Newsletter „Die Strafverteidiger“ Kurz vor dem Wechsel in das Neue Jahr 2008 möchten wir uns noch einmal melden. . In den letzten Wochen sind einige interessante Essays von aktiven und ehemaligen Verfassungsrichtern sowie dem Innenminister erschienen. Zudem hat nun der Bundesgerichtshof die erwartete Leitentscheidung zum § 129a StGB gefällt. Zudem haben wir noch einen kleinen Nachtrag zur Verabschiedung der TKÜ-Novelle und der Vorratsdatenspeicherung. Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein Gutes und Erfolgreiches Jahr 2008. Ihre Strafverteidiger Thomas Bliwier und Doris Dierbach Politik und Gesetzesvorhaben BVerfG gegen BMI Der Graben zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverfassungsgericht, beides gleichberechtigte Verfassungsorgane, wächst. Der konservative Verfassungsrichter Udo die Fabio hat in einer Rede in Berlin ausdrücklich davor gewarnt, auf Grund von wilden Gedankenspielen das System des Grundgesetzes grundsätzlich in Frage zu stellen. Damit zeigte er Zweifel an der These des Innenministers Schäuble, dass unsere Rechtsordnung den neuen Gefahren nicht gewachsen sein. Schäuble hingegen wiederholt seine These wieder und wieder ohne diese auch nur im Ansatz zu belegen. Er stellt fest, dass der Staat nicht in einer rechtlichen Grauzone handeln dürfe, die durch neue Entwicklungen entstanden sei. Daher müssten Voraussetzungen und gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Bedenklich wird es, als er dann das Bundesverfassungsgericht aufruft, dem Gesetzgeber dafür den nötigen Spielraum zu belassen. Die „inhaltliche Vernünftigkeit“ der Maßnahmen müsse der Gesetzgeber selber prüfen und begründen. Jedoch ist eine „inhaltliche Vernünftigkeit“ kein Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen! Auch der ehemalige Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm befürchtet, dass das Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit aus der Balance geraten ist. Er erinnert Schäuble daran, dass dem Staat nie die selben Mittel wie etwaigen Terroristen zur Verfügung stehen. Artikel 1 des Grundgesetzes, die Menschenwürdegarantie, setzt dem staatlichen Handeln absolute Grenzen. Dies ist die Grenze des Spielraums des Gesetzgebers, nicht mehr und nicht weniger prüft übrigens das Bundesverfassungsgericht. Vorratsdatenspeicherung und Reform der TKÜ Die Debatte, die der Abstimmung (09.11.2007) über die Vorratsdatenspeicherung voran ging, ist nun online als Video zu sehen. Gleich zu Beginn der Debatte beschwichtigt die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries, alle Bedenken, die gegen dieses Gesetz gerichtet sind. Die Abgeordnete Leutheusser-Schnarrenberger stellt anschließend einige Punkte sachlich richtig, die von der Ministerin oberflächlich abgewiegelt wurden. Der CDU Abgeordnete Kauder fühlt sich anschließend dazu berufen diejenigen, die Angesichts der Sicherheitsgesetzgebung von einem Überwachungsstaat sprechen, als Zündler zu beschimpfen. Weiterhin beweist er, dass auch er von einem Feindstrafrecht träumt. Denn er wolle ja nicht den gläsernen Menschen sondern nur den gläsernen Verbrecher. Dieser scheint nach seiner Ansicht weniger oder gar keine Rechte mehr zu haben. Da können wir unbescholtenen Bürger ja nur froh sein, dass man einen Verbrecher so leicht zu erkennen scheint. In Bezug auf das Bundesverfassungsgericht fordert er seine Kollegen im Bundestag auf, „nicht wie das Kaninchen vor der Schlange zu stehen“ und die Angst vor den Urteilen des Verfassungsgerichts zu überwinden. Der Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Jerzy Montag weist zu Recht darauf hin, das diese „Zündler“ des Abgeordneten Kauders in allen Bereichen der Gesellschaft zu finden sind. Neben großen Zeitungen, ehemaligen Abgeordneten der Regierungsparteien, Verfassungsrichter gehören auch Bundesrechtsanwaltskammer, und Rechtswissenschaftlern dazu. Über das traurige Ergebnis der Abstimmung berichteten wir bereits im letzten Newsletter. Nicht alles Terror Am 28.11.2007 hatte der Bundesgerichtshof über die Haftbeschwerde dreier mutmaßlicher Mitglieder der „millitanten gruppe“ zu entscheiden. Die Männer wurden bei dem Versuch, Bundeswehrautos anzuzünden, festgenommen und wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung (§129a StGB) inhaftiert. Der Bundesgerichtshof hat die Haftbefehle unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, da der bestehenden Fluchtgefahr wirksam mit Auflagen begegnet werden könne. Entscheidend an dem Urteil ist jedoch die Auslegung des § 129a StGB. Systematische Gründe und der offensichtliche Wille des Gesetzgebers würden eine sehr restriktive Auslegung des Paragraphen erfordern. Die Vereinigung im Sinne des §129a müsse zum einen den subjektiven Willen zur Schädigung des Staates haben und zum anderen müssten auch gerade die von ihr begangenen Taten objektiv dazu geeignet sein. Der Senat musste demnach prüfen, ob die Taten der „militanten gruppe“ wirklich dazu geeignet waren den Staat erheblich zu schädigen. Dies hat der Bundesgerichtshof verneint. „Plakative“ Taten die nur einen „propagandistischen Effekt“ haben sind nicht zur erheblichen Schädigung geeignet. Die Bundesanwaltschaft kann nun weiter wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermitteln, der unsägliche Terror-Vorwurf sollte damit aber erst einmal vom Tisch sein. Und es war eben dieser Vorwurf der im Vorfeld des G-8-Gipfels unzählige Durchsuchungen, Überwachungen und auch mindestens einen „großen Lauschangriff“sowie die Kriminalisierung der Protest-Szene ermöglicht hatte. Völkerstrafgesetzbuch Im Oktober fand vor dem Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe eine Anhörung von Sachverständigen zur Umsetzung des Völkerstrafrechts in Deutschland statt. Wir hatten über das Völkerstrafgesetz im Zusammenhang mit den Anzeigen gegen Rumsfeld mehrfach geschrieben. Die Anhörung ist schriftlich oder als Video auf den Seiten des Bundestags zu finden. Inhaltlich sehr informativ berichten Wissenschaftler und Praktiker über die Umsetzung. Unter anderem berichtet auch der RAV Vorsitzende Wolfgang Kaleck. Sonstiges Ehrung für den anwaltlichen Notdienst Während des G-8-Gipfels hat der RAV einen anwaltlichen Notdienst eingerichtet. Dieser wurde nun von der Internationalen Liga für Menschenrechte mit der Carl von Ossietzky Medaille ausgezeichnet. Die Medaille wird jedes Jahr für Verdienste für die Menschenrechte verliehen. Sie ist dem Nobelpreis-Träger und Publizisten Carl von Ossietzky gewidmet, der als überzeugter Demokrat und Pazifist 1933 von der Gestapo verhaftet wurde und 1938 an den Folgen von Misshandlungen verstarb. Seminare Im Januar (25.01.2008) veranstaltet der RAV ein Seminar zum Polizei- und Freiheitsentziehungsrecht in Berlin. Am 08./09.02.2008 finden zwei Seminare zum Aufenthaltsrecht statt. Details entnehmen Sie bitte dem Halbjahresprogramm bis März 2008. Ausnahmezustand Während des Ausnahmezustands in Pakistan vom 03. November bis zum 15. Dezember wurden zahlreiche Oppositionelle und Anwälte verhaftet. Der DAV erklärte sich mit den Verhafteten solidarisch. Doch auch vor dem Ausnahmezustand wurden regelmäßig Oppositionelle festgenommen. Amnesty International bittet um Appellbriefe an die pakistanischen Behörden, da noch mindestens 485 Personen „verschwunden“ sind. Über ihren Verbleib ist soweit nichts bekannt und es besteht die dringende Gefahr, dass die „Verschwundenen“ gefoltert oder gar getötet werden.