfälle so schneller aufgedeckt und die geeigneten Maßnahmen zur Krisenintervention getroffen 29 30 werden. Die Ergebnisse der Suchtmittelkontrollen dienen darüber hinaus auch der Dokumentation der Effektivität der Behandlung in bezug auf die Herstellung und Stabilisierung der Abstinenz. 6.3 Teamsitzungen Die therapeutischen Mitarbeiter treffen sich regelmäßig einmal wöchentlich zu Teamsitzungen, die dem kurzfristigen Informationsaustausch und der Organisation der betrieblichen Abläufe dienen. Fallbesprechungen ermöglichen die kurzfristige Reflexion aktueller Entwicklungen mit Patienten in der Therapie. Alle Mitarbeiter erhalten so Einblick zum Stand der Therapie bei allen Patienten. 6.4 Supervision und Fortbildung Die therapeutische Arbeit der Mitarbeiter mit den Patienten wird durch einen kontinuierlichen Supervisionsprozess mit einem anerkannten externen Supervisor begleitet. Die Supervision dient der Überprüfung der Arbeitsqualität an aktuellen wissenschaftlichen Standards der Therapie- und Suchtforschung. Darüber hinaus findet in der Teamsupervision exemplarisch ein kreativer Ideenfindungsprozess für die Bewältigung einzelner stockender Therapieprozesse statt. Ähnliche Ideenbörsen finden zur inhaltlichen Gestaltung von Therapiegruppen statt. Fachliche Fortbildungsmaßnahmen und themenrelevante Tagungen sind Bestandteil der Arbeitstätigkeit und werden ausdrücklich gefördert. 6.5 Qualitätsmanagement Bestandteil der Ambulanten Rehabilitation ist ein Qualitätsmanagement, in dem überprüft werden soll, ob die vorgehaltenen Angebote sinnvoll, ausreichend, wirtschaftlich und zielorientiert sind. Aktuelle und anerkannte medizinische, besonders rehabilitationsmedizinische Erkenntnisse fließen in die Konzepte ein und dienen dazu, unsere Angebote in ihrer Kundenorientierung zu überprüfen und entsprechend den Erfordernissen anzupassen. Die Beratungsstelle wird mit Methoden der EFQM (European Foundation for Quality Management) nach den Konzepten des „Benchmarking“ arbeiten. Das Grundprinzip dabei ist, dass nur durch die Mitwirkung der Mitarbeiter Prozesse im Arbeitsleben effektiv und erfolgsversprechend erzielt werden können. Im kontinuierlichen Benchmarking-Prozess werden Stärken und Verbesserungsbereiche identifiziert und zur Grundlage der Innovationsplanung gemacht. Bei dieser Qualitätssicherung befinden sich Problemerkennung, Schwachstellenanalyse und Qualitätsverbesserung in einem kontinuierlichem Prozess. Anhang: Zugrunde gelegte Artikel: 30 31 Broda, M. (Hrsg): Psychotherapie im Dialog, Sucht, Thieme, 2/2003 Hüther, G., Oh wie schön ist Panama, www.win-future.de, 2003 Hüther, G., Die neurobiologische Verankerung von Erfahrungen, www.lptw.de, 2001 Hüther, G., Die soziale Dimension der Hirnforschung, www.win-future.de, 2003 NN., Sucht-Rehabilitation in Deutschland, Expertise der Humboldt-Universität Berlin, 2001 Röser, J., So viel Bindung braucht der Mensch, Christ und Gegenwart, 2000 Wiegand, G., Wie geht`s weiter in der Sucht-Reha, NLS, 2003 Zugrunde gelegte Literatur: Bamberger, G. G.,Lösungsorientierte Beratung,Beltz PVU, Weinheim (2001) Bartling, G., Echelmeyer, L. Engberding, M.,Problemanalyse im therapeutischen Prozess Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart (1998) Batra, A., Wassmann, R., Buchkremer, G. (Hrsg.),Verhaltenstherapie, Grundlagen – Methoden – Anwendungsgebiete, Thieme Verlag, Stuttgart (2000) BfA (Hrsg.), Leitlinien zur Rehabilitationsbedürftigkeit bei Abhängigkeitserkrankungen Berlin, (September 1999) Burtscheidt, W., Integrative Verhaltenstherapie bei Alkoholabhängigkeit, Springer Verlag, Berlin (2001) Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H. (Hrsg.), Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F), Verlag Hans Huber, Bern (2000) Elsesser, K., Sartory, G., Medikamentenabhängigkeit, Hogrefe Verlag(2001) Feuerlein, W., Küfner, H. & Soyka, M., Alkoholismus- Missbrauch und Abhängigkeit: Entstehung – Folgen – Therapie, Thieme, Stuttgart (1998) Fiedler, P., Persönlichkeitsstörungen, Beltz PVU, Weinheim (2002) Fliegel, S., Groeger, W. M., Künzel, R., Schulte, D., Sogatz, H., Verhaltenstherapeutische Standartmethoden, Beltz PVU, Weinheim (1998) Franke, G. H., Brief Symptom Inventory von L.R. Derogatis (Kurzform SCL-90-R), deutsch Fassung, Beltz Verlag, Göttingen (1999) Grawe, K., Psychologische Therapie, Hogrefe Verlag, Göttingen (1998) Hautzinger, M. (Hrsg.), Kognitive Verhaltenstherapie bei psychischen Störungen, Beltz PVU, Weinheim (2000) Hinsch, R., Pfingsten, U., Gruppentraining sozialer Kompetenzen, Beltz PVU, Weinheim (2002) Kraiker, Ch., Burckhard, P., Psychotherapieführer, C.H. Beck, (1998) Langmaak, B., Braune-Krickau, M., Wie die Gruppe laufen lernt, Beltz PVU, Weinheim (2000) Lauth, Back, Linderkamp (Hrsg.), Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen, Beltz (2001) Lindenmeyer, J., Alkoholabhängigkeit, Hogrefe Verlag, Göttinge (1999) Lindenmeyer, J. LVA (Hrsg.), Ambulante Suchtbehandlungen, Verfahrensabsprachen, Hannover, (September 2000) Mallody, P., Miller, A.W., Wege aus der Co-Abhängigkeit, Kösel Verlag, München (2001) Margraf, J., Rudolph, K. (Hrsg.), Soziale Kompetenz - Soziale Phobie, Schneider Verlag, Hohengehren (1999) Reinecker, H. u.a., Lehrbuch der Verhaltenstherapie, Dgvt-verlag, Tübingen (1999) Stahl, E., Dynamik in Gruppen, Handbuch der Gruppenleitung, Beltz PVU, Weinheim (2002) Stavemann, H. H., Sokratische Gesprächsführung, Beltz PVU, Weinheim (2002) Tausch, R., Hilfen bei Stress und Belastungen, Rowohlt Verlag, Reinbeck (1999) Tretter, F., Müller, A. (Hrsg.), Psychologische Therapie der Sucht, Hogrefe Verlag, Göttingen (2001) Tschuschke, V. u.a., Praxis der Gruppenpsychotherapie, Thieme Verlag, Stuttgart (2001) Ullrich, R., de Muynck, R., ATP: Anleitung für den Therapeuten, Pfeiffer Verlag, München (1998) Watzlawick, P., Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Hans Huber Verlag (2000) 31