Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) Community of Protestant Churches in Europe (CPCE) Communion d’Eglises Protestantes en Europe (CEPE) – Leuenberger Kirchengemeinschaft/Leuenberg Church Fellowship/Communion ecclésiale de Leuenberg – GEKE-EUROPA-INFO aus BRÜSSEL Nr 4/2005, Dezember 2005 Kontakt: Pfarrer Dr. Dieter Heidtmann, 174 Rue Joseph II, B-1000 Bruxelles T: ++32-2-230.17.32 ; F: ++32-2-231.14.13; E: [email protected] Inhalt: Kirchenvertreter treffen österreichische Ratspräsidentschaft - Streit um die Kirchen im EU-Parlament - Plan „D“ - biotechnologische Patente - religiöse Fragen im Europarat - gemeinsame Vision für ein soziales Europa - 50 Jahre Europa-Fahne -Abhauen oder bleiben? - Hoffnungen für 2006. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, etwas später als geplant erhalten Sie hier das neue GEKE-Europa-Info. Der Grund ist, dass ich Sie noch aktuell über die Ergebnisse der Gespräche mit der österreichischen Ratspräsidentschaft informieren wollte, die am 14. Dezember in Wien stattgefunden haben. Kirchenvertreter treffen österreichische Ratspräsidentschaft Am 14. Dezember haben Vertreter der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der Kommission der Bischofskonferenzen in der EU (COMECE) zusammen mit Vertretern des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) die österreichische Außenministerin Dr. Ursula Plassnik getroffen, um über die Planungen der österreichischen Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr 2006 zu sprechen. Schwerpunkte des Gesprächs waren die Südosteuropa-Politik der EU, die weitere Entwicklung der Europäischen Union und Migrationsfragen. Der evang. Bischof Sturm überreichte in seiner Eigenschaft als neuer Vorsitzender des ÖRKÖ eine Grußadresse der Kirchen. Darin erläutern die Kirchen unter anderem, warum sie die EU als „einmaliges Friedensprojekt“ sehen. Die Vertreter der Kirchen betonten in dem Gespräch, wie wichtig die Perspektive einer EU-Mitgliedschaft zur Lösung der politische Konflikte auf dem Balkan sei. Sie verwiesen auf die vielfältige Versöhnungsarbeit der Kirchen in diesem Bereich. Hinsichtlich der Perspektiven für den EU-Verfassungsvertrag warnte die österreichische Außenministerin vor zu hohen Erwartungen, sagte aber zugleich zu, dass sich die österreichische Ratspräsidentschaft um eine „Choreographie der nächsten Schritte“ bemühen werde. Angesichts der eklatanten Menschenrechtsverletzungen an der EU-Außengrenze in den spanischen Enklaven Ceuta und Melilla im Herbst 2005 setzten sich die Kirchenvertreter mit Nachdruck dafür ein, dass die EU Menschenwürde und Menschenrechte in all ihren Handlungen in diesem Bereich zu beachten habe. Die gegenwärtigen Gesetzesvorschläge zur Annahme restriktiverer Politiken stellten keine nachhaltige, menschliche Lösung dar. Insbesondere für Flüchtlinge werde es fast unmöglich, den notwendigen internationalen Schutz zu finden. Die Kirchen regten an, vor dem geplanten Lateinamerika-Gipfel in Wien im kommenden Jahr eine gemeinsame Konsultation mit Vertretern der Kirchen und Nichtregierungsorganisationen durchzuführen. http://www.evang1.at/index.php?id=1278&backPID=68&tt_news=412 http://www.cec-kek.org/English/CeutaMelillaFINAL.doc http://www.cec-kek.org/English/CommonprinciplesonremovalD.pdf Streit um den Dialog mit den Kirchen im EU-Parlament Anlässlich eines Treffens mit religiösen Führern hatte EU-Kommissionspräsident Barroso im Sommer 2005 erklärt, dass die EU-Kommission den Dialog mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften unabhängig von der Ratifizierung des Verfassungsvertrags umsetzen wolle (vgl. GEKE-EUROPA-INFO 3-05). Damit bestätigte Barroso die bestehende Zusammenarbeit mit den Kirchen auf verschiedenen Arbeitsebenen. Im Anschluss an dieses Treffen mit dem Kommissionspräsidenten hat das EU-Parlament -2- am 5. September über den Dialog mit den Kirchen und den weltanschaulichen Organisationen debattiert. Von einem Teil der Abgeordneten wurde der Kommission vorgeworfen, hinter verschlossenen Türen mit den Kirchen Vereinbarungen zu treffen, die das Gebot der politischen Neutralität der Kommission verletzten und nicht-religiöse Organisationen der Zivilgesellschaft diskriminierten. Auffallend an dieser Debatte ist, dass sie fast ausschließlich zwischen Vertreterinnen/Vertretern des Laizismus und der katholischen Kirche geführt wird. So wird zum Teil in der Debatte nur noch über „die Kirche“ und nicht mehr von „den Kirchen“ gesprochen. Daraus entwickelt sich eine wechselseitige Dynamik zwischen Vertretern der katholischen Kirche einerseits und den Propagandisten der Laizität andererseits, die die Existenz anderer Konfessionen ausblendet und den konstruktiven Beitrag der Kirchen für die europäischen Gesellschaften nicht mehr wahrnimmt. Es ist eine sehr kleine Minderheit im Parlament, die diese Debatte bestimmt (bei der Debatte am 5. September waren ca. 25 der 732 Abgeordneten anwesend), aber diese prägen die öffentliche Wahrnehmung. Dokumente: http://lkg.jalb.de/lkg/documents/lkg_doc_de_537.pdf http://www.cec-kek.org/content/pr-cq0536e.shtml http://www.europarl.eu.int/omk/sipade3?PUBREF=-//EP//TEXT+CRE+20050905+ITEM020+DOC+XML+V0//DE&LEVEL=3&NAV=S&L=DE Plan „D“ für „Demokratie, Dialog und Debatten“ Am 13. Oktober 2005 hat die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, ihren „Plan D“ für mehr „Demokratie, Dialog und Debatten“ vorgestellt. Sie ruft die Mitgliedstaaten dazu auf, breite öffentliche Debatten über die Zukunft Europas anzustoßen. Der „Plan D“ soll das Vertrauen der Bürger zum europäischen Projekt wiederherstellen, indem ihnen auf sowohl nationaler als auch lokaler Ebene mehr zugehört wird und sie stärker in Diskussionen eingebunden werden. Ziel der Kommission ist eine bessere Vermittlung der EU-Politik gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Eine Stärkung der Partizipation der Bürgerinnen und Bürger und damit eine Demokratisierung der europäischen Institutionen ist dabei nicht vorgesehen. Plan „D“ richtet sich ausdrücklich an die „Zivilgesellschaft“, Arbeitgeber und Arbeitnehmer (die „Sozialpartner“), „nationale Parlamente und politische Parteien“. Die Kirchen werden nicht erwähnt. http://europa.eu.int/comm/commission_barroso/wallstrom/pdf/communication_planD_en.pdf Patente für biotechnologische Erfindungen In einer Entschließung hat das Europäische Parlament am 27.102005 Stellung genommen zur Patentierung biotechnologischer Erfindungen. Die Biotechnologie sei eine der wichtigsten Zukunftstechnologien für Europa. Patente seien notwendig, um Innovation zu fördern. Allerdings existierten im Bereich der Biotechnologie "einige besondere Probleme". Das allgemeine Patentrecht müsse daher spezifiziert werden. In der Biotechnologie habe die Festlegung von Beschränkungen aus ethischen Gründen besondere Bedeutung. Die Abgeordneten anerkennen die Bedeutung der Biotechnologie und verlangen einen geeigneten politischen Rahmen zur ihrer Förderung, der auch ethischen, ökologischen und gesundheitlichen Aspekten Rechnung trage. Die Patentierung biotechnologischer Erfindungen im Einklang mit europaweit geltenden gemeinsamen Bestimmungen sei eine wichtige Voraussetzung dafür, diese Zukunftstechnologie in Europa angemessen zu fördern. Das Parlament bekräftigt allerdings erneut, "dass keine Forschungsinteressen über die Würde des menschlichen Lebens gestellt werden dürfen". Zwar werden Stammzellenforschung und andere Alternativen zur Förderung der menschlichen Gesundheit befürwortet, Eingriffe in die menschliche Keimbahn, das Klonen von Menschen in allen Phasen ihrer Entwicklung sowie Forschung an menschlichen Embryonen, die die Embryonen zerstört, werden abgelehnt. http://www.europarl.eu.int/news/expert/infopress_page/052-1721-299-10-43-909-20051021IPR0169826-10-2005-2005--false/default_de.htm …/3 -3- Religiöse Fragen im Europarat Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat sich in ihrer Herbstsitzung vom 3. bis 7. Oktober besorgt über die Verletzung von Frauenrechten im Namen der Religion geäußert. Im Rahmen der Debatte erklärte Asma Jahangir, UN-Sonderberichterstatterin für Religions- und Glaubensfreiheit, Religionsfreiheit dürfe nicht als Vorwand zur Rechtfertigung von Verstößen gegen die Rechte von Frauen akzeptiert werden. In einer Entschliessung forderte die parlamentarische Versammlung, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um Phänomene wie die so genannten Ehrenmorde an Frauen oder Zwangsehen zu unterbinden. Der Steuerungsausschuss des Europarates für Bildungsfragen hat sich bei seiner Sitzung vom 17.-19. Oktober mit dem Projekt „Die neue Herausforderung interkultureller Erziehung: religiöse Verschiedenheit und Dialog in Europa“ befasst. Ziel des Projekts ist u.a. die Herausgabe eines Methoden-Handbuchs für Lehrerinnen und Lehrer, das im Jahr 2006 veröffentlicht werden soll. http://assembly.coe.int/ASP/GNews/EMB_NewsView.asp?ID=904 http://www.coe.int/t/e/cultural%5Fco%2Doperation/education/Intercultural%5Feducation/ Kirchen fordern gemeinsame Vision für ein soziales Europa Bei der Konferenz „Eine gemeinsame Vision für ein soziales Europa: „Unterwegs zu einer Lebensqualität für alle“ haben sich 60 Vertreterinnen und Vertreter der europäischer Kirchen und diakonischer Organisationen am 24. November 2005 für eine stärkere Solidarität der europäischen Gesellschaften mit den Verletzlichen und den Schwachen, den Ausgeschlossenen und den Randgruppen ausgesprochen. „Sozialpolitik ist ein Hauptelement europäischer Identität. Sozialpolitik darf kein Anhang anderer Bereiche in der Politik sein, sondern muss vielmehr als ein integraler Teil aller Politikbereiche angesehen werden. Das ist die Voraussetzung für eine zukunftsfähige Entwicklung in Europa, die Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik im Gleichgewicht hält. ...Die Kirchen und die Diakonie stärken in ihrer Fürsprecher-Funktion die Stimme der Marginalisierten und haben die Aufgabe, auf Defizite in den Sozialsystemen aufmerksam zu machen. Eine Wirtschaft wird nur dann vollständig verstanden, wenn sie vom Blickwinkel der Verletzlichen und Benachteiligten gesehen wird.“ Erzbischof Hammar (Kirche von Schweden) erklärte zum Auftakt der Konferenz: „Die christliche Vision eines sozialen Europas ist eine radikale (im wahrsten Sinne des Wortes), im Aufspüren der Wurzeln unserer sozialen Betätigung. Spiritualität und Solidarität gehören zusammen: Nach christlichem Verständnis begründet sich die menschliche Würde nicht auf Produktivität und wirtschaftlichem Beitrag, sondern ist vielmehr ein inneres Gut des Menschen, der, nach Gottes Plan geschaffen, in Beziehungen leben soll (Gen. 1, 27). Als Kirchen müssen wir über den Vergleich und den Wettbewerb, den Wettlauf um Gewinnen und Verlieren in der wirtschaftlichen Welt, hinaus betonen, was uns als menschliche Wesen vereint; den elementaren Wert, der uns gegeben ist und nicht in Wettbewerb gewonnen wird, das gemeinsame Streben nach Frieden und Gerechtigkeit, die unsere einzige Sicherheit ist, ebenso wie die Bereitschaft zu teilen, um zusammen zu wachsen.“ http://www.cec-kek.org/pdf/socialconferencefinal.htm 50 Jahre Europa-Fahne Am 16. November haben hochrangige Vertreter des Europarates, der Präsident des europäischen Parlaments und der Präsident der EU-Kommission in einer Zeremonie das 50-jährige Bestehen der Fahne gefeiert.Nach offizieller Auslegung symbolisiert der Kreis der zwölf goldenen Sterne vor einem blauen Hintergrund die Völker Europas mit einem Kreis, der die Einheit darstellt. Nicht erwähnt wird in den zur weltanschaulichen Neutralität verpflichteten offiziellen Darstellungen, dass die Europafahne ursprünglich ein biblisches Symbol darstellt. Offenbarung 12,1 berichtet: „Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.“ http://www.coe.int/t/d/com/dossiers/Events/2005-12-Flagge Abhauen oder bleiben? Europäische Tagung zur Jugendarbeit Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland (aej) veranstaltet vom 2.-4.5.2006 im Ev. Tagungszentrum Bad Alexandersbad/Fichtelgebirge (Bayern) eine europäische Konsultation zur …/4 -4- Lebenssituation junger Menschen in wirtschaftlich benachteiligten Räumen. Ziel der Tagung ist der Austausch über Projekte, die sich dem Thema in der praktischen Arbeit stellen und die Entwicklung neuer Ideen zur Rolle der christlichen Jugendarbeit in diesem Bereich. Nähere Informationen zur Teilnahme bei Martin Strecker, aej: [email protected]. Hoffnungen für 2006 Das Jahr 2005 war in Europa geprägt durch die Ablehnung des EU-Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden und die sich anschließende selbstverordnete „Denkpause“ in den EU-Institutionen. Speziell nach der Arbeitsverweigerung der britischen Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte bleibt festzustellen, dass die EU in den vergangenen Monaten eher durch die Pause als durch das Denken geprägt wurde. Bleibt die Hoffnung, dass 2006 für das politische Europa ein besseres Jahr wird, damit es auch für die Menschen in Europa ein gutes Jahr werden kann. Ich wünsche Ihnen allen gesegnete Weihnachten. Dieter Heidtmann Zur „Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa“ (GEKE) haben sich 104 protestantische Kirchen in Europa (darunter fünf südamerikanische Kirchen, die sich aus früheren Einwandererkirchen entwickelt haben) zusammengeschlossen. Lutherische, reformierte, unierte, methodistische und hussitische Kirchen gewähren einander durch ihre Zustimmung zur Leuenberger Konkordie von 1973 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Präsidium: Prof. Elisabeth Parmentier, Straßburg; Prof. Michael Beintker, Münster; Ratspräsident Pfr. Thomas Wipf, Bern Leiter des Sekretariats: Präsident Dr.Dr.h.c. Wilhelm Hüffmeier Pressesprecher: OKR Udo Hahn, [email protected] Sekretariat: Jebensstr. 3, D-10623 Berlin Tel.: + 49-30-31001-317 Fax: -200 [email protected] www.leuenberg.net Wenn Sie das GEKE-Europa-Info regelmäßig erhalten wollen, schicken Sie bitte ein eMail an [email protected]. Wenn Sie das GEKE-Europa-Info nicht mehr erhalten wollen, schicken Sie bitte ebenfalls ein eMail an [email protected].