Mitteilungen der Juristischen Zentrale VERTRAGSANWÄLTE Nr. 14/2012 09.02.2012 AD Schadensersatz bei Herstellergarantien – Selbstständige Garantieverpflichtungen durch Werbeaussagen – Reichweite von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen aus Garantieverträgen Sehr geehrte Damen und Herren, neben der umfassenden Neuwagengarantie, die auf kostenlose Nachbesserung der fehlerbehafteten Teile gerichtet ist, geben die Hersteller teilweise darüber hinaus auch Spezialgarantien z. B. gegen Durchrostung. Anhand von zwei Entscheidungen möchten wir Sie über das Zustandekommen von selbstständigen Garantieverpflichtungen, die auf Werbeaussagen der Hersteller beruhen, sowie über die Reichweite von Schadensersatzansprüchen bei der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen aus Garantieverträgen informieren. 1. Selbstständige Garantieverpflichtung durch Werbeaussagen Garantieverpflichtung per Werbeprospekt Das Thüringer Oberlandesgericht (Urteil vom 23.05.2011, Az. 9 U 100/10 = ADAJUR Dok. Nr. 95761) hatte in Zusammenhang mit einer 30-jährigen Durchrostungsgarantie eines Premiumherstellers entschieden, dass der Hersteller bereits durch die serienmäßige Abgabe einer Garantieerklärung in die „Pflicht“ genommen wird und für seine Garantiezusagen haftet. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits war strittig, ob dem Kläger ein Werbeprospekt, in dem auf die Durchrostungsgarantie Bezug genommen wurde, anlässlich der Verkaufsgespräche übergeben worden war. Nach Auffassung des Richterkollegiums kam es hierauf aber nicht an, da der beklagte Hersteller unstrittig seit 1998 serienmäßig die Durchrostungsgarantie für Pkw gewährt. Einer ausdrücklichen Vereinbarung der Garantie zwischen Verkäufer bzw. Hersteller und Käufer bedurfte es daher nicht. Garantieverpflichtung per Internet Die gleiche Meinung vertritt das OLG Frankfurt a. M. in seinem Beschluss vom 08.07.2009 (Az. 4 U 85/08 = ADAJUR Dok. Nr. 84745). Danach kann eine selbstständige Garantieverpflichtung im Sinne des § 443 BGB (Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantie) bereits allein durch eine Darstellung der Garantie in der Werbung für ein Produkt entstehen, ohne dass es hierfür auf den wirksamen Abschluss eines Garantievertrages ankommt. 2 Der Hersteller hatte auf seiner Homepage mit einer Neuwagengarantie von 3 Jahren bis 100.000 km für bestimmte Fahrzeugmodelle geworben und im Hinblick auf weitere Details auf seine Vertragshändler und die Fahrzeugunterlagen verwiesen. Die Käuferin hatte Ende 2002 einen Neuwagen bei einem Vertragshändler des beklagten Herstellers erworben; eine Garantieurkunde war ihr nicht übergeben worden. Die Garantiebestimmungen waren lediglich in dem im Fahrzeug befindlichen Serviceheft abgedruckt. Das OLG Frankfurt a. M. sah es als ausreichend an, dass sich aus der InternetWerbung ergab, Ø wer eine Garantieverpflichtung übernehmen wollte und Ø worauf sich die Garantie in welchem zeitlichen Rahmen beziehen sollte. Eine solche Werbung mit der Folge der Übernahme von Garantieverpflichtungen ist nach Überzeugung des Gerichts in der Regel bereits gegeben, wenn beispielsweise nur angegeben wird, es bestehe eine dreijährige Herstellergarantie. Dies bringt nach dem allgemeinen Verständnis einer Garantieerklärung zum Ausdruck, der Hersteller stehe für drei Jahre für die allgemeine Mangelfreiheit des Produktes ein. Eine derartige auf Werbung basierende Garantieverpflichtung kann des Weiteren, so das Gericht, durch nachfolgende, nicht ausgehandelte Garantieverträge nicht einschränkend beeinträchtigt werden. Das Oberlandesgericht begründet seine Rechtsauffassung u. a. mit der Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie (Richtlinie 1999/44/EG vom 25.05.1999), wonach die Garantie denjenigen, der sie anbietet, zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen binden muss. Aus Sicht der Juristischen Zentrale wäre aber auch eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV (ex-Artikel 234 EGV) in Betracht gekommen, da sowohl § 443 Abs. 1 BGB als auch Art. 6 Abs. 1 der Verbrauchsgüterkaufs-Richtlinie für die Inanspruchnahme der Rechte aus der Garantie kumulativ auf die Garantiebedingungen und die Werbeaussagen abstellen. Es stellt sich damit nämlich die Frage, ob die selbstständige Garantieverpflichtung eines Herstellers oder Verkäufers im Sinne von § 443 BGB nicht doch einer vertraglichen Grundlage bedarf und deshalb die Garantieerklärung dem Käufer zumindest zugegangen sein muss. 3 2. Schadensersatz bei der Verletzung von vertraglichen Verpflichtungen aus Garantieverträgen Unstrittig lagen beiden OLG-Entscheidungen Fahrzeugmängel zugrunde, die unter die Durchrostungs- bzw. die generelle Herstellergarantie subsumiert werden konnten. Da die Garantiegeber schuldhaft weitere Nachbesserungen abgelehnt hatten, waren sie zum Schadensersatz verpflichtet. Im Fall der Durchrostungsgarantie hatte der Hersteller zu Unrecht weitere Nachbesserungsversuche verweigert, nachdem zum zweiten Mal eine Durchrostung „von innen nach außen“ am Fahrzeug des Klägers stattgefunden hatte. Bei der via Internet beworbenen Herstellergarantie hatte die Neuwagenkäuferin ihr Fahrzeug noch während der laufenden Garantiezeit an den späteren Kläger unter Abtretung ihrer Garantieansprüche veräußert. An dem Fahrzeug war im Garantiezeitraum ein „Nageln“ des Motors aufgetreten, das vom Vertragshändler trotz mehrmaliger Nachbesserungsversuche nicht beseitigt werden konnte. Schließlich wurde die Übernahme weiterer Garantieleistungen vom Hersteller schuldhaft abgelehnt. Nach Abweisung der Klage in erster Instanz konnten die Mängel an dem Fahrzeug durch Austausch des Kabelstrangs beseitigt werden. Im Anschluss daran hatten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache vor dem OLG Frankfurt a. M für erledigt erklärt, so dass das Gericht gemäß § 91 a Abs. 1 S. 2 ZPO nur noch über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden hatte. Die Kläger hatten in beiden Verfahren u. a. von den beklagten Herstellern Schadensersatz in Höhe des Neuanschaffungspreises abzüglich gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übergabe der Pkw gefordert und lediglich in Hilfsanträgen auf die Übernahme der Kosten für die Beseitigung der Mängel abgestellt. Dem Grunde nach begehrten die Kläger Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 281 Abs. 1 BGB, wodurch der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aus den selbstständigen Garantieverpflichtungen untergegangen war (§ 281 Abs. 4 BGB), so dass nur Schadensersatz in Geld verlangt werden konnte. Verbraucherfreundlich, wenngleich überraschend, entschieden sowohl das Thüringer Oberlandesgericht als auch das OLG Frankfurt a. M., dass die Höhe des Schadensersatzes anhand der Kosten für den Erwerb eines anderen Fahrzeugs mit entsprechender Abnutzung (in mangelfreien Zustand) zu berechnen ist Zug um Zug gegen Übereignung der mangelbehafteten Fahrzeuge an die Garantiegeber. In letzter Konsequenz kommen die Entscheidungen damit einem Rücktritt vom Kaufvertrag gleich. Beide Gerichte vertreten die Auffassung, dass sich die Kläger aufgrund der bereits fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuche nicht mit einem Schadensersatzan- 4 spruch in Höhe der Nachbesserungskosten durch ein anderes Reparaturunternehmen begnügen mussten. Zur Begründung beziehen sich die Richter auf die Vorschrift des § 440 BGB, in dem sie dessen Wertung (besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz bei fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuchen) zur Grundlage ihrer Entscheidungen machen. Fraglich erscheint jedoch, ob § 440 BGB als Begründung für die Richtersprüche herangezogen werden durfte, da sich diese Norm explizit nur auf die sekundärrechtlichen Sachmängelhaftungsansprüche im Kaufrecht bezieht und keinerlei Bezugnahmen zu selbstständigen Garantieverpflichtungen oder Garantien im Allgemeinen enthält; insbesondere waren die Hersteller in den entschiedenen Fällen nicht zugleich Parteien der Kaufverträge. Eine analoge Anwendung des § 440 BGB dürfte bereits am Vorliegen einer Gesetzeslücke scheitern, da der Gesetzgeber die Rechtsfolgenproblematik bei Schadensersatzansprüchen in Zusammenhang mit Garantien erkannt hat. Gleichwohl lässt er die Antwort auf die Frage, welche Rechte im Falle der Unmöglichkeit oder des Fehlschlagens einer Nachbesserung bestehen, offen (vgl. BT-Drucks. 14/6040 S. 238); § 443 BGB stellt zudem klar, dass die Ansprüche aus der Garantie „unbeschadet der gesetzlichen Ansprüche“ bestehen. Die Revision wurde vom Thüringer Oberlandesgericht bedauerlicherweise nicht zugelassen. Sollten Ihnen vergleichbare Gerichtsentscheidungen zu Garantieverträgen bekannt oder von Ihnen erstritten werden, bitten wir um Übersendung der Entscheidungen. Wir werden Sie über weitere Entwicklungen zu dieser Problematik informieren. Mit freundlichen kollegialen Grüßen Ulrich May Leiter Juristische Zentrale