Broschüre_Feuerwehrprojekt_BS_Anm.MK

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Psychosoziale
Prävention
im
Einsatzwesen
Krüsmann et. al (2008)
Kurzfassung zum Forschungsprojekt
Untersuchung des langfristigen Adaptionsprozesses nach
unterschiedlichen Nachsorgemaßnahmen im Kontext
von Katastrophen und extrem belastenden Einsätzen
Projekt-Nr.: B 1.40 – 7001 / 07
Laufzeit: Mai 2007 – Juni 2008
Fördernde Institution: Bundesministerium des Innern;
vertreten durch den Direktor des Beschaffungsamtes des Bundesministeriums des Innern
Auftragnehmer: Prof. Dr. Willi Butollo, Dr. Marion Krüsmann; Lehrstuhl für Klinische
Psychologie und Psychotherapie, Department Psychologie, LMU München
Konzept, Projektkoordination, Projektleitung: Dr. Marion Krüsmann
Projektdurchführung: Dr. Marion Krüsmann, Dipl.-Psych. Anton Metz, Michaela Kühling (Dipl.Psych., i.E.), Dipl.-Psych. Linde Seifert, M.A. Beate Süss (Dipl.-Psych., i.E.) unter Mitarbeit von:
Mirjam Ghassemi (Dipl.-Psych., i.E.), M.A. Alexandra Steinert, Dipl.- Kommunikationsdesignerin
Julia Pfeuffer & Brigitte Langhof
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Kurzfassung: M.A. Beate Süss, M.A. Alexandra Steinert
Danksagung
Unser Dank gilt allen Organisationen und Menschen, die durch ihre Unterstützung
dieses Projekt ermöglicht haben.
Ausdrücklich möchten wir allen Kommandanten danken, die bereit waren, für unsere
Untersuchung einen Ausbildungstermin in ihrer Wehr frei zu halten und die ihre Leute
motiviert haben, bei unserer Untersuchung mitzumachen.
Unser besonderer Dank geht außerdem an die vielen Feuerwehrmänner und
Feuerwehrfrauen, die unseren Fragebogen ausgefüllt haben. Trotz aller Bemühungen
um Kürze und Verständlichkeit war er mit zehn Seiten noch immer recht lang und hat
deswegen viel Aufmerksamkeit abverlangt.
Auch für die Bereitschaft, sich im Rahmen der Nachuntersuchung erneut mit dem
Thema „einsatzbedingte Belastung“ auseinander zu setzen und für die Offenheit der
teilnehmenden Wehrangehörigen bedanken wir uns.
In einigen Wehren scheint das Thema „psychische Gesundheit“ bereits seit längerem
etabliert und ist Bestandteil der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes. Die
Kommandanten sind äußerst engagiert und unterstützen ihre Leute, so dass sich bereits
vielerorts ein stabiles Netzwerk für belastete Kameraden entwickelt hat. In anderen
Wehren dagegen ist das Thema noch unvertraut und anfängliche Zurückhaltung war
spürbar.
Wir vertreten die Auffassung, dass der Großteil der Einsatzkräfte nicht erkrankt ist und
mit einsatzbedingten Belastungen sehr gut umgehen kann. Gleichzeitig betonen wir,
dass es immer wieder Konstellationen gibt, die dazu führen, dass einzelne Einsatzkräfte
schwere Krankheiten entwickeln und dass diese Einsatzkräfte dringend eine
Unterstützung brauchen. Wir haben Hochachtung vor der wertvollen Arbeit, die diese
Menschen in ihrer Freizeit für uns alle leisten!
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Einführung
Schon seit vielen Jahren ist in Fachkreisen wie auch bei den Einsatzkräften selbst bekannt,
dass nicht nur direkt Betroffene – wie Opfer und Augenzeugen traumatischer Ereignisse oder
deren Angehörige – traumatisiert werden können, sondern auch professionelle Helfer.
In der wissenschaftlichen Forschung ist mittlerweile das Interesse gewachsen, Studien über
Einsatzkräfte durchzuführen, die einem erhöhten Trauma- Risiko ausgesetzt sind. Zu ihnen
gehört neben der Polizei, den Rettungsdiensten und dem Technischen Hilfswerk vor allem die
Feuerwehr.
In den letzten Jahren sind in Deutschland eine Reihe von Arbeiten zur Belastung im
Einsatzwesen veröffentlicht worden. Gleichzeitig wurden verschiedene Maßnahmen zur
Vorsorge und Behandlung von Trauma-Erkrankungen speziell bei Einsatzkräften eingeführt.
Während einige Berufsgruppen (z.B. die Berufsfeuerwehr) schon intensiver beforscht wurden,
liegen zur Freiwilligen Feuerwehr bisher kaum Studien vor. Diese Lücke sollte durch die Studie
„Prävention im Einsatzwesen“ der Ludwig-Maximilians-Universität München geschlossen
werden.
Durchgeführt worden ist diese Studie zwischen 2004 und 2008 in zwei Abschnitten. Im
ersten Abschnitt (2004-2006) wurden drei große Fragen untersucht:
Wie hoch ist die (Trauma)-Belastung in den Freiwilligen Feuerwehren Bayerns und
Brandenburgs und aus welchen Quellen schöpfen Feuerwehrmänner Kraft für Ihre
Arbeit? (Epidemiologische Untersuchung)
Wie wirksam ist die im Rahmen des Projekts entwickelte Truppmann- und
Führungskräfte-Schulung zu einsatzbedingter Belastung? (Primäre Prävention im
Einsatzwesen)
Wie wirksam sind verschiedene Maßnahmen zur Einsatznachsorge, die sich seit
den 80er Jahren parallel zur Forschung in der Praxis entwickelt haben? (Sekundäre
Prävention im Einsatzwesen)
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Von Mai 2007 bis September 2008 wurde eine Nachuntersuchung durchgeführt, die vor allem
an die Ergebnisse der letzten Frage angeknüpft hat. Untersucht werden sollte die langfristige
Entwicklung einsatzbedingter Erkrankungen. Zusätzlich sollte vertieft untersucht werden,
welche Einflussgrößen dabei eine Rolle spielen.
1. Spielt die Art der Einsatznachsorge eine Rolle und wenn ja, welche? Sind
Einsatznachsorgen, die Gefühle betonen, wirksamer als andere? Oder schadet die
Betonung von Gefühlen kurz nach einem Einsatz der Verarbeitung eher? Sind
Einsatznachsorgen, die wehrintern vom Kommandanten durchgeführt werden,
wirksamer als Veranstaltungen, die von professionellen Teams angeboten werden?
Oder ist es langfristig am hilfreichsten, nach belastenden Einsätzen überhaupt keine
Einsatznachsorgen durchzuführen?
2. Geht es Teilnehmern von Einsatznachsorgen langfristig besser als anderen
Wehrangehörigen, die nicht teilgenommen haben? Oder ist es der seelischen
Gesundheit zuträglicher, wenn man der Veranstaltung fernbleibt?
3. Ist es möglich, dass bereits die verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema
„einsatzbedingte Belastung“ – ausgelöst durch die Fragebogenuntersuchung und die
daran anschließenden Gespräche in den Wehren – eine Schutzwirkung auf die
Einsatzkräfte hat?
4. Spielt die Größenordnung eines Einsatzes eine Rolle? Wenn ja, lassen sich messbare
Unterschiede in der langfristigen Belastung zwischen Wehren mit alltagsnahen
belastenden Einsätzen, Großschadenslagen und Katastropheneinsätzen finden?
5. Was trägt dazu bei, dass einige Einsatzkräfte bei der Nachuntersuchung nicht mehr
mitmachen? Gibt es einen systematischen Zusammenhang
zwischen dem
Ausscheiden und Belastung?
6. Welche weiteren Aspekte spielen eine Rolle?
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Teil 1: Theoretischer Hintergrund
Ohne theoretischen Hintergrund lassen sich die Untersuchung und die Ergebnisse schwer
verstehen. Deshalb wird zunächst ein kurzer Abriss über die wichtigsten Begriffe und
Hintergrundüberlegungen gegeben, bevor die eigentliche Nachuntersuchung und ihre
Ergebnisse vorgestellt werden.
Spektrum traumabedingter Erkrankungen
Nicht
jedes
schlimme
Ereignis
gilt
auch
als
traumatisches
Ereignis.
Die
Welt-
gesundheitsorganisation (WHO) versteht unter Trauma ein belastendes Ereignis oder ein
Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, das bei fast jedem
eine tiefe Verstörung hervorrufen würde. Dieses Traumaverständnis liegt dem Handbuch
zugrunde, das in Deutschland normalerweise zur Diagnostik verwendet wird („ICD-10“).
Nach den Vorgaben eines anderen, vor allem in der Forschung verbreiteten Handbuchs („DSMIV“) müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, wenn man von einem traumatischen Ereignis
spricht:
(1) Jemand muss ein oder mehrere Ereignisse erlebt, beobachtet oder anders mitbekommen
haben, bei denen er selbst oder andere mit dem Tod, einer ernsthaften Verletzung oder einer
Gefahr für die körperliche Unversehrtheit bedroht war(en).
(2) Dabei hat er intensive Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen erlebt.
Grundsätzlich kann man sagen, dass sich bei einer traumatischen Erfahrung immer eine Kluft
auftut: Man wird mit etwas Bedrohlichen konfrontiert und es wird einem dabei mehr abverlangt,
als man gerade bewältigen kann.
Eine solche Erfahrung geht mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein einher. Und sie
erschüttert bisherige Überzeugungen: Zum Beispiel die Überzeugungen, dass die Welt
irgendwie sinnvoll geordnet und gerecht ist. Dass man selbst sicher und geschützt ist. Und dass
man mit seinen Entscheidungen Einfluss nehmen und bei Bedrohung einen Ausweg finden
kann.
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Als mögliche Folge kann es zur Entwicklung einer ganzen Bandbreite an Krankheiten kommen.
Dazu gehört die Posttraumatische Belastungsreaktion und -störung (PTB), die nur dann
diagnostiziert wird, wenn ein traumatisches Ereignis vorliegt und ein ganz bestimmtes
Krankheitsbild auftritt.
Aber auch andere Erkrankungen wie Depressionen, Suchterkrankungen (Alkohol) und
körperliche Krankheiten, bei denen das Krankheitsbild nicht notwendig an ein traumatisches
Ereignis gebunden ist, können auftreten.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTB)
Das Krankheitsbild „Posttraumatische Belastungsstörung“ gibt es offiziell seit 1980. Das
Erscheinungsbild ist durch drei Hauptgruppen von Symptomen gekennzeichnet:
Wiedererleben
Vermeidung / Betäubung
Übererregung
Wiedererleben
bedeutet, dass ein Erlebnis (z.B. Aspekte eines Einsatzes) immer
wieder in Form von belastenden Bildern, Träumen oder auf anderen Sinneskanälen
wiedererlebt wird; oder jemand fühlt oder handelt so, als wäre er wieder im Einsatz,
obwohl er „in Wirklichkeit“ zu Hause am Küchentisch sitzt. Oder er zeigt eine intensive
seelische (z.B. erschüttert sein) oder körperliche Reaktion (z.B. Herzrasen), wenn er
durch etwas Inneres (z.B. einen Gedanken) oder etwas Äußeres (z.B. ein
vorbeilaufendes Kind, das dem verunglückten Kind ähnlich sieht, ein Geräusch, einen
Geruch) an den Einsatz erinnert wird.
Vermeidung
bedeutet, dass man Gedanken, Gefühlen oder Gesprächen aus dem
Weg geht, die z.B. an einen belastenden Einsatz erinnern. Oder man meidet den
Einsatzort oder Leute, die man mit dem belastenden Einsatz verbindet. Oder aber man
kann sich an wichtige Aspekte des Einsatzes einfach nicht mehr erinnern (blockierte
Erinnerung).
Betäubung kann sich so äußern, dass jemand für seine Kinder plötzlich
keine zärtlichen Gefühle mehr empfinden kann; oder er hat kein Interesse mehr am
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Fischen, obwohl das immer seine Leidenschaft war; oder er fühlt sich plötzlich seinen
Wehrkameraden gegenüber fremd und nicht mehr zugehörig.
Zur
Übererregung
gehören Schwierigkeiten, ein- oder durchzuschlafen; Reizbarkeit
oder Wutausbrüche; Konzentrationsschwierigkeiten; Übermäßige Wachsamkeit und
übertriebene Schreckreaktionen.
Direkt in einer traumatischen Situation (z.B. einem Einsatz, bei dem man plötzlich
realisiert, dass der Tote ein Freund der Tochter ist) oder wenige Stunden danach, gilt es
als normale Reaktion auf ein außergewöhnliches Ereignis, dass man mit Belastungssymptomen reagiert. Sie bilden sich in der Regel innerhalb kurzer Zeit zurück.
Erst wenn das Wiedererleben, die Vermeidung und die Übererregung mehr als einen
Monat andauern, kann die Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert werden.
Uneinig sind sich die Fachleute darüber, wie viele Einzelbeschwerden aus den drei Bereichen
vorliegen müssen und wie stark jemand beeinträchtigt sein muss, damit die Diagnose vergeben
werden kann.
Nach dem DSM-IV müssen mind. ein Symptom aus dem Bereich „Wiedererleben“, mind. drei
Vermeidungs/Betäubungssymptome und mind. zwei Übererregungssymptome vorliegen, damit
die Diagnose vergeben werden kann. Zusätzlich muss das Krankheitsbild in relevanter Weise
Leiden oder Beeinträchtigung in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen
verursachen.
Grundsätzlich ist diese Uneinigkeit unter den Fachleuten gar kein Problem. Wie in anderen
Bereichen des Lebens auch „gibt“ es Krankheiten nicht einfach, sondern ihr genaues
Erscheinungsbild wird von Fachleuten festgelegt und ändert sich immer wieder: weil neue
Einsichten dazukommen oder bestimmte Gesichtspunkte anders gewichtet werden.
Man sollte das aber im Hinterkopf behalten, weil die Ergebnisse von Studien unterschiedlich
ausfallen, je nachdem, welches Handbuch man zur Diagnostik verwendet. In unserer Studie
werden das DSM-IV und darauf basierende Instrumente zugrunde gelegt, was bedeutet, dass
wir die strengeren Maßstäbe anlegen.
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Von Praktikern wird darauf hingewiesen, dass es viele Menschen gibt, die an einer
ganzen Reihe von PTB- Symptomen leiden, nicht aber das ganze Krankheitsbild aufweisen. Wie
es aussieht, sind die einzelnen Symptome für die Betroffenen gleich schlimm und störend, ob
nun das ganze Krankheitsbild vorliegt oder nur einzelne Symptome.
Einflussgrößen & Erklärungen der PTB
Es gibt viele Einflussgrößen, die eine Rolle dabei spielen, ob jemand eine PTB entwickelt. Und
wenn er eine entwickelt, ob sie auch andauert. Weil die Wirklichkeit immer vielschichtig ist, kann
sie durch kein einzelnes Modell ganz erfasst werden. Deshalb gibt es in der Wissenschaft
immer mehrere Modelle, die jeweils unterschiedliche Teilaspekte in den Vordergrund stellen und
sich oft gegenseitig ergänzen.
Das Modell von Green, Wilson & Lindy (1985) schlägt drei Gruppen von Einflussgrößen vor,
nämlich: Merkmale des Ereignisses (z.B. des Einsatzes), des betroffenen Menschen (z.B. des
Feuerwehrmanns im Einsatz) und der Umwelt (z.B. seiner Wehr, Familie & Freunde).
Required parameters are missing or incorrect.
Zu den
Merkmalen des Ereignisses
gehören die Art und der Schweregrad des
Ereignisses, der Grad an Vorhersehbarkeit (z.B. aufgrund des Meldebildes), der wahrgenommene eigene Handlungsspielraum usw.
Bei den Merkmalen
des Menschen spielt eine wichtige Rolle, wie Widerstandskraft und
Verletzlichkeit eines Menschen zusammenwirken.
Bei der Entstehung einer traumabedingten Erkrankung spielen eine Rolle: die
Persönlichkeit eines Menschen, traumatische Vorerfahrungen in der frühen Kindheit, erblich
bedingte Verletzlichkeit, vorhandene körperliche oder seelische Krankheiten, bevorzugte
Bewältigungsstrategien, was ein Ereignis für jemanden bedeutet, wie er es bewertet usw.
Für das Weiterbestehen einer traumabedingten Erkrankung spielt u.a. eine Rolle, ob
sich die Informationsverarbeitung im Gehirn während des traumatischen Ereignisses verändert
hat und ob diese veränderte Informationsverarbeitung andauert.
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Gerät das Gehirn während eines traumatischen Ereignisses unter Extremstress (z.B. weil
jemand überhaupt keinen Handlungsspielraum mehr für sich sieht), kann es zu einer
veränderten Informationsverarbeitung kommen, die Dissoziation genannt wird.
Hier findet ein Rückzug aus einer unerträglichen Realität statt, der als Schutzmechanismus des Körpers gegen Überflutung verstanden werden kann. Dieser Schutzmechanismus stellt
keine optimale Anpassung dar, gewährleistet aber zunächst eine gewisse Rückgewinnung von
Kontrolle.
Dauert er an, verhindert er die Integration der Erlebnisse in das explizite (bewusst
abrufbare) episodische Gedächtnis und damit deren Verarbeitung und Einbettung in die
autobiografische Lebensgeschichte der Person.
Horowitz (1976) stellt sich den Prozess, der entweder zur Verarbeitung und Einbettung des
Erlebnisses in die Lebensgeschichte oder aber zur Erkrankung führt, so vor:
Unmittelbar nach dem Trauma kommt es zu einer Phase unkontrollierter Gefühle.
Danach folgt ein hin- und herpendelnder Prozess zwischen der Phase der Verleugnung /
gefühlsmäßiger Taubheit, in der die traumatischen Informationen außerhalb des Bewusstseins
gehalten werden und der Phase der sich aufdrängenden Erinnerungen, in der traumarelevante
Informationen ins Bewusstsein drängen, bevor es zur Durcharbeitung der traumatischen
Erfahrung kommt. Alle Phasen sind normale Reaktionen, an deren Ende die Integration der
neuen Erfahrung stehen kann.
Wird der Verarbeitungsprozess an irgendeiner Stelle gehemmt (z.B. indem Phasen zu
intensiv werden, sich festfahren oder ganz blockiert werden), kommt es zu einem anderen
Verlauf, an dessen Ende die Ausbildung von Symptomen steht. Die Folge eines nicht erreichten
Abschlusses ist eine Einschränkung oder sogar eine Unfähigkeit zu lieben und zu handeln.
Ob es jemandem gelingt, seine Erlebnisse zu integrieren oder ob er eine Erkrankung ausbildet,
hängt ganz wesentlich auch von den Merkmalen
der Umwelt ab.
Dazu gehört die tatsächlich vorhandene Unterstützung durch Angehörige und Freunde –
oder bei Einsatzkräften Kollegen – und die Fähigkeit des Betroffenen, sich um Hilfe zu
bemühen und dargebotene Hilfe anzunehmen.
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Wichtig zu wissen ist, dass das Gefühl der Entfremdung als posttraumatische Reaktion
bewirkt, dass sich Betroffene von der Umgebung abgeschnitten fühlen. Das verhindert
den Zugang zu Halt gebenden Beziehungen und erfordert ein aktiveres Zugehen auf
den Betroffenen.
Die Unterstützung durch das soziale Netz ist natürlich auch abhängig von der eigenen
Betroffenheit der Familie und näheren Umgebung durch das Ereignis (z.B. wenn ein
Wehrmitglied verunglückt und das erst einmal die ganze Wehr erschüttert).
Zu den Umweltfaktoren gehören auch die Folgen einer traumatischen Erfahrung, z.B.
körperliche Schädigungen, Arbeitslosigkeit, Frühberentung, sozialer Abstieg, usw.
Schließlich spielen alle Aspekte der sozialen Anerkennung und Wertschätzung eine
wichtige Rolle.
Das andere Gesicht des Traumas:
posttraumatisches Wachstum
Die aktuelle Forschung zeigt, dass viele Menschen, die mit traumatischen Ereignissen
konfrontiert werden, mit einer Reihe von Symptomen reagieren.
Jede Krise beinhaltet aber auch die Chance, über sich hinauszuwachsen.
Tedeschi und Calhoun sprechen hier von „posttraumatischem Wachstum“.
Zu den Hauptbereichen posttraumatischen Wachstums gehört: dass man
das Leben mehr (wert)schätzt, dass man persönliche Beziehungen intensiver (er)lebt, dass man
sich seiner eigenen Stärke mehr bewusst wird, dass man neue Möglichkeiten im Leben entdeckt
und: ein intensiviertes spirituelles Bewusstsein.
Zentral für den Wachstumsprozess ist der Wandel von anfänglich
automatischen, sich aufdrängenden Erinnerungen hin zu einer bewussten Auseinandersetzung
mit der ausgelösten Krise.
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Primäre und sekundäre Traumatisierung von
Einsatzkräften
Einsatzkräfte sind in zweierlei Hinsicht der Gefahr ausgesetzt, traumatisiert zu werden:
Zum einen können sie selbst direkt betroffen werden (Primäre Traumatisierung).
Zum anderen können sie durch Erlebnisse im Zuge ihrer Einsatztätigkeit traumatisiert
werden (Sekundäre Traumatisierung).
Ein Beispiel dazu: Ein Feuerwehrmann muss einen verbrannten Leichnam aus einem Auto
bergen.
Die Sinneswahrnehmungen bei diesem Einsatz (der Geruch, der Anblick des
entstellten Körpers) wirken auf den Feuerwehrmann besonders drastisch.
Fall 1
Dazu kommen mögliche dramatische Begleitumstände des Unfalls, wie weinende,
verzweifelte Angehörige des Toten.
Der Feuerwehrmann ist zwar nicht direkt betroffen, die Eindrücke des Einsatzes
wirken aber traumatisierend auf ihn.
Der Feuerwehrmann stellt während der bis dahin routinemäßig verlaufenden
Fall 2
Bergung fest, dass der Tote ein persönlicher Bekannter von ihm ist und erlebt mit
einem Mal Entsetzen und Hilflosigkeit.
In diesem Augenblick wird er vom professionellen Helfer zum direkt Betroffenen.
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Allgemeine Folgeerscheinungen von
Belastungen bei Einsatzkräften
Verschiedene Autoren beschreiben eine hohe allgemeine Belastung bei Einsatzkräften.
Mehrfach untersucht worden sind zum Beispiel Häufigkeit und Auslöser von Herzerkrankungen,
die die häufigste Todesursache bei Feuerwehrleuten im Einsatzgeschehen sind (45%).
Neben
der
teilweise
extremen
körperlichen
Anstrengung
und
den
gesundheitlichen
Auswirkungen giftiger Dämpfe werden auch die Auswirkungen von psychischem, emotionalem
Stress als Auslöser für solche Herzerkrankungen gesehen.
Sluiter & Frings-Dresen (2007) haben Feuerwehrmänner in Holland zu seelischen Belastungen
durch ihre Einsatztätigkeit befragt. Sie fanden heraus, dass die Tätigkeit heute als fordernder
erlebt wird als noch vor 20 Jahren.
Sie führen das auf das erweiterte Arbeitsfeld zurück: Neben der Brandbekämpfung sind heute
vor allem technische Unterstützung bei Verkehrsunfällen, Rettungsmaßnahmen, Reanimationsmaßnahmen, First-Responder-Tätigkeit, Katastrophenschutz und Beseitigung von Gefahrgut zu
leisten.
Weitere Belastungsquellen sind: neue Gefahrenquellen am Einsatzort, vermehrte und längere
Einsätze, häufigere Übungen und höhere Trainingsanforderungen, vermehrte Protokollpflicht,
mehr Verantwortung und höherer sozialer Druck.
Risiko PTB bei Einsatzkräften
Im Rahmen der epidemiologischen Untersuchung des Vorgängerprojekts wurde in einer
Querschnittsuntersuchung an 1151 ehrenamtlich tätigen Männern bei der Freiwilligen
Feuerwehr die posttraumatische Belastung erfasst.
Das Risiko, an einer PTB zu erkranken, ist demnach bei Feuerwehrmännern bis 25 Jahre
dreimal höher als bei gleichaltrigen Männern aus der Allgemeinbevölkerung.
Besonders belastende Situationen im
Einsatz
In einigen Studien ist nach besonders belastenden Situationen gefragt worden.
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Teegen et al. (1997) geben unter anderem folgende Situationen als potentiell traumatisierend an:
Lebensbedrohliche Einsätze, Einsätze mit körperlicher Versehrtheit.
Tod eines Kollegen, Tod eines Kindes.
Großschadenslagen, Situationen extremer Handlungsunfähigkeit, bizarre Selbstmorde,
Einsätze mit extremen Sinneserfahrungen.
Eindrücke, die dabei besonders belastend wirken, sind ihrer Ansicht nach der Anblick von
entstellten, verstümmelten oder verwesenden Leichen, Wasserleichen, schlimmen Verletzungen, Schreie und Stöhnen, Verwesungsgeruch oder der Anblick verbrannter Menschen.
Viele solcher Sinneserfahrungen gehören zu den alltäglichen Erlebnissen von Einsatzkräften.
Brauchle (2006) stellt Einsätze mit folgenden Merkmalen besonders heraus:
Konfrontation mit Leid, Trauer und Entstellung.
Schwere Verletzungen und Tod.
Erleben von Hilflosigkeit und Mißerfolg.
Belastungen, die sich durch die Rahmenbedingungen der Arbeit ergeben, sind:
Lange Wartezeiten bis zum Einsatz.
Ungenügende Informationen, unklare Einsatzmeldungen, unvorhersehbares Einsatzgeschehen.
Handeln unter Zeit- und Ereignisdruck am Einsatzort.
24-Stunden-Bereitschaften und Nachtschichten.
Krüsmann et al. (2006) fanden zusätzliche Belastungsfaktoren für Einsatzkräfte der
Freiwilligen Feuerwehr.
Neben hohen Einsatzzahlen spielen folgende Punkte eine große Rolle:
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Persönliche unmittelbare Betroffenheit.
Das Ausmaß an Verantwortung (z.B. bei Führungsaufgaben durch den Dienstgrad).
Negative Bewertungen eines Einsatzes.
Selbstvorwürfe.
Die repräsentative Querschnittsuntersuchung zeigte, dass das Ausmaß der Belastung
nicht von der Wehrgröße oder den Aufgaben der Wehr abhängt.
Feuerwehrleute in kleinen Wehren weisen den gleichen Anteil an PTB-Symptomen auf
wie Feuerwehrmänner in größeren Wehren (Krüsmann et al., 2006).
Witteveen et al. (2007) weisen auf die Belastung durch Einsätze hin, bei der eine reale
oder erwartete Gefahr durch Chemikalien und (Atem-)gifte besteht. Diese können oft
nicht gesehen werden. Dadurch wird die Bedrohung für die Einsatzkräfte schwer
abschätzbar.
Verletzlichkeit anerkennen
Wenn es darum geht, die Belastung von Einsatzkräften einzuschätzen, spielt das
Eingestehen eigener Hilfsbedürftigkeit eine große Rolle.
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Brauchle, Wirnitzer, Mariacher, Ballweber & Beck (2000) geben an, dass Helfer in der
Regel zu lang im Einsatz bleiben und dabei ihre eigenen Stressreaktionen „übersehen“.
Sie neigen dazu, sich weit über psychische und körperliche Grenzen
hinaus zu verausgaben oder versuchen im Anschluss an eine Katastrophe ohne
fremde Hilfe zurechtzukommen.
Pieper & Maercker (1999) geben an, dass das überwiegend männliche Einsatzpersonal
nach einsatzbedingten Traumata oft Schwierigkeiten hat, therapeutische Hilfsangebote
anzunehmen.
Im Weg steht die Vorstellung, traumatische Erfahrungen müssten an einem echten Mann
„abprallen“.
Dazu kommt die Idee, immer handlungsfähig sein und die Kontrolle aufrechterhalten zu
müssen.
Gerade für solche Einsatzkräfte sind schwere Verläufe von PTB zu erwarten, weil die
damit verbundene Schwäche und Hilflosigkeit nicht mit dem eigenen Selbstbild vereinbar
erscheint.
Meist nehmen diese Einsatzkräfte erst dann fachliche Hilfe in Anspruch, wenn sich ihre
Problematik nicht mehr länger leugnen lässt, z.B. weil sie durch Schlaf- oder Funktionsstörungen, unkonzentriertes oder unkorrektes Verhalten am Arbeitsplatz auffällig
werden. Häufig erfolgt auf das Eingestehen der Schwäche ein völliger Zusammenbruch.
Für diese Einsatzkräfte besteht eine erhöhte Suchtgefahr (Alkohol) und
eine erhöhte Suizidgefährdung.
Prävention im Einsatzwesen
Mit der verstärkten Erforschung der seelischen Belastung bei Einsatzkräften ist auch der Bedarf
an einsatzspezifischen Vor- und Nachsorgemaßnahmen deutlich geworden. Es hat sich
eingebürgert, hier zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention zu unterscheiden.
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Bei der
primären Prävention
(der eigentlichen Vorsorge) wird vor Auftreten eines
belastenden Einsatzes eingegriffen (Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten, Kraftquellen
stärken, Hilfsnetzwerke aufbauen).
Bei der
sekundären Prävention
wird nach dem Auftauchen erster Symptome
eingegriffen, um eine Chronifizierung zu verhindern.
Tertiäre Prävention bedeutet, dass in einem Stadium eingegriffen wird, in dem eine
Krankheit schon stark ausgeprägt ist. Das Ziel ist hier, die Erkrankung zu heilen oder zu
lindern.
Weil in Deutschland bisher kaum übergreifende primärpräventive Konzepte
vorhanden waren, ist im Projekt „Primäre Prävention im Einsatzwesen“ (Schmelzer,
Krüsmann, Karl & Butollo, 2006) ein grundlegendes Konzept zur Primären Prävention
für die Freiwillige Feuerwehr erarbeitet worden.
Erstellt wurden eine Führungskräfte- und Truppmannschulung zum Thema
„Belastung und Traumatisierung von Einsatzkräften“ und eine MultiplikatorenSchulung zum gleichen Thema.
Momentan ist Prävention im Einsatzwesen vor allem Sekundäre
Prävention.
Dabei handelt es sich meistens um verschiedene Formen des sog. „Debriefing“. Diese
Form der Gruppennachsorge wurde 1983 von J. T. Mitchell, einem amerikanischen
Feuerwehrmann
entwickelt
und
weltweit
zur
Nachsorge
von
Ersthelfern
und
Einsatzkräften nach belastenden Ereignissen eingeführt. In Deutschland wird sie von
Notfallpsychologen,
Seelsorgern
und
so
genannten
CISD-
oder
SbE-Teams
verschiedener Hilfsorganisationen angeboten.
Beim Debriefing soll dem Auftreten von schädlichen Auswirkungen hoher und häufiger
Stressbelastungen vorgebeugt werden. Dazu werden die Teilnehmer durch das
Debriefing-Team angeregt, ihre Erlebnisse und Erfahrungen zu schildern und zu
besprechen. Durch den Austausch, das Aussprechen und Ausdrücken der Belastung
sollen die Folgeerscheinungen von einsatzbedingtem Stress gesundheitsförderlich
verarbeitet werden.
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Ablauf eines klassischen Debriefings
Konstitutionsphase
Die Gruppenmitglieder stellen sich vor und die Regeln der
Gruppe werden erklärt (z.B. Verschwiegenheit).
Fakten
Jeder Teilnehmer berichtet, was er erlebt hat.
Gedanken
Es wird über Gedanken während und bezüglich des
Ereignisses berichtet.
Reaktion/Gefühle
Es wird über die damit verbundenen Gefühle berichtet.
Symptomatik
Die Teilnehmer sprechen über Anzeichen von Stress,
die sie an sich erleben.
Aufklärung
Die Leiter der Gruppe vermitteln Informationen zur
Normalität der Stress- Symptome und möglichen
Bewältigungsstrategien.
Abschlussphase
Offene Fragen werden geklärt, das Ergebnis wird
zusammengefasst, weitere Hilfsmöglichkeiten angeboten.
Wissenschaftliche Befunde zur Wirksamkeit
von Debriefing
Die Frage, ob Debriefing der Entwicklung einer PTB vorbeugen kann, wird seit Jahren unter
Fachleuten diskutiert. Mehrere Autoren berichten über eine Verringerung von PTB- Symptomen
durch Debriefing.
Als gesichert gilt, dass die Mehrheit der Teilnehmer ein Debriefing als hilfreich empfindet und
eine Verbesserung bei sich wahrnimmt. Die Möglichkeit, mit anderen Betroffenen über die
Erlebnisse sprechen zu können, wird als wirksam angesehen.
Als Argument dagegen wird angeführt, dass die detaillierte Beschäftigung mit dem Erlebten kurz
nach einem Einsatz der Herstellung eines Sicherheits- und Kontrollbedürfnisses entgegenwirkt.
Gerade die Phase des Ausdrückens von Gefühlen – ein fester Bestandteil des klassischen
Debriefing – wird in Frage gestellt. Vermutet wird, dass die Aufforderung, über Gefühle im
Zusammenhang mit dem Trauma zu sprechen, besonders bei noch übererregten Einsatzkräften
eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems bewirkt und die Verarbeitung der
traumatischen Erfahrung beeinträchtigt.
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Aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen liegt die Annahme nahe, dass verschiedene
Zielgruppen unterschiedlich von Debriefing profitieren, und zwar in Abhängigkeit von Merkmalen
des Ereignisses, des Menschen, der Umwelt und Merkmalen der Nachsorge.
Ziel der Vorgängerstudie „Sekundäre
Prävention im Einsatzwesen“
Ziel der Studie „Sekundäre Prävention im Einsatzwesen“ war es, die Wirksamkeit verschiedener
Gruppen- Nachsorgemaßnahmen nach außergewöhnlich belastenden Einsätzen bei der
Freiwilligen Feuerwehr zu vergleichen. Dabei sollte ein möglichst vollständiges Bild der
Zusammenhänge zwischen vorausgehenden und begleitenden Bedingungen von Nachsorge
und posttraumatischer Belastung/Bewältigung entstehen.
Ein übliches Vorgehen, das auch hier gewählt wurde, ist, zunächst eine Gruppe von Leuten
zu suchen (hier: Wehren mit erhöhtem Trauma-Risiko in einer bestimmten Studienregion), die
repräsentativ sind für die größere Gruppe von Leuten, über die man eine Aussage machen will
(hier: Wehren mit erhöhtem Trauma-Risiko in Deutschland).
Man ermittelt dann zunächst zu einem bestimmten Zeitpunkt die „Ausgangsbefindlichkeit“
 dann untersucht man, wie es der Gruppe unmittelbar nach einem bestimmten Ereignis (hier:
traumatischer Einsatz) und noch vor der Behandlung geht  dann folgt die Behandlung  und
in bestimmten Abständen nach der Behandlung (hier: 2-3 Monate danach, ca. 6 Monate
danach) wird wieder das Befinden gemessen.
Um herauszufinden, ob sich verschiedene Behandlungen in ihrer Wirksamkeit
unterscheiden, wird die Gruppe in mehrere Untergruppen aufgeteilt, die jeweils unterschiedliche
Behandlungen erhalten.
Die Hauptherausforderung besteht darin, einzugrenzen, dass eine Veränderung in der
Befindlichkeit nach der Behandlung tatsächlich auf die Behandlung zurückzuführen ist.
In dieser Studie wurden als Studienregionen Bayern und Nordhessen ausgewählt. Als
Wehren mit erhöhtem Traumarisiko berücksichtigt wurden: Wehren mit besonderer
Ausrüstung (so genannte Stützpunktwehren), Wehren mit vielen und schweren
Einsätzen (vor allem Brand und technische Hilfeleistungen) und Wehren mit potentiell
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belastenden Einsätzen. Dazu wurden Auswahlvorschläge von den zuständigen
Kreisbrandräten eingeholt.
Die Untersuchung der Ausgangsbefindlichkeit erfolgte zwischen 2004 und
2005. In Bayern wurden dazu insgesamt 14.800 Fragebögen in 502
Wehren aus 31 Landkreisen verteilt, in Nordhessen insgesamt 8000
Fragebögen in 680 Wehren. Die Kommandanten der betreffenden
Wehren wurden in einem Anschreiben über die Studie informiert und
gebeten, die Ausgangsfragebögen ausgefüllt zurückzuschicken und das
Projektteam nach einem belastenden Einsatz zu informieren.
Eine Wehr, die in der Folgezeit nach der Basiserhebung einen belastenden Einsatz meldete,
wurde in die Studie aufgenommen und bekam die nachfolgenden Fragebögen zu den jeweiligen
Messzeitpunkten 1 (in den Tagen direkt nach dem Einsatz), 2 (nach zwei bis drei Monaten) und
3 (nach ca. sechs Monaten). Aus praktischen Überlegungen heraus konnten später auch
Wehren an der Untersuchung teilnehmen, die zwar nicht an der Ausgangsuntersuchung
teilgenommen hatten, aber einen belastenden Einsatz meldeten.
Die Auswahl der „Behandlungen“, die die Gruppen bekamen, versteht man leicht, wenn
man sich eine Medikamentenstudie vorstellt, die herausfinden will, welches Medikament
Bluthochdruck am wirksamsten senkt.
Dazu erhält normalerweise eine Gruppe von Leuten ein Medikament, das bereits auf dem Markt
ist. Eine andere Gruppe erhält ein Medikament, das gerade neu entwickelt worden ist und noch
nicht getestet wurde. Wieder eine andere Gruppe erhält ein Präparat, das vermutlich gut für die
Gesundheit allgemein, aber nicht spezifisch für Bluthochdruck ist. Und eine weitere Gruppe
erhält gar kein Präparat und ist die Kontrollgruppe.
Kontrollgruppen helfen herauszufinden, welche Veränderungen sich im untersuchten Zeitraum
auch ohne Behandlung oder allein deshalb, weil man Teil einer Untersuchung ist, einstellen.
Um systematische Verzerrungen der Ergebnisse auszuschließen (z.B. dass der Versuchsleiter
alle, die er besonders sympathisch findet, in die Gruppe mit dem neuen Medikament tut, von
dem er insgeheim überzeugt ist und die Ergebnisse dann nicht mehr verallgemeinerbar sind),
findet die Zuteilung von Teilnehmern zu den Gruppen nach einem vorher festgelegten Versuchsplan statt.
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Moralisch vertretbar ist diese Zufalls-Zuteilung deshalb, weil man ja nicht weiß, welche
Behandlung sich als die beste herausstellen wird. Deshalb ist auch niemand benachteiligt, auch
die nicht, die nichts bekommen.
In unserer Studie war das „Medikament“, das schon auf dem Markt ist, das Debriefing nach
J. T. Mitchell. Wehren, die dieser Nachsorgeart zugeteilt wurden, erhielten das in Deutschland
für Einsatzkräfte übliche Debriefing. Die Nachsorge wurde durch im Feld tätige Teams
(Bayerisches Rotes Kreuz, Malteser, SbE-Teams, CISD-Teams) durchgeführt.
Standard Debriefing
=
In der Bundesrepublik übliches Debriefing
Kognitives Debriefing
=
Abwandlung des Klassischen Debriefings
Dem Medikament, das gerade neu entwickelt, aber noch nicht getestet wurde, entsprach in
unserer Studie das Kognitive Debriefing. Es unterscheidet sich vom herkömmlichen Debriefing
dadurch, dass vorhandene Gefühle willkommen sind, ein gesondertes Ansprechen von
Gefühlen aber vermieden wird. Der Schwerpunkt liegt auf einer gedanklichen Rekonstruktion
des Einsatzablaufs und der Aufklärung über möglicherweise auftretende Symptome und
Bewältigungsstrategien. Im Rahmen der Studie standen zwei eigens gebildete Teams zur
Verfügung.
Das Präparat, das vermutlich gut für die Gesundheit allgemein, aber nicht spezifisch für
Bluthochdruck ist, war in unserer Studie die „Unspezifische Gruppennachsorge“. Sie wurde
aufgenommen, um zu untersuchen, welche Auswirkung es hat, wenn unter Leitung des Kommandanten ein Treffen veranstaltet wird, das inhaltlich über eine rein technische Einsatznachbesprechung hinausgeht, aber keinem vorgegebenen Konzept entspricht. Angenommen
wurde, dass eine eigens anberaumte Veranstaltung nach einem besonders belastenden Einsatz
eine Würdigung ist, die guttut, ohne jedoch (im Gegensatz zum Debriefing) eine traumaspezifische Methode zu sein.
Der Gruppe ohne Präparat entsprach in unserer Studie das „Screening“. Wehren der
Screening-Bedingung erhielten nach einem belastenden Einsatz überhaupt keine Nachsorge.
20
Da die Teilnahme an einer angebotenen Gruppennachsorge auf freiwilliger Basis erfolgte,
konnte in unserer Studie eine fünfte Gruppe gebildet werden, die „Nichtteilnehmer“. Sie
umfasste alle Wehrangehörigen aus Wehren mit einem Nachsorgeangebot, die an dem
Nachsorgetreffen nicht teilgenommen hatten.
Unspezifische Gruppennachsorge
=
Nachsorge durch den Kommandanten der
Wehr
Screening
=
Kontrollgruppe ohne Gruppennachsorge
Nichtteilnehmer
=
Leute, die an der angebotenen Nachsorge
nicht teilgenommen haben
Wie in der vorgestellten Medikamentenstudie erfolgte die Zuteilung der beteiligten Wehren
möglichst nach einem vorher festgelegten Zufalls-Zuteilungs-Plan. Berücksichtigt wurden
gemeldete Einsätze mit folgenden Merkmalen:
Einsätze, bei denen Kameraden verletzt wurden oder starben.
Einsätze, bei denen Verwandte, Freunde oder Bekannte unter den Opfern waren.
Anderweitig belastende Einsätze (z.B. Kinder, viele Tote, bizarre Einsätze).
Wichtigstes Ergebnis
In allen Gruppen hat sich die Traumabelastung, von der Ausgangsuntersuchung bis hin zur
Untersuchung 6 Monate nach dem gemeldeten Einsatz, bedeutsam verringert
Die Veränderung war also unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit! Wehren mit
Standard oder kognitivem Debriefing haben weder deutlich niedrigere, noch deutlich höhere
PTB- Werte als Wehren mit wehrinterner Nachsorge durch den Kommandanten oder
Wehren ohne Nachsorge gehabt.
Die Vermutung ist deswegen, dass sich die Ausgangsbelastung vor allem durch
die vermehrte Auseinandersetzung mit der Thematik „einsatzbedingte Belastung“
verringert hat:
21
Die wiederholte Fragebogenuntersuchung hat ein mögliches Krankheitsbild ins
Bewusstsein gerückt und Gespräche zwischen den Wehrmitgliedern angeregt.
Die Kommandanten haben durch die Untersuchung einen veränderten Umgang mit
der Thematik entwickelt und ihre Mannschaft in diesem Punkt noch besser
unterstützt.
Das Thema „einsatzbedingte Belastung“ sollte deshalb zu einem festen Bestandteil
der Ausbildung werden!
Weil Feuerwehrkräfte insgesamt eher funktionierende Bewältigungsstrategien
aufweisen und überwiegend gesund sind, braucht es nicht „dramatisiert“ zu werden.
Weil Hochrisikowehren gefunden wurden und bei 7% der Einsatzkräfte
(unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit) eine PTB vorliegt, sind aber auch
weiterführende Maßnahmen notwendig (siehe Empfehlungen).
Teil 2: Langzeituntersuchung
Für
die
Langzeituntersuchung
haben
wir
alle
bayerischen Wehren
aus
der
Vorgängerstudie gebeten, sich nachuntersuchen zu lassen.
Um die Vermutung „vermehrte Beschäftigung mit einsatzbedingter Belastung hat
stärkere Wirkung als einmalige Nachsorge“ weiter zu beforschen, haben wir
„Screening“- Wehren, die im Vorgängerprojekt keine Nachsorge bekommen haben,
aber zu allen Messzeitpunkten Fragebögen ausfüllten, verglichen mit  Wehren, die seit
der Basiserhebung im Frühjahr 2004 an keiner weiteren Untersuchung teilgenommen
hatten und  Wehren, die noch nie an einem Forschungsprojekt der LMU München
beteiligt gewesen waren (und im Rahmen einer Großveranstaltung in Roding für die
Projektteilnahme gewonnen werden konnten).
22
Zur Untersuchung eines Zusammenhangs zwischen der Größendimension des
Einsatzes
und
der
langfristigen
Traumabelastung
haben
wir
neben
einer
Gesamtauswertung zusätzliche Auswertungen nach Größendimension des Einsatzes
durchgeführt. Dazu haben wir alle Wehren aus der Vorgängeruntersuchung in die drei
Gruppen
„Alltagsnahe
belastende
Einsätze“,
„Einsätze
im
Rahmen
einer
Großschadenslage“ und „Einsätze im Rahmen eines Katastropheneinsatzes“ eingeteilt.
„Alltagsnahe Einsätze“ umfasst alle Wehren, die uns einzelne belastende Einsätze
gemeldet hatten.
„Großschadenseinsätze“ beinhaltet alle Studienwehren, die am 01.12.2005 im
Rahmen eines Chemieunfalls in Münchsmünster eingesetzt waren. Der Einsatz wird als
Großschadenslage gewertet, weil es im Einsatzgeschehen zu Verletzungen und
Todesfällen unter Feuerwehrangehörigen kam und sich ein Teil der Wehren über
längere Zeit in einem Hochrisikobereich aufhielt.
„Katastropheneinsätze“ beinhaltet alle Wehren, die im Rahmen des Katastropheneinsatzes in der Eissporthalle Bad Reichenhall im Januar 2006 eingesetzt waren.
Weitere
vermutete
Zusammenhänge
haben
wir
in
einer
Querschnittsanalyse
angeschaut.
Die Ergebnisse basieren auf der Auswertung der Fragebögen, die von jedem einzelnen
Feuerwehrmann bearbeitet wurden und einer gesonderten Kommandantenbefragung.
Aussagekraft der Ergebnisse
Ungefähr drei Viertel der Feuerwehrmänner, die in der Vorgängerstudie „Sekundäre
Prävention
im
Einsatzwesen“
teilgenommen
haben,
haben
auch
bei
der
Nachuntersuchung mitgemacht (Ausscheide-Rate: 22,6%).
Für die Aussagekraft der Ergebnisse wichtig ist, dass sich in der Ausgangsbelastung
kein bedeutsamer Unterschied zwischen weiterhin Teilnehmenden und Ausscheidenden
hat finden lassen. Übersetzt heißt das, dass ausgeschlossen werden kann, dass die
Nachuntersuchungs- Ergebnisse durch die Ausscheidenden systematisch in die eine
oder andere Richtung verzerrt sind.
Eine Ausnahme bildet die hohe Abbrecherquote beim Katastropheneinsatz (siehe
Katastropheneinsatz).
23
Zusammensetzung der Teilnehmer
426 Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr haben bei der Nachuntersuchung mitgemacht.
404 sind Männer (94,8%) und 22 Frauen (5,2%). Im Durchschnitt waren sie 34 Jahre alt
(min.:14 Jahre; max.: 60 Jahre).
Die Dienstzeit bei der Freiwilligen Feuerwehr betrug im Durchschnitt 17 Jahre (min.: 1 Jahr;
max.: 45 Jahre). Die Meisten nehmen an 10 bis 20 Einsätzen bzw. 31 bis 40 Einsätzen pro Jahr
teil.
Durchschnittliche Einsatzzahlen pro Jahr (Anzahl Personen
pro Intervervall)
61
>100
9181-90
71-80
61-70
51-60
41-50
31-40
21-30
10-20
0
13
8
13
28
18
11
95
70
100
2
Lebenszufriedenheit
82,7% sind zufrieden bis äußerst zufrieden mit ihrer momentanen Lebenssituation. 9,3%
sind mit der momentanen Lebenssituation unzufrieden bis äußerst unzufrieden.
Größte Quelle für Zufriedenheit sind die Bereiche „Ehe/Partnerschaft“ (68,6%),
„Familie/Kinder“ (59,9%) und die „Wohnsituation“ (67,3%).
Größte Unzufriedenheits- Quelle sind „Arbeit/Beruf“ (17.3%) und die „Finanzielle
Situation“ (15,6%).
Kritische Lebensereignisse und Belastung
Wir
wollten
untersuchen,
ob
es
einen
Zusammenhang
zwischen
kritischen
Lebensereignissen und der Ausprägung einer PTB gibt. Deshalb haben wir nach
24
kritischen Lebensereignissen im Leben der Feuerwehrangehörigen gefragt wie: Tod
eines Familienmitglieds, Scheidung/Trennung vom Partner, schwere Krankheit, wichtige
Prüfungen.
31,2% (134 Feuerwehrangehörige) berichteten ein, 12,4% (53 Feuerwehrangehörige)
zwei und 4,4% (19 Feuerwehrangehörige) drei kritische Lebensereignisse, die sie in den
letzten zwei Jahren erlebt haben.
Zentrales Ergebnis ist, dass die posttraumatische Belastung nicht mit jedem kritischen Lebensereignis (KLE) stetig, sondern  ab einer bestimmten Häufung
Traumabelastung
kritischer Lebensereignisse plötzlich sprunghaft ansteigt.
kein KLE
ein KLE
zwei KLE
drei KLE
Zahl kritischer Lebensereignisse
Art der Belastung
Zentrales Ergebnis ist, dass sich Belastung insgesamt deutlicher als körperliche
und allgemeine seelische Belastung denn als PTB zeigt.
Im Schnitt leiden 19% aller untersuchten Feuerwehrmänner unter körperlichen
Beschwerden. 59 % berichten eine mittlere seelische Belastung, 5,4% eine hohe.
Die einsatzbedingte PTB liegt bei 4,3%.
Vorstellbar ist, dass die gemessene einsatzbedingte Belastung vergleichsweise niedrig
ausfällt, weil unser Messinstrument sehr strenge Kriterien anlegt: Vollbild einer PTB nach
DSM-IV, das auf einen bestimmten Einsatz zurückgeführt werden muss!
25
Vorstellbar ist auch, dass es dem ein oder anderen leichter fällt, allgemeine körperliche
oder seelische Beschwerden zuzulassen & zu zeigen als eine einsatzbedingte PTB. Wir
gehen davon aus, dass es entscheidend vom Vorbild des Kommandanten und der
Wehrkultur abhängt, was auf welcher Ebene zugelassen und gezeigt werden.
Beim Thema „Belastung“ darf der Blick nicht auf die klassischen PTB - Symptome
verengt werden!
Stattdessen sollte man grundsätzlich immer genau hinschauen, wenn sich jemand
verändert oder Beschwerden entwickelt.
Dann sollte man sich überlegen, ob diese Veränderung eventuell ein Ausdruck von
(Einsatz-) Belastung ist oder welche anderen Gründe es dafür gibt.
Frühwarnsystem und Erkennungsmöglichkeiten für eine chronische PTB
Um frühzeitig Hilfe anbieten zu können, haben wir uns dafür interessiert,
an was man ablesen kann, dass jemand langfristig an einer PTB leidet.
Der beste Indikator für langfristige Trauma-Belastung ist, wenn jemand bei der
Nachuntersuchung eine hohe körperliche Belastung aufweist.
Der zweitbeste Indikator ist, in welchem Ausmaß jemand in den Tagen
unmittelbar nach dem belastenden Einsatz akut belastet ist. (PTB mit verzögertem Beginn ist sehr selten!)
Drittbeste Indikatoren für langfristige Trauma-Belastung sind private Belastungen, ein bestimmter Bewältigungsstil, der Grübeln und Selbstvorwürfe
beinhaltet und weitere belastende Einsätze.
26
Wir schlussfolgern daraus, dass…
körperlichen Beschwerden im Zusammenhang mit Belastung Beachtung geschenkt
werden muss.
es eines frühzeitigen „Trauma-Checks“ bedarf, um Belastete herauszufiltern, sie gezielt
anzusprechen und ihnen weiterführende Hilfsangebote vermitteln zu können.
Merkmale des einzelnen Menschen stärker berücksichtigt werden müssen. Um eine
angemessene Verarbeitung für alle Einsatzkräfte zu erleichtern, braucht es
Unterstützungsangebote, die sich am Einzelnen orientieren.
Gruppenangebote berücksichtigen müssen, dass Menschen sich deutlich unterscheiden: in der Anzahl kritischer Lebensereignisse, im Ausmaß an privater Belastung,
in ihren Bewältigungsstrategien, im Ausmaß an Übererregung, in der Anzahl von
Einsätzen, die sie noch nicht verdaut haben usw.
Welche Nachsorge ist die Beste?
Insgesamt weisen die Ergebnisse in die gleiche Richtung wie die des Vorgängerprojekts,
nämlich: dass die Art der Nachsorge eine untergeordnete Rolle spielt. Das bedeutet,
dass Standard oder Kognitives Debriefing zwar nicht schadet, aber allein eben auch
nicht hilfreicher zur Verarbeitung belastender Einsätze ist, als wehrintern zusammen zu
kommen oder nichts Spezielles zu machen.
Von der Tendenz her zeigen Einsatzkräfte mit wehrinterner Nachsorge durch den
Kommandanten die geringste PTB- Belastung, Einsatzkräfte ganz ohne Nachsorge
dagegen die höchste.
Unterschiede zwischen Standard Debiefing und Kognitivem Debriefing liegen nicht auf
der Hand. Im Bereich alltagsnaher Einsätze liefern die verschiedenen Messinstrumente
gegenläufige Ergebnisse. Im Großschadensbereich und im Gesamtvergleich ist das
Kognitive Debriefing dem Standard Debriefing in der Verminderung einsatzbedingter
27
Belastung überlegen. Vorsichtig kann man die Ergebnisse in der Gesamtschau so
interpretieren, dass Standard Debriefing mehr polarisiert als Kognitives Debriefing.
Dazu ein Beispiel aus der Kommandantenbefragung: Die Kommandanten mit kognitivem
Debriefing waren alle hoch- bis mittelzufrieden mit der angebotenen Nachsorge.
Kommandanten mit Standard Debriefing zeigen eine größere Antwortspanne. Insgesamt
gibt es mehr voll und ganz Zufriedene, dafür aber auch mehr Unzufriedene.
Zufriedenheit
in %
voll und ganz
zufrieden
sehr bis eher
zufrieden
Neutral
eher
unzufrieden
überhaupt
nicht zufrieden
Kognitives
Debriefing
9,1%
72,7%
18,2%
---
---
Standard
Debriefing
25%
33,3%
25 %
8,3%
8,3%
Dass wehrinterne Nachsorgen tendenziell am hilfreichsten sind, hängt vielleicht damit
zusammen, dass sie genau das voraussetzen, was im Vorgängerprojekt als Ressource
gefunden wurde: Einen für das Thema Nachsorge aufgeschlossenen Kommandanten,
der es sich zutraut, eine wehrinterne Veranstaltung zur Reduktion einsatzbedingter
Belastung durchzuführen.
Wir interpretieren das Ergebnis insgesamt so, dass Auseinandersetzung mit dem Thema
Belastung tendenziell hilfreicher ist als keine Auseinandersetzung. Ebenso, dass
Betreuung von Bedeutung ist (Anerkennung und Würdigung). Diese Sichtweise wird
auch dadurch bestätigt, dass sich die Traumabelastung von Wehren, die zwar keine
Nachsorge erhalten haben, aber mehrmals per Fragebogen untersucht worden sind,
über den Untersuchungszeitraum hinweg sichtbar verringert hat, während das für
Wehren, die nur zu Beginn und/oder in der Nachuntersuchung untersucht wurden, nicht
zutrifft.
Wie geht es den Nichtteilnehmern?
Das wichtigste Ergebnis zu Feuerwehrleuten, die an der Nachsorge in ihrer Wehr nicht
teilgenommen
haben,
ist,
dass
diese
Gruppe
eigentlich
aus
zwei
Untergruppen
zusammengesetzt ist. Die eine Gruppe weist eine niedrige Trauma-Belastung auf, die andere
eine hohe.
28
Das Bild zeigt die Belastungsverteilung zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern an den
angebotenen Debriefings 6 Monate nach dem Katastropheneinsatz in Bad Reichenhall.
25,0
20,0
15,0
10,0
5,0
0,0
Teilnehmer
Nichtteilnehmer (niedrig)
Nichtteilnehmer (hoch)
Die niedrig belasteten Nichtteilnehmer (blau) sind weniger belastet als die Teilnehmer an der
Nachsorge (orange). Die hoch belasteten Nichtteilnehmer (grün) sind dagegen fast doppelt so
belastet wie die Teilnehmer.
Aus dem Ergebnis lässt sich schlussfolgern, dass genau darauf geschaut werden muss,
warum jemand nicht aus einer Nachsorge teilnimmt.
Im Einzelfall kann es sinnvoll und eine gute Schutzmaßnahme sein, nicht an einer
angebotenen Gruppennachsorge teilzunehmen.
Ist jemand nach einem Einsatz hochbelastet, nimmt gerade deswegen an einer
angebotenen Nachsorge nicht teil (Vermeidung) und erhält darüber hinaus keine
individuelle Betreuung, läuft er Gefahr, dass sich daraus eine chronische
Belastung entwickelt.
Vor allem der Fähigkeit von Kommandanten, Belastung zu erkennen und Vernetzung zu
weiteren Hilfsangeboten herzustellen kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
Langfristig angelegte und nachhaltige Nachsorgemaßnahmen müssen so aufgebaut
sein, dass Nichtteilnehmer nach dem ersten Nachsorgetermin gezielt angesprochen und
im Bedarfsfall angemessen unterstützt werden können.
29
Alltags-, Großschadens- & Katastropheneinsätze
Einsatzkräfte sind unmittelbar nach einem Katastropheneinsatz deutlich stärker
posttraumatisch belastet als nach Großschadens- und alltagsnahen belastenden
Einsätzen.
Der Übergang zwischen alltagsnahen und Großschadenseinsätzen ist bei der
posttraumatischen Belastung eher fließend. Das gilt sowohl kurz- als auch langfristig.
Aus den Einsatzprotokollen unserer Studienwehren wissen wir, dass bestimmte
alltagsnahe Einsätze für die einzelne Wehr ebenso belastend oder vielleicht sogar
belastender sein können als der Abschnitt, in dem einzelne Wehren einer
Großschadenslage eingesetzt sind.
Wir verstehen die Ergebnisse so, dass sich Unterschiede in der Gesamtbelastung einer
Gruppe umso eher finden lassen,  je weiter die Gruppen auf einem vorgestellten
Kontinuum voneinander entfernt sind und  je größer Belastungsfaktoren eines
Einsatzes sind, die alle teilnehmenden Einsatzkräfte gleichermaßen betreffen. Das trifft
vermutlich am ehesten auf Katastropheneinsätze zu.
Katastropheneinsatz
Weil der Katastropheneinsatz in Bad Reichenhall kurz vor dem Ende des Vorgängerprojekts
stattgefunden hat und die Ergebnisse damals noch nicht vorlagen, berichten wir hier auch die
Belastung unmittelbar nach dem Einsatz.
30
Akute Belastungsstörung (Katastropheneinsatz)
Akute Belastungsstörung
31,7%
Dissoziation
54,5%
76,6%
Wiedererleben
Vermeidung
75,2%
93,8%
Übererregung
Das Bild zeigt, dass unmittelbar nach dem Einsatz 31,7% der Einsatzteilnehmer eine
„Akute Belastungsstörung“ hatten. Dauert dieses Symptombild mehr als einen Monat an,
wird daraus eine PTB!
Der hohe Prozentsatz zeigt, dass dieser Katastropheneinsatz für die Einsatzkräfte ein
äußerst schwerwiegender und belastender Einsatz war!
Das wird noch deutlicher, wenn man Vergleichszahlen aus dem Vorgängerprojekt
heranzieht. Die Rate akut Belasteter nach alltagsnahen belastenden Einsätzen liegt bei
23,4% (Krüsmann, et al. 2006).
Was man hier gut sehen kann, ist, dass viele Einsatzkräfte unmittelbar nach dem Einsatz
einzelne PTB- Symptome haben, nicht aber das Vollbild einer „Akuten Belastungsstörung“.
Vorallem bei hoher Übererregung, so die Vermutung, kann die Aufforderung, über Gefühle
im Zusammenhang mit dem traumatischen Einsatz zu sprechen, eine Aktivierung des
sympathischen Nervensystems bewirken und die erfolgreiche Verarbeitung beeinträchtigen.
Aus dem hohen Prozentsatz von Einsatzkräften mit Übererregung (93,8%) unmittelbar nach
dem Katastropheneinsatz ziehen wir deshalb den Schluss:
Bei sorgfältiger Schadens-/Nutzensabwägung ist umso eher von einem extra Ansprechen
von Gefühlen im Rahmen eines Debriefings abzuraten, je mehr ein Einsatz in Richtung eines
Katastropheneinsatzes geht.
Bei sorgfältiger Schadens-/Nutzensabwägung muss bei einem solchen Einsatz besonders
gut unterschieden werden: Ist eher eine Gruppennachsorge oder eine andere Maßnahme
angebracht? Ist der Einzelne besser geschützt, wenn er teilnimmt oder wenn er nicht teilnimmt?
31
Zur langfristigen Belastung gibt es für den Bereich Katastropheneinsatz keine verlässlichen
Fragebogendaten. Von ursprünglich vier Wehren hat sich nur noch eine Wehr regulär an der
Nachuntersuchung beteiligt, in einer zweiten Wehr wollte der überwiegende Teil der Mannschaft
nicht mehr mitmachen.
Bei der hohen Ausscheidequote spielen nach Auskunft der Kommandanten enttäuschte
Erwartungen, Versäumnisse beim Debriefing und der Studiendurchführung, aber auch größere
die Rahmenbedingungen eine Rolle.
In einer Wehr, die sehr groß ist, wurde die Mannschaft in drei Debriefing- Gruppen aufgeteilt. Nach Einschätzung der Kommandanten waren die Debriefings unterschiedlich gut.
Danach wurde versäumt, die Ergebnisse der verschiedenen Gruppen zusammenzuführen,
so dass der ganzen Wehr kein gemeinsames Bild des Einsatzablaufs zur Verfügung stand.
Einige Feuerwehrleute haben erwartet, aufgrund der ersten Fragebogenergebnisse
diagnostiziert und im Anschluß an die Nachsorge gezielt angesprochen zu werden.
Enttäuschung und Unverständnis darüber, nach dem Debriefing immer neue Fragebögen zu
erhalten: „Ihr müsst doch wissen, wie es mir geht!“
Der Katastropheneinsatz von Bad Reichenhall war lange mit einer breiten öffentlichen
Schulddiskussion, einer Vielzahl von gerichtlichen Untersuchungen und einer massiven
Medienpräsenz verbunden. Ein Kommandant hat gesagt, dass seine Leute einfach lieber
mal wieder Freizeit haben möchten, als nochmal Fragebögen auszufüllen. Ein anderer hat
berichtet, dass schon das Wort „Untersuchung“- durch wen auch immer- mittlerweile Stress
auslöst! Und wer sich doch hat untersuchen lassen, hat 0% Belastung angegeben!
Katastropheneinsätze erfordern langfristige und verlässliche Nachsorgekonzepte.
Langzeituntersuchungen finden nur Unterstützung, wenn sie mit langfristig angelegten Nachsorgekonzepten Hand in Hand gehen.
Was fanden die Kommandanten gut am
Debriefing?
Betreuung und Einzelfallorientierung
„Es wurde speziell auf unseren Fall eingegangen“
32
„Grundsätzlich, dass über die während und durch den
Einsatz entstandenen Probleme gesprochen wurde“
Der offene und interessierte
Austausch untereinander
„Dass jeder Teilnehmer seine Sichtweise und Eindrücke
vom Einsatz darlegen konnte“
„Der offene Umgang und die ungehinderte Aussprache
untereinander, auch mit Emotionen“
„Dass jeder interessiert dabei war im Kreis“
Gemeinsamkeit und Verbindlichkeit
Die Schulung des diagnostischen
Blicks und Psychoedukation
„ein gemeinsamer fester (evtl. verpflichtender) Termin
für alle am Einsatz Beteiligten“
… dass man lernen konnte, „zu erkennen, wer den
Einsatz gut und wer ihn weniger gut verarbeiten konnte.
Dass es nicht vom äußeren Anschein abhängt, ob
jemand mit belastenden Einsätzen zurecht kommt“
„Anregungen zu Verhaltensweisen in den nächsten
Wochen (Was ist normal? Was nicht?)
Teilnehmerkreis
„Der abgeschlossene Personenkreis“
Was haben die Kommandanten kritisiert?
Fast 2/3 der Kommandanten waren mit der in ihrer Wehr angebotenen Nachsorge sehr bis
zufrieden, es gab aber auch neutrale bis unzufriedene Kommandanten.
Die häufigste Kritik an der Studie selbst war, dass die Fragebögen zu lang, zu
kompliziert formuliert und der Zeitraum zwischen Einsatz und letztem Fragebogen zu
lang war. Einige Kommandanten hatten die Sorge, dass ein Einsatz innerlich schon
„abgeschlossen“ ist und durch die Befragung wieder aufgewühlt wird.
Aus Sicht von zwei Kommandanten war die Nachsorge in ihrer Wehr misslungen. Im
einen Fall fand der Kommandant die Nachsorge unstrukturiert, realitätsfern und ohne
Bezug zum nachsorgerelevanten Einsatz.
Dem Team sei es nicht gelungen, ein Vertrauensverhältnis zu den Wehrmitgliedern
aufzubauen, in der Wehr entstand der Eindruck, dass „es nicht um uns ging, sondern
Externe sich aufdrängten, in uns drangen, Informationen erfragen wollten“.
33
Anstatt dazu beizutragen, dass die Wehr den Einsatz gut verarbeiten konnte, war die
Nachsorge selber verletzend. Die Wehr zog aus dieser Erfahrung die Konsequenz,
zukünftig bei Nachsorgen auf bekannte Leute, vor allem den Pfarrer, zurückzugreifen.
Auch im anderen Fall begründete der Kommandant das Misslingen damit, dass es dem
Team nicht gelungen war, Vertrauen zu schaffen. Das Team kam aus einem anderen
Bereich als der Feuerwehr und stellte die eigene Bereichs-Professionalität zu sehr in den
Vordergrund. Dadurch hatte die Nachsorge keinen Bezug zur Feuerwehr-Arbeit.
Welche Wünsche haben die Kommandanten
für die Zukunft?
Flächendeckendes Angebot,
Verfügbarkeit und Qualität von
Nachsorgeteams
Kommandantenschulung
Die Entscheidung über den
Teilnehmerkreis soll die Realität vor
Ort flexibel berücksichtigen
Kleine Gruppen/nur Betroffene
Leitung/Team
„Dass wir bereits bei früheren Einsätzen die Möglichkeit
einer Nachsorge gehabt hätten“
„Dass Nachsorgeteams immer in guter Qualität zur
Verfügung stehen“
Mehr Aufklärung für den Kommandanten in Hinblick auf
„die Erkennbarkeit von Belastungen und wie man seine
Mannschaft bei der Bewältigung aktiv unterstützen
kann“
„Eine Betreuung nur für die Wehr, da die Erfahrungen
und Wahrnehmungen die die einzelnen Organisationen
gemacht haben, ganz unterschiedlich waren“
Entlastung durch ergänzende Informationen: alle
Teilnehmer eines Einsatzes sollen gemeinsam an einer
Nachsorge teilnehmen. Verschiedene Einsatzkräfte
(FF, Rettungsdienst, Polizei) sollen ihre jeweiligen
Perspektiven ergänzen
„Kleinere Gruppen“
„Leitung durch Betreuer vor Ort“
„Zeitnahe, zweite Veranstaltung“
Nachhaltigkeit und Langfristigkeit von
Nachsorgeangeboten, gezielte Hilfe für
Betroffene
„Ein zweites Treffen nach etwa 6 Monaten zur
Nachbesprechung in der gleichen Runde“
„Eine einsatzbegleitende Nach-/Vorsorge wäre
wünschenswert. Mit heutigem Wissensstand hätten
auffällig erscheinende Wehrangehörige sofort betreut
bzw. begleitet gehört“.
34
Anforderungen an Debriefing-Teams
Je höher die Belastung, desto eher kann die Durchführung eines Standdard Debriefings
schaden. Deshalb ist auf Seiten der Debriefing- Teams ein hohes Maß an Unterscheidungsfähigkeit und Einzelfallorientierung erforderlich.
Aus der Kommandantenbefragung ist deutlich geworden, dass es wesentlich darauf ankommt,
ob es einem Team gelingt, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, sowie die Inhalte
feuerwehrspezifisch und praxisrelevant zu gestalten. Ein gut durchgeführtes Debriefing stellt
eine
Ressource
dar,
auch
weil
dadurch
konkrete
vertrauenswürdige
Personen
als
Ansprechpartner für weitergehende Fragen zur Verfügung stehen.
Debriefing als ein Baustein unter anderen
Der Befund, dass die überwiegende Mehrzahl der Teilnehmer ein Debriefing zwar als hilfreich
empfindet, 4,3% der Leute aber langfristig eine einsatzbedingte PTB haben, zeigt, dass
einmalige Nachsorge nicht ausreichend ist, um die Entstehung und Aufrechterhaltung von PTB
zu verhindern. Auch die Kommandantenbefragung weist darauf hin, dass die Bedeutung
einmaliger Veranstaltungen relativiert werden muss.
Angemessener scheint es zu sein, Debriefing als einen Baustein unter mehreren zu sehen, die
möglichst optimal aufeinander abgestimmt sein sollten. Vor allem der Weiterbildung der
Führungskräfte kommt im Rahmen eines Gesamtkonzepts ein besonderer Stellenwert zu.
Dadurch wird die Eigenverantwortung gestärkt. Und der konstruktive Umgang mit der Thematik
Belastung fördert die individuelle fachliche Betreuung belasteter Einsatzkräfte.
Ein Wunsch von Wehrangehörigen
Was nicht systematisch untersucht, aber von vielen Wehrangehörigen als Anliegen geäußert
worden ist, soll am Ende dieses Berichts seinen Platz finden: Ehrenamt lebt nicht nur von
35
denen, die sich aktiv engagieren, sondern auch von denen, die das Engagement der
Ehrenamtlichen mittragen.
Deswegen muss jede Bemühung, die Belastung der Helfer möglichst gering zu halten, auch die
größeren Rahmenbedingungen berücksichtigen, in die Ehrenamt eingebettet ist. Dazu gehört
nicht zuletzt die Bereitschaft von Arbeitgebern, Menschen einzustellen, die durch Alarmierung
von ihrem Arbeitsplatz weggerufen werden können ebenso wie die Bereitschaft, dem
Arbeitnehmer vorgeschriebene Pausenzeiten nach Einsätzen einhalten zu lassen, ohne dass er
befürchten muss, dadurch berufliche Nachteile zu haben.
Maßnahmen zur Reduzierung der Belastung von Einsatzkräften werden mit umso höherer
Wahrscheinlichkeit Frucht tragen, wenn all diejenigen, die eines Tages die Hilfe einer
Freiwilligen Feuerwehr benötigen könnten, auch dann Ehrenamt mittragen, wenn es gerade
einen anderen und nicht sie selbst trifft.
Teil 3: Abschließende Empfehlung
zur psychosozialen Prävention im
Einsatzwesen
Die Ergebnisse der Nachuntersuchung bestätigen die Ergebnisse des
abgeschlossenen Vorgängerprojekts „Sekundäre Prävention im Einsatzwesen“ und die dort aufgestellten Empfehlungen:
36
1. Aufbau eigener Präventionsstrukturen durch den Bedarfsträger in seiner Verantwortung als
Arbeitgeber/Dienstherr. Voraussetzung dafür ist ein feuerwehrinterner Fachbereich „Psychosoziale Notfallversorgung“ und die Bereitstellung entsprechender Planstellen.
2. Einführung oder Weiterentwicklung von aufeinander abgestimmten Maßnahmen der primären
und sekundären Prävention unter Einbindung schon tätiger Präventionsmitarbeiter.
3. Flächendeckende Durchführung strukturierter präventiver Schulungen durch kontinuierliche
Ausbildung von Multiplikatoren (Peers, Seelsorger im Einsatzwesen, Fachberater Seelsorge).
4. Multiplikatoren sollten Mitglied der jeweiligen Organisation oder fest in die Strukturen
eingebunden sein. Die Einbindung psychosozialer Fachkräfte ist zu empfehlen.
5. Anbindung der Präventionsmitarbeiter in definierte Strukturen mit fachlicher Leitung,
Supervision, Weiterbildungsangeboten und Maßnahmen zur Qualitätssicherung.
6. Einführung von spezifischen Führungskräfteschulungen im Rahmen primärer und sekundärer
Prävention.
7. Bereitstellung von spezifischen Präventionsangeboten für besonders belastete Wehren, dies
auch durch verbesserten Informationsfluss zwischen Multiplikatoren und Führungspersonal.
8. Bereitstellung von weiteren Unterstützungsangeboten für belastete Einsatzkräfte nach
erfolgter „klassischer“ Nachsorge, die eher als Brücke zu weiterführenden Angeboten zu
definieren ist.
9. Durchführung von mindestens einmal jährlich stattfindenden psychosozialen „Übungen“ analog zu technischen Übungen -, die im Sinne eines Jahresrückblickes auf die Thematik
eingehen.
10. Klare Differenzierung der Zielgruppen, keine Betreuung von Einsatzkräften durch Personen,
die beim gleichen Einsatz direkt Betroffene und/oder Angehörige betreut haben.
Zusätzlich erlauben sie die Formulierung weiterer Empfehlungen für
die Psychosoziale Notfallversorgung in Deutschland:
1. Verlässliche, nachhaltige und wiederholte Nachsorge
In allen untersuchten Wehren finden sich Belastungen, die sich einerseits in traumabedingter
Symptomatik, andererseits in körperlichen und psychischen Beschwerden niederschlagen.
Einmalige Interventionen helfen diesen Menschen nicht. Psychosoziale Prävention muss
verlässlich und nachhaltig angeboten werden. Im Rahmen der Fürsorgepflicht müssen
Strukturen geschaffen werden, die eine verlässliche, langfristige Unterstützung im Ereignisfall
ebenso beinhalten wie primärpräventive Schulungen, in denen den Einsatzkräften die
vorhandenen Angebote bekannt gemacht werden.
37
2. Förderung der allgemeinen Gesundheitsvorsorge im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit
Der enge Zusammenhang zwischen körperlichen Belastungen und traumabedingten Beschwerden macht deutlich, dass anerkannte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung präventiven
Charakter bezüglich einsatzbedingter Belastung aufweisen. Wichtig sind hierbei Führungskräfteschulungen und die Stärkung der feuerwehrinternen Unterstützungsmöglichkeiten.
3. Emotionale Aktivierung bei hoher Belastung gering halten
Obgleich es Umstände zu geben scheint, unter denen eine emotionale Aktivierung förderlich
sein kann, spricht eine sorgsame Schaden-Nutzen-Abwägung auf Basis der vorliegenden
Untersuchungsergebnisse vor allem bei schwerwiegenden Einsätzen (Großschadenslagen,
Katastrophen) für die Durchführung von Kognitiven Nachsorgen ohne emotionale Aktivierung.
Da gerade die individuellen Umstände in der Regel auch bei alltagsnahen Einsätzen nicht
bekannt sind, wäre die generelle Durchführung kognitiv orientierter Nachsorgen bei gleichzeitiger weiterer Betreuung als Standardmethode wünschenswert.
4. Empfehlung
Ausweitung der psychosozialen Unterstützung für Einsatzkräfte nach Katastrophen
Nach Katastrophen entwickeln deutlich mehr Einsatzkräfte akute und chronische Belastungsreaktionen als nach anderen belastenden Einsätzen. Unterstützungsmaßnahmen müssen vor
allem in diesem Bereich langfristig angelegt, psychosoziale Ansprechpartner leicht kontaktierbar
sein. Dies gilt besonders für Einsatzkräfte, die nicht an der angebotenen Nachsorge
teilgenommen haben, obwohl sie belastet sind.
5. Qualitätssicherung in den Teams
In der Entwicklung von Nachsorgeteams sollte ein Schwerpunkt auf die Anbindung an fachliche
Strukturen gelegt werden, die Supervision und Maßnahmen der Qualitätssicherung gewährleisten.
Quellen der Illustrationen
Alle Internet-Links stammen vom 13.5.2009 – verwendet wurden nur frei verwendbare
.gifs/Illustrationen:
http://www.zwergenentertainment.de/forum/zwergensmilies/smiliesuche.php?mode=abfrage&page=1&suchb
egriff=feuerwehr
http://www.ff-bochum-mitte.de/einsaetze/2006/feuerwehr060.gif
http://www.feuerwehr-wietstock.de/Wissenswertes/Lustiges/Lustiges_16.jpg
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http://www.feuerwehr-wilderswil.ch/images/feuerwehrauto.jpg
http://www.blaulichtmodelle.de/templates/4grey2/images/blaulicht.gif
http://www.feuerwehr-oberehe.de/assets/images/blaulicht.gif
http://www.bastelfactory.com/downloadvorschau/3D/3D_Feuerwehrmann_mini.jpg
http://users.physik.tu-muenchen.de/kressier/Versuche/b4195.gif
http://www.123gif.de/feuer/seite-2/
Das Feuerwehrmännchen auf der Titelseite und das Feuerwehrmännchen, das den Fragebogen
ausfüllt, wurden gestaltet von Julia Pfeuffer.
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