Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 1 gung ausreichend ist, ist es dabei – anders als für eine vertragliche Einigung – auch unerheblich, dass diese Einigung in einer Urkunde enthalten ist, die selbst der Formunwirksamkeit gemäß §§ 311b I, 125 BGB unterliegt.3 Lösung Klausur Nr. 698 Teil 1: Gutachten zum Verfahren K gegen V I. Erfolgsaussichten des bereits im Mahnverfahren gestellten Zahlungsantrags: Anmerkung: Da die im jeweiligen Einzelfall notwendigen prozessualen Maßnahmen gerade davon abhängen, welche Ziele überhaupt realistischer Weise realisiert werden können, sind in einer Anwaltsklausur im absoluten Regelfall erst die Erfolgsaussichten in der Sache selbst untersuchen (materielle Rechtslage inklusive Beweislage). Erst anschließend ist die Frage zu stellen, wie man die nun als realistisch herausgearbeitete Rechtsposition prozessual am besten umsetzt.1 1. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen in Höhe von 3.000 € noch nicht gemäß § 362 I BGB erfüllten Anspruch auf Rückzahlung des Vorschusses aus Zweckkondiktion gemäß § 812 I 2 2. Alt. BGB. a. Grundvoraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage: Da dieser Zweck aber nicht erreicht wurde, ist der Wert des Erlangten, also der Gutschrift, zu ersetzen (§§ 812 I 2 2. Alt., 818 II BGB). Das Scheitern dieses Zwecks und damit das Entstehen des Anspruchs aus Zweckkondiktion ist ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem der Beklagte sich entschloss, die Immobilie anderweitig zu verkaufen, also ab der Abrede des Beklagten mit Frau Drillig am 27. Juli 2009, allerspätestens aber mit der notariellen Beurkundung des Kaufvertrags mit Frau Drillig am 17. August 2009. cc. Die Beweislage hinsichtlich der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale erscheint als sehr günstig: Bezüglich der Überweisung lässt sich der Kontoauszug vorlegen, über die Zweckabrede existiert eine schriftliche Urkunde der Parteien. Das Scheitern des Zwecks durch Abrede bzw. notariellen Vertrag mit Frau Drillig wird sich durch Zeugenbeweis von Frau Drillig bzw. durch einen Antrag auf Urkundenvorlage seitens des Gegners (vgl. §§ 421 ff ZPO) nachweisen lassen. aa. Mit der Überweisung hatte der Beklagte einen Anspruch gegen seine Bank in Höhe von zunächst 20.000 € erlangt. Dies geschah durch bewusste und zweckgerichtete Handlung, also durch Leistung des Klägers, die er mit der Anweisung an seine Bank vornahm. bb. Die Leistung hatte den Zweck, als Vorschuss für den später erhofften Kaufvertrag zu dienen. Dieser Zweck ging – wie es in Abgrenzung zu § 812 I 1 1. Alt. BGB nötig ist – zwangsläufig über die bloße Erfüllung einer Verbindlichkeit hinaus, weil eine solche mangels endgültiger Einigung und notarieller Beurkundung (§ 311b I BGB) noch gar nicht bestand und dies auch beiden Parteien bekannt war. Über diesen Zweck haben sich die Parteien nach dem vom Mandanten geschilderten Sachverhalt vorliegend sogar ausdrücklich geeinigt, weil die Zahlung vom Beklagten als Vorschuss gefordert worden war und erkennbar dies erst zu der Zahlung des Klägers führte.2 Da für die Zweckkondiktion gemäß § 812 I 2 2. Alt. BGB eine rein tatsächliche Eini1 2 Ausführlich dazu etwa Assessor-Basics Anwaltsklausur (Theorieband) § 4, RN 3 ff. Hier geht es um die Abgrenzung zur bloßen Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB. Zu den Prüfungsschritten der Zweckkondiktion siehe Pal./Sprau § 812, RN 30 ff. Ergebnis: Es bestehen gute Aussichten, dass ein in Höhe von 3.000 € noch nicht erfüllter Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Vorschusses aus Zweckkondiktion gemäß § 812 I 2 2. Alt. BGB vor Gericht durchsetzbar ist. 3 Die Annahme eines vertraglichen Rückzahlungsanspruchs („Vorleistungsvertrag“) ist nicht ganz unvertretbar. Die rein tatsächliche Einigung i.S.d. Zweckkondiktion ist zu einer rechtsgeschäftlichen Einigung i.S.e. Vertragsschlusses naturgemäß schwer abzugrenzen (Auslegungsfrage; siehe Pal./Sprau § 812, RN 30 und RN 33). Allerdings müsste man sich bei Bejahung einer rechtsgeschäftlichen Einigung zusätzlich noch mit der Frage auseinander setzen, ob diese als Teil der formunwirksamen Urkunde nicht selbst von §§ 311b I, 125 BGB erfasst ist oder ob diese Abrede abtrennbar bzw. selbständig lebensfähig i.S.d. § 139 BGB ist. Letzteres lässt sich wohl nur mit guten Argumenten bejahen. Die Rechtsprechung hat dann, wenn ein den Parteien bekanntermaßen formunwirksamer Grundstückskaufvertrag mit Vorleistungen vorlag und die erhoffte Heilung nach § 311b I 2 BGB später ausblieb, bei der Prüfung der Rückabwicklung regelmäßig mit der Zweckkondiktion gearbeitet, nicht mit einem eigenständigen „Vorleistungsvertrag“. Der „Klassiker“: Falsche Angaben beim Notar, um Grunderwerbssteuer zu „sparen“ (vgl. etwa BGH Z 57, 151; Erman/Westermann § 812, RN 53; Roth JuS 1981, 250 ff.). © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 2 rungsanspruch insoweit fort, als der Empfänger sich damit noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen hat.6 Entscheidend ist dabei der Einzelfall unter Berücksichtigung der Verhältnisse beim Empfänger. Anmerkung: Vermeiden Sie im Anwaltsgutachten möglichst apodiktische Ergebnisse („So ist es.“). Nicht Sie sind es, der die Entscheidung trifft, sondern der Richter. Weder der künftige Prozessverlauf noch die persönliche Einstellung des Richters zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme und zu rechtlichen Streitfragen ist für Sie sicher vorhersehbar. Ein Anwaltsgutachten zu bereits entstandenen Streitigkeiten muss daher eine möglichst präzise Analyse von Chancen und Risiken eines künftigen Prozesses sein. Gerade in der vorliegenden Klausur sollte dies an vielen Stellen besonders deutlich werden. 4 b. Einwand des (angeblichen) Rechtsmissbrauchs: Die Einwendung des § 814 BGB ist auf diese Anspruchsgrundlage nicht anwendbar, sondern gilt ausweislich des klaren Wortlauts nur für Ansprüche, die auf § 812 I 1 1. Alt. BGB gestützt werden5; nur bei solchen geht es um die Erfüllung einer Verbindlichkeit. Im hier behaupteten Fall der einmaligen Tilgung von Verbindlichkeiten gegenüber der Bank liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung überhaupt keine Vermögenseinbuße vor. Der Empfänger hat Ausgaben erspart, die er andernfalls ebenso gehabt hätte. Insbesondere ist hier auch davon auszugehen, dass eine Kausalität zwischen dem Erhalt der Überweisung und der Schuldtilgung vorliegt.7 bb. Auch im Hinblick auf das „leergeräumte“ Konto ist – unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Behauptung – zweifelhaft, ob der derzeitige Vortrag des Gegners überhaupt schlüssig die Einwendung der Entreicherung begründet. Insbesondere ist nicht ersichtlich, ob das „Abräumen“, die Wegüberweisung eines bestimmten Geldbetrags, nicht auch bei einem entsprechend geringerem bzw. einen negativem Kontostand in Betracht gekommen wäre; dann aber würde es an der Kausalität zwischen der rechtsgrundlosen Bereicherung und diesem angeblichen Vermögensverlust fehlen. Überdies lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen, wie es sich mit der Frage eines etwaigen Regresses gegen die kontoführende Bank bzw. dem Bestand eines Anspruchs gegen eine dafür vorgesehene Versicherung verhält; solche Ansprüche würden den wirtschaftlichen Verlust ganz oder teilweise kompensieren. Einschlägig ist stattdessen § 815 BGB, dessen Voraussetzungen aber evident nicht vorliegen. Weder war die Heilung gemäß § 311b I BGB von Anfang an bekanntermaßen unmöglich noch hat der Kläger den Erfolgseintritt treuwidrig vereitelt; letzteres entfällt schon deswegen, weil er den Vertrag bis zuletzt tatsächlich durchführen wollte. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen dieser Einwendung trägt der Beklagte als Anspruchsgegner. Da grundsätzlich der Empfänger die Einwendung des Wegfalls der Bereicherung genauer darzulegen und zu beweisen hat8, bleibt abzuwarten, ob der Gegner diese wesentlichen Details im Rechtsstreit selbst noch ordnungsgemäß präzisieren wird. c. Fraglich ist, ob die vom Gegner in seinem Brief erhobenen Einwände als Entreicherung gemäß § 818 III BGB in Betracht kommen. aa. Soweit der Beklagte den überwiesenen Betrag zur Tilgung von Schulden verwendet hat, liegt keinesfalls ein Wegfall der Bereicherung i.S.d. § 818 III BGB vor. 6 7 Da die Frage der Entreicherung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, muss immer geprüft werden, ob das ursprünglich Erlangte selbst oder sein Wert im Vermögen des Bereicherungsschuldners ganz oder teilweise noch vorhanden ist. Wurde das Empfangene oder das Surrogat nach § 818 I BGB weitergegeben, besteht der Bereiche4 5 Ausführlich dazu etwa Assessor-Basics Anwaltsklausur (Theorieband) § 4, RN 9. Ganz h.M.; vgl. etwa Pal./Sprau § 814, RN 1; a.A. Erman/Westermann § 814, RN 1. 8 Pal./Sprau § 818, RN 34. Bei Tilgungszahlungen auf ein Darlehen kann u.U. trotzdem die Berufung auf § 818 III BGB möglich sein. Entreicherung liegt vor, wenn die Schulden mit anderen als den rechtsgrundlos erhaltenen Zahlungen getilgt werden und das Erhaltene ansonsten ersatzlos für die Lebensführung verbraucht wird. Beispiel: Ratenkredit, der in einem bestimmten Monatsbetrag getilgt wird, wenn die Höhe der Tilgung unabhängig von den Einnahmen des Bereicherungsschuldners ist (weil mit der Bank fest vereinbart); bei solchen Zahlungen ist davon auszugehen, dass die rechtsgrundlosen zusätzlichen Einnahmen in die Erhöhung des Lebensstandards geflossen sind. Folge: § 818 III BGB wäre dann zu bejahen (vgl. BGH NJW 1992, 2415; Pal./Sprau § 818, RN 38). Pal./Sprau § 818, RN 55. © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 3 cc. Letztlich ist unerheblich, ob er dies noch tun wird: Eine Berufung des Beklagten auf Entreicherung gemäß § 818 III BGB kommt im vorliegenden Falle nämlich schon wegen Eingreifens der verschärften Haftung gemäß § 818 IV BGB nicht in Betracht: Obwohl das Mahnverfahren grds. selbst noch keine Rechtshängigkeit bewirkt, ist die Situation im vorliegenden Falle nämlich aufgrund der Fiktion des § 700 II ZPO so zu behandeln, als sei die Streitsache mit der Zustellung des Mahnbescheides am 15. Februar 2010 rechtshängig geworden. Deswegen greift hier die verschärfte Haftung nach § 818 IV BGB ein, da die behaupteten Vorgänge deutlich später stattgefunden haben sollen. Zwar ist bei verschärfter Haftung nicht jede Berufung auf Entreicherung ausgeschlossen, sondern dies nach den „allgemeinen Vorschriften“ des Schuldrecht AT zu entscheiden, v.a. nach den §§ 287, 292 BGB. Da es im vorliegenden Fall um eine Geldschuld geht, muss daher schon die allgemeine und nicht ausdrücklich kodifizierte Regel gelten, das finanzielle Leistungsunfähigkeit nichts an der Haftung ändert.9 V.a. aber ist auf § 287 S. 2 BGB hinzuweisen, nachdem auch eine Entreicherung ohne Verschulden des Beklagten von diesem zu vertreten ist; bei rechtzeitiger Leistung wäre dieser Schaden nach seinem eigenen Vortrag nicht eingetreten, da dann das „geplünderte“ Konto keinen positiven Kontostand ausgewiesen hätte. 2. Ob zusätzlich noch ein Anspruch aus § 812 I 1 1. Alt BGB (sog. condictio indebiti) gegeben ist, ist zweifelhaft, aufgrund des bereits gefundenen Ergebnisses letztlich aber unerheblich. Vom Wortlaut her steht einem solchen Anspruch der bereits genannte Einwand des § 814 BGB entgegen. Man könnte vertreten, dass dieser Sonderfall des Rechtsmissbauchs nach seinem Gesetzeszweck bei Leistung in der Hoffnung späteren Vertragsschlusses bzw. bzw. späterer Heilung nicht eingreift, weil in solchen Fällen die spätere Rückforderung gerade kein widersprüchliches Verhalten darstellt.10 Als notwendig erscheint eine solche teleologische Reduktion des § 814 BGB aber deswegen nicht, weil in solchen „Vorleistungsfällen“ – wie ausgeführt – ohnehin die Zweckkondiktion des § 812 I 2 2. Alt. BGB einschlägig ist, für die § 814 BGB richtigerweise gar nicht gilt. 3. Anspruch aus einer vorvertraglichen Schutzpflichtverletzung (c.i.c.) gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB: Fraglich ist, ob man einen Anspruch aus sog. culpa in contrahendo gemäß §§ 280 I, 311 II, 241 II BGB wegen Abbruchs der Vertragsbeziehung bzw. Nichtinformation über die subjektiven Ziele des Gegners als möglicher Pflichtverletzung annehmen kann. Das Problem besteht aber darin, dass eine Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens einen indirekten bzw. wirtschaftlichen Zwang zum Vertragsabschluss bedeuten kann, der grds. dem Zweck von § 311b I BGB zuwiderläuft. Deswegen darf die c.i.c. nach BGH11 nur ausnahmsweise angewendet werden, nämlich in zwei Vorsatz-Fallgruppen: a. Vorspiegeln einer von Anfang an nicht vorhandenen Abschlussbereitschaft: Vorliegend liegen keine für einen Rechtsstreit brauchbaren Anhaltspunkt für diese erste Fallgruppe vor. b. Nichtoffenbarung einer endgültigen Abstandnahme von einer zunächst vorhandenen Verkaufsbereitschaft: Die Verletzung der Schutzpflicht, den Vertragspartner über die spätere Willensänderung zu informieren, begründet im vorliegenden Fall aber schon deswegen keinen Schadensersatzanspruch in Form eines Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises, weil die Verkaufsaktivitäten gegenüber Frau Drillig (zumindest soweit nachweisbar) erst begannen, als die Zahlung vorher bereits erfolgt war, so dass diese Pflichtverletzung nicht kausal für diesen konkreten Schaden gewesen sein kann. II. Erfolgsaussichten von Ansprüchen auf Verzinsung: 9 10 Vgl. Pal./Grüneberg § 276, RN 28 (m.w.N.). So etwa Pal./Sprau § 814, RN 6. Die dort zitierte Entscheidung BGH NJW 1999, 2892 hat aber gerade nicht ausdrücklich die condictio indebiti des § 812 I 1 1. Alt. BGB bejaht, sondern offen gelassen, ob sich die Lösung bereits wegen der Anwendbarkeit der Zweckkondiktion des § 812 I 2 2. Alt. BGB ergibt, wie es die Vorinstanz (OLG Frankfurt/Main) im Einklang mit der absolut h.M. angenommen hatte. Dem Kläger könnten aus verschiedenen Gesichtspunkten Ansprüche auf Verzinsung der sich ursprünglich über mehrere Monate hinweg sogar auf 20.000 € belaufenden Forderung zustehen. 11 Vgl. BGH NJW 1996, 1884 f.; Pal./Grüneberg § 311, RN 31 (a.E.). © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 4 1. Zunächst einmal sind ab Verzugsbeginn durch Zugang des als Mahnung i.S.d. § 286 I BGB zu behandelnden Schreibens vom 11. Oktober 2009 Ansprüche auf Ersatz des Verzögerungsschadens gemäß § 280 I, II, 286 I, IV BGB bzw. auf Zahlung von pauschalierten Verzugszinsen gemäß § 288 I BGB gegeben. Allerdings ist die Beweislage hinsichtlich des Zugangs der Mahnung nach Sachverhalt unsicher. Vorliegend bestehen gute Chancen, das Gericht zu der Annahme einer solchen Kenntnis des Beklagten ab dem 27. Juli 2009 zu bewegen, wenn durch Zeugenbeweis der Käuferin Drillig nachgewiesen werden kann, dass der Beklagte bereits ab diesem Tag fest beschlossen hatte, an diese zu verkaufen. Zumindest wird sich dasselbe spätestens für den Tag des notariellen Vertrags nachweisen lassen (dazu bereits oben). Es kann und muss nämlich davon ausgegangen werden, dass der Beklagte ab dem Zeitpunkt, zu dem er sich endgültig entschloss, das betreffende Grundstück anderweitig zu veräußern, auch positiv wusste, dass er nun kein Recht mehr hatte, die Zahlung des Klägers für sich zu beanspruchen. 2. Hinsichtlich des geringeren, per Mahnbescheid geltend gemachten Betrags ist weiterhin ohne Rücksicht auf ein Vertretenmüssen ein Anspruch auf Prozesszinsen gemäß § 291 i.V.m. § 288 BGB ab dem Tag der Zustellung des Mahnbescheids gegeben. Das Mahnverfahren begründet zwar unmittelbar keine Rechtshängigkeit der Forderung. Gemäß § 700 II ZPO ist allerdings zu fingieren („gilt“), dass die Rechtshängigkeit zu diesem frühen Zeitpunkt bereits vorgelegen habe.12 3. „Bösgläubigkeitszinsen“: Weiterhin ist diese Anspruchsgrundlage gemäß §§ 291, 288 I BGB über die Verweisung in den §§ 818 IV, 819 I BGB bereits zu einem noch früheren Zeitpunkt einschlägig. Sollte er sich dieser auch und gerade für jeden juristischen Laien völlig offenkundigen Erkenntnis, dass ohne Leistung auch keine Gegenleistung geschuldet ist, verschlossen und sich damit gewissermaßen „rechtsblind“ gestellt haben, so würde auch dies der Annehme einer Kenntnis i.S.d. § 819 I BGB nach der Rechtsprechung nicht entgegenstehen. 14 4. Zinsen in Form von Nutzungsersatz: Schließlich ist anerkannt, dass sich bei bereicherungsrechtlichen Geldansprüchen ein Anspruch auf eine Verzinsung über den Anspruch auf Wertersatz für gezogene Nutzungen gemäß § 818 I, II BGB ergibt.15 Die in § 819 I BGB vorgenommene gesetzliche Gleichstellung der Kenntnis i.d.S. mit der Rechtshängigkeit i.S.d. §§ 253 I, 261 I ZPO bewirkt nämlich nicht nur im Ausgangspunkt dieser Verweisungskette eine Gleichstellung, sondern an jeder Stelle der weiteren Prüfung. Daher ist § 291 BGB in solchen Fällen ab Eintritt dieser Kenntnis einschlägig. Teilweise heißt es dann dazu, dass diese Verzinsungspflicht ab Entstehung des Hauptanspruchs einsetze.16 Dies wäre im Falle des hier gegebenen Anspruchs aus § 812 I 2 2. Alt. BGB nicht bereits der Leistungszeitpunkt, sondern erst das endgültige Scheitern des angestrebten Zwecks.17 Demgegenüber sprechen die deutlich besseren Argumente für die für den Mandanten günstigere Lösung, die Zinspflicht bereits ab dem Zeitpunkt seiner Zahlung des Vorschusses zu gewähren. Anders als etwa ein Verzugszinsanspruch, der zwangsläufig nicht vor Fälligkeit entstehen kann, geht es insoweit nämlich nicht um eine Sanktion für Pflichtwidrigkeiten, sondern um die Abschöpfung einer beim Anspruchsgegner eingetretenen tatsächlichen Bereicherung; Die Darlegungs- und Beweislast für diese Kenntnis als anspruchsbegründendes Merkmal hat der Anspruchssteller.13 12 13 Vgl. auch die Parallelvorschrift des § 696 III ZPO, die dann einschlägig ist, wenn – anders als hier – nicht erst nach Vollstreckungsbescheid in das Streitverfahren übergeleitet wird, sondern nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid gemäß § 694 ZPO. Bei dieser Parallelvorschrift des § 696 III ZPO wäre dann noch die zeitliche Voraussetzung des „alsbald“ zu prüfen. Wurde dann in einem solchen Fall (also anders als in dieser Klausur ohne Vollstreckungsbescheid) z.B. wegen eines verspäteten Antrags nicht alsbald abgegeben, ist streitig, ob die Rechtshängigkeit mit Abgabe der Akten an das Streitgericht oder wegen §§ 697 II 1, 261 ZPO erst mit Zustellung der Anspruchsbegründung eintritt. Nach BGH tritt die Rechtshängigkeit bereits mit Eingang der Akten bei dem Prozessgericht ein (BGH NJW 2009, 1213 [1214]; vgl. auch ThP § 696, RN 13). Vgl. Pal./Sprau § 819, RN 10. 14 15 16 17 Vgl. Pal./Sprau § 819, RN 2; BGH Z 133, 246. Vgl. BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401; Pal./Sprau § 818, RN 10; ebenso BGH NJW 2009, 3572 [3574] zu §§ 346 I, 357 I BGB. Vgl. Pal./Sprau § 818, RN 10. Wahrscheinlich ist mit dem dortigen „seit Entstehung“ aber nur der Anspruch aus § 812 I 1 1. Alt. BGB gemeint, bei dem dies auch zutreffend wäre, denn bei § 812, RN 31 hält er Nutzungsersatz für die vorherige Zeit für möglich. Vgl. Pal./Sprau § 812, RN 31. © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 5 diese trat aber von Anfang an ein. Da bezüglich der (ggf. nur potentiellen) Gegenleistung, dem Nutzungsersatz für die Nutzung einer gewährten Sache, unstreitig die von Anfang an gezogenen Nutzungen zu ersetzen sind, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, dies beim Anspruch auf Geldrückzahlung anders zu behandeln; derartiges würde einen unvertretbaren Wertungswiderspruch bewirken.18 Dabei ist die Höhe des Anspruchs unterschiedlich, je nachdem wie sich der Bereicherungsschuldner nach Erhalt des Geldbetrages bzw. Anspruchsentstehung verhalten hat: Hat der Bereicherungsschuldner das erhaltene Geld bei seiner Bank angelegt, so stellen die hierdurch erlangten Vorteile Nutzungen i.S.d. § 100 BGB dar. Folglich ist Ersatz in genau dieser Höhe zu leisten. Arbeitete der Bereicherungsschuldner – wie oft bei Gewerbetreibenden – mit einem Kontokorrentkredit, den er infolge des erhaltenen Geldes reduzierte, so ersparte er aufgrund des Gelderhalts Zinszahlungen an seine Hausbank in Höhe des gegenüber seiner Bank vereinbarten Zinssatzes. Folglich schuldet er Nutzungsersatz in dieser meist nicht unbeträchtlichen Höhe.19 Hier bestehen nach den Schilderungen des Mandanten gewisse Indizien für Letzteres. Da aber keine sicheren Kenntnisse vorliegen und auch die Höhe etwaiger Zinsen völlig unklar ist, kann hierzu derzeit aber keine Bezifferung vorgenommen werden. Daher stellt sich die Frage, ob diesbezüglich ein Auskunftsanspruch gegeben ist. Exkurs: Einfacher ist dies für den Gläubiger bei Zahlungen an eine Bank. In solchen Fällen besteht nämlich eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss.20 18 19 20 Man stelle sich einen Rücktritt vom Pkw-Kaufvertrag vor, der erst nach einem knappen Jahr und 50.000 km Nutzung erklärt wird (Nutzungsersatz nach § 346 I, II Nr. 1 BGB). Da käme doch kein geradeaus denkender Jurist jemals auf die Idee, der Nutzungsersatz sei nur für die Zeit ab Rücktrittserklärung geschuldet. Selbstverständlich gibt es Nutzungsersatz bereits für die Zeit vor der Rücktrittserklärung, obwohl der Rücktritt keine Rückwirkung hat. BGH NJW 1998, 2354 [2355]; Pal./Sprau § 818, RN 10. Eine Kumulierung mit Prozesszinsen gemäß § 291 BGB ist bei Geltendmachung dieses Zinsanspruchs dann aber nicht möglich (BGH NJW 1998, 2529; Pal./Sprau § 818, RN 10 a.E.). Vgl. BGH NJW 2009, 3572 [3574] zu §§ 346 I, 357 I BGB sowie BGHZ 172, 147 = NJW 2007, 2401 zu § 818 I BGB. III. Erfolgsaussichten eines Auskunftsanspruchs: Eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage auf Auskunft, die im Fall passen würde, existiert nicht. Allerdings könnten die Voraussetzungen des von der Rechtsprechung anerkannten (subsidiären) allgemeinen Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB gegeben sein.21 Gerade im Hinblick auf letztgenannte Anspruchsgrundlage der Verzinsung aus § 818 I, II BGB hat die Rechtsprechung einen auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruch zuerkannt, weil der darlegungsund beweispflichtige Anspruchsinhaber andernfalls keine realistische Chance hätte, an solche Informationen aus der Sphäre des Gegners zu kommen. 22 Zu prüfen sind die drei kumulativen Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben: 1. Es besteht eine „Sonderverbindung“ in Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses zwischen den Parteien, weil der Beklagte – wie oben ausgeführt – dem Kläger Verzinsung in Form des Nutzungsersatzes aus § 818 I, II BGB schuldet.23 2. Der Anspruchsberechtigte ist in entschuldbarer Weise über den Umfang dieses Anspruchs im Ungewissen, weil es sich um Umstände aus der Sphäre des Beklagten handelt und praktisch jeder denkbare Anspruchsinhaber in einer solchen Situation dieses Informationsdefizit hätte.24 Insbesondere kann der 21 22 23 24 Hinweis: Die §§ 259 bis 261 BGB stellen - vom Sonderfall des § 260 I 1. Alt. BGB („Inbegriff von Gegenständen“) abgesehen - keine Anspruchsgrundlage dar, sondern setzen diese voraus! Erst recht setzt § 254 ZPO eine Anspruchsgrundlage voraus. BGH NJW 2003, 582 [584 f.]; vgl. Pal./Sprau § 812, RN 74; Pal./Grüneberg § 260, RN 4 ff. Es ist übrigens kein Grund ersichtlich, warum im Rahmen des § 346 BGB etwas anderes gelten sollte: Wichtig v.a. für den Gewährleistungsprozess! Wer in der Klausur – der Reihenfolge der Anträge der Stufenklage entsprechend – erst den Auskunftsanspruch subsumiert, hätte hier nun eine Schachtelprüfung des Zinszahlungsanspruchs durchzuführen. Dieser muss zur Überzeugung des Gerichts dem Grunde nach gegeben sein, um einen solchen (subsidiären) Auskunftsanspruch bejahen zu können. Dies ist anders, wenn der Auskunftsanspruch auf einem vertraglichen „Hauptanspruch“ aufbaut. Auch spezialgesetzliche Auskunftsansprüche werden ganz anders behandelt: Diese entfallen nur dann als rechtsmissbräuchlich, wenn schon vor erteilter Auskunft definitiv feststeht, dass die Auskunft nichts bringen wird; bei diesen ist die Auskunft in ergebnisoffenen Fällen also zunächst einmal zu erteilen. Nur um solche grundlegenden Probleme geht es („typischer Beweisnotstand“). Liegen individuelle Gründe vor, © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 6 Kläger nicht darauf verwiesen werden, dass er seine Zinsansprüche aus §§ 291, 288 I BGB bzw. § 280 I, II, 286 BGB bereits jetzt beziffern könnte, weil derzeit viel dafür spricht, dass der Anspruch auf Verzinsung gemäß §§ 818 II, 100 BGB in zeitlicher Hinsicht und evtl. auch in der Höhe weitreichender ist. Eben dies kann aber erst nach Vorliegen der begehrten Informationen endgültig entschieden werden. wird und auch die weiteren Vorteile der Rechtshängigkeit eintreten. In Ausnahme zu § 253 II Nr. 2 ZPO kann dabei vorläufig auf die exakte Bezifferung verzichtet werden. 25 3. Schließlich kann der Verpflichtete die begehrte Auskunft unschwer erteilen, weil es sich um Informationen zu Vorgängen aus seiner Sphäre handelt, die bei ordnungsgemäßem Verhalten durch Überprüfung von eigenen Bankverträgen bzw. Kontoauszügen in kürzester Zeit ermittelt werden können. Daher kann, will man nicht eine teilweise Abweisung der Klage riskieren, derzeit allenfalls eine Ankündigung solcher Anträge vorgenommen werden. Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs aus Treu und Glauben sind im vorliegenden Fall also erfüllt. IV. Prozessuale Umsetzung der Ziele: 1. Im Hinblick auf den Hauptanspruch auf Zahlung von 3.000 € erfolgt nun selbstverständlich keine Klageerhebung gemäß § 253 ZPO, sondern eine Anspruchsbegründung gemäß § 697 I i.V.m. § 700 II 2 ZPO. Dabei ist gemäß §§ 343, 700 I ZPO Antrag auf Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids zu stellen, der dann selbst auch weiterhin den Vollstreckungstitel darstellen würde. Für einen Antrag auf eidesstattliche Versicherung ist gemäß § 259 II bzw. § 260 II BGB ein begründeter Verdacht notwendig, dass die Angaben unzutreffend sind.26 b. Infolge der Rückwirkungsfiktion des § 700 II ZPO liegt in der Stufenklage gemäß § 254 ZPO eine nachträgliche Klageerweiterung, die nach Ansicht der Rechtsprechung27 wegen vergleichbarer Schutzwürdigkeit der Beklagten wie eine Klageänderung entsprechend §§ 263 ff ZPO zu behandeln ist. In einem derart frühen Stadium des Verfahrens wird die Erweiterung nahezu immer sachdienlich sein, was umso mehr gilt, wenn – wie etwa im vorliegenden Fall des Aufeinanderaufbauens – ein extrem enger sachlicher Zusammenhang der beiden Anträge besteht. 3. Auch nach der Klageerweiterung ist das Amtsgericht Leipzig immer noch gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 I GVG und §§ 12, 13 ZPO sachlich und örtlich zuständig, da der zu schätzende Streitwert auch jetzt nicht über 5.000 € liegt. Neben den 3.000 € Rückzahlungsforderung geht es um die Zinsen und um die Auskunft. Würde man eine Verzinsung von 10 % Dispokredit unterstellen, wäre etwa ein halbes Jahr aus 20.000 €, also etwa 1.000 € anzusetzen und ein paar Monate mehr aus den immer noch nicht erfüllten 3.000 €. Davon bleibt nur ein kleiner Teil, nämlich die Verzinsung für die jetzt noch nicht erfüllten 3.000 € als bloßer Nebenanspruch i.S.d. § 4 ZPO außer Betracht.28 Man könnte den Streitwert daher zunächst einmal mit geschätzten 4.500 € angeben. 2. Umsetzung des Anspruchs auf Verzinsung: a. Eine alleinige Klage direkt auf Zahlung ist insoweit wegen § 253 II Nr. 2 ZPO derzeit ungeeignet, weil einiges dafür spricht, dass gerade der in seiner Höhe unklare Anspruch auf Nutzungsersatz den größten Umfang hat. Insoweit ist eine genaue Bezifferung derzeit, also vor Auskunftserteilung, noch nicht möglich. Die Klage sollte als Stufenklage gemäß § 254 ZPO erhoben werden, nicht als reine Auskunftsklage. Dies hat v.a. den Vorteil, dass mit einer solchen Klage - anders als mit einer reinen Auskunftsklage die Verjährung gemäß § 204 I Nr. 1 BGB gehemmt warum ein Anspruchsteller keine Informationen hat, hat er es in diesem Punkt deutlich schwerer und wird oft selbst die Verantwortung für sein Informationsdefizit haben. Dann entspricht es gerade nicht Treu und Glauben, dem Gegner eine Auskunftspflicht aufzubürden, sondern es gilt das „Prinzip selber schuld“ (Beibringungsgrundsatz, Dispositionsmaxime). 25 26 27 28 Über die einzelnen Stufen wird i.d.R. jeweils durch Teilurteil entschieden (ausführlich und mit Beispielen in Assessor-Basics Zivilurteil § 12, RN 14 ff). Der Übergang von einer Stufe auf die nächste ist keine Klageänderung (BGH NJW 1991, 1893). Vgl. Pal./Grüneberg § 260, RN 19 i.V.m. § 259, RN 13. Vgl. BGH NJW 1985, 1841; NJW 2004, 2152 [2154 m.w.N.] Vgl. hierzu ThP § 4, RN 8 und RN 9. © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 7 20.000 € und die ihm daraus konkret entstandenen Vorteile.32 Teil 2: Schriftsatz an das Gericht Beate Hurtig Rechtsanwältin Wittstockstraße 16 04317 Leipzig 2. Juli 2010 3. Der Beklagte wird verurteilt, einen nach Erledigung der Auskunftsforderung aus Ziffer 2 noch zu beziffernden weiteren Betrag zu bezahlen.33 4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.34 An das Amtsgericht Leipzig Adresse (erlassen) 5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.35 Aktenzeichen: 6 C 73/10 Begründung: In dem Rechtsstreit Paul Kreckel, Beethovenstraße 5, 04107 Leipzig - Kläger gegen Der Kläger macht Ansprüche auf Rückzahlung und Verzinsung aus einem gescheiterten Grundstückskauf geltend. Vinzenz Vischek, Schillerstraße 12, 04109 Leipzig - Beklagter Az.: 6 C 73/10 Der Anspruch beruht auf folgendem Sachverhalt: geschätzter Streitwert: etwa 4.500 €29 zeige ich unter Vollmachtsvorlage an, dass ich den Kläger im streitigen Verfahren vertrete. Am 12. Juli 2009 einigten sich die Parteien privatschriftlich, dass der Beklagte dem Kläger sein in Leipzig gelegenes Grundstück Fl. Nr. 60998 zum Preis von insgesamt 80.000 € veräußere. Gleichzeitig einigte man sich, dass der Kläger dem Beklagten einen Vorschuss von 20.000 € leiste. Ich beantrage innerhalb der gesetzten Frist:30 Beweis: Urkunde vom 12. Juli 2009 (Anlage K1) 1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Aschersleben vom 14. April 2010 (Gz.: 10-45567-05) wird aufrecht erhalten.31 32 2. Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die Art und Weise der Nutzung der vom Kläger durch Überweisung vom 15. Juli 2009 erlangten 29 30 31 Neben den 3.000 € Rückzahlungsforderung geht es um die Zinsen und um die Auskunft. Würde man eine Verzinsung von knapp 10 % Dispokredit (dazu s.u.) unterstellen, wäre etwa ein halbes Jahr aus 20.000 €, also etwa 1.000 € anzusetzen und ein paar Monate mehr aus den immer noch nicht erfüllten 3.000 €. Eine Anspruchsbegründung i.S.d. § 697 I ZPO nach Widerspruch des Gegners entspricht in der formellen Handhabung mit minimalen Unterschieden der Klageschrift. Wenn es um den Fall der Anspruchsbegründung nach Einspruch des Gegners geht (vgl. §§ 338 ff i.V.m. § 770 I ZPO und § 700 III 3 ZPO), so sind wegen § 343 ZPO zusätzlich Unterschiede bei der Antragstellung zu beachten. Zum Ganzen siehe Assessor-Basics Anwaltsklausur, § 1, RN 139a. Nach seinen Angaben hat der Mandant bislang keine Zinsen verlangt. Wenn im Mahnantrag das Kästchen für Zinsen angekreuzt worden ist, muss auf das oben schon erwähnte Verbot der Kumulierung von Prozesszinsen und „Nutzungsersatzverzinsung“ geachtet werden, so dass die Anträge entsprechend anzupassen wären. 33 34 35 Angesichts der Tatsache, dass es sich hier nicht um einen im Gesetz speziell mit genauem Umfang geregelten Auskunftsanspruch, sondern um den je nach Einzelfall sehr unterschiedlich wirkenden Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben handelt, gibt es gewiss verschiedene Möglichkeiten der Formulierung. Er sollte nur möglichst präzise formuliert werden. Hier ist kein zusätzlicher Antrag auf Prozesszinsen zu stellen: Zinseszinsverbot (§ 289 BGB), und auch beim Lösungsweg über §§ 818 I, II, 100 BGB ist eine Kumulierung mit Prozesszinsen gemäß § 291 BGB nicht möglich (BGH NJW 1998, 2529; Pal./Sprau § 818, RN 10 a.E.). Die Kosten des Mahnverfahrens werden nicht mit dem Hauptsacheleistungsantrag geltend gemacht, da sie zu den „Kosten des Rechtsstreits“ gehören, so dass sie über die gerichtliche Kostenentscheidung vollstreckbar sein werden (vgl. ThP § 91, RN 6). Anträge zu Kosten und Vollstreckbarkeit sind wegen § 308 II ZPO nicht nötig, aber praxisüblich. Ein Antrag auf VU gemäß § 331 III ZPO wäre (ausnahmsweise einmal) deplaziert: Anders als nach Widerspruch gegen Mahnbescheid (vgl. § 697 II ZPO und ThP § 697, RN 11) ist bei einem Einspruch gegen einen VB der § 276 I 1 ZPO, der in § 331 III ZPO vorausgesetzt wird, nicht anwendbar (§ 700 IV 2 ZPO). Der in der Praxis weit verbreitete Antrag auf Anerkenntnisurteil ist seit der Änderung von § 307 ZPO im Jahre 2002 nicht mehr nötig. © Ingo Gold / Juli 2010 Assessorkurs Sachsen - Klausur Nr. 698 / Lösung S. 8 Dabei war den Parteien von Anfang an bewusst, dass der Vertrag ohne notarielle Beurkundung noch nicht wirksam zustande gekommen ist. Sie gingen – wie der Schriftverkehr der Parteien demonstriert – aber davon aus, dass sie diese formellen Voraussetzungen später noch herbeiführen würden.36 Erst am 16. Januar 2010 überwies der Beklagte einen Teilbetrag in Höhe von 17.000 € an den Kläger zurück.39 hemmer-Methode: Bei Einwendungen und Einreden des Gegners (hier Streit um § 814 BGB bzw. § 818 III BGB) ist eine Stellungnahme in der Klageschrift bzw. (erstmaligen) Anspruchsbegründung prozessual noch nicht nötig, weil der Gegner die Darlegungs- und Beweislast hat. Meist wird man die Erwiderung abwarten und dann in der Replik Stellung nehmen. Ob die frühzeitige Erwähnung - etwa zur Beschleunigung des Prozesses - sinnvoll ist, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalles, manchmal kann es geradezu gefährlich werden („keine schlafenden Hunde wecken“). 40 Eine andere taktische Handhabung („vorauseilendes Entkräften von Einwendungen“) ist unter bestimmten Umständen aber u.U. aber vertretbar. Beweis: Urkunde vom 12. Juli 2009 (Anlage K1); Parteieinvernahme des Beklagten Absprachegemäß überwies der Kläger dem Beklagten am 15. Juli 2009 den Vorschuss von 20.000 €. Beweis: Kontoauszug des Klägers mit Abbuchung (Anlage K2) Wie der Kläger erst wesentlich später erfuhr, einigte sich der Beklagte aber bereits am 27. Juli 2009 mündlich mit Frau Dora Drillig auf Veräußerung dieses Grundstücks zu einem deutlich höheren Preis. Beweis: Zeugnis der Dora Drillig, 04109 Leipzig, Goethestraße 67 In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen: ……………. (dies war dem Bearbeiter erlassen). Am 17. August 2009 veräußerte der Beklagte das betreffende Grundstück dann tatsächlich durch notariell beurkundeten Kaufvertrag an Frau Dora Drillig und bewilligte dieser eine Auflassungsvormerkung, die kurz darauf in das Grundbuch eingetragen wurde. Beweis: Zeugnis der Dora Drillig; dem Beklagten wird im Bestreitensfalle aufgegeben, die betreffenden Urkunden vorzulegen37 Nachdem der Kläger erst am 8. Oktober 2009 von diesen Vorgängen erfahren hatte, forderte er den Beklagten mit zugegangenem Schreiben vom 11. Oktober 2009 zur unverzüglichen Rückzahlung der Anzahlung von 20.000 € auf. Eine Bezifferung des Zahlungsantrags hinsichtlich der Verzinsung verbunden mit der Entscheidung über die Anspruchsgrundlage(n), auf die sich der Kläger stützen will, wird von Klägerseite nach Erteilung der begehrten Auskünfte vorgenommen werden. Hurtig Rechtsanwältin ___________________ Beweis: Parteieinvernahme des Beklagten38 36 37 38 Diese Vortrag ist nötig, um zwischen der Zweckkondiktion gemäß § 812 I 2 2. Alt. BGB und der condictio indebiti gemäß § 812 I 1 1. Alt. BGB abzugrenzen, was v.a. zum Umschiffen des § 814 BGB von Bedeutung ist. Siehe dazu § 421 ZPO. Das ist natürlich ein ganz schwaches Beweismittel (vgl. § 445 ZPO), so dass es überlegenswert wäre, es in der Hoffnung auf Nichtbestreiten (zunächst) ganz wegzulassen. Mehr gibt der Sachverhalt aber nicht her, da dort insbesondere nicht von einem Einschreiben die Rede ist. Für die Möglichkeit der Parteivernehmung des Klägers selbst gemäß § 447 ZPO gibt der Sachverhalt auch nichts her, zumal der Kläger wohl auch nur über die Absendung, nicht aber auch über den Zugang des Schreibens wird berichten können. – Diese „Wackelposition“ wurde bewusst in den Fall eingebaut, um den Bearbeiter noch deutlicher als dies 39 40 wegen des Anspruchsbeginns und evtl. auch der Anspruchshöhe (dazu s.u.) nötig ist, zu zwingen, sich mit der Begründung des (vom Verzug unabhängigen!) Zinsanspruchs über § 818 II BGB auseinander zu setzen und damit erst den Weg für die Stufenklage zu ebnen. Hier sind keine Beweise anzubieten, da die Darlegungsund Beweislast für Erfüllung bzw. Teilerfüllung gemäß § 362 I BGB beim Gegner liegt: Es handelt sich um eine für diesen günstige Einwendung. Der Vortrag erfolgt überhaupt nur deshalb, um deutlich zu machen, dass die Forderung von 3.000 € keine Teilklage ist. Vgl. zum Ganzen Assessor-Basics, Anwaltsklausur § 1, RN 115 ff, v.a. RN 118. © Ingo Gold / Juli 2010