Martin Peil Richter am Landgericht Der Rechtsanwalt auf Klägerseite 1. Vorgerichtliche Streitbeilegung a) Kontaktaufnahme, anwaltliches Aufforderungsschreiben Nicht nur zur Streitbeilegung sinnvoll, sondern kann auch zur Vermeidung von Kostennachteilen erforderlich sein (§ 93 ZPO) b) Obligatorisches Schlichtungsverfahren aa) Rechtsgrundlage: § 15a EGZPO in Verbindung mit Landesgesetzten. Sinnvollerweise ist zunächst zu prüfen, ob die Streitigkeit unter § 15a EGZPO fällt. Ist das der Fall, ist zu prüfen, ob für den in Anspruch Genommenen ein Landesgesetz gilt, das für die Streitigkeit ein obligatorisches Schlichtungsverfahren vorsieht. Die meisten Länder haben solche Gesetze erlassen, die aber durchaus unterschiedliche Regelungen enthalten. bb) Zum Zweck der obligatorischen Streitschlichtung siehe die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/980, S. 5: Entlastung der Justiz; schnelle, kostengünstige und konsensuale Streitbeilegung cc) Im Saarland ist die obligatorische Streitschlichtung in §§ 37a ff. AGJusG und der Saarländischen Schiedsordnung (SSchO) geregelt. Zuständig ist der Schiedsmann/die Schiedsfrau der Gemeinde, in der der in Anspruch Genommene wohnt. Der Mandant wird zum Schiedstermin erscheinen müssen, sein Anwalt darf natürlich dabei sein. dd) Probleme: Das Schlichtungsverfahren muss vor Klageerhebung durchgeführt werden, kann also nicht im Verlaufe des Rechtsstreits nachgeholt werden. Der Grundsatz, dass die Prozessvoraussetzungen erst zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vorliegen müssen, gilt insoweit nicht (BGHZ 161, 145 = NJW 2005, 437) Sollen mehrere Personen in Anspruch genommen werden, ist hinsichtlich jeder Person zu prüfen, ob die Voraussetzungen der obligatorischen Streitschlichtung vorliegen. Soweit dies der Fall ist, muss das obligatorische Schlichtungsverfahren durchgeführt werden (vgl. BGH NJW-RR 2010, 1725) 1 Werden mehrere Klageansprüche verfolgt, so ist auch insoweit hinsichtlich jedes Anspruchs zu prüfen, ob das Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Soweit dies erforderlich ist, muss es durchgeführt werden, sonst ist die Klage insoweit unzulässig (Beispiel BGH NJW-RR 2009, 1239: Mietforderung über 1.200,- € und Klage auf Unterlassung der Bezeichnung als Lügner; hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs ist das Schlichtungsverfahren durchzuführen) Die Erfolglosigkeitsbescheinigung begründet auch dann die Zulässigkeit der Klage, wenn das Schlichtungsverfahren fehlerhaft war (BGH NJW-RR 2010, 357) Ob eine zunächst mangels Durchführung des Schlichtungsverfahrens unzulässige Klage durch eine Klageerweiterung zulässig werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt (bejahend für den Fall, dass kein Rechtsmissbrauch vorliegt, etwa Bitter NJW 2005, 1235 ff., 1236 f.; LG Konstanz WuM 2007, 326); insoweit ist also Vorsicht geboten c) Mediation aa) Begriffe: Mediation: Vertrauliches und strukturiertes Verfahren zur einvernehmlichen Konfliktlösung mit Hilfe eines Mediators (§ 1 Abs. 1 MediationsG) Mediator: Unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 MediationsG) bb) Anwendungsbereich: Interessen der Parteien gehen über den eigentlichen Streitgegenstand/Anspruch hinaus, also z. B. Vielzahl von Streitigkeiten, Anspruchstellung ist Ausfluss eines tieferen Konflikts, der durch die Anspruchstellung unzureichend zum Ausdruck kommt. cc) Formen Außergerichtliche Mediation: unabhängig von einem Gerichtsverfahren Gerichtsnahe Mediation: Während eines Gerichtsverfahrens, aber außerhalb des Gerichts Gerichtsinterne Mediation: Während eines Gerichtsverfahrens durch einen Güterichter, der allerdings nicht der entscheidungsbefugte (gesetzliche) Richter ist dd) Rechtlicher Rahmen: MediationsG, §§ 278 Abs. 5, 278a ZPO 2 d) Güte- und Schlichtungsstellen Neben der obligatorischen Streitschlichtung (oben b) gibt es auch die fakultative Streitschlichtung. Dafür stehen neben den Schiedsmännern bzw. Schiedsfrauen zahlreiche Stellen zur Verfügung (eine Übersicht findet sich unter http://www.saarland.de/dokumente/ressort_justiz_gesundheit_und_soziales/mjgs_Ueb ersicht-Streitschlichtungsangebote-SL-Zivilrecht.pdf). Der einvernehmliche Einigungsversuch vor einer Gütestelle ersetzt die obligatorische Streitschlichtung (§ 37b Abs. 1 Satz 2 AGJusG). Zugleich hemmt er die Verjährung; das gilt auch für den – nicht einvernehmlichen – Güteantrag bei einer anerkannten Gütestelle (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB). 2. Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung, Überblick und taktische Erwägungen a) Klageverfahren aa) Herkömmlicher Weg der Anspruchsdurchsetzung; endgültige Entscheidung über den Anspruch in Erkenntnisverfahren ohne Einschränkungen Daraus folgt: Das Verfahren kann dauern, da der Sachverhalt möglicherweise in einer umfangreichen Beweisaufnahme zu klären ist und es bis zu drei Gerichtsinstanzen gibt (AG, LG, BGH bzw. LG, OLG, BGH) Über den Anspruch wird materiell rechtskräftig entschieden (§§ 322, 325 ZPO), also grundsätzlich endgültig bb) Kosten: in der Regel 3 Gerichtsgebühren (Nr. 1210 KV; Nr. 1211 KV zu den Ermäßigungstatbeständen) als Vorschuss (§ 12 GKG) und 2,5 Anwaltsgebühren pro Partei (Nr. 3100, 3104 VV); diese Kosten richten sich nach dem Streitwert (§ 3 GKG, § 2 RVG); weniger vorhersehbare Kosten einer Beweisaufnahme b) Mahnverfahren aa) Möglichkeit der schnellen Titelerwirkung bei unstreitigen Forderungen; Risiko: Verfahrensverzögerung, falls sich die Forderung doch als streitig erweist, weil sich dann das dem Klageverfahren entsprechende Streitverfahren anschließt; Möglichkeit der Umgehung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EGZPO, § 37a Abs. 2 Nr. 5 AGJusG) 3 bb) Kosten: 0,5 Gerichtsgebühren (Nr. 1100 KV), die in der Regel vor Erlass des Vollstreckungsbescheids zu entrichten sind (§ 12 Abs. 3 Satz 2 GKG), und bis zu 1,5 Rechtsanwaltsgebühren (Nr. 3305, 3308 VV); die Gebühren werden im wesentlichen auf die Gebühren angerechnet, die im ggf. nachfolgenden Streitverfahren entstehen (vgl. Anmerkungen zu Nr. 1210 KV und Nr. 3305 VV) cc) Zum Ablauf bzw. zu Einzelproblemen: Zuständig für das Mahnverfahren ist das für den Sitz des Antragstellers zuständige Amtsgericht (§ 689 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 13, 17 ZPO). § 689 Abs. 3 ZPO ermächtigt die Landesregierungen, zentrale Mahngerichte zu bestimmen. Davon ist bundesweit Gebrauch gemacht worden. Dann sind die Anträge bei diesen zentralen Mahngerichten zu stellen. Antragsgegner im Ausland: § 688 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 32 AVAG; Europäisches Mahnverfahren nach VO (EG) Nr. 1896/2006, §§ 688 Abs. 4, 1087 ff. ZPO Gem. § 703c Abs. 2 ZPO i. V. m. der MahnVordrV sind für den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids und den auf Erlass des Vollstreckungsbescheids die eingeführten Formulare zu verwenden. Rechtsanwälte dürfen die Anträge nur noch in maschinell-lesbarer Form stellen (§ 690 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Vgl. dazu etwa www.online-mahnantrag.de oder www.mahngerichte.de. Bezeichnung bzw. Individualisierung des Anspruchs (§ 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO): Der Anspruch muss zwar nicht substanziiert dargetan werden, dafür ist im Formular auch kein Platz. Er muss aber doch so gekennzeichnet werden, dass er von anderen Ansprüchen abgegrenzt werden und so Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein kann (z. B. BGH NJW 2008, 3498, unter II. 1.). Dabei ist besonders bei der Geltendmachung mehrerer Einzelforderungen Vorsicht geboten. Die Zusammensetzung des Gesamtbetrags aus den unterschiedlichen Ansprüchen muss dem Schuldner möglich sein, damit er weiß, welche Ansprüche gegen ihn verfolgt werden und ob eine Verteidigung gegen den Mahnbescheid sinnvoll ist. Wann diesen Anforderungen genügt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, nämlich von dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art der Ansprüche. Die Bezugnahme auf ein Schriftstück – etwa ein vorprozessuales Schreiben – ist zulässig. Es muss aber dem Mahnbescheid beigefügt werden oder dem Schuldner vorliegen. Erkennbare Falschbezeichnungen schaden nicht (vgl. zu alldem etwa BGH NJW 2008, 1220 m. Nachw.). Wird der Anspruch 4 nicht ausreichend bezeichnet, ist der Mahnbescheidsantrag an sich zurückzuweisen. Gefährlicher ist aber, dass dann die Verjährung nicht (gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB) gehemmt wird. Die im Streitverfahren nachgeholte ausreichende Bezeichnung wirkt nicht etwa zurück (ausführlich BGH NJW 2001, 305). Bezeichnung des für das Streitverfahren zuständigen Gerichts (§ 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO): Die Angabe ist für das weitere Verfahren von nicht unerheblicher Bedeutung. Das Mahngericht hat die Sache für das Streitverfahren an das bezeichnete Gericht abzugeben (§ 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das dadurch allerdings nicht etwa zuständig wird (§ 696 Abs. 5 ZPO), sondern die Sache ggf. gem. § 281 ZPO zu verweisen hat, wodurch zusätzliche Kosten entstehen können. Schwerer wiegt, dass durch die Bezeichnung das dem Kläger ggf. zustehende Wahlrecht unter mehrerer Gerichtsständen (§ 35 ZPO) für das wietere Verfahren verbindlich ausgeübt wird (BGH NJW 2002, 3634, unter II. 2. a). Wer hier also nicht aufpasst und der Einfachkeit halber das für den Wohnsitz des Schuldners zuständige Gericht angibt, obwohl ein Gerichtsstand am Wohnsitz des Antragstellers gegeben wäre, muss später unnötigerweise reisen. c) Selbständiges Beweisverfahren aa) § 485 ZPO regelt zwei Fallgestaltungen: Erhebung von Sachverständigenbeweis außerhalb eines Rechtsstreits, insbesondere zur Vermeidung eines solchen (§ 485 Abs. 2 ZPO). An das rechtliche Interesse sind geringe Anforderungen zu stellen. Die mögliche Vermeidung eines Rechtsstreits (§ 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO) ist nur ein Beispiel für das rechtliche Interesse. Die Möglichkeit besteht im übrigen selbst dann, wenn der Antragsgegner von vornherein eine Einigung ablehnt, weil die Beweisaufnahme für den Antragsteller ungünstig sein kann und dieser dann von der weiteren Rechtsverfolgung absieht. Beweiserhebung innerhalb oder außerhalb eines Rechtsstreits im Einvernehmen der Beteiligten oder wegen besonderer Dringlichkeit, weil zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht (§ 485 Abs. 1 ZPO). Insoweit muss nicht Sachverständigenbeweis erhoben werden, in Betracht kommen auch Augeinscheinseinnahme und Zeugenvernehmung. In der Praxis geht es fast ausschließlich um die Erhebung von Sachverständigenbeweis. Angezeigt dann, wenn klar erhebliche Tatsachenfragen zu klären sind und 5 dann vor allem, wenn eine schnelle Klärung geboten ist. Problematisch dann, wenn die Erheblichkeit der zu klärenden Tatsachen zweifelhaft ist oder wenn zweifelhaft ist, ob der Mandant seine Kosten ersetzt erhält (keine Rechtsschutzversicherung, zweifelhafte Zahlungsfähigkeit des in Anspruch Genommenen) bb) Kosten: 1 Gerichtsgebühr (Nr. 1610 KV), bis zu 2,5 Rechtsanwaltsgebühren (jedenfalls eine 1,3 Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV, die allerdings gem. Vorbemerkung 3 Abs. 5 VV auf die Verfahrensgebühr im ggf. nachfolgenden Rechtsstreit anzurechnen ist, und ggf. eine Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV) und natürlich die Kosten der Beweisaufnahme cc) Zum Ablauf bzw. zu Einzelproblemen: Zuständigkeit: § 486 ZPO. Wenn bereits ein Rechtsstreit anhängig ist, ist der Antrag dort zu stellen (Abs. 1). Sonst ist der Antrag bei dem Gericht zu stellen, das nach dem Vortrag des Antragstellers zur Entscheidung in der Hauptsache zuständig wäre (Abs. 2 Satz 1). Insoweit findet also eine Zuständigkeitsprüfung anhand des Vorbringens des Antragstellers statt. Unabhängig davon, ob das angerufene Gericht seine Zuständigkeit zu Recht angenommen hat, kann das Beweisergebnis jedenfalls verwertet werden (Abs. 2 Satz 2). Zu den Antragsformalien siehe § 487 ZPO. Die Tatsachen, die die Zulässigkeit des Verfahrens und die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründen, sind glaubhaft zu machen (§ 487 Nr. 4 ZPO). Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB hemmt die Zustellung des Antrags die Verjährung. Der Antrag muss also tatsächlich zugestellt werden. Allerdings werden Zustellungsmängel für die Verjährungshemmung weitergehend als sonst über § 189 ZPO geheilt, im Ergebnis reicht der Zugang des Antrags beim Antragsgegner (vgl. BGH NJW 2011, 1965). Läuft bereits ein Rechtsstreit oder kommt es in der Folge zu einem Rechtsstreit, so sind die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens Teil der Kosten des Rechtsstreits (vgl. dazu BGH NJW-RR 2006, 810). Auch ohne gleichzeitigen oder nachfolgenden Rechtsstreit kann der Antragsteller die dem Antragsgegner entstandenen Kosten zu tragen haben, nämlich über § 494a ZPO oder entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO (vgl. zu letzterem BGH NJW 2011, 1292). d) Arrest und einstweilige Verfügung 6 aa) Eilverfahren zur Anspruchssicherung; schnelle Titelerwirkung, aber in der Regel nur vorläufig und nicht auf Erfüllung des Anspruchs gerichtet Erforderlich sind danach ein Arrest- bzw. Verfügungsgrund, also die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung, sowie ein Arrest- bzw. Verfügungsanspruch, also das zu sichernde Recht Die beiden unterschiedlichen Arten des Eilrechtsschutzes sind in einem Abschnitt geregelt, und zwar so, dass zunächst eine Regelung des Arrests erfolgt und dann bei der Regelung der einstweiligen Verfügung grundsätzlich auf die Arrestvorschriften verwiesen wird (§ 936 ZPO) Die Entscheidung kann ohne Anhörung des Gegners durch Beschluss ergehen (§§ 922, 937 Abs. 2 ZPO), im Arrestverfahren ist das die Regel. Andernfalls findet ein Termin statt und es wird daraufhin durch Urteil entschieden. Ist im Beschlussverfahren die begehrte Entscheidung erlassen worden, so findet auf den Widerspruch des Antragsgegners Termin statt und sodann wird durch Urteil entschieden (§§ 924, 925, 936 ZPO). Im Beschlusswege kann der Antrag im übrigen auch zurückgewiesen werden (§§ 922 Abs. 3, 937 Abs. 2 ZPO). Die Vorläufigkeit der Regelung zeigt sich an Folgendem: Der in Anspruch Genommene kann die Hauptsacheklage erzwingen (§§ 926, 936 ZPO). Außerdem kommt die Aufhebung der Regelung wegen veränderter Umstände in Betracht (§§ 927, 936 ZPO). Arrest- bzw. Verfügungsgrund und Arrest- bzw. Verfügungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§§ 920 Abs. 2, 936 ZPO). bb) Kosten: 1 bis 3 Gerichtsgebühren (Nr. 1410 ff. KV) und 1,3 bzw. 2,5 Anwaltsgebühren pro Partei (Nr. 3100, 3104 VV) cc) Arrest: Zuständig ist das Gericht der Hauptsache oder das Amtsgericht der belegenen Sache oder Person (§ 919 ZPO) Regelfall ist der dingliche Arrest, der im Wege der Zwangsvollstreckung vollzogen wird (§§ 917, 928 ZPO). Geringe praktische Bedeutung hat der (subsidiäre) persönliche Arrest, der im Wege der Haft oder sonstiger Freiheitsbeschränkungen vollzogen wird (§§ 918, 933 ZPO); sein Anwendungsbereich ist auf die seltenen Fälle beschränkt, in denen der Gläubiger zwar weiß, dass der Schuldner Vermögen hat, er jedoch noch nicht herausgefunden hat, wo sich dies befindet, und der Schuldner sich der Vollstreckung entziehen will (vgl. 7 den Fall OLG Karlsruhe NJW-RR 1997, 450). Allgemein kommt ein Arrest nur zu Sicherung einer Geldforderung in Betracht (oder einer Forderung, die in eine Geldforderung übergehen kann, § 916 ZPO). Arrestgrund ist, dass ohne dessen Verhängung „die Vollstreckung des Urteils vereitelt, oder wesentlich erschwert werden würde“ (§ 917 Abs. 1 ZPO). Eine schlechte Vermögenslage des Schuldners reicht dafür nicht, es muss vielmehr eine Verschlechterung der Vermögenslage drohen; diese drohende Verschlechterung kann allerdings nicht durch den möglichen Zugriff anderer Gläubiger begründet werden (BGHZ 131, 95 = NJW 1996, 321). Ein gegen den Gläubiger gerichtetes Vermögensdelikt kann die drohende Verschlechterung indizieren, nämlich wegen der Gefahr des Wegschaffens von Vermögensbestandteilen; allein eine – auch arglistige – Vertragsverletzung begründet die Gefahr in der Regel nicht (vgl. BGH WM 1983, 614; BGH VersR 1975, 763). Vom Anwalt des Gläubigers ist die Vollziehungsfrist von einem Monat zu beachten (§ 929 Abs. 2 ZPO). Sie wird gewahrt, wenn der Gläubiger innerhalb der Frist eine Vollstreckungsmaßnahme beantragt und über den Antrag ohne vom Gläubiger zu vertretende Verzögerungen entschieden wird. Aber Achtung: Die Frist wird nur hinsichtlich der binnen eines Monats beantragten Vollstreckungsmaßnahmen gewahrt, die erst nach Ablauf beantragten Maßnahmen sind – wenn sie denn überhaupt erlassen werden – unwirksam (BGHZ 112, 356 = NJW 1991, 496) dd) Einstweilige Verfügung Zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§ 937 Abs. 1 ZPO), in besonderen Fällen auch das Amtsgericht der belegenen Sache (§ 942 ZPO, geringe praktische Bedeutung) Das Gesetz unterscheidet die Sicherungsverfügung (§ 935 ZPO) und die Regelungsverfügung (§ 940 ZPO). In der Praxis spielt diese Unterscheidung eigentlich keine Rolle. Verfügungsgrund ist die erforderliche Anspruchssicherung (bzw. –regelung). Die Hauptsache darf grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Gleichwohl gibt es in Ausnahmefällen auch die sog. Leistungsverfügung, etwa bei existenziellen Notlagen (vgl. OLG Saarbrücken VersR 2007, 935: Berufsunfähigkeitsrente) oder im Fall der verbotenen Eigenmacht (vgl. OLG Saar- 8 brücken MDR 2003, 1198). Eine Dringlichkeitsvermutung bestimmt § 12 Abs. 2 UWG. Die Vollziehungsfrist von einem Monat (§ 929 Abs. 2 ZPO) ist auch bei Unterlassungsverpflichtungen zu beachten. Erforderlich ist eine vom Gläubiger ausgehende Handlung, so dass die Zustellung durch ihn ausreicht, nicht aber die Zustellung von Amts wegen (BGHZ 120, 73 = NJW 1993, 1076). e) Urkundenprozess aa) Beschleunigte - ggf. aber vorläufige - Titelerwirkung durch Beschränkung der Beweisaufnahme auf wenige Beweismittel. Nicht so schnell wie Arrest und einstweilige Verfügung, dafür Anspruchsdurchsetzung unter (ggf. vorläufiger) Beschränkung der Beweismittel. Möglichkeit zur Umgehung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens (§ 15a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EGZPO, § 37a Abs. 2 Nr. 4 AGJusG). bb) Kosten: Für den Urkundenprozess werden keine besonderen Gerichtsgebühren erhoben, in der Regel entstehen also 3 Gerichtsgebühren (Nr. 1210 f. KV) für das eigentliche Urkundenverfahren und das Nachverfahren. Demgegenüber stellen für den Anwalt das Urkundenverfahren und das Nachverfahren verschiedene Angelegenheiten dar (§ 17 Nr. 5 RVG), so dass also jeweils 2,5 Gebühren pro Partei anfallen können (Nr. 3100, 3104 VV). Allerdings wird die Verfahrensgebühr angerechnet (Abs. 2 der Anmerkung zu Nr. 3100 VV), so dass also höchstens 3,7 Gebühren pro Partei entstehen können. Kosten der Beweisaufnahme können im eigentlichen Urkundenverfahren naturgemäß kaum entstehen, wohl aber im Nachverfahren, für das es insoweit keine Einschränkungen gibt. cc) Voraussetzungen und Einzelprobleme Der Urkundenprozess findet nur statt wegen Geldforderungen (oder wegen anderer Ansprüche auf Leistung vertretbarer Sachen oder Wertpapiere, § 592 ZPO). Die anspruchsbegründenden Tatsachen müssen grundsätzlich durch Urkunden bewiesen werden (§ 592 ZPO). Aber: Lücken können durch unstreitige (§ 138 Abs. 3 ZPO), zugestandene (§ 288 ZPO) oder offenkundige (§ 291 ZPO) Tatsachen geschlossen werden (BGHZ 62, 286 = NJW 1974, 1199; BGHZ 173, 366 = NJW 2008, 523). Dies gilt wiederum nicht, wenn der Beklagte säumig ist (§ 597 Abs. 2 ZPO). Dann hilft auch die Abstandnahme vom Urkunden9 prozess (§ 596 ZPO) nicht sofort, weil § 335 Abs. 1 Nr. 3 ZPO einem sofortigen Versäumnisurteil im normalen Verfahren entgegensteht. Urkunden sind schriftlich verkörperte Gedankenerklärungen (BGHZ 65, 300 = NJW 1976, 294, unter II. 1.). Obwohl diese Definition auf schriftliche Sachverständigengutachten und schriftlich niedergelegte Zeugenaussagen zutrifft, sind sie kein zulässiges Beweismittel im Urkundenprozess, soweit dadurch die unmittelbare Beweiserhebung durch Sachverständige oder Zeugen – wie in der Regel – ersetzt werden soll; denn dadurch würde der Grundsatz umgangen, dass im Urkundenprozess Beweis nicht durch Sachverständige, Zeugen und Augenschein geführt werden darf (BGHZ 173, 366 = NJW 2008, 523). Andere als anspruchsbegründende Tatsachen können auch durch Parteivernehmung bewiesen werden (§ 595 Abs. 2 ZPO). Im Urkundenprozess gelten die herkömmlichen Regeln über die Darlegungsund Beweislast. Soweit der Beklagte beweisbelastet ist, hat er den Beweis mit Urkunden oder durch Parteivernehmung zu führen (vgl. BGH NJW 2005, 2701: Forderung aus Wohnraummietvertrag bei Streit über Mängel und daraus folgender Mietminderung). Der Kläger kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vom Urkundenprozess Abstand nehmen (§ 596 ZPO), also etwa nachdem sich im Rahmen der Erörterung der Sache im Termin ergeben hat, dass das Gericht die Klage für in der gewählten Prozessart unstatthaft hält. Dann geht es bei – in der Praxis sicher oft erteiltem – Einverständnis des Beklagten sofort im normalen Verfahren weiter. Hat die Klage im Urkundenprozess Erfolg, ergeht ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbares (§ 708 Nr. 4 ZPO) Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess (§ 599 ZPO). Der Rechtsstreit bleibt „im ordentlichen Verfahren anhängig“ (§ 600 Abs. 1 ZPO), wird aber jedenfalls in der Praxis erst auf Antrag einer der Parteien fortgesetzt. 3. Prozesskostenhilfe a) Anwendungsbereich: Alle unter Möglichkeiten der Anspruchsdurchsetzung (oben 2.) behandelte Verfahren. b) Voraussetzungen (§ 114 ZPO): Erfolgsaussicht und Bedürftigkeit (§ 115 ZPO). 10 aa) Die Erfolgsaussicht liegt vor, wenn der vom Antragsteller vertretene Rechtsstandpunkt vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH NJW 1994, 1160, unter II. 2. a). Eine Beweisantizipation findet grundsätzlich nicht statt. Eine Ausnahme gilt aber z. B. dann, wenn lediglich die Parteivernehmung des Gegners als Beweis angeboten wurde und dieser die Darlegung des Antragstellers bereits substanziiert bestritten hat. Grundsätzlich reicht also das schlüssige Vorbringen des Anspruchs verbunden mit Beweisangeboten zu den voraussichtlich streitigen Tatsachen. bb) Bedürftigkeit: Siehe dazu § 115 ZPO und die Kommentarliteratur zu der Vorschrift. Freeware zur Berechnung: www.pkh-fix.de. Maßgeblich sind grundsätzlich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Antragstellers. Ausnahme: Wer ein fremdes Recht geltend machen will, muss auch die Bedürftigkeit des Rechtsinhabers darlegen (BGH VersR 1992, 594). Außerdem darf die Bedürftigkeit nicht „herbeigezaubert“ werden. So kommt es zwar bei einem Miterben, der Ansprüche für die Erbengemeinschaft geltend machen will (§ 2039 BGB), an sich nur auf dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse an; das gilt aber nicht, wenn er von den anderen nur vorgeschoben wird, um billig prozessieren zu können, wenn also wenigstens ein anderer Miterbe bereit ist, zu klagen, und nicht bedürftig ist (vgl. OLG Saarbrücken NJW 2009, 2070). cc) Außerdem darf die Rechtsverfolgung nicht mutwillig sein. Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (BGH NJW 2010, 3522, unter II. 2. a). c) Antrag: § 117 ZPO. Gem. § 117 Abs. 4 ZPO besteht Formularzwang für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Formulare gibt es z. B. unter www.justiz.de unter der Rubrik Formulare. Aufgabenverteilung Anwalt/ Mandant: Mandant füllt aus, Anwalt prüft anhand der Angaben, was dabei rauskommt. Die Erklärung wird dem Gegner grundsätzlich nicht bekannt gegeben (§ 117 Abs. 2 Satz 2 ZPO). d) Einen schlüssigen Antrag mit mehr oder weniger Erfolg versprechenden Beweisanträgen zu formulieren, wird oft nicht schwer sein. Zu bedenken ist aber, dass den Mandanten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wird, durchaus ein Kostenrisiko trifft: Gem. § 123 ZPO hat er dem Gegner dessen Kosten zu erstatten, wenn er verliert. Darauf muss der Mandant hingewiesen werden. e) Zur Verjährungshemmung durch den PKH-Antrag vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB. 11 4. Die Klageschrift a) Zuständigkeitsfragen aa) Rechtsweg: Die Rechtswegfrage stellt sich auch im Verhältnis zur Arbeitsgerichtsbarkeit und zu den Familiengerichten. In beiden Fällen hat das Gericht bei Zuständigkeitszweifeln nach § 17a GVG zu verfahren (§ 48 Abs. 1 ArbGG, § 17a Abs. 6 GVG). Zuständigkeit der Arbeitsgerichte: § 2 ArbGG, zum Begriff des Arbeitnehmers § 5 ArbGG. Vor allem natürlich Streitigkeiten aus Arbeitsverhältnissen, aber auch z. B. aus unerlaubten Handlungen im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. d ArbGG). Die Familiengerichte bei den Amtsgerichten sind zuständig für Familiensachen (§§ 23b Abs. 1, 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GVG). Was Familiensachen sind, ergibt sich aus § 111 FamFG und den jeweiligen Abschnitten des 2. Buches des FamFG. Vorsicht: Dazu zählen etwa auch Gewaltschutzsachen, die keinen familiären Hintergrund haben müssen (§§ 111 Nr. 6, 210 ff. FamFG, § 1 GewSchG). bb) Sachliche Zuständigkeit: Grundsätzlich das LG (§ 71 Abs. 1 GVG). Für welche Zivilsachen davon abweichend das AG zuständig ist, bestimmt § 23 GVG. Nr. 2 enthält einen Katalog streitwertunabhängiger Zuständigkeiten, insbesondere Wohnraummietsachen (Buchst. a). Nach Nr. 1 sind die AG für 5.000,- € nicht übersteigende Streitigkeiten zuständig, soweit nicht eine streitwertunabhängige Zuweisung an das LG bestimmt ist. Solche Bestimmung enthält wiederum der Katalog in § 71 Abs. 2 GVG, der allerdings nicht abschließend ist; insbesondere auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes gibt es entsprechende Zuständigkeitsbestimmungen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 UWG, § 87 GWB, § 140 Abs. 1 MarkenG, § 143 Abs. 1 PatG, § 27 Abs. 1 GebrMG, § 52 Abs. 1 GeschmMG). cc) (1) Internationale Zuständigkeit EU: Verordnung (EU) Nr. 1215/2015 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handels-sachen (EuGVO): Grundsätzlich Sitz bzw. Wohnsitz des Beklagten (Art. 4, 62 f.), soweit nicht ausschließliche (Art. 24) oder besondere (Art. 7 ff.) 12 Gerichts-stände bestehen. Besondere Gerichtsstände sind namentlich der des Erfüllungs-ortes (Art. 7 Nr. 1) und der der unerlaubten Handlung (Art. 7 Nr. 2). Sonst, soweit keine Staatsverträge gelten: Die deutschen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit regeln mittelbar auch die internationale Zuständigkeit (z. B. BGHZ 184, 313 = NJW 2010, 1752). Ist also nach einer deutschen Zuständigkeitsvorschrift ein deutsches Gericht zuständig, so ist zugleich die Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. (2) Örtliche Zuständigkeit: Welche Gerichte örtlich zuständig sind, regeln vor allem – aber nicht abschließend (vgl. z. B. § 215 VVG) – die §§ 12 ff. ZPO. Dem Grundsatz nach ist der Beklagte an seinem Wohnsitz bzw. Sitz zu verklagen (§§ 12, 13, 17 ZPO). Es gibt aber zahlreiche weitere Gerichtsstände. Unter mehreren Gerichtsständen kann der Kläger wählen (§ 35 ZPO). Von besonderer praktischer Bedeutung sind die nachfolgenden Gerichtsstände: Erfüllungsort (§ 29 ZPO): Wo der ist, bestimmt sich nach §§ 269 f. BGB, in der Regel also am Sitz des jeweiligen Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses. Es kann aber auch ein für beide Vertragsparteien gemeinsamer Erfüllungsort gegeben sein, z. B. für den Anwaltsvertrag gilt das aber nicht, so dass der Rechtsanwalt sein Honorar am Sitz des Mandanten einklagen muss (BGHZ 157, 20 = NJW 2004, 54). Bei Rückabwicklung eines Kaufvertrags ist der gemeinsame Erfüllungsort da, wo sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet, in der Regel also beim Käufer (OLG Saarbrücken NJW 2005, 906, unter II. 2., str., vgl. Stöber NJW 2006, 2661). Unerlaubte Handlung (§ 32 ZPO): Die unerlaubte Handlung im Gerichtsbezirk muss nur schlüssig vorgebracht werden, ob sie tatsächlich begangen wurde, ist dann eine Frage der Begründetheit (vgl. z. B. BGHZ 167, 91 = NJW 2006, 2630, unter II. 1.). Internetdelikte: Nur dort begangen, wo sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß auswirken sollte (vgl. BGH NJW 2005, 1435, unter II. 1. zum Kennzeichenrecht; BGHZ 167, 91 = NJW 2006, 2630, unter II. 1. zum Wettbewerbsrecht; vgl. auch – etwas anders – BGHZ 184, 313 = NJW 2010, 1752, zum Persönlichkeitsrecht) Rügelose Einlassung (§ 39 ZPO) und Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 ZPO). Durch beides kann nicht von der ausschließlichen Zuständigkeit abgewichen werden (§ 40 Abs. 2 ZPO). Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann dem Grund- 13 satz nach nur unter Kaufleuten geschlossen werden (§ 38 Abs. 1 ZPO; die Fälle der beiden folgenden Absätze der Vorschrift sind selten). dd) Gerichtsinterne Zuständigkeit Kammern für Handelssachen (KfH, §§ 93 ff. GVG): Zuständigkeitskatalog in § 95 GVG, insbesondere Streitigkeiten aus beiderseitigen Handelsgeschäften (Abs. 1 Nr. 1), gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a) und weitgehend Streitigkeiten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c, Nr. 5). Vom Kläger nicht nachholbarer Antrag in der Klageschrift erforderlich (§ 96 Abs. 1 GVG). Geschäftsverteilungsplan (GVP): Jedes Gericht hat einen GVP, der eingesehen werden kann (§ 21e GVG) und oft schon über den Internetauftritt des Gerichts zugänglich ist. Aus dem GVP können sich z. B. Spezialzuständigkeiten einzelner Spruchkörper oder auch eine Sachzusammenhangsregel ergeben, auf die schon bei Klageeinreichung hingewiesen werden kann (in der Praxis sehr selten). b) Sonstige Prozessvoraussetzungen aa) Partei- und Prozessfähigkeit: Siehe §§ 50 ff. ZPO und die Kommentierungen dazu. bb) Rechtshängigkeit und Rechtskraft: Wenn über den gleichen Streitgegenstand bereits ein Rechtsstreit rechtshängig ist, ist die nachfolgende Klage unzulässig (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Das gleich gilt, wenn der vorherige Rechtsstreit zwar abgeschlossen, der gleiche Streitgegenstand damit aber rechtskräftig entschieden ist (materielle Rechtskraft, § 322 ZPO). cc) Obligatorisches Schlichtungsverfahren: siehe oben unter 1. b. dd) Prozessführungsbefugnis: Bezeichnet die Befugnis, fremde Rechte geltend zu machen. Zu unterscheiden von der Sach- oder Aktivlegitimation. Macht der Kläger eigene Rechte geltend, die ihm tatsächlich nicht zustehen, wie der berechtigte Einwand des Beklagten ergibt, ist die Klage unbegründet. Die Zulässigkeit ist also nur – dann aber immer – zu prüfen, wenn der Kläger fremde Rechte geltend macht. Sie kann sich dann aus dem Gesetz ergeben – in der Praxis bedeutende Fälle: §§ 432, 2039 BGB – oder aus einer Ermächtigung des Rechtsinhabers (gewillkürte Prozessstandschaft, nur zulässig bei einem eigenen Interesse des Klägers). Ebenfalls eine Frage der Prozessführungsbefugnis ist, ob mehrere Personen klagen oder verklagt werden müssen. So 14 muss sich eine Klage auf Einräumung eines Notwegs (§ 917 BGB) gegen alle Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstücks richten, soweit diese nicht der Einräumung bereits zugestimmt haben (vgl. BGH NJW 1984, 2210; vgl. auch BGH NJW-RR 1991, 333 zur Bewilligung einer Baulast). Auch eine Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung (§ 558b Abs. 2 BGB) muss sich gegen alle Mieter richten (BGH NJW 2004, 1797, unter II. 1.). c) Auswahl der Prozessparteien Richtiger Kläger (Prozessführungsbefugnis, Aktivlegitimation) Richtiger Beklagter (Prozessführungsbefugnis, Passivlegitimation) Auswahlkriterien (Ausschalten oder „Einschalten“ von Zeugen, Kostenrisiko, Erreichbarkeit der Parteien) d) Klageanträge aa) Gestaltungsklage: Erstrebt wird die unmittelbare Änderung eines unter den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses durch das Urteil, also keine Zwangsvollstreckung. Anwendungsbereich: Vor allem Scheidungsklage (§ 121 FamFG, § 1564 BGB), aber auch gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, z. B. Nichtigerklärung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der AG (§ 241 Nr. 5 AktG) oder der GmbH (vgl. z. B. BGH NJW 1999, 2115, unter 2. c). bb) Leistungsklage: Erstrebt wird die Titulierung eines Anspruchs zu Zwecken der Zwangsvollstreckung, mithin die Durchsetzung des Anspruchs in Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Kann sich auf ein Tun (Zahlung, Herausgabe, Abgabe einer Willenserklärung, Vornahme anderer Handlungen) oder ein Unterlassen beziehen. Zulässigkeitsvoraussetzung ist ein bestimmter Klageantrag (§ 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), der vor allem bei der Leistungsklage Probleme bereiten kann. Zahlungsklage: Wer zuviel fordert, wird einen Teil der Kosten zu tragen haben. Aufpassen muss aber auch, wer bei einer aus mehreren selbständigen Ansprüchen bestehenden Forderung zu wenig geltend macht: „Bei einer Teilleistungsklage, mit der mehrere selbständige Ansprüche geltend gemacht werden, bedarf es einer näheren Spezifizierung, wie sich der eingeklagte Betrag auf die einzelnen Ansprüche verteilen soll und in welcher Reihenfolge diese Ansprüche bis zu der geltend gemachten Gesamtsumme zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden sollen. Andernfalls ergeben sich unüberwindbare Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Streitgegenstandes und damit zusammenhängend auch bei der Bestimmung der materiellen 15 Rechtskraft sowie der Verjährung. Fehlt es an der gebotenen Abgrenzung, ist die Klage unzulässig.“ (BGH NJW 2008, 3142, unter II. 1., st. Rspr.) Gar nicht so einfach ist die Abgrenzung zwischen selbständigen Ansprüchen und unselbständigen Rechnungsposten eines einheitlichen Anspruchs, bei dem sich keine Zulässigkeitsprobleme stellen. Die Positionen einer Schlussrechnung im Baurecht sind z. B. unselbständige Rechnungsposten (BGH NJW-RR 2003, 1075, unter II. 3.), verschiedene Schadenspositionen zumeist nicht (vgl. BGH NJW 1984, 2346). Selbst wenn eine solche unzulässige Teilklage Erfolg hat, weil auch das Gericht die Unzulässigkeit übersieht, kann das nur ein Pyrrhussieg sein: Ist das Urteil zwar formell rechtskräftig, aber nicht der materiellen Rechtskraft fähig, entfällt rückwirkend die Verjährungshemmung (BGH NJW 1984, 2346, unter II. 2. a) und kann der Beklagte analog § 767 ZPO die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil feststellen lassen (BGHZ 124, 164 = NJW 1994, 460, unter B. II. 2.). Unterlassungsklage: „Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung nicht derart undeutlich gefaßt sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist.“ (BGH NJW 2000, 1792, unter II. 1., st. Rspr.) Unzulässig sind danach grundsätzlich gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge (BGH NJW 2000, 1792, unter II. 1. a). Problematisch und meist unzulässig sind auch Formulierungen wie z. B. „deutlich und unübersehbar“ (BGH NJW 2005, 2550), „ähnlich wie“ (BGH NJW 1991, 1114) oder „insbesondere“ (BGH NJW 2008, 1384). Geringere Anforderungen geltend demgegenüber für die immisionsrechtliche Unterlassungsklage, also z. B. zur Abwehr von Geräuschen oder Gerüchen, weil sich da in Worten nicht so recht ausdrücken lässt, was verboten werden soll, der Anspruchsteller deshalb aber nicht schutzlos bleiben darf (vgl. BGHZ 121, 248 = NJW 1993, 1656, unter I. 2.). Sonstiges: Bei der Klage auf Vornahme einer Handlung genügt die bestimmte Bezeichnung des vom Schuldner herbeizuführenden Erfolgs, wenn es seine Sache ist, die zur Herbeiführung des Erfolgs notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (vgl. BGH NJW 1978, 1584); so muss z. B. bei einer Klage auf 16 Nachbesserung gem. § 439 Abs. 1 BGB nur auf Beseitigung eines konkret bezeichneten Mangels geklagt werden, ohne dass die für die Mangelbeseitigung erforderlichen Maßnahmen angegeben werden müssen. Bei Herausgabeklagen ist die herauszugebende Sachen möglichst genau zu bezeichnen. Das gilt auch bei Zug-um-Zug-Anträgen (z. B. auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags); die vom Kläger nach seinem Antrag Zug-um-Zug zu erbringende Leistung muss so genau bezeichnet werden, dass sie ihrerseits Gegenstand einer Leistungsklage sein könnte (BGH NJW 1993, 324, unter II. 1.). Stufenklage (§ 254 ZPO): Verbindung einer Klage auf Rechnungslegung mit einem unbestimmten – und daher an sich gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässigen – Leistungsantrag; die Zulässigkeit des unbestimmten Leistungsantrags folgt aus § 254 ZPO. Vorteile: Auch das unbestimmte Leistungsbegehren wird mit Klagezustellung rechtshängig mit den Folgen des § 261 Abs. 3 ZPO (vgl. BGH NJW-RR 1995, 513, unter II. 2.). Die Verjährung des Anspruchs auf die Leistung wird in unbestimmter Höhe gehemmt; aber Vorsicht: das gilt nur bis zur Bezifferung, die Verjährungshemmung des darüber hinausgehenden Betrags entfällt rückwirkend (BGH NJW 1992, 2563). Zulässig ist der unbestimmte Leistungsantrag nur gegen den Beklagten, der zugleich auf Auskunft in Anspruch genommen wird (vgl. BGH NJW 1994, 3102). Zur Auswirkung auf eine Feststellungsklage sogleich unter cc. cc) Feststellungsklage (§ 256 ZPO): Erstrebt wird die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis besteht (positive Feststellungsklage) oder nicht besteht (negative Feststellungsklage). In der Praxis keine Bedeutung hat die zugleich geregelte Möglichkeit, die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde feststellen zu lassen. Voraussetzung der Zulässigkeit ist ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Rechtsverhältnis: Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder einer Person zu einer Sache (BGH NJW 2000, 2663, unter III. 5.). Gegenstand der Feststellungsklage können auch sich aus einem solchen Verhältnis ergebende Rechte oder Pflichten sein, nicht aber bloße Elemente oder Vorfragen eines solchen Verhältnisses oder reine Tatsachen (BGH NJW 2000, 2280, unter 1. a). Daraus folgt: - Der Annahmeverzug kann an sich als bloße Vorfrage eines Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein; aus Gründen der Prozessökonomie (§§ 756, 765 ZPO) wird ein solcher Antrag aber 17 gleichwohl in den in der Praxis wichtigen Fällen zugelassen, in denen er mit einem Zug-um-Zug-Antrag verbunden wird (BGH NJW 2000, 2280, 2663), also namentlich bei der Rückabwicklung von Kaufverträgen. - Die Wirksamkeit von Kündigung, Anfechtung oder Rücktritt kann nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden, weil Vorfragen zu dem Rechtsverhältnis in Rede stehen, auf das sich die Erklärungen beziehen. Zu klagen ist mithin auf den Fortbestand bzw. die Beendigung dieses Rechtsverhältnisses (vgl. BGH NJW 2000, 354, unter 1. zum Mietrecht, m. Nachw. auch zum Sonderfall des Kündigungsschutzprozesses im Arbeitsrecht). Feststellungsinteresse: - Es fehlt grundsätzlich, wenn eine Leistungsklage möglich ist, insoweit ist die Feststellungsklage subsidiär (vgl. z. B. BGH NJW 2006, 2548, unter II. 1., auch dazu, dass für Klagen gegen Versicherer oder Banken Sonderregeln gelten sollen). Deshalb kann auch die Möglichkeit einer Stufenklage der Zulässigkeit einer Feststellungsklage entgegenstehen (vgl. BGH NJW 1996, 2097, unter A. II. 2.; anders für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes BGH NJW 2003, 3274, unter II. 1.). - Von besonderer praktischer Bedeutung sind Feststellungsanträge im Haftpflichtprozess, wenn Zukunftsschäden in Betracht kommen. Jedenfalls bei Gesundheitsverletzungen – eventuell auch bei der Verletzung anderer absoluter Rechte – wird das Feststellungsinteresse schon durch die drohende Verjährung begründet; es fehlt nur dann, wenn der Verletzte bei verständiger Würdigung keinen Grund hat, mit dem Eintritt weiterer Schäden wenigstens zu rechnen; ob der zukünftige Schadenseintritt wahrscheinlich ist, ist allenfalls eine Frage der Begründetheit des Feststellungsantrags (vgl. BGH NJW 2001, 1431, unter II. 2.; BGH NJW-RR 2007, 601, unter 2.; siehe dazu v. Gerlach, Die prozessuale Behandlung von Schmerzensgeldansprüchen, in: VersR 2000, 525 ff.). Demgegenüber setzt das Feststellungsinteresse bei Vermögensschäden voraus, dass der Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich ist (vgl. BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830, unter II. A. 1.). Jedenfalls kann der Kläger, der seinen Schaden noch nicht vollumfänglich beziffern kann, 18 insgesamt Feststellungsklage erheben, muss also nicht etwa die bereits bezifferbaren Schäden zum Gegenstand einer Leistungsklage machen und daneben einen Feststellungsantrag stellen (vgl. z. B. BGH NJW 1988, 3268, unter II. 1.). Die Aufspaltung kann aber natürlich sinnvoll sein, um wenigstens hinsichtlich der bezifferbaren Schäden einen Vollstreckungstitel zu erwirken. Möglich ist schließlich auch, neben einem allgemeinen – also auf die allgemeine Ersatzpflicht gerichteten – Feststellungsantrag weitere auf konkrete Schadensposten bezogene Feststellungsanträge zu stellen (vgl. BGH NJW 1999, 3774, unter II. 1. b), für die dann natürlich das Feststellungsinteresse gegeben sein muss. e) Klageänderung aa) Begriff: Änderung des Streitgegenstands durch Änderung des Klageantrags (z. B. durch Erweiterung oder Beschränkung, nicht aber durch bloße Umformulierung oder Präzisierung) Änderung des Klagegrunds, also des zur Begründung des geltend gemachten Klageanspruchs vorgetragenen Lebenssachverhalts (nicht: Änderung der Rechtsauführungen ohne Änderung des Lebenssachverhalts) Änderung der Parteien, also Parteiwechsel oder Parteierweiterung auf Kläger oder Beklagtenseite. bb) Voraussetzungen: Gem. § 263 ZPO entweder Einwilligung des Beklagten, vor allem durch rügelose Verhandlung über geänderte Klage (§ 267 ZPO) oder Sachdienlichkeit. Von diesen Voraussetzungen hängen allerdings die in § 264 ZPO genannten Fälle der Klageänderung – vor allem die qualitative oder quantitative Beschränkung oder Erweiterung der Klageforderung (Nr. 2) – nicht ab. Beispiele: Erledigungserklärung (BGH NJW 2002, 442, unter 1.), Forderung der Leistung an Dritte anstatt an den Kläger (BGHZ 158, 295 = NJW 2004, 2152, unter II. 2. b), Übergang von der Feststellungs- auf die Leistungsklage oder umgekehrt, soweit dasselbe Rechtsverhältnis betroffen ist (BGH NJW 1992, 2296, unter II.), Leistung statt Auskunft (BGH NJW 1979, 925, unter I. 1. b aa), Zahlung statt Freistellung (BGH NJW 1994, 944, unter II. 2. b cc), Zahlung der Bürgschaftssumme statt Herausgabe der Bürgschaftsurkunde (BGH NJW 1996, 2869, unter II. 2. a, Fall von § 264 Nr. 3 ZPO). Die Beschränkung der Klageforderung unterliegt allerdings den Voraussetzungen des § 19 269 ZPO, soweit nicht für erledigt erklärt oder verzichtet wird (vgl. BGH NJW 1990, 2682, unter 1. b). cc) Bei der Klageerweiterung ist ergänzender Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, bevor es weitergeht (§ 12 Abs. 1 Satz 2 GKG). dd) Rubrumsberichtigung: Sie ist kein – Kosten verursachender – Parteiwechsel. Weniger problematisch sind die Fälle, in denen eine falsche oder unvollständige Bezeichnung gewählt wird und die bezeichnete Partei gar nicht existiert (vgl. BGH NJW 1998, 1496: Deutsche Bundesbahn AG statt richtig Deutsche Bahn AG). Dort wird zumeist die richtige Partei ermittelt und das Rubrum entsprechend berichtigt werden können. Problematisch sind die Fälle, in denen die falsch bezeichnete Partei tatsächlich existiert. Grundsätzlich gilt: „Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist. Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll. Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt.“ (BGH NJW-RR 2008, 582, unter II. 1.) Der Klägeranwalt sollte bei falscher Parteibezeichnung in Zweifelsfällen immer zunächst versuchen, im Wege der Rubrumsberichtigung vorzugehen, und nicht sogleich einen Parteiwechsel herbeizuführen. Auch dann ist sein Mandant allerdings vor Kostennachteilen nicht gefeit. Die falsch bezeichnete Partei darf sich verteidigen und der Kläger hat seine Kosten zu tragen (vgl. BGH NJW-RR 2008, 582, unter II. 5.). 5. Darlegungs- und Beweislast a) Grundregel: 20 „Das Berufungsgericht folgt im Ergebnis dem Grundprinzip der Beweislastverteilung, nach dem jede Partei die Voraussetzungen einer ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat. Auf der ersten Ebene ist demnach der Antragsteller für die rechtserzeugenden Tatsachen seines Anspruchs beweispflichtig. Auf einer zweiten Ebene trägt derjenige, welcher sich auf Nichteintritt, Hemmung oder Untergang des an sich bestehenden Anspruchs beruft, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen. Auch den rechtsvernichtenden Tatsachen können vernichtungshindernde (rechtserhaltende) Tatsachen gegenübertreten, die wiederum zu einer auf der Gegenseite liegenden Beweislast führen. Ihnen können weitere Normen mit entgegengesetzter Wirkung entgegentreten, und so ergibt sich ein ´weitreichendes, sich ständig wiederholendes Widerspiel von Rechtssätzen, weil die Wirkung jeder Norm durch eine andere gehindert oder vernichtet werden kann´.“ (BGH NJW 1999, 352, unter II. 3. b aa) Diese Ausführungen betreffen die Beweislast. Nach der Beweislast bestimmt sich, welche Tatsache der Gerichtsentscheidung zugrunde zu legen ist, wenn eine Beweisaufnahme ohne Ergebnis geblieben, die Tatsache also weder erwiesen noch widerlegt ist (non liquet). Nach der Beweislast bestimmt sich auch, welche Partei überhaupt Beweis anzutreten hat und welche Folge es hat, wenn sie keinen Beweis antritt. Demgegenüber richtet sich nach der Darlegungslast, welche Partei welche Tatsachen vorzutragen hat. Grundsätzlich richtet sich die Darlegungslast nach der Beweislast (z. B. BGH NJW 1989, 161, unter 3. a). Insofern gilt die Grundregel zugleich für die Darlegungslast (zu der Ausnahme von diesem Grundsatz sogleich unter b). b) Sekundäre Darlegungslast: „Steht ein darlegungspflichtiger Kläger außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs und kennt der Beklagte alle wesentlichen Tatsachen, so genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast sein einfaches Bestreiten nicht, sofern ihm nähere Angaben zuzumuten sind. In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden.“ (BGH NJW 2008, 982, unter III. 1. b aa) c) Beispiele Ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB): Der Kläger muss u. a. das Fehlen eines Rechtsgrunds beweisen. Dabei genügt es jedoch, wenn er den Vortrag des Beklagten zu den in Betracht kommenden Rechtsgründen widerlegt; insoweit trifft den Beklagten also eine sekundäre Darlegungslast. Beruft sich der Beklagte auf Schenkung, so muss er diese also schlüssig darlegen und der Kläger diesen Vortrag dann widerlegen (vgl. BGH NJW 1999, 2887). Stellvertretung (§§ 164, 179 BGB): Wird der Vertreter in Anspruch genommen, so muss er nachweisen, dass er im Namen eines anderen gehandelt hat, dieser Umstand wird also nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen gezählt 21 (BGH NJW-RR 1992, 1010, unter II. 1.). Auch die Beweislast für die Vertretungsmacht liegt bei ihm (§ 179 Abs. 1 BGB). Verkehrsunfall zwischen Kraftfahrzeug und Fußgänger/Radfahrer: Für das anspruchsmindernde Mitverschulden des Fußgängers/Radfahrers (§ 9 StVG, § 254 BGB) ist der Kraftfahrer beweispflichtig (allg. zum Mitverschulden z. B. BGH NJW 2007, 1063, unter 4.). Steht das Mitverschulden fest, gilt für die Abwägung der Unfallursachen (§ 17 StVG) allerdings wie bei Unfällen zwischen Kraftfahrzeugen der allgemeine Grundsatz, dass jeder Unfallbeteiligte dem anderen die gefahrerhöhenden Umstände, namentlich ein unfallursächliches Verschulden, nachzuweisen hat (vgl. BGH NJW 2000, 3069, unter II. 2. b). Im Rahmen der Abwägung muss also der Fußgänger/Radfahrer ein unfallursächliches Verschulden des Kraftfahrers beweisen. 6. Wirkungen der Rechtshängigkeit a) Prozesshindernis (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO): Eine später rechtshängig gewordene Klage zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand ist unzulässig. b) Fortdauer der Zuständigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) c) Der Eintritt der Rechtshängigkeit hat zahlreiche materiell-rechtliche Wirkungen, z. B. die verschärfte Haftung (vor allem §§ 292, 818 Abs. 4, 987 ff. BGB), Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), Zinsanspruch (§ 291 BGB), Stichtag für Ausgleichsansprüche (§ 1384 BGB, 140 Abs. 2 HGB). 7. Zivilprozessuale Verfahrensgrundsätze a) Parteiherrschaft aa) Beibringungsgrundsatz: Die Tatsachen und Beweismittel werden von den Parteien in den Prozess eingeführt und nicht – wie beim Untersuchungsgrundsatz – von Amts wegen vom Gericht ermittelt. bb) Dispositionsgrundsatz: Der Streitgegenstand wird von den Parteien bestimmt (vgl. z. B. § 308 Abs. 1 ZPO). b) Mündlichkeitsprinzip: § 128 Abs. 1 ZPO. Aber: Die mündliche Verhandlung wird durch Schriftsätze vorbereitet (§§ 129 ff. ZPO), auf die die Parteien durch die Stellung 22 ihrer Anträge sozusagen automatisch Bezug nehmen (z. B. BGHZ 126, 217 = NJW 1994, 3295, unter II. 1. b). c) Öffentlichkeitsprinzip: § 169 GVG, Art. 6 Abs. 1 EMRK. d) Konzentrationsgrundsatz: Der Rechtsstreit soll möglichst beschleunigt durchgeführt werden. Er soll in der Regel in einem umfassend vorbereiteten Haupttermin erledigt werden (§§ 272 f. ZPO). Verspäteter Vortrag kann zurückgewiesen werden (§ 296 ZPO). e) Unmittelbarkeitsgrundsatz: Verhandlung und Beweisaufnahme haben grundsätzlich vor dem erkennenden Gericht stattzufinden (§ 355 ZPO zur Beweisaufnahme). 8. Streitverkündung/Nebenintervention a) Begriff und Zweck: Einbeziehung Dritter in den Rechtsstreit aa) Begriff: Nebenintervention: Beteiligung eines Dritten an einem Rechtsstreit zur Unterstützung einer Partei, wobei die Initiative von dem Dritten ausgeht, der dem Rechtsstreit beitritt (§ 66 ZPO), in der Praxis zumeist aufgrund einer Streitverkündung (§ 74 Abs. 1 ZPO). Streitverkündung: Förmliche (§ 73 ZPO) Benachrichtigung eines Dritten von einem anhängigen Prozess, dem Vorprozess, wobei die Initiative von einer Partei des Vorprozesses ausgeht. bb) Zweck: Nebenintervention: Einflussnahme auf den Prozess. Der Nebenintervenient (auch Streithelfer genannt) ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozesshandlungen vorzunehmen, soweit er sich nicht in Widerspruch zu der von ihm unterstützten Partei setzt (§ 67 ZPO). Streitverkündung: Vor allem Herbeiführung der Interventionswirkung (§§ 68, 74 Abs. 3 ZPO), also der Verbindlichkeit des Prozesses für den Dritten; ggf. Verjährungshemmung (§ 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB). Gem. §§ 68, 74 ZPO wird der Streitverkündete im Verhältnis zum Streitverkünder nicht mit der Behauptung gehört, dass der Rechtsstreit falsch entschieden worden sei, und nur eingeschränkt mit der Behauptung, dass der Streitverkünder den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nämlich nur insoweit, als ihn der Streitverkündete infolge der zu späten Streitverkündung nicht mehr beeinflussen konnte. Die 23 Interventionswirkung tritt nur zu Gunsten des Streitverkünders ein, nicht zu Gunsten des Streitverkündeten (BGHZ 100, 257 = NJW 1987, 1894). b) Zulässigkeitsvoraussetzungen und ihre Prüfung aa) Zulässigkeitsvoraussetzungen Nebenintervention: Rechtliches Interesse an dem Obsiegen der zu unterstützenden Partei (§ 66 Abs. 1 ZPO), namentlich infolge einer Streitverkündung. Formalien: § 70 ZPO. Streitverkündung: Anspruch gegen Dritten bzw. Verbindlichkeit gegenüber Drittem im Fall des ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits (§ 72 Abs. 1 ZPO). Formalien: § 73 ZPO. Beispiele: Zweifelhafte Stellvertretung (BGH NJW 1982, 281; BGH NJW-RR 2005, 1585); Subsidiäre Haftung des Dritten (§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO; unzulässig ist die Streitverkündung allerdings gegenüber dem primär Haftenden aus dem Prozess gegen den subsidiär Haftenden, BGHZ 175, 1 = NJW 2008, 519, unter II. 2. b bb). Keine Streitverkündung gegenüber gesamtschuldnerisch Haftendem (BGHZ 100, 257 = NJW 1987, 1894, unter I. 1.). bb) Die Zulässigkeit der bloßen Streitverkündung wird im Vorprozess gar nicht geprüft. Selbst die Zulässigkeit der – namentlich aufgrund einer Streitverkündung erfolgten – Nebenintervention wird nur auf den – in der Praxis seltenen – Antrag einer der Parteien geprüft (§ 71 ZPO). Das ist für den Streitverkünder gefährlich: Erst im Folgeprozess weiß er, ob die Interventionswirkung tatsächlich eingetreten ist, und vor allem hemmt nur eine zulässige Streitverkündung die Verjährung (BGHZ 175, 1 = NJW 2008, 519). 24