Grundfragen und Grundstrukturen der Rechtsvergleichung

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Prof. Dr. Alexander Trunk
Vorlesung: Rechtsvergleichung
WS 2012/2013
22.10.2012: Grundfragen und Grundstrukturen der Rechtsvergleichung
A. Einführung
I. Gegenstand der Vorlesung = Einführung in die wissenschaftliche Arbeitstechnik des
Vergleichs verschiedener nationaler Rechtsordnungen und zugleich Vermittlung von
Kenntnissen über verschiedene ausländische Rechtssysteme und deren Besonderheiten. Es
geht zum einen um die Vermittlung von Kenntnissen über ausländisches Recht, andererseits
aber auch um die Vermittlung der Arbeitsmethodik, wie man ausländisches Recht mit dem
deutschen oder auch mehrere ausländische Rechte untereinander vergleicht.
Frage nach dem persönlichen Hintergrund und Informationsstand der Teilnehmer?
II. Die Vorlesung ist nur eine Einführung.
1. Vertiefungsveranstaltungen werden in Kiel etwa für das anglo-amerikanische Recht (von
Prof. Schack und von Prof. Schäfer) oder für das Recht in den Staaten Osteuropas (von mir
oder regelmäßig auch durch Gastdozenten unseres Instituts, in den letzten Jahren z.B. durch
Dozenten unserer Partnerhochschulen aus Vilnius, Moskau, Krakau u.a.) angeboten.
2. Eine Vertiefung im Bereich IPR und Rechtsvergleichung (SP 5) ist in diesem
Wintersemester möglich in in zwei Vorlesungen unseres Gastprofessors aus Tbilissi, Prof. Dr.
Lado Chanturia, am Mittwoch (Privatrecht in Osteuropa, sowie Recht Georgiens), ferner in
meinen beiden Seminaren zum Europäischen Kaufrecht sowie zum IPR auf
vergleichender Grundlage, im Dezember bzw. Januar 2012 (Informationsbesprechung heute
vor bzw. nach dieser Vorlesung, in diesem Raum 27/28) und in einem Seminar von Herrn
Prof .Chanturia zum Gesellschaftsrecht in Osteuropa.
Texte dieser Vorlesung: werden einige Tage nach der Vorlesung auf die Webseite des
Instituts gestellt: http://www.uni-kiel.de/eastlaw/.
III. Einführende Beispielsaufgabe anhand des russ. AGB-Rechts, Art.428 russ. ZGB.
Sie sind Mitarbeiter der Rechtsabteilung eines deutschen Unternehmens, das eine
Niederlassung in Russland errichten will. Das Unternehmen möchte seine deutschen AGB
auch gegenüber seinen russischen Kunden verwenden und fragt, ob das möglich ist. Sie haben
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die Aufgabe, die deutschen AGB anhand der russischen Vorschriften zu prüfen, insbes.
Art.428 ZGB.
Art.428 russisches ZGB (1994): Beitrittsvertrag (Übersetzung von
Roggemann/Bergmann, Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation (Erster Teil),
1997).
(1) Als Beitrittsvertrag ist ein Vertrag anzusehen, dessen Bedingungen von einer der
Parteien in Formularen oder in anderen Standardformen bestimmt worden sind und
von der anderen Partei nicht anders als im Wege des Beitritts zum angebotenen
Vertrag im Ganzen angenommen werden können.
(2) Die dem Vertrag beigetretene Partei ist berechtigt, die Aufhebung oder die
Änderung des Vertrages zu verlangen, wenn der Beitrittsvertrag zwar nicht dem
Gesetz oder sonstigen Rechtsakten widerspricht, doch dieser Partei Rechte entzieht,
die gewöhnlich in Verträgen dieser Art eingeräumt werden, die Haftung der anderen
Partei für den Verstoß gegen Verpflichtungen ausschließt oder einschränkt oder andere
für die beigetretene Partei offensichtlich belastende Bedingungen enthält, die diese,
ausgehend von ihren vernünftig verstandenen Interessen, nicht angenommen hätte,
wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, an der Festlegung der Vertragsbedingungen
teilzunehmen.
(3) Liegen die in Ziff.2 dieses Artikels bestimmten Umstände vor, so muss dem
Verlangen nach Aufhebung oder Änderung des Vertrages, die von der beigetretenen
Partei in Verbindung mit der Ausübung ihrer unternehmerischen Tätigkeit vorgebracht
wurde, nicht nachgekommen werden, wenn die beigetretene Partei wusste oder wissen
musste, zu welchen Bedingungen sie den Vertrag abschliesst.
 Vergleich Art.428 ZGB mit dt. R, an dem die dt. AGB ausgerichtet sind. Welche
Parallelen und Unterschiede bestehen zw. dt AGB-KontrollR und Art.428 ZGB?
 Beispiel für anwendungsbezogene Rechtsvergleichung (RA). Denkbar z.B. auch
Gesetzesberatung, Mitwirkung in internationalen Gremien.  Häufig Empfehlung als
Ergebnis.
Andere Art von Rechtsvergleichung ist Rvgl. als wissenschaftliche Aufgabe, z.B. in
Dissertationen, Mitwirkung an Gemeinschaftspublikationen etc.  Häufig Bewertung als
Ergebnis („best practices“)
IV. Begriff und Gegenstand der Rechtsvergleichung
1. Ausgangspunkt: Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen
2. Rechtsvergleichung als Wissenschaft vom Vergleich der (grds. nationalen)
Rechtsordnungen („außengerichtet"/„horizontal“)
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also nicht „innengerichtete“/„vertikale“) Vergleichung z.B. zwischen altem und neuem Recht,
BGB - HGB etc; aber Überschneidung z.B. bei Binnenvergleichung innerhalb eines föderalen
Staates: USA, z.T. Deutschland, RF etc.).
3. Gegenstand: Recht in allen Disziplinen (Öff. Recht, Privatrecht, Strafrecht) --> öffr., priv-r,
straf-r Rvgl.
V. Schwerpunkt der Rechtsvergleichung in dieser Vorlesung wird die PrivatRVergleichung
sein.
Öffr RVgl. wird z.B. am Walther-Schücking-Institut betrieben; meine Lehrveranstaltungen
zum OstR beziehen ÖffR und StrafR regelmäßig ein. Es gibt in Dt Professoren, die sich
intensiv mit Rvgl im StrafR oder ÖffR beschäftigen (insbesondere an den entsprechenden
Max-Planck-Instituten).
1. Zunächst werden in der Vorlesung die sog. Rechtskreise (deutscher, französischer, angloamerikanischer Rechtskreis etc.) behandelt
Die Darstellung der Rechtskreise ist auf die Makroebene bezogen, wobei ich
selbstverständlich auch auf charakteristische Einzelprobleme/Institutionen eingehe. Wichtig
ist immer, wenn Sie zu dem, was ich Ihnen sage, das deutsche Recht „mitdenken“: es geht
nicht um Anhäufung von Informationen, sondern um eigenes Denken.
2. Im zweiten Teil der Vorlesung erfolgt eine Vergleichung von Themenbereichen
(„Institutionenvergleichung“)
Dabei werden wir immer die unterschiedlichen Lösungsmodelle aus verschiedenen Regionen
der Welt gegenüberstellen und – etwa mit dem deutschen Recht oder auch untereinander –
vergleichen. Das Ziel ist, Sie etwas für Unterschiede, aber natürlich auch für Parallelen
zwischen den international verbreiteten Rechtsordnungen zu sensibilisieren, so dass sich
leichter einarbeiten können, wenn Sie später – z.B. in Ihrer Tätigkeit als Anwalt oder
Unternehmensjurist, mit Auslandsrecht zu tun haben.
3. Überlegungen zu Rechtsvereinheitlichung werden laufend einbezogen: eigene Vorlesung
im Sommersemester.
B. Aufgaben der Rechtsvergleichung
I. Wissenschaftliche Funktion: Erkenntnis/Verständnis für Funktionen und Strukturen des
Rechts und verschiedener Kulturen.
II. Forensisch-praktische Funktion: Informationsgrundlage für Rechtsanwälte + Gerichte
(Rechtsberatung und Fallentscheidung; auch: Interpretation von EinheitsR: z.B. EU)
III. Legislative Funktion: Unterstützung des Gesetzgebers, nat. und internat. Ebene (auch
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EU): „legislative Rechtsvergleichung“
 Im Schnittpunkt von wissenschaftlicher und legislativer Rechtsvergleichung steht die
Arbeit z.B. der wissenschaftlichen Gremien zur Vorbereitung eines Europäischen
Zivilgesetzbuchs oder einer Art „Restatement“ des Europ. Zivilrechts: Modellgesetz?
Problem: Ideologischer oder interessengeleiteter Einsatz von Rechtsvergleichung mit dem
Ziel der Propagierung bestimmter Rechtsordnungen aus politischen oder ökonomischen
Günden. Recht als „Exportartikel“.
Andererseits: Sind „legal transplants“ oder weitergehende Rezeptionen überhaupt möglich?
Sind sie sinnvoll?
Literaturhinweise zur Nacharbeit:
Zweigert/Kötz, §§ 1 – 2
Reimann/Zimmermann § 9
Literaturhinweis zur Vorbereitung auf die folgende Vorlesung:
Zweigert/Kötz §§ 3 – 4
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