Großmutter_aus_soziobiolog_Sicht_Info

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Die Großmutter aus soziobiologischer Sicht
 Klassenstufe: 9/10
 Schwerpunkt: Evolution (Soziobiologie)
 Voraussetzungen: Grundlagen der Evolution
Sachinformationen
Beziehungen zwischen Mann und Frau, Eltern
und ihren Kindern werden – wie alle zwischenmenschlichen Beziehungen – traditionell eher aus
dem Blickwinkel von Psychologie und Soziologie
gesehen. Wertesysteme für menschliches Verhalten entstammen der Ethik oder der Religion.
Gegenstand der Soziobiologie waren in ihrer
Anfangszeit Paarungssysteme, Eltern-Nachkommen-Verhalten usw. im Tierreich. Die Verknüpfung von Verhaltensstrategien mit dem Fortpflanzungserfolg ihrer Träger erlaubt, das Auftreten
bestimmter Verhaltensweisen aus evolutionsbiologischer Sicht zu verstehen. Grundlage für die
Aussagen sind mathematische Modelle, die letztlich beschreiben, inwieweit ein Verhalten die
Wahrscheinlichkeit beeinflusst, mit der die Erbanlagen für eben dieses Verhalten in die nächste
Generation gelangen.
Verwandtschaftskoeffizienten
Eltern/Kinder
0,5
Vollgeschwister 0,5
Großeltern/Enkel 0,25
Halbgeschwister 0,25
Wenn z. B. männliche Buschblauhäher in Florida
teilweise auf die Produktion eigener Nachkommen verzichten und statt dessen ihren Eltern bei
der Aufzucht jüngerer Geschwister helfen, so
erklärt dies die Soziobiologie damit, dass sich auf
diese Weise die Chance, eigene Gene in die
nächste Generation zu bringen erhöhen lässt:
Infolge der hohen Populationsdichte der Art in
dieser Region ist die Chance ein eigenes Revier
zu ergattern gering. Die Eltern aber können mit
Helfer ca. 15 % ihrer Jungen großziehen, ohne
Helfer dagegen nur rund 10 %.
Voraussetzung für diese Annahme ist, dass die
Helfer und die zusätzlich überlebenden Jungtiere
verwandt sind. Der Verwandtschaftskoeffizient ist
eine Angabe zur Übereinstimmung des Genoms
und damit ein Maß für den Verwandtschaftsgrad
(s. Randspalte). Für das Beispiel der Buschblauhäher ergibt sich: Vollgeschwister eines Helfers
tragen mit der selben Wahrscheinlichkeit seine
Gene wie potenzielle eigene Nachkommen.
Die gleichen Aussagen gelten natürlich auch für
den Menschen. Gerade bei komplexen Verhaltensweisen sind erbliche Komponenten jedoch
praktisch kaum nachzuweisen. Für die Erklärung
erhobener Daten stellen soziobiologische Interpretationen insoweit Hypothesen dar. Beispielsweise treten Aggressionen gegen Stiefkinder weit
häufiger auf als gegen eigene (s. Abb. 3). Aussagen der Soziobiologie dazu sind: Investment in
nicht eigene Kinder wird „genetisch nicht belohnt“.
Sind eigene Kinder vorhanden, so fördert deren
Bevorzugung die Verbreitung der eigenen Gene
und also auch dieses Verhaltens. Aus dem Tierreich kennt man die Tötung von Jungtieren durch
neue Partner des Weibchens (Infantizid).
Zu den Ursachen der unterschiedlichen Lebenserwartung von Kindern in Abhängigkeit von der
Anwesenheit von Großmüttern können nur Hypothesen aufgestellt werden. Die Autoren der Studie
(s. Literaturhinweise) nennen neben möglichen
Spannungen zwischen Schwiegermutter und Frau
eine mögliche Vaterschaftsunsicherheit bei der
Mutter des Vaters oder eine Überbeanspruchung
der Frau durch die Schwiegermutter, die ja mit ihr
nicht verwandt ist.
Didaktisch-methodische Hinweise
Das Arbeitsblatt eignet sich zur Einführung in die
Denkweise der Soziobiologie. Darüber hinaus
kann es dazu anregen, über deren Anwendbarkeit auf den Menschen zu diskutieren.
Arbeitsblatt Seite 2
1. Zu erwarten wäre, dass die Anwesenheit
einer Großmutter die Überlebensrate erhöht
(Weitergabe großmütterlicher Gene).
2. Die Mutter der Mutter fördert die Überlebensrate am meisten, die Anwesenheit der väterlichen Mutter reduziert sie sogar. Sind beide
vorhanden, steigt sie demgegenüber leicht.
3. I: Die Aussage kann stimmen, aber bezüglich
der väterlichen Mutter muss es einen stärkeren negativen Effekt geben.
II: Die Aussage gilt für die mütterliche und
beide Großmütter, nicht aber für die väterliche
(mögliche Ursachen s. o.).
Literaturhinweise
Abb. 3: Häufigkeit von Kindesmisshandlung
© Ernst Klett Verlag GmbH, Stuttgart 2007 | www.klett.de | Alle Rechte vorbehalten
Von dieser Druckvorlage ist die Vervielfältigung für den eigenen
Unterrichtsgebrauch gestattet. Die Kopiergebühren sind abgegolten.
BEISE, J., VOLAND, E.: Warum gibt es Großmütter? Spektrum der Wissenschaften. 1/2003
BEISE, J., VOLAND, E.: A multilevel event history
analysis of the effects of grandmothers on
child mortility in a historical German population (Krumhörn, Ostfriesland, 1720 – 1874. in:
Demographic research Volume 7 article 13,
2002 (www.demographic-research.org)
VOLAND, E.: Kalkül der Elternliebe – ein soziobilogischer Musterfall. Spektrum der Wissenschaften. Juni 1995
Autorin: Hanna Eckebrecht, Bielefeld
Grafiken: Jörg Mair, München
Seite aus: biologie aktuell 1
ISBN-10: 3-12-028475-0
ISBN-13: 978-3-12-028475-8
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