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Landratsamt Heilbronn
Umweltschutzamt
74064 Heilbronn
21.07.2005
Wasserrechtliche Erlaubnis für GKN Block 1
Ihr Schreiben vom 21.06.2005, Az.: 32.2/692.211/700.720
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
wir danken für die Übersendung der Planunterlagen im wasserrechtlichen Verfahren
für GKN Block 1 und nehmen dazu wie folgt Stellung:
1. Für die wasserrechtliche Genehmigung wird eine Befristung bis Ende des
atomrechtlichen Leistungsbetriebs plus 5 Jahre beantragt (Ziffer 1.4 des
Antrags). Für die Nachbetriebsphase werden die Entnahme- und
Einleitungsmengen nicht reduziert. Wir erwarten,
1.1 dass eine wasserrechtliche Genehmigung, falls sie erteilt wird, bis maximal 2010
befristet wird,
1.2 dass für die Nachbetriebsphase deutlich geringere Entnahme- und
Einleitungsmengen festgesetzt werden als für den Leistungsbetrieb.
Begründung:
Der Leistungsbetrieb von GKN Block 1 wird nach der Vereinbarung zwischen Energieerzeugern und
Bundesregierung 2009, spätestens 2010, beendet. In der Nachbetriebsphase wird wesentlich weniger
Kühlwasser benötigt. Da die durch GKN Block 1 verursachte Erwärmung des Neckarwassers einen
unnatürlichen Zustand aufrecht erhält, wie die UVP deutlich zeigt, ist die Befristung der
Gewässerbenutzung und die Mengenreduktion während der Nachbetriebsphase im Sinn des
Minimierungsgebots geboten. Außerdem vermeidet die Befristung Konflikte mit dem Ziel der WRRL,
bis 2015 einen ökologisch guten Zustand bzw. ein ökologisch gutes Potential herzustellen (s. Ziffer 2).
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2. Die beantragte wasserrechtliche Erlaubnis verstößt gegen die Ziele der
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und kann daher nach unserer
Auffassung in dieser Form nicht erteilt werden:
2.1 Die beantragte Erhöhung der Stickstoffkonzentration im Abwasser des
Kontrollbereichs und die beantragte Erhöhung der maximalen
Verdunstungswassermenge verstoßen gegen das Verschlechterungsgebot
(Artikel 4 Absatz 1 a) i) WRRL).
2.1.1 Nachdem die Belastung der Flüsse, auch des Neckars, mit organischen Abwässern durch den
Bau biologischer Kläranlagen in erfreulichem Umfang gesenkt werden konnte, spielt die
„Sekundär-Belastung“ durch die eutrophierende Wirkung von Pflanzennährstoffen eine
zunehmende Rolle. Eine Erhöhung der Einleitung von anorganischen Stickstoffverbindungen – im
vorliegenden Fall überwiegend Ammoniumverbindungen, die noch erheblich problematischer sind
als Nitrat – kann vor diesem Hintergrund eine empfindliche Verschlechterung darstellen (siehe
auch Ziffer 3).
2.1.2 Die geplante Erhöhung der Verdunstungswassermenge im Niedrigwasserfall – statt bisher 0,60,8 m³/s nunmehr bis zu 1,3 m³/s – bedeutet ein ungefähre Verdopplung der
Maximalwassermengen am Standort GKN. Diese Erhöhung ist mit Sicherheit nicht unerheblich
und bedeutet in Anbetracht der heute schon kritischen Wärmebelastung des Neckars in der
Staustufe Lauffen eine gravierende Verschlechterung. Ein Ausgleich mehrere Dutzend km
entfernt kann diese Verschlechterung nicht ungeschehen machen.
2.2 Die beantragte zeitlich unbefristete Erlaubnis für die Entnahme und Einleitung
von Kühlwasser führt dazu, einen unnatürlichen Zustand aufrecht zu erhalten,
während die Beendigung der Einleitung die Lebensbedingungen im Neckar für
einheimische Arten zumindest lokal deutlich verbessern würde (Gutachten
„Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft des Makrozoobenthon und die
Gewässergüte“, ALF & STEINECK, S. 32). Das „ökologisch gute Potential“ nach
WWRL ist noch nicht abschließend definiert. Trotzdem liegt auf der Hand, dass
ein derartig naturferner Zustand der Gewässerfauna, wie ihn das Gutachten für
den Einleitungsbereich beschreibt, nicht mit dem in der WRRL geforderten
3
„ökologisch guten Potential“ vereinbar ist, geschweige denn mit dem „ökologisch
guten Zustand“.
2.3 Die beantragte Wasserentnahme überschreitet das Kriterium für signifikante
Belastungen von 1/3 MNQ. Die Argumentation, in einer Stauhaltung greife dieses
Kriterium nicht, überzeugt nicht vollständig. Richtig ist, dass in einer Stauhaltung
die Auswirkungen der Wasserentnahme auf Wasserspiegel und auf die
Durchwanderbarkeit für Fische wesentlich weniger gravierend sind als bei einer
Ausleitung aus einem frei abfließenden Gewässerabschnitt. Trotzdem müsste
diskutiert werden, ob es nicht ebenfalls eine signifikante Belastung des
Gewässers darstellt, wenn die Strömung durch die Entnahme zeitweise gegen
Null geht oder stromauf gerichtet ist (Gutachten zu abiotischen
Randbedingungen, S. 46).
3. Der Einfluss anorganischer Stickstoff- und Phosphorverbindungen aus den
Einleitungen wird von vorne herein als unbedeutend betrachtet, ohne die
eutrophierende Wirkung näher abzuschätzen (S. 17 Zusammenfassung), obwohl
beantragt wird, die zulässige Konzentration für Stickstoff im Abwasser aus dem
Kontrollbereich auf das Dreifache zu erhöhen, und obwohl die zulässige
Konzentration für Phosphor mit 3 mg/l schon heute sehr hoch angesetzt ist. Das
betrachten wir als schwerwiegenden Mangel.
3.1 Die Angaben zum anorganischen Stickstoff sind unklar. Mehrfach, z.B. auf S. 48
des Gutachtens zu den abiotischen Randbedingungen, steht in den Unterlagen,
dass der Summenparameter Gesamt-N allein auf Ammonium bezogen werden
kann. Dagegen geht aus Tab. 12 „Hydrochemische Grenzwerte von GKNAbwässern und Neckar“ hervor, dass im konventionellen Betriebsabwasser bis zu
30 mg/l und im Betriebsabwasser aus dem Kontrollbereich bis zu 2 mg/l NitratStickstoff festgestellt wurden. Die genannte Maximalkonzentration an NitratStickstoff im Betriebsabwasser beträgt also das Dreifache (bzw. 300%) des
4
bisher geltenden Grenzwerts für Gesamt-N. Der Nitrat-Stickstoff kann daher nicht
vernachlässigt werden.
3.2 Die Beurteilung der N-Einleitung im Abiotik-Gutachten, S. 48, geht davon aus,
dass die Gesamt-Stickstoff-Konzentration im Neckarwasser sehr klein ist und bei
der Vermischungsrechnung vernachlässigt werden kann. Das ist sie aber nicht.
Tab. 12 gibt die Nitrat-N-Konzentration im Neckar unter Berufung auf die LfU mit
„meist 4-6 mg/l“ an. Eigene Messungen zeigen, dass die Konzentration an NitratN im Neckar gelegentlich auch bis 10 mg/l betragen kann.
3.3 Eine Beurteilung der durch die Phosphat-Einleitung bedingten Eutrophierung im
Neckar fehlt in den Unterlagen. Da Phosphat im Wasser im Allgemeinen der
produktionsbegrenzende Faktor ist (wegen der schlechteren Wasserlöslichkeit
gegenüber anorganischen N-Verbindungen) und da in der Staustufe Lauffen
einem Stillgewässer ähnliche Verhältnisse herrschen ist davon auszugehen, dass
eine Einleitung von Phosphat dort eine erhebliche eutrophierende Wirkung hat.
Diese Wirkung tritt bereits im µg/l-Bereich auf – das Bodenseewasser enthielt auf
dem Höhepunkt der Eutrophierung 1979 im Durchschnitt ca. 85 µg/l Phosphat-P.
Der Einleitungsgrenzwert von 3 mg/l (= 3000 µg/l) beträgt das 35fache davon
(3500%).
3.4 Beim Phosphat fällt weiter auf, dass der Einleitungsgrenzwert von 3 mg/l laut
Tabelle 12 bei weitem nicht erreicht wird. Die Konzentrationen im konventionellen
Betriebsabwasser werden mit maximal 0,44 mg/l (440 µg/l) angegeben, im
Betriebsabwasser aus dem Kontrollbereich mit maximal 0,06 mg/l (60 µg/l). Die
Einhaltung eines deutlich strengeren Grenzwerts erscheint also technisch
durchaus möglich. Im Sinn des Minimierungsgebots fordern wir, bei Erteilung
einer wasserrechtlichen Erlaubnis die Einleitung auf 0,5 mg/l Gesamt-P zu
begrenzen.
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4. Die Belastung durch die Einleitung organischer Substanzen wird in der UVP nicht
untersucht. In diesem Zusammenhang wird lediglich auf die erhebliche
Vorbelastung durch verschiedene kommunale Kläranlagen und auf die günstigen
Vermischungsverhältnisse der GKN-Abwässer schon vor dem Einleitungsbauwerk verwiesen. Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und zum
Ausgleich werden nicht vorgeschlagen. Dabei ist ein Einleitungsgrenzwert von
100 mg/l CSB beantragt! Ein Atomkraftwerk ist kein Schlachthof, keine
Zuckerraffinerie und keine Brauerei. Es ist nicht zu verstehen, warum von diesem
Einleiter eine derartig hohe organische Belastung ausgehen muss. Wir erwarten,
dass ein deutlich niedriger Grenzwert für den chemischen Sauerstoffbedarf
festgesetzt wird und dass die Auswirkungen der Einleitung organischer Substanz
in der UVP diskutiert wird.
5. Der Einfluss der Abwasser- und Kühlwassereinleitung auf die hygienische
Situation sowie auf eine mögliche Verkeimung wird als ökologisch und
pathologisch unbedeutend eingestuft. Dabei wird richtigerweise darauf
hingewiesen, dass aus jeder kommunalen Kläranlage mehr Keime, auch
pathogene, eingeleitet werden als aus dem GKN. Es wird aber nicht
berücksichtigt, dass die Einleitungstemperatur des Kühlwassers bis 35°C
betragen kann, was schon in der Nähe der menschlichen Körpertemperatur liegt.
Es ist damit zu rechnen, dass dadurch die Lebens- und Vermehrungsbedingungen für die – im Neckar zweifellos vorhandenen – pathogenen Keime
erheblich verbessert werden. Diese Frage wird in den vorliegenden Unterlagen
nicht behandelt, obwohl sie beim Scoping-Termin ausdrücklich angesprochen
wurde.
Die in den UVP-Unterlagen, S. 45, Ziffer 6.1.2.2 „Hygienische Situation“ aufgeführten Ergebnisse
von Beprobungen auf verschiedene Bakterien zeigen, dass im Neckar alle untersuchten
Indikatoren für humanpathogene Keime über den Richtwerten für Badegewässer liegen und 2-3
Größenordnungen (also um das 100 – 1000 fache) höher, als bei einem hygienisch hinreichend
einwandfreien Fluss zu erwarten wäre. Selbst Salmonellen werden regelmäßig nachgewiesen.
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Bei der dichten Besiedlung des Einzugsgebiets und der Vielzahl an kommunalen Kläranlagen
und Überläufen aus Kanalisationen ist das auch kein Wunder. Dass das Neckartal trotzdem kein
Seuchenpfuhl ist, liegt unter anderem daran, dass die meisten pathogenen Keime bei
Temperaturen weit unter der menschlichen Körpertemperatur nur kurze Zeit überlebensfähig
sind. Durch die Einleitung von Kühlwasser mit einer Temperatur von 35°C, also knapp unter der
menschlichen Körpertemperatur, kann sich das grundlegend ändern. Dabei ist zu beachten, dass
Temperatur im Wasser eine „konservative Größe“ ist – Wassermassen unterschiedlicher
Temperatur mischen sich nur sehr langsam. Die Untersuchung dieses Problems ist für die
Beurteilung der Auswirkung der Kühlwassereinleitung auf die hygienische Situation von
entscheidender Bedeutung.
6. Die Darstellungen der Auswirkungen der Einleitung, insbesondere durch
Erwärmung, auf das Makrozoobenthon sind widersprüchlich, wobei die
Darstellung in der allgemein verständlichen Zusammenfassung (AVZ) im
Vergleich zur Darstellung in Anlage 3 eher bagatellisierend wirkt:
-
in der Tabelle „Zusammenfassung Makrozoobenthon“ (C.1 AVZ, S.19) steht in Spalte 2, Zeile 3,
„negative Auswirkungen der Kühlwassereinleitung auf die vorliegende Lebensgemeinschaft des
untersuchten Neckar-Abschnitts konnten nicht nachgewiesen werden“.
-
direkt darunter steht in Spalte 2, Zeile 4 „Nach den vorliegenden Daten ist davon auszugehen,
dass die Kühlwasserzuleitung einen, wenn auch gegenüber anderen Einleitungen nicht
abgrenzbaren Anteil dazu beiträgt, dass sich im mittleren Neckar eine überwiegend aus
wärmetoleranten Adventivarten zusammengesetzte Lebensgemeinschaft halten kann“.
-
direkt neben dieser Feststellung steht in Spalte 3, Zeile 4, Maßnahmen zur Vermeidung,
Verminderung oder zum Ausgleich von Beeinträchtigungen seien nicht erforderlich.
-
links daneben steht in Spalte 1, der Neckar weise eine stark von eingewanderten Arten geprägte
Lebensgemeinschaft auf, was maßgeblich auf die Zuleitung von Kühlwasser aus mehreren
Großkraftwerken sowie Firmen zurückzuführen sei. Dass GKN Block 1 unter diesen
Wärmeeinleitern der größte ist, wird nicht erwähnt.
-
zwei Absätze unter der Tabelle steht auf S.19 als Zusammenfassung, ein Nachweis für die
Beeinträchtigung des Makrozoobenthon durch Entnahme von Kühl- und Brauchwasser durch das
GKN konnte nicht geführt werden.
7
-
Das Gutachten „Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft des Makrozoobenthon und die
Gewässergüte“ (Anlage 3) zeigt sehr deutlich, dass die Lebensgemeinschaft im Neckar im seit 27
Jahren vom GKN genutzten Einleitungsbereich eine naturferne Zusammensetzung mit sehr viel
wärmeliebenden Adventivarten aufweist.
-
in diesem Gutachten steht auf S. 31f., die Kühlwassereinleitungen tragen – zu einem gegenüber
anderen Zuleitungen und Nutzungen nicht abgrenzbaren Anteil - dazu bei, die unnatürlichen
Zustände im betroffenen Neckarabschnitt aufrecht zu erhalten. Weiter steht dort: „Es ist davon
auszugehen, dass sich nach Beendigung der Zuleitung die Lebensbedingungen zumindest lokal
deutlich verbessern.“
-
trotz dieser ziemlich klaren Aussagen im Fachgutachten steht in Ziffer 7.1.2.6 „Zusammenfassung
abiotische Randbedingungen“, S. 94 der UVP-Unterlagen „Somit ist auch dem bestehenden
Temperaturregime eine gewässerökologisch geringe Bedeutung beizumessen, zumindest
hinsichtlich der Wirbellosenfauna“.
Versucht man, unter diesen teilweise widersprüchlichen Aussagen Fakten und
Interpretation zu trennen, bleiben als Fakten:
-
Die Lebensgemeinschaft im Einleitungsbereich weist eine naturferne
Zusammensetzung mit vielen wärmeliebenden Adventivarten auf
-
Der Neckar wird durch zahlreiche Einleitungen von Kühlwasser erheblich über
das natürliche Maß hinaus aufgewärmt
-
der größte einzelne Wärmeeinleiter ist GKN Block 1.
Daraus ergibt sich die naheliegende Schlussfolgerung, dass die Abwärmeeinleitung
von GKN Block 1 ursächlich für die naturferne Zusammensetzung der benthischen
Lebensgemeinschaft (mindestens mit-) verantwortlich ist. Mangels anderer
Vorschläge für Maßnahmen zur Verminderung, zur Vermeidung oder zum Ausgleich
dieser Beeinträchtigung folgt daraus, dass ein ökologisch guter Zustand im Neckar
nur erreicht werden kann, wenn diese Einleitung beendet wird.
7. In den Unterlagen wird in einer Häufigkeit, die schon beinahe aufdringlich wirkt,
die Feststellung wiederholt, dass es sogar im extrem heißen Sommer 2003 kein
8
Fischsterben im Neckar gab. Dagegen wird in keinem der Gutachten das
Massensterben von Körbchenmuscheln im selben Sommer 2003 erwähnt (dieses
Ereignis wurde beim Scopingtermin angesprochen). Dabei liegt es auf der Hand,
dass bei diesem Katastrophenereignis die geringe Wasserführung und die
übermäßige Erwärmung des Neckars – direkt oder mittelbar über den durch die
Erwärmung verringerten Sauerstoffgehalt (geringere physikalische Löslichkeit,
höherer Verbrauch) – als Ursachen beteiligt waren. Zum Zeitpunkt des
Muschelsterbens im Sommer 2003 lag die Wasserführung am Pegel Lauffen
noch knapp über 25 m³/s, so dass GKN die Leistung noch nicht drosseln musste.
Daraus ziehen wir den Schluss, dass diese Grenze erheblich zu niedrig angesetzt
ist. Dieser Fehler muss bei der Neuerteilung der wasserrechtlichen Genehmigung
korrigiert werden.
8. Die als „Ergebnis Fische“ auf S. 21 AVZ festgehaltene Aussage „es gibt keinen
Nachweis für eine erhebliche Beeinträchtigung der Fische durch die Entnahme
von Kühlwasser und die Einleitung von Kühl- und Abwasser durch das GKN“ gibt
den Inhalt des Gutachtens zur Fischbiologie verkürzend und entstellend wieder:
8.1 In Tabelle 1, S. 7, fällt auf, dass die Arten Meerforelle, Elritze, Mühlkoppe,
Schneider, Bachssaibling und Trüsche als aktuell wieder im Neckar vorkommend
genannt, aber für die Staustufen Besigheim, Lauffen und Horkheim nicht
aufgeführt werden. Für die Äsche enthält Tab. 2 lediglich einen Einzelnachweis
aus dem Jahr 1990. Für anadrome Wanderfische und rheophile Arten wie
Meerforelle und Mühlkoppe mag das an der zu geringen Fließgeschwindigkeit in
diesen Staustufen liegen. Die Trüsche ist jedoch keine rheophile Art - sie lebt
auch in Seen - und auch kein typischer Wanderfisch. Sie ist aber ein
Winterlaicher, deren Eier empfindlich gegen höhere Temperaturen sind, was im
Gutachten korrekt dargestellt wird. Es liegt nahe, ihr Fehlen in den genannten
Staustufen auf die Wärmeeinleitungen zurückzuführen.
9
8.2 Im Gutachten wird plausibel dargestellt, dass neben der Trüsche auch Äsche,
Hasel, Nase und Barbe durch Erwärmung während ihrer Laichzeit Schaden
nehmen können.
8.3 Obwohl im Scopingtermin Schäden an Fischen im Bereich des Einlaufbauwerks
angesprochen wurden, wurden anscheinend keine Untersuchungen über das
Ausmaß dieser Beeinträchtigung durchgeführt. Die Ausführungen unter Ziffer 6.2
enthalten lediglich theoretische Erwägungen über Strömungsgeschwindigkeiten,
Impulsfrequenzen etc. Obwohl Untersuchungen an zwei mit fossilen Brennstoffen
betriebenen und zwei Atomkraftwerken angeführt werden, die hohe
Fischschäden belegen (S. 21), wurde es anscheinend nicht für notwendig
gehalten, die Fischschäden am GKN konkret zu untersuchen. Ohne eine
derartige empirische Untersuchung entbehrt die Behauptung, es gebe keine
erhebliche Beeinträchtigung der Fische durch die Entnahme von Kühlwasser,
jeder Grundlage. Wir betrachten das als schwerwiegenden Mangel.
9. Die Belastung des Neckars mit Radionukliden aus nuklearmedizinischen
Behandlungen scheint ein besonderes Anliegen der Gutachter zu sein. Leider ist
die Minimierung dieser Belastung nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Der Versuch, die Belastung mit Radionukliden aus dem GKN mit Hinweis auf
diese Immissionen zu bagatellisieren, ist nicht nur deshalb abwegig, weil er nach
dem Prinzip des „Lumpenbeweises“ erfolgt („der andere ist der größere Lump“),
sondern auch mit zahlreichen Fehlern behaftet:
9.1 Zur Abschätzung der Belastung des Neckars mit Jod 131 wird einfach ein Wert
von 40 kBq/l mit der Zahl der Einwohner im Einzugsgebiet multipliziert.
Nuklearmedizinische Behandlungen finden aber in der Regel in speziellen
Kliniken statt. Eine Berücksichtigung der Fachkliniken im Einzugsgebiet und der
Zahl der entsprechend behandelten Patienten würde vermutlich eine
realistischere Abschätzung erlauben.
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Ohne Kenntnis von Unterlagen über Zahl und Ort nuklearmedizinischer Behandlungen liegt die
Annahme nahe, dass diese überwiegend in Universitätskliniken durchgeführt werden. Von den
großen Universitätskliniken des Landes liegt Ulm an der Donau, Freiburg entwässert in den
Rhein und Heidelberg liegt am untersten Neckar. Würzburg, wo erfahrungsgemäß viele
Einwohner von Baden-Württemberg behandelt werden, liegt am Main. Lediglich Tübingen liegt
am Neckar oberhalb von Neckarwestheim. Das spricht dafür, dass eine Abschätzung aufgrund
von Einwohnerzahlen im Einzugsgebiet zu einem zu hohen Ergebnis führt.
9.2 Selbst wenn man die Abschätzung aufgrund der Einwohnerzahlen akzeptiert,
sind die Annahmen fehlerhaft. Die Einwohner von Regionen, welche nur teilweise
in den Neckar entwässen, werden vollständig seinem Einzugsgebiet
zugeschlagen:
Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg entwässert zu erheblichen Teilen in die Donau und (über
Wutach, Elz und Kinzig) in den Rhein, aber nur zu ca. 1/3 in den Neckar. Die Region
Ostwürttemberg entwässert zu fast 40% in die Donau (über Brenz, Egau und Sechta). Das
Wasser, das über Jagst und Kocher fließt, erreicht den Neckar erst bei Bad Friedrichshall.
Lediglich eine relativ kleine Teilfläche im Raum Schwäbisch Gmünd entwässert über die Rems
und erreicht die Staufstufe Lauffen. Die Region Nordschwarzwald entwässert zum Teil über
Kinzig, Murg, Alb, Pfinz und Saalbach in den Rhein. Die Region Neckar-Alb entwässert zu etwa
1/3 über Bära, Schmiecha, Lauchert, Zwiefaltener Ach und Große Lauter in die Donau. Aus der
Region Franken entwässert der Main-Tauber-Kreis in den Main. Das Wasser aus der übrigen
Region erreicht den Neckar erst unterhalb der Staustufe Lauffen – Neckarwestheim ist (außer
Teilflächen von Beilstein und Wüstenrot, welche über die Murr entwässern) die einzige Gemeinde
dieser Region, deren Abwasser wenigstens in der Nähe des GKN eingeleitet wird.
9.3 Als Leit-Isotop für nuklearmedizinische Anwendungen wird das in diesem Bereich
häufig eingesetzte Jod 131 genommen. Dieses Isotop hat eine Halbwertszeit von
lediglich ca. 8 Tagen. In Anlage 4 wird die Fließzeit im Neckar von Altbach bis
Neckarwestheim unter Niedrigwasserverhältnissen mit 4 Tagen angegeben, die
Fließzeit von Schwenningen in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg dürfte
noch wesentlich länger sein. Wenn aus Einleitungen im gesamten Einzugsbereich des Neckars auf radioaktive Belastungen in der Staustufe Lauffen
umgerechnet wird, muss der radioaktive Zerfall während des Aufenthalts in
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Kanalisation und Kläranlage und während der Fließzeit im Neckar und seinen
Nebenflüssen mit berücksichtigt werden.
9.4 Jod bildet verschiedene Verbindungen unterschiedlicher Wasserlöslichkeit. Wenn
Schlüsse von nuklearmedizinischen Anwendungen im Einzugsgebiet auf
Konzentrationen in der Staustufe Lauffen gezogen werden, muss zuvor
untersucht werden, in welchen Verbindungen das Jod 131 vorliegt, wieviel davon
im Sediment festgelegt wird und wieviel überhaupt die Staustufe Lauffen erreicht.
9.5 Abgesehen von den genannten methodischen Fehlern scheint die Abschätzung
auch einen Rechenfehler zu enthalten: Es wird behauptet, die geschätzten
230 GBq/a betrügen ca. 400% der Aktivität der für den Standort GKN1 und GKN2
geltenden Emissionsbegrenzungen für Spalt- und aktivierte Korrosionsprodukte.
Diese werden mit 1,85x1010 Bq/a für GKN1 und 6,0x1010 Bq/a für GKN2
angegeben. Das gibt in der Summe 7,85 x1010 Bq/a, also 78,5 GBq/a. Davon ist
230 nicht 400 % sondern 293%.
9.6 Der Vergleich der Vorbelastung aus nuklearmedizinischer Anwendung mit den
Emissionen des Atomkraftwerks bezieht sich (wohlweislich) nur auf den
Ableitungswert für radioaktive Isotope außer Tritium. Die genehmigten
Tritiumeinleitungen betragen für beide Kraftwerksblöcke 8,85 x 10 13 Bq/a, also
88 500 GBq/a. Das ist ca. das 385-fache der (viel zu hoch geschätzten)
Belastung aus nuklearmedizinischen Anwendungen oder, um in der Sprache des
Gutachtens zu bleiben, 38 500% dieser Aktivität! Dabei ist zu berücksichtigen,
dass Tritium eine Halbwertszeit von 12,3 Jahren hat und daher längst nicht so
schnell verschwindet wie Jod 131 und dass es als Wasserstoff-Isotop praktisch in
jedes Molekül jedes lebendigen Organismus, egal ob Pflanze, Tier oder Mensch,
eingebaut werden kann. Schließlich ist zu beachten, dass die Grenzwerte für
Tritium in den letzten Jahren in der Regel zu 1/3 bis 2/3 ausgeschöpft wurden im
Gegensatz zu den Grenzwerten für andere Nuklide (Anlage 1, S. 6, Ziffer 2.3.2
„Abgegebene Aktivität“).
12
10. Ein Einfluss des Kühlturmschwadens auf den Befall von Weizen, Zuckerrüben
und Weinreben mit Pilzkrankheiten wird für möglich gehalten, kann aber nicht
quantifiziert werden (Ziffer4.3.11 AVZa, S. 34/35). Trotzdem werden keine
Maßnahmen zur Vermeidung, Verminderung und zum Ausgleich dieser
Beeinträchtigung für erforderlich gehalten. Wir betrachten das als
schwerwiegenden Mangel.
10.1 In Ziffer 7.2 der UVP-Unterlagen „Klima/Luft“ wird auf die Gutachten
verwiesen, die im Rahmen der atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu den
Auswirkungen der Kühlturmschwaden erstellt wurden, um geringe Auswirkungen
auf landwirtschaftliche Kulturen zu belegen. Diese Gutachten weisen gravierende
Fehler auf, wie z.B. bei der Erörterung im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Kühlturm von GKN 2 deutlich wurde. Unter
anderem wurde dort die – in der Praxis relativ häufig zu beobachtende –
Rekondensation von Kühlturmschwaden nicht berücksichtigt.
10.2 Aus den Ausführungen zur Agrarmeteorologie (UVP-Unterlagen S. 110) geht
hervor, dass ein Unterschied in der Globalstrahlung von 7-9% als „gering“
eingestuft wurde. Der Gutachter wird vermutlich nicht ausprobiert haben, was 9%
weniger Sonne aus einem Qualitätswein machen kann.
11. In der AVZ wird beim Schutzgut Landschaft die schwerwiegendste
Beeinträchtigung des Landschaftsbilds, nämlich die durch die über Berg und Tal
weithin sichtbaren Kühlturmschwaden, überhaupt nicht erwähnt. Wir betrachten
das als schwerwiegenden Mangel.
11.1In Ziffer 7.8 „Landschaft“, S. 124 der UVP-Unterlagen, wird eine gewisse landschaftliche
Relevanz der Kühlturmschwadens eingeräumt. Es wird auch eingeräumt, dass die Schwaden bei
bewölktem Wetter vom geübten Betrachter, bei schönem Wetter auch vom ungeübten Betrachter
als anthropogen verursacht erkennbar sind. Trotzdem werden die Schwaden nicht als
landschaftliches Fremdelement eingestuft. Das ist nicht nachvollziehbar. Ein Kühlturmschwaden,
der sich in Form, Größe, Höhe und Ausbreitung derartig massiv von natürlichen Wolkenbildungen
unterscheidet, muss als Fremdelement betrachtet werden, auch wenn er nicht aus einem
13
Festkörper besteht. Es gibt in der Region Franken kein anderes von Menschenhand geschaffenes
Objekt, das aus annähernd so weiter Entfernung wahrgenommen werden könnte wie die
Kühlturmschwaden des GKN und des EnBW-Kohlekraftwerks Heilbronn.
11.2 Das Argument, die Kühlturmschwaden der beiden Kraftwerksblöcke könnten nicht sinnvoll
auseinandergehalten werden, trifft zwar zu, ist aber kein Grund, den Gesamtschwaden nicht als
Beeinträchtigung des Landschaftsbilds zu betrachten.
11.3 Der geübte Betrachter mit Hintergrund, der weiß, dass die beiden Blöcke von GKN zusammen
88,5 Billionen Bq/a Tritium in den Neckar einleiten dürfen, kann sich vorstellen, was in den
Kühlturmschwaden an Tritium enthalten ist – eine Überlegung, die geeignet ist, die subjektive
Beeinträchtigung des ästhetischen Empfindens zu steigern.
12. Das Eigengutachten „radioökologische Bewertung des Abgabepfads Wasser“ der
EnBW versucht den Beweis zu führen, die radioaktive Belastung durch
Einleitungen des GKN sei irrelevant
-
durch Vergleich mit Immissionen aus nuklearmedizinischen Anwendungen (vgl.
Ziffer 8 dieser Stellungnahme)
-
durch Vergleich mit den Grenzwerten der Strahlenschutzverordnung.
In der AVZ wird daraus der Schluss gezogen, Maßnahmen zur Vermeidung, zur
Verminderung und zum Ausgleich seien nicht erforderlich. Diesen Schluss halten
wir für nicht berechtigt.
12.1 Der Vergleich mit der Strahlenbelastung, die der Gesetzgeber der Bevölkerung
zumuten zu können glaubt, sagt wenig über tatsächliche gesundheitlicheRisiken
aus. Da die genehmigten Einleitungsmengen für Tritium das 1000-fache
derjenigen für radioaktive Spaltstoffe und aktivierte Korrosionsprodukte betragen,
die tatsächlich eingeleiteten Mengen sogar das millionenfache davon
(Ziffer 2.3.2 „Abgegebene Aktivität“, S. 6), konzentrieren wir uns in unseren
Ausführungen zu diesem Punkt auf Tritium – obwohl andere radioaktive Isotope
wie Strontium90 möglicherweise spezifisch noch gefährlicher sein mögen: Die
allein für Block 1 genehmigte Einleitung von 1,85 x 1013 Bq/a entspricht 18,5
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Billionen radioaktive Zerfällen pro Jahr. Bei einer Halbwertszeit von 12,3 Jahren
entstehen aus dieser Menge nach gut 12 Jahren immer noch 9,25 Billionen
Zerfälle/Jahr, nach 100 Jahren werden es immer noch gut 70 Milliarden
radioaktive Zerfälle/Jahr sein. Solange GKN Block 1 in Betrieb ist, dürfen jedes
Jahr aufs Neue 18,5 Billionen dazu kommen. Jedes einzelne Tritium-Atom kann
in praktisch jedes Molekül jedes lebendigen Organismus eingebaut werden.
Jeder einzelne Zerfall kann zu einem Fehler führen, der Erbschäden, Mutationen
oder Krebs auslösen kann. Der größte Teil dieser Zerfälle wird glücklicherweise
in der relativ menschenleeren Nordsee stattfinden. Trotzdem gelangt ein Teil des
Tritiums über Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen, über Gewinnung von
Trinkwasser aus Uferfiltrat und über verschlungenere Pfade der Biosphäre wieder
zum Schutzgut Mensch. Vor diesem Hintergrund wirkt jeder Versuch, die
Belastungen herunterzurechnen, reichlich hilflos.
12.2 Abgesehen vom grundsätzlich problematischen Ansatz enthält das EnBWGutachten mehrere Unstimmigkeiten:
12.2.1: Die deutlich erhöhte Tritium-Einleitung im 3. und 4. Quartal 2003 wird mit den extrem
niedrigen Neckarabflüssen erklärt (S.14). Bezogen auf das 3. Quartal ist das sicher richtig.
Der Oktober war im Jahr 2003 jedoch der einzige Monat, in dem die Niederschläge deutlich
über dem langjährigen Mittel lagen. Entsprechend führte der Neckar im 4. Quartal 2003
ordentlich Wasser. Die im Vergleich zum 3. Quartal noch einmal auf fast 200% erhöhten
Tritium-Einleitungen müssen also einen anderen Grund haben.
12.2.2: Das im Neckar-Sediment nachgewiesene Caesium 137 wird „auf fallout- und washoutVorgänge hauptsächlich in folge des Tschernobyl-Ereignisses“ zurückgeführt (S. 17). Bei
der Expositionsberechnung in Ziffer 4.1.2 wird aber von einem Radionuklidgemisch
ausgegangen, bei dem Cs 137 30% der Gesamtaktivität ohne Tritium darstellt (S.25). Alle
anderen Isotope sind in diesem Gemisch mit einer geringeren Aktivität repräsentiert. Falls
dieses Gemisch die Zusammensetzung der Einleitung aus den GKN-Blöcken halbwegs
realistisch wiedergibt, ist es nicht statthaft, die Cs-137-Gehalte im Neckarsediment auf
Tschernobyl zu schieben. Falls das Gemisch die Einleitungen nicht zutreffend darstellt, sind
die darauf basierenden Berechnungen fehlerhaft.
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13. Äußerst erstaunlich ist es, dass die Ergebnisse der Untersuchungen der
Wirbellosenfauna im Neckar vom Beginn des Leistungsbetriebs von GKN1 bis
1994 nicht vorliegen sollen (UVP-Unterlagen S.47, Gutachten zum
Makrozoobenthon S. 2). Dieses Gutachten wurde nicht etwa von einem kleinen,
inzwischen aufgelösten privaten Büro oder von einem Privatgelehrten erstellt,
sondern von der Landesanstalt für Umweltschutz, also der obersten UmweltFachbehörde im Land, und von einem der führenden Fachleute für aquatische
Wirbellose und Gewässergütefragen im Land. Wenn ein Autor dieses Kalibers ein
Gutachten im Bereich eines der größten – und dazu noch politisch äußerst
umstrittenen – Abwärmeemittenten erstellt und dieses Gutachten nicht mehr
auffindbar ist, fällt es schwer, keine Absicht zu vermuten.
14. In Tabelle 10 „Zusammenfassung der Vitalität (der Bäume) im
Untersuchungsgebiet“, S. 65 der UVP-Unterlagen, fällt auf, dass nur im Bereich
der Flusskilometer 128-129 am rechten Ufer abgestorbene Erlen festgestellt
werden konnten. Das ist genau der Bereich direkt unterhalb der Einleitung des
erwärmten Kühlwassers. Wenn also ein Effekt dieser Einleitung auf die Vitalität
von Bäume besteht, müsste er genau an der beobachteten Stelle auftreten.
Trotzdem wird dieser Beobachtung nicht weiter nachgegangen und keine
Beeinträchtigung des Schutzguts Pflanzen durch die Kühlwassereinleitung
festgestellt. Wir betrachten das als schwerwiegenden Mangel.
Die Argumentation „Da auf der gegenüberliegenden Seite aber keine Totbäume festgestellt
wurden, kann dies nicht in den direkten Zusammenhang mit der Kühlwassereinleitung gebracht
werden“, UVP-Unterlagen Ziffer 7.5, S. 115, ist nicht nachvollziehbar. Wasserfahnen
unterschiedlicher Temperatur mischen sich sehr langsam. In der Staustufe dürften in der Regel
keine turbulenten Strömungen auftreten, die die Vermischung unterstützen würden. Daher ist
anzunehmen, dass die Warmwasserfahne aus dem GKN am rechten Ufer entlang zieht (außer
bei extremen Niedrigwasserlagen, während derer Rückströmungen auftreten) – genau dort, wo
die geschädigten Bäume beobachtet wurden.
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15. Die Unterlagen enthalten eine Reihe von kleineren Unstimmigkeiten:
15.1Nach Tab. 6, „Anteile häufiger Benthonarten an der Gesamtpopulation“,S. 49 der UVPUnterlagen, ist Corophium curvispinum die häufigste Art, Jaera istri liegt auf dem zweiten und
Ancylus fluviatilis auf dem dritten Platz. Nach Abb. 6, S. 50, sind die Plätze 1 und 3 vertauscht.
Auch die Prozentzahlen stimmen nicht überein. Möglicherweise ist dies dadurch erklärbar, dass
Abb. 6 sich auf eine einzelne Probestelle bezieht. Das müsste aber angegeben werden.
15.2Im Gutachten zum Makrozoobenthon steht auf S. 7 die seltsame Angabe, 5-6 der festgestellen
Taxa seien bedrohte Formen gemäß den Roten Listen. In Tab. 2 „Benthontaxa“ sind 5 Rote-ListeArten genannt. Die unscharfe Angabe „5-6“ wird nicht erklärt. Handelt es sich um ungenaue
Artbestimmung, um strittige Einordnung in die Rote Liste oder um strittige Beurteilung der
Eigenschaft einheimische Art?
15.3Das Gutachten zur Fischbiologie folgt partiell dem Prinzip des Lumpenbeweises, indem es
feststellt, dass strukturelle Probleme des Neckars wie fehlende Durchgängigkeit, Stauhaltungen
und fehlende kiesige Laichgründe für Winterlaicher gravierender sind als die Wärmeeinleitung.
Die genannten Probleme müssen mittelfristig gelöst bzw. entschärft werden – nicht zuletzt
aufgrund der WRRL. Teilweise gibt es dafür schon konkrete Planungen, z.B. für die Herstellung
der Durchgängigkeit von Wehren und bei IKONE-Maßnahmen. Strukturelle Probleme bedeuten
aber nicht, dass die Wärmeeinleitung die Winterlaicher nicht beeinträchtigen würde – im
Gegenteil: es kann zu Summationseffekten kommen (bei kaltem Wasser ist suboptimales
Sohlsubstrat eher zu verschmerzen).
15.4 Im Gutachten zu den abiotischen Randbedingungen steht unter Ziffer 6.2 „Abwasserwirkungen
im Wasserkörper des Neckar“, S. 23, die in Tab. 11 angegebenen Überwachungswerte lägen im
Bereich der von vielen öffentlichen Kläranlagen emittierten Restverschmutzungen. Das mag für
eine Reihe der genannten Stoffe zutreffen, aber sicher nicht für Tritium und Nuklide außer Tritium.
Es trifft auch sicher nicht zu für Hydrazin, das in einer Konzentration von immerhin 2 mg/l
eingeleitet werden darf. Hydrazin ist hochgiftig, sehr reaktionsfreudig und steht im Verdacht,
Krebs zu erzeugen. Im Bereich von Haushalt und Kleingewerbe wird es in der Regel nicht
eingesetzt, so dass kaum anzunehmen ist, dass dieser Stoff von kommunalen Kläranlagen in die
Vorfluter emittiert wird.
15.5 Im Gutachten zu den abiotischen Randbedingungen wird in Tab. 12 „Hydrochemische Messwerte
von GKN-Abwässern und Neckar“ eine Konzentration von bis zu 3400 mg/l Chlorid im
konventionellen Betriebsabwasser genannt. Dies wird weder begründet noch werden die
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Auswirkungen der Einleitungen derartiger Chlorid-Konzentrationen in den Neckar genannt. Mit der
Diskussion über die Aufkonzentrierung von Salzen bei Kreislauf- und Mischkühlung auf S. 27 hat
die Chloridkonzentration im Betriebsabwasser wohl nichts zu tun. Wir haben in den Unterlagen
keine Angaben über die Begrenzung der Chlorid-Einleitung gefunden. Wenn im Abwasser
derartig hohe Chloridkonzentrationen nachgewiesen werden wie in Tab. 12 genannt, ist es
notwendig, bei Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis die Chlorid-Konzentration zu
begrenzen.
Zusammenfassung:

Wir halten den vorliegenden Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis für nicht
genehmigungsfähig

Falls der Antrag weiterverfolgt wird, ist die UVP unter Berücksichtigung der
Ergebnisse des Scoping-Termins und der in dieser Stellungnahme vorgebrachten
Kritikpunkte gründlich zu überarbeiten

Eine aufgrund von überarbeiteten UVP-Unterlagen eventuell zu erteilende
wasserrechtliche Erlaubnis ist zeitlich zu befristen

Bei Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis sind die bei Niedrigwasser zur
Entnahme und Einleitung zugelassenen Wassermengen im Vergleich zum IstZustand deutlich zu reduzieren.

Bei Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis sind die Einleitungs-Grenzwerte
für CSB und P im Vergleich zum Ist-Zustand, für Gesamt-N im Vergleich zum
Antrag deutlich zu reduzieren.

Bei Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis sind die Einleitungs-Grenzwerte
für Radionuklide, insbesondere für Tritium, erheblich zu reduzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Gottfried May-Stürmer
Elektropost: [email protected]
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