Fall: Das nicht bestellte Buch – Gliederung Grundfall Anspruch des V gegen L aus § 433 II BGB Voraussetzung: wirksamer Kaufvertrag Zwei übereinstimmende Willenserklärungen Angebot (§ 145 BGB), Annahme (§ 147 I 1 BGB) a) Angebot (§ 145 BGB) Zusendung des Buches in Verbindung mit Schreiben des V: essentialia negotii Zugang, § 130 I 1 BGB b) Annahme (§ 147 I 1 BGB) Problem: Keine ausdrückliche Annahmeerklärung durch L Konkludente Annahmeerklärung durch L? Verschließen des Buches im Schreibtisch Unterlassen der Rücksendung des Buches Schweigen auf das Angebot aa) Verschließen des Buches im Schreibtisch Kein objektiver Erklärungsinhalt bb) Unterlassen der Rücksendung des Buches / Schweigen auf das Angebot (1) Grundsatz: Schweigen hat keinen Erklärungswert Ausdrückliche Regelung der Rechtsfolgen des Schweigens an vielen Stellen im Gesetz geregelt (§ 108 II 2 BGB, § 362 HGB) Umkehrschluss: Schweigen außerhalb dieser Tatbestände grundsätzlich wirkungslos, weder Zustimmung noch Ablehnung (2) Ausnahme: Willenserklärung durch Schweigen Beredtes Schweigen: Vereinbarung zwischen Parteien, dass Schweigen als Willenserklärung gewertet werden soll hier: einseitige Bestimmung der Erklärungsbedeutung des V; Unterlassen der Rücksendung kommt keine Erklärungsbedeutung zu (3) Fiktion einer Annahmeerklärung Normiertes Schweigen: Gesetz legt dem Schweigen Erklärungswirkung bei Fiktion einer Willenserklärung © Zimmermann, Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht, 1. Semester Kein ausdrücklich geregelter Fall Ungeregelter Fall: § 242 BGB (Geschäftsverbindung, wiederholte Praxis) cc) Zwischenergebnis: Keine Annahme durch L dd) Anderes Ergebnis aufgrund von § 151 S. 1 BGB? (1) V hat auf Annahmeerklärung ihm gegenüber verzichtet aber: nicht Annahmeerklärung an sich entbehrlich, sondern nur Abgabe/Zugang der Annahmeerklärung gegenüber Antragendem ist entbehrlich (Beseitigung der Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärung) (2) § 151 S. 1 BGB: keine allgemeine Regelung der rechtlichen Bewertung des Schweigens Explizite Regelung an zahlreichen Stellen im Gesetz ee) Ausdrückliche Ablehnung durch L Mitteilung an Verlag, dass L nicht zahlen werde c) Ergebnis: Kein wirksamer Kaufvertrag mangels Annahme durch L Kein Anspruch des V gegen L auf Zahlung des Kaufpreises Variante 1. Anspruch des V gegen L aus § 433 II BGB a) Angebot (§ 145 BGB) b) Annahme (§ 147 I 1 BGB) aa) Problem: Keine ausdrückliche Annahmeerklärung des L gegenüber V Konkludente Annahmeerklärung durch Lesen des Buches und Anmerkungen? Wille, das Buch als Eigentümer behalten zu wollen? Annahmewillen? bb) Abgabe und Zugang, § 130 I 1 BGB (1) Keine Vornahme des Verhaltens des L, das auf Annahmewillen schließen lässt, in Richtung des V Kein Zugang der Erklärung des L bei V (2) Entbehrlichkeit des Zugangs nach § 151 S. 1 BGB? Verzicht des V auf Annahmeerklärung ihm gegenüber Verhalten, aus dem sich der Annahmewille des L objektiv ergibt © Zimmermann, Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht, 1. Semester Abgabe/Zugang der Annahmeerklärung gegenüber Erklärungsempfänger entbehrlich cc) Konkludente Annahmeerklärung durch Ingebrauchnahme des Buches? Regelung des § 241a BGB Objektiver Erklärungstatbestand? (1) Ausschluss sämtlicher Ansprüche gegen den Verbraucher Verbraucher darf unbestellt zugesandte Ware behalten und benutzen Aneignungs- und Gebrauchshandlungen kann nicht der Sinn eines Kaufvertragsschlusses beigelegt werden Einschlägigkeit des § 241a BGB? (2) Zusendung unbestellter Sachen: Unbestellt: ohne den tatsächlichen Willen des Empfängers (3) Unternehmer, § 14 I BGB: In Ausübung seiner gewerblichen Tätigkeit (4) Verbraucher, § 13 BGB: Zweck des Rechtsgeschäfts: Keine Zurechnung zu gewerblicher Tätigkeit Bei § 241a BGB: Fiktives Geschäft maßgeblich: mit welchem Ziel wäre es geschlossen worden? (5) Zwischenergebnis: § 241a BGB ist einschlägig Aneignungs- und Gebrauchshandlungen können nicht als konkludente Annahmeerklärung verstanden werden c) Ergebnis: Kein wirksamer Kaufvertrag mangels Annahme durch L Kein Anspruch des V gegen L auf Zahlung des Kaufpreises 2. Andere Zahlungsansprüche Wegen § 241a BGB ausgeschlossen © Zimmermann, Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht, 1. Semester Fall: Die Jugendstiluhr – Gliederung Anspruch des K gegen A auf Übereignung der Uhr gemäß § 433 I 1 BGB Voraussetzung: wirksamer Kaufvertrag Zwei übereinstimmende Willenserklärungen Angebot (§ 145 BGB) und Annahme (§ 147 I 1 BGB) a) Angebot durch Aufstellung und Aufzeichnung der Uhr (75 €) im Schaufenster des A Problem: Rechtsbindungswille? Anpreisung der Uhr richtet sich an unbestimmte Vielzahl potentieller Kunden Angebot „ad incertas personas“? (Rechtsbindungswille) Objektive Interessenlage: Würde man Anpreisung als bindendes Angebot auffassen, wäre A bei Annahme des Angebots durch mehrere Kunden verpflichtet, an alle zu liefern (A kann aber nur einmal liefern Schadensersatzpflicht des A) Somit: Kein Rechtsbindungswille des A „invitatio ad offerendum“ (Kein Rechtsbindungswille) Aufforderung an den Kunden, selbst entsprechendes Angebot abzugeben b) Angebot durch Kundgabe des Kaufinteresses durch K zum Preis von 75 € Keine Annahme durch A Kein Kaufvertrag zu einem Preis von 75 € c) Neues Angebot durch Aussage des K, die Uhr zu einem Preis von 750 € zu verkaufen, § 150 II BGB Keine Annahme durch K Kein Kaufvertrag zu einem Preis von 750 € d) Neues Angebot durch Aussage des K, die Uhr zu einem Preis von 75 € zu kaufen, § 150 II BGB Keine Annahme durch A Kein Kaufvertrag zu einem Preis von 75 € e) Neues Angebot durch Aussage des A, die Uhr zu einem Preis von 600 € zu verkaufen, § 150 II BGB Problem: Annahme durch K mit Einverständniserklärung am nächsten Tag? § 146 BGB: Erlöschen des Angebots durch Ablehnung des K am Vortag f) Neues Angebot durch Aussage des K, er sei mit einem Kaufpreis von 600 € einverstanden, § 150 I BGB analog Keine Annahme durch A und somit kein Kaufvertrag zu einem Preis von 600 € © Zimmermann, Arbeitsgemeinschaft Zivilrecht, 1. Semester