K1.Aufg.2 L

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Lutz Michalski „Einführende Übungen zum Zivilrecht Teil I“
Lösung zu Fall 2
Fallfrage: Kann A von B Schadensersatz verlangen?
Anspruchsgrundlage: §§ 662, 283, 280 Abs. 1
1. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 283, 280 Abs. 1 ist zunächst, daß hier
zwischen A und B ein Auftragsvertrag gem. § 662 zustande gekommen, d.h. eine Einigung
dahingehende, daß B für A einen Auftrag erfüllt, nämlich die Lottoscheine des A zur Annahmestelle
bringt.
a) Angebot des :A:
- Parteien: A und B
- Leistung des B:
Abgabe des Lottoscheins als Auftrag:
- die Verpflichtung des B war auf eine Tätigkeit gerichtet (bloßes Unterlassen, Dulden usw. genügt
nicht)
- die Tätigkeit des B lag im fremden, nämlich A´s Interesse
- Gegenleistung des A: keine, da Auftrag unentgeltlich durchgeführt wird
Angebot läge aber nur vor, wenn A mit Rechtsbindungswillen gehandelt hätte, da das Angebot eine
WE ist. Diese ist definiert als Äußerung eines Rechtsfolgewillen.
[Anm.: Für die Lösung des Falles ist es notwendig, den Tatbestand einer fehlerfreien WE vor Augen zu
haben:
Erklärung = die äußere oder objektive Seite der WE; jedes äußere Verhalten, das den Schluß auf einen
bestimmten Geschäftswillen zuläßt, besteht aus:
Wille = innere Seite der WE
Handlungswille: Verhalten muß vom Willen gesteuert sein
Erklärungbewußtsein: der Erklärende muß sich des rechtsgeschäftlichen Charakters seiner Erklärung
bewußt sein (aktuelles Erklärungsbewußtsein) oder Rechtsverkehr muß aus dem Verhalten auf
Rechtsbindungswillen schließen, was der Handelnde fahrlässig nicht erkennt (potentielles
Erklärungsbewußtsein); allgemeiner Rechtsbindungswille
Geschäftswille: Wille, bestimmte Rechtsfolgen durch Erklärung herbeizuführen (= konkretisierter
Rechtsbindungswille)
Erklärung und Wille sind zwar etwas Verschiedenes, zwischen ihnen besteht aber ein enger
Zusammenhang, was bei einer fehlerfreien WE deutlich wird. Die Erklärung bringt genau den
wirklichen Willen zum Ausdruck.
Ein Geschäftswille ist also darauf gerichtet, konkrete Rechtsfolgen herbeizuführen, d.h. der Erklärende
muß auch den Willen haben, die tatsächlich zugesagten Leistungen als rechtsverbindliche zu wollen.
Für eine WE ist deshalb ein Rechtsbindungswille erforderlich. Dieser ist nichts Zusätzliches, sondern
lediglich ein Aspekt des Geschäftswillens. Es gibt keinen Geschäftswillen, ohne daß nicht gleichzeitig
ein Rechtsbindungswille vorliegt; umgekehrt gibt es allerdings beim nur potentiellen
Erklärungsbewußtsein (anders dagegen beim aktuellen Erklärungsbewußtsein) keinen
Rechtsbindungswillen ohne Geschäftswillen. Der Begriff des Rechtsbindungswillens soll die Prüfung
der WE erleichtern, falls Zweifel bestehen, ob der Erklärende sich wirklich verpflichten will.]
Der Rechtsbindungswille fehlt u.a.:
(1) wenn der Erklärende das Rechtsgeschäft nur vorbereiten will
Bsp.: invitatio ad offerendum
(2) wenn der Erklärende wegen einer Notsituation lediglich an eine tatsächliche Hilfe und nicht an
irgendwelche rechtlichen Konsequenzen denkt
Bsp.: Hilferufe eines Ertrinkenden
(3) wenn die Parteien wissen, daß eine von ihnen abgegebene Erklärung nur bei Beachtung bestimmter
Formen wirksam ist, und sie bewußt von der Einhaltung dieser Form absehen, so ist dies ein allerdings
widerlegbares Indiz für das Fehlen des Rechtsbindungswillens
Bsp.: entgegen § 311 b Abs. 1 S. 1 mündlich geschlossener Grundstückskaufvertrag
(4) wenn lediglich eine Gefälligkeit im gesellschaftlichen, familiären oder ähnlichen Bereich erbracht
wird, so fehlt der Rechtsbindungswille
Hier geht es um die letzte Fallgruppe:
Wollte A ein rechtlich verbindliches Angebot abgeben oder im Gegensatz dazu den B nur um eine
rechtlich unverbindliche Gefälligkeit bitten?
Entscheidend sind jeweils die Umstände des einzelnen Falles:
- Art der Tätigkeit sowie ihr Grund und Zweck; wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Tätigkeit,
insbesondere für den Empfänger; die Umstände, unter denen sie erwiesen wird und die dabei
entstehende Interessenlage der Parteien
- der Wert einer anvertrauten Sache oder die wirtschaftliche Bedeutung einer
Angelegenheit
- das erkennbare Interesse des Begünstigten und die Gefahr, in die er durch eine fehlerhafte Leistung
geraten kann; hat der Leistende selbst ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der dem
Begünstigten gewährten Hilfe, so spricht dies idR für einen Rechtsbindungswillen desjenigen, der tätig
wird; erforderlich ist somit eine
 Abwägung
für Rechtsbindungswillen des A:
begeisterter Lottospielen
kann Millionen gewinnen
gegen Rechtsbindungswillen des A:
waren Freunde
A war in Zeitnot
hatte Abgabe selber vergessen
Die von Ihnen vorzunehmende Abwägung kann verschieden ausfallen; wenn der Rechtsbindungswille
des A bejaht wird und damit ein Angebot vorliegt:
weitere Prüfung:
b) Annahme durch B: Problem beim Rechtsbindungswillen wie oben
für Rechtsbindungswille des B: - nichts ersichtlich
gegen Rechtsbindungswille des B:
- waren Freunde
- B muß Millionen als Schadensersatz zahlen, wenn er „schlampt“
hier liegt wohl kein Rechtsbindungswille des B vor; damit wollte er keine Annahme erklären,
sondern B eine Gefälligkeit erweisen
Ergebnis: Kein Schadensersatzanspruch, weil
entweder kein rechtlich verbindliches Angebot des A oder aber
auf jeden Fall keine Annahme des B vorlag
(Anm.: Sie müssen sich in Ihrer Lösung für eine Alternative entscheiden).
Lutz Michalski „Einführende Übungen zum Zivilrecht Teil I“
Lösung zu Fall 5
Fallfrage: Kann M von V Unterlassung dieser Vermietung verlangen?
Anspruchsgrundlage: § 5 des Mietvertrages
Dann müßte ein Mietvertrag zustande gekommen sein.
1. Eine Einigung (Angebot und Annahme) über den notwendigen Inhalt eines Mietvertrages und zwar
Mietparteien,
Mietsache,
Mietpreis und
Mietdauer (evtl.)
ist anzunehmen, da der Sachverhalt insoweit nichts Gegenteiliges aussagt.
Anscheinend hat M aber doch verlangt, daß auch noch eine Einigung über einen Schutz vor Konkurrenten
getroffen wird. Eine solche Vereinbarung ist im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich und durchaus üblich. Denn in
einem Vertrag können auch zusätzliche, über den Mindestinhalt hinausgehende Vereinbarungen getroffen
werden (vgl. dazu § 154).
Eine Einigung ist hier in § 5 des Vertrages erfolgt. Danach darf V nicht an eine andere Metzgerei vermieten.
Nicht ausführlich geregelt worden ist damit allerdings, ob V auch an einen Feinkostladen nicht vermieten darf.
Diese Frage ist aber nicht für das Zustandekommen des Vertrages zu prüfen. Dafür ist ausreichend, daß die
Parteien über die einzelnen Punkte im wesentlichen einig sind. Bei der Durchführung eines Vertrages treten aber
oft strittige Punkte auf, die vorher nicht genau bedacht wurden.
Welchen Anwendungsbereich die hier zu prüfende Klausel hat, ist eine später zu prüfende Frage der Auslegung!
Somit ist ein Vertrag zustande gekommen.
2. Für einen Unterlassungsanspruch des M aus § 5 des Vertrages ist Voraussetzung, daß ein Feinkostgeschäft ein
„Unternehmen der gleichen Branche“ ist. Das ist eine Frage der Auslegung des geschlossenen Vertrages. Sie richtet
sich nach den §§ 133, 157.
[Anm.: Die Grundsätze der Vertragsauslegung gem. §§ 133, 157 lauten
1. Läßt sich ein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien feststellen, so gilt dieser, selbst wenn der
Vertragstext anders lautet (natürliche Vertragsauslegung, „falsa demonstratio non nocet“).
2. Im übrigen erfolgt eine normative Auslegung. Grundlage ist der Wortlaut der Einigung.
a) Was haben die Parteien mit diesem Wortlaut zum Ausdruck bringen wollen?
Abzustellen ist auf die erkennbaren Vorstellungen und Interessen der beteiligten Parteien. Ist ein Klausel gerade im
Interesse einer Partei vereinbart worden, so kommt es auf den Empfängerhorizont dieser Partei an.
b) Danach sind Treu und Glauben und die Verkehrssitte zu berücksichtigen, § 157.
c) Bedeutsamer Auslegungsmaßstab ist Sinn und Zweck des jeweiligen Vertrages.]
Hier läßt sich ein übereinstimmender wirklicher Wille nicht feststellen. Es ist also vom Vertragstext auszugehen.
Entscheidend ist, ob ein Feinkostgeschäft ein „Unternehmen der gleichen Branche“ ist.
Die Parteien haben nicht von „Metzgerei“ gesprochen, sondern einen weiteren Begriff gewählt. Das läßt darauf
schließen, daß die Überschneidung des Sortiments ausschlaggebend sein sollte. Daß diese Auslegung richtig ist,
ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des Vertrages: Bei einem Mietvertrag über gewerbliche Räume soll der
Mieter den Mietzins aus seinen Einnahmen bezahlen. Somit hat auch der Vermieter ein Interesse daran, daß sein
Mieter genügend Einnahmen erzielt. Ein Feinkostgeschäft, dessen Sortiment sich mit dem des M überschneidet,
würde zu Einnahmenminderungen des M führen und damit den Vertragszweck gefährden.
§ 5 des Vertrages ist deshalb so auszulegen, daß V nicht an andere Personen oder Firmen vermieten darf, die in nicht
unerheblichem Maße gleiche oder ähnliche Artikel wie M führen. Dies ist aber bei einem Feinkostgeschäft mit
Wursttheke der Fall.
Ergebnis: M kann von V Unterlassung verlangen.
Lutz Michalski „Einführende Übungen zum Zivilrecht Teil I“
Lösung zu Fall 15
Fallfrage: Kann V von K Bezahlung verlangen?
Anspruchsgrundlage: § 433 Abs. 2
1. Angebot des K
a) Da die ausliegende Liste nur ein „invitatio ad offerendum“ darstellt, könnte die von A vorgenommene
Eintragung in die Liste das Angebot sein. Der äußere Tatbestand einer WE liegt hier vor: Parteien,
Leistung und Gegenleistung liegen fest, wie sich aus dem Formular, das K unterschrieben hat, deutlich
ergibt.
b) Fraglich ist aber, ob überhaupt eine wirksame WE vorliegt. Dafür ist zusätzlich ein innerer
Tatbestand erforderlich.
Im Normalfall der fehlerfreien WE stimmt der innere Tatbestand mit dem Willen überein
(Geschäftswille), der im äußeren Tatbestand zum Ausdruck kommt. K hatte hier keinen
Verpflichtungswillen. Er wollte keine auf die Herbeiführung einer Verpflichtung gerichtete Erklärung
abgeben.
Hier liegt eine fehlerhafte WE vor, bei der Wille und Erklärung unbewußt auseinanderfallen. Das
Gesetz regelt nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ungültigkeit einer WE herbeigeführt
werden kann, vgl. §§ 119 ff. Es regelt nicht, unter welchen Voraussetzungen trotz eines solchen
Fehlers eine WE überhaupt vorliegt. Diese Frage ist umstritten.
Methodik:
Der bei der fehlerfreien WE den inneren Tatbestand bildende Wille wird in seine einzelnen Element
aufgespalten, nämlich Handlungswille , Erklärungsbewußtsein und Geschäftswille. Anschließend
wir die Bedeutung der einzelnen Elemente untersucht und ein „Mindesttatbestand“ herausgearbeitet,
der erforderlich, aber auch ausreichend ist, um eine, wenn auch fehlerhafte WE anzunehmen.
aa) Zunächst besteht weitgehend Übereinstimmung, daß ein Handlungsbewußtsein des Erklärenden
erforderlich ist. Eine WE liegt nicht vor, wenn derjenige, der einen äußeren Erklärungstatbestand
veranlaßt, überhaupt nicht weiß, daß er handelt, oder zu der Handlung gezwungen wird („vis absoluta“).
Bsp.: Nickende Bewegung eines schlafenden Gastes wir vom Kellner auf seine entsprechende Frage als
Bierbestellung aufgefaßt.
K hatte hier Handlungswillen, da er die Unterschrift willentlich leistete. Nach einer Mindermeinung
genügt für den Mindesttatbestand einer WE der Handlungswille.
bb) Die frühere h.M. verlangte zusätzlich zum Handlungswillen das Vorliegen eines
Erklärungsbewußtseins, d.h. das Bewußtsein, überhaupt eine rechtsgeschäftliche Erklärung
abzugeben.
Bsp.: Handaufheben während einer Versteigerung, um einen Bekannten zu grüßen wird nicht als Gebot
angesehen, wenn Handelnder von der Versteigerung nichts wußte (kein Erklärungsbewußtsein!)
(Benennung zur Unterscheidung von der Gegenmeinung: Lehre vom aktuellen
Erklärungsbewußtsein)
Die Gegenmeinung verlangt demgegenüber zusätzlich zum Handlungswillen nur noch, daß der
Handelnde die mögliche Deutung seines Verhaltens als WE bei Anwendung pflichtgemäßer
Sorgfalt hätte erkennen können.
(Benennung: Lehre vom potentiellen Erklärungsbewußtsein)
Bsp.: Handaufheben, während erkennbar eine Versteigerung abläuft, um Bekannten zu grüßen.
(Potentielles Erklärungsbewußtsein liegt vor!)
Der Vollständigkeit halber:
cc) Weiterhin gehört zum Tatbestand der fehlerfreien WE noch der Geschäftswille, d.h. die auf einen
bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichtete Absicht.
(geht über den Mindesttatbestand bzgl. des Vorliegens einer WE hinaus!)
Hier soll der inzwischen auch vom BGH vertretenen Meinung gefolgt werden, wonach zum
Mindesttatbestand für das Vorliegen einer WE neben dem Handlungsbewußtsein (nur) noch ein
potentielles Erklärungsbewußtsein erforderlich ist, d.h. daß der Handelnde bei pflichtgemäßer
Sorgfalt hätte erkennen können, daß sein Verhalten im Rechtsverkehr als WE gedeutet wird, da
billigerweise das Risiko eines Mißverständnisses bei irreführenden Willensäußerungen vom Absender
getragen werden muß.
Danach hätte K bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt, nämlich beim Durchlesen des
Schriftstücks, erkennen können, daß er eine Bestellung und keine Anwesenheitsliste unterschrieb. Eine
WE des K liegt also vor, wenn auch keine fehlerfreie.
2. Annahme des (fehlerhaften) Angebots durch V ist gegeben.
K müßte also den Kaufpreis zahlen, wenn er die WE (sein Angebot) nicht durch Anfechtung beseitigen
kann.
3. Anfechtung nach § 119 Abs. 1, 2. Alt.
a) Dann müßte K einen Anfechtungsgrund haben, § 119 Abs. 1, 2. Alt. Ein solcher Erklärungsirrtum
liegt hier vor. K wollte überhaupt keine Bestellung abgeben, sondern sich in seine Anwesenheitsliste
eintragen. Dieser Irrtum war auch wesentlich (§ 119 Abs. 1, 2. Hs.).
b) Erforderlich ist weiterhin eine Anfechtungserklärung des K, § 143 Abs. 1, und zwar gegenüber dem
Anfechtungsgegner.
c) Anfechtungsgegner bei einem Vertrag ist gem. § 143 Abs. 2 der andere Teil, hier also der V.
d) Eine Anfechtungsfrist statuiert § 121. Die Anfechtung muß unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes
Zögern erfolgen.
4. Wirkung der Anfechtung: § 142 Abs. 1; das Rechtsgeschäft, hier das Angebot des K, ist also von
Anfang an nichtig anzusehen.
Das bedeutet: Wenn K anficht, ist kein Angebot seinerseits mehr vorhanden, der Kaufvertrag also
mangels zweier wirksamer WEen nicht geschlossen. K muß den Kaufpreis nicht bezahlen.
aber: § 122 BGB greift ein: K muß Schadensersatz leisten; Umfang: negatives Interesse, d.h. K muß V
so stellen, wie er stehen würde, wenn er nie etwas von einem „Angebot“ des K gehört hätte.
Olaf Werner „Fälle mit Lösungen für Anfänger im Bürgerlichen Recht“
Lösung zum 1. Fall: Der schweigende Junggeselle
1. Anspruchsgrundlage für das Zahlungs- und Abnahmeverlangen des V ist § 433 II BGB.
1. Voraussetzung für den Anspruch des V gegen J ist ein zwischen ihnen abgeschlossener Kaufvertrag i.
S. des § 433 BGB, worin sich J verpflichtet haben müßte, die von V angebotenen Kochbücher
abzunehmen und dafür 480,- € an V zu bezahlen. Ein Kaufvertrag wird wie jeder Vertrag nach den
allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB durch Angebot eines der Partner und Annahme dieses
Angebotes durch den anderen geschlossen.
a) Das Angebot (die Offerte) zu einem Vertrag ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die
sich eine Person gegenüber einer anderen zum Abschluß eines bestimmten Vertrages bereit erklärt und
sie an diese Erklärung gebunden ist, sobald dieses Angebot den Adressaten als gewollten
Vertragspartner zugeht (rechtliche Bindung). Sie erklärt verbindlich eine bestimmte Leistung erbringen
zu wollen, sofern der Adressat dieses Angebot annimmt. Das Zustandekommen des Vertrages soll allein
von der Zustimmung des Adressaten der Offerte abhängen.
aa) Soll der Vertrag lediglich durch eine bloße Zustimmungserklärung des anderen Teils geschlossen
sein, muß das Angebot alle wesentlichen Teile des gewollten Vertrages (essentialia gegotii) enthalten.
Dies sind bei einem Kaufvertrag neben dem Vertragspartner der Kaufgegenstand und der dafür zu
zahlende Preis.
bb) V hat J im Begleitschreiben verbindlich die Zusendung (Übergabe) und Übereignung der
Kochbücher (Kaufgegenstand) gegen Zahlung von 480,- € (Kaufpreis) angeboten und den Abschluß des
Vertrages in das Belieben des J gestellt. Dieses Schreiben enthält damit einen wirksamen Antrag des V
zum Abschluß eines Kaufvertrages mit J.
b) Die Annahme des Angebotes ist ebenfalls eine empfangsbedürftige Willenserklärung, mit welcher
der Antragsempfänger seine uneingeschränkte Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Vertragsschluß zu
erkennen gibt. Der Wille zur rechtlichen Bindung muß aus der Erklärung des Annehmenden erkennbar
sein.
aa) Ausdrücklich hat J die Annahme der von V gemachten Offerte nicht erklärt. Da die
Annahmeerklärung hinsichtlich eines auf den Verkauf von Büchern gerichteten Vertrages formlos
erfolgen kann, ist zu prüfen, ob J die Vertragsannahme konkludent, d.h. durch schlüssiges Handeln,
erklärt hat. Bei dieser Prüfung des tatsächlichen Verhaltens des J ist § 133 BGB heranzuziehen. Es ist
festzustellen, ob J irgendwie erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, die von V angebotenen Bücher
gegen Zahlung von 480,- € erwerben zu wollen. Das ist nicht der Fall. Auf das Schreiben des V hat J
nicht reagiert. Die gewünschte korrespondierende Äußerung hat er nicht abgegeben. Sein Schweigen
(Nichtstun) stellt keine Erklärung dar. Nun hat V lediglich dann eine Reaktion verlangt und erwartet,
wenn J das Angebot nicht annehmen wolle, sein Schweigen wollte V als Annahmeerklärung gewertet
wissen. J hat geschwiegen. Das Schweigen auf ein Vertragsangebot ist grundsätzlich nicht als
Willenserklärung, als Annahme zu werten. Das Gesetz hat lediglich in einigen hier nicht einschlägigen
Ausnahmebestimmungen (§§ 455 S. 2, 516 II 2 BGB, § 362 HGB, § 5 VVG) das Schweigen als
rechtlich relevant anerkannt. Damit wird der Grundsatz verdeutlicht, daß das Schweigen im
Rechtsverkehr in der Regel ohne Bedeutung ist. Dies gilt für den gesamten Privatrechtsverkehr
einschließlich des Handelsverkehrs.
Das Schweigen des Adressaten auf eine ihm zugegangene Vertragsofferte ist grundsätzlich keine
Willenserklärung, es ist nicht als Annahme, sondern gem. § 146 BGB als Ablehnung des Angebotes zu
werten.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Schweigen unter Berücksichtigung aller erkennbaren Umstände
für den anderen Teil (Anbieter) als Annahme des Angebots verstanden werden muß. Das ist das Fall,
wenn nach den Grundsätzen von Treu und Glauben eine ausdrückliche Ablehnung seines Angebots
erwartet werden durfte, weil der Schweigende nach dem Grundsatz des § 242 BGB unter
Berücksichtigung der Verkehrssitte verpflichtet gewesen wäre, seinen ablehnenden Willen zu äußern.
Das Unterlassen des gebotenen Widerspruchs wird dem Schweigenden wie eine Erklärung zugerechnet
(sog. Schweigen an Erklärungs Statt, normiertes Schweigen). Eine Reaktion des Adressaten einer
Offerte ist zu erwarten, wenn zwischen den Parteien bereits eine Geschäftsverbindung besteht.
Geschäfte dieser Art bereits mehrfach geschlossen sind oder zwischen ihnen vereinbart worden ist, das
Schweigen als Annahmeerklärung anzusehen. Eine derartige Vereinbarung liegt jedoch nicht vor.
Zwischen V und J ist bisher ein einziger Kaufvertrag geschlossen worden, eine ständige
Geschäftsbeziehung war damit noch nicht begründet. Ebensowenig bestand hinsichtlich der Kochbücher
bereits eine Geschäftsverbindung, aus der sich nach Treu und Glauben eine Antwortpflicht des J
herleiten ließe.
Der Absender einer Offerte kann allein durch den Hinweis, ein Schweigen werde als Annahme
verstanden, dem Adressaten nicht die Pflicht zur Antwort auferlegen. Ebensowenig kann hierdurch das
Erfordernis der Annahmeerklärung einseitig ausgeschlossen werden. J hat somit nicht die Pflicht, dem
V eine Ablehnung der Offerte mitzuteilen. V durfte eine ausdrückliche Ablehnung nicht erwarten und
das Schweigen des J nicht als Annahme seines Angebots verstehen.
Über § 151 BGB kann ein Vertragsabschluß ebenfalls nicht herbeigeführt werden. Diese Norm erübrigt
allein den Zugang der Annahmeerklärung, die Erklärung selbst ist jedoch erforderlich. Bei dem
Schweigen auf eine Vertragsofferte liegt eine solche Erklärung bereits nicht vor. Im übrigen sollte das
Schweigen des J innerhalb der Fristsetzung für V den Erklärungswert haben, daß der J das Angebot
annimmt, d.h. V hat nicht auf den Zugang der „Annahmeerklärung“ verzichten, sondern sich diese
gerade durch die Fristsetzung verdeutlichen wollen. Ein Verzicht auf den Zugang der
„Annahmeerklärung“ durch Schweigen liegt damit nicht vor.
bb) J hat das Angebot des V nicht angenommen.
c) Mangels einer Annahme seitens des J ist ein Kaufvertrag zwischen J und V nicht zustande
gekommen. Ein vertraglicher Anspruch des V gegen J ist nicht entstanden.
2. Ergebnis: V kann nicht gem. § 433 II BGB von J Zahlung der 480,- € und Abnahme der Kochbücher
verlangen.
II. Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluß (culpa in contrahendo; §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2,
280 Abs. 1 BGB) zugunsten des V sind nicht gegeben. Zwar war ein geschäftlicher Kontakt zwischen
ihm und J bereits zustande gekommen, jedoch hatte J, wie unter I. ausgeführt keine Antwortpflicht
gegenüber V. Eine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung liegt nicht vor.
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