Informationen Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstandes Heft 64 (2006/2) Interview-Fragen an Manolis Glesos, den Präsidenten des Nationalrates für die Entschädigungforderungen Griechenlands an Deutschland In der deutschen Öffentlichkeit ist über die Okkupation Griechenlands 1941 bis 1944 wenig bekannt, noch weniger über die damals von der Wehrmacht, von SS-Truppen und von der deutschen Militär- und Zivilverwaltung begangenen Verbrechen. Auch vom antifaschistischen Widerstand und dessen Verankerung in der griechischen Bevölkerung wissen nur wenige. Über diesen Widerstand in Griechenland möchten wir ein Gespräch mit Dir führen. 1. Wann und wie hat dieser Widerstand begonnen, in welchen Stationen hat er sich bis zur Befreiung entwickelt? Ant.: Der nationale Widerstand des griechischen Volkes, der, nach der Revolution der Griechen gegen die Türken im Jahre 1821, den zweiten Höhepunkt der Geschichte des griechischen Nation darstellt, begann mit der Abwehr des faschistischen Angriffs von Mussolini am 28. Oktober 1940. Der griechische Widerstand, der ohne irgendeinen Auftrag jeglicher staatlicher Macht und deswegen im eigentlichen Sinne des Wortes aus dem Volke direkt hervorgegangen ist, unterscheidet sich in drei chronologisch und qualitativ getrennte Phasen, je nach den Existenzphasen des griechischen Staates in den entsprechenden Perioden: 1. A´ Periode. 1940 - 1941: Der nationale Widerstand wird durch den Ausdruck: die Heldensage 40 - 41 bezeichnet. Trotz der Existenz eines mächtigen Staates und sogar faschistischen (Der Staat des 4. August, wie diese griechische Regierungsperioden genannt wird), entwickelt sich ein allgemeiner, nationaler Volkwiderstand gegen den Angreifer. Zuerst gegen das faschistische Italien am 28. Oktober 1940 und dann gegen das Hitler - Deutschland am 6. April 1941. 2. B´ Periode 1941. Mit der Bezeichnung: Die Schlacht um Kreta entwickelt sich der nationaler Volkswiderstand in noch nie da gewesenen Ausmassen, obwohl das diktatorische Regime untergeht und seine Regierung in den Nahen Osten flieht. Das erste mal in der Weltgeschichte ein Volk widersteht gegen einen angreifenden Staat. 3. C´ Periode 1941 ß1945. Mit dem Ausdruck: Die Heldensage des Nationalwiderstandes der autonome, allgemeine Widerstand des griechischen Volkes gewinnt eine organisierte, kollektive Form und schreitet zur Befreiung und Bildung einer Staatsform. 2. Du selbst warst im aktiven Widerstand - im Rahmen welcher Organisation und wie sahen Eure Aktivitäten aus? Ant.: Als Mitglied einer patriotisch - antifaschistischen Gruppe (ohne bestimmten Namen), die im Jahre 1938 im D´ Männer - Gymnasion von Athen (Metonos Str. Metaxourgio) gebildet wurde, habe ich vom ersten Tag der Besetzung am Widerstand teilgenommen. Im Herbst 1941 sind die Mitglieder unserer Gruppe in die 1 Kommunistische Partei Griechenlands eingetreten und haben in der Jugendorganisation der EAM (Nationale Befreiungsfront), in der EPON (Gemeinsame Panhellenische Jugendorganisation) und in der ELAS (Nationale, Volksbefreiungsarme) gearbeitet. Meine Tätigkeit war politisch, ideologisch, organisatorisch und gewaffnet. Für meine Beteiligung am Nationalwiderstand wurde ich Abwesenheit zum Tode verurteilt und im Jahre 1942 (für einen Monat) von der Besatzungsarme in die Gefängnisse von Averof, im Jahre 1943 von der italinischen Besatzungsarme in die Gefängnisse von Kallithea (3 Monate) und im Jahre 1944 von den Kollaboratären der Besatzer in die Gefängnisse von Sygrou (8 Monate) eingesteckt. 3. Welche politischen Bündnisse gab es im Widerstand – haben diese Bündnisse bis zum Schluss oder gar über die Befreiung hinaus gehalten oder gab es Aufspaltung? Ant.: 1. Im politischen Bereich a) Zusammenarbeit mit den linken Organisationen (KKE (Kommunistische Partei Griechenlands - AKE (Bauernpartei Griechenlands)SKE (Sozialistische Partei Griechenlands), ELD (Vereinigung der Volksdemokratie)), die am 27. September zur Bildung der Nationalen- Befreiungsfront führte. Sie dauerte bis zur Befreiung und nachher. b) Zusammenarbeit von 10 Jugendorganisationen der Linken und am 23. Februar 1943 die EPON (Gemeinsame Pangriechische Jugendorganisation) bildeten. Sie dauerte bis zur Befreiung und existierte auch nachher. c) Am 20 März 1943 haben die bürgerlichen Parteien und manche andere Organisationen bildeten die Demokratische, Freie Front (EDEM). Sie wurde im Mai 1943 aufgelöst. d) In der Mitte des Jahres 1943 wurden der Nationale Bund der Hochschulen (ESAS) und in Thessaloniki die Organisation ESASTH gebildet, die bis zur Befreiung dauerten. 2. Im militärischen Bereich: Am 5. Juli 1943 wird die Abmachung unterschrieben und der Gemeinsame Generalstab der Partisanen (KGSA) gebildet. Dieser Generalstab wurde von den 4 Widerstandsorganisationen (EAM, ELAS, EDES, (Nationaler, Demokratischer, Griechischer, Verband), EKKA (Nationale und Soziale Befreiung), der aber am 1. Januar 1944 durch nicht zu überbrückenden Differenzen aufgelöst wurde. (Die vierte Organisation existierte kurze Zeit). Leider hat dieser Spalt der Widerstandsorganisationen den Engländern die Möglichkeit für ihre Intervention gegeben. 4. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Zivilbevölkerung in den Städten und Dörfern und kämpfenden Partisanen beschreiben? Die Beziehung der Bevölkerung in den Dörfern und in den Städten mit den Widerstandsorganisationen und ihren bewaffneten Hilfsorganisationen war absolut eng und stabil. Er ist leicht zu erklären: Der Widerstand war eine Schöpfung des Volkes, sie war volksgeboren. Ausserdem muss man bemerken, dass keine Organisation existieren und funktionieren kann, wenn sie keine Informationen, Proviant, Krankenhauspflege, und Erneuerung seiner Kräfte hat, wenn sie nicht vom Volke stammt und von ihm unterstützt wird und wenn nicht seine Schöpfung ist. 5. Gab es Widerstandsaktionen, Rettungsversuche angesichts der Deportation der griechischen Juden? Ant.: Gewiss. Alle Widerstandsorganisationen versuchten den Juden griechischer Nationalität klar zu machen, dass sie den deutschen Behörden nicht erscheinen 2 sollten, um sich retten zu können. Leider hörten sie auf ihre Ravinen. Es wurden nur 8.226 gerettet. Von diesen 8.226 wurden von griechischen Familien 6.576 versteckt. 1.000 konnten in den Nahen Osten fliehen und 650 sind zu den Partisanen gestossen. Es ist interessant zu bemerken, dass von 77.377 Juden in Griechenland 69.151 festgenommen wurden und nur 2.000 von den Konzentrationslagern zurückgekehrt waren. 6. Mit welchen Methoden wurden griechische Männer zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert und gab es dagegen Widerstand? Ant.: Für die Deportation von Griechen nach Deutschland für Zwangsarbeit wurde die bewaffnete Gewalt gebraucht. Die deutsche Armee umzingelte die Dörfer und die Stadtviertel, nahm Geisel fest, erschoss auf der Stelle, diejenigen, die sie für Widerständler hielt und den Rest schickte sie als Geisel nach Deutschland. Alle Widerstandsorganisationen konnten Geiseltransportationen nach Deutschland verhindern. Das haben sie mit Demostrationen und am 25. Februar 1943 mit der Zerstörung durch Feuer aller Namenskataloge der Arbeiter im Arbeitsministerium. Griechenland war das einzige besetzte Land in Europa, wo Hitler die Politische Deportationen von Arbeitern nicht anwenden konnte. 7. Es gab deutsche Soldaten, die zu den Partisanen übergelaufen und an deren Seite gekämpft haben – hast Du selbst solche „deutsche Mitstreiter“ kennen gelernt? Ant.: a) AKFD: Antifaschistisches Komitee Deutscher Soldaten «Freies Deutschland». Von dieser Organisation wurde eine Soldateneinheit gebildet, die mit dem ELAS gekämpft hat. Der Kommandeur dieser Einheit war der deutsche Antifaschist mit dem Tarnnamen „Manolis“. Diesen „Manolis“ habe ich im Jahre 1965 in Ost-Berlin während der Feierlichkeiten anlässlich des Sieges gegen den Nazismus kennen gelernt. b) GAAS: Deutscher, Antifaschistischer Kampbund. 8. Gab es tatsächlich einen breiten, nicht auf „die Linke“ begrenzten griechischen Widerstand? Ant.: Der Griechische, Nationale Widerstand war volksgeboren. Er wurde aus dem Volke hervorgegangen, vom ersten Tag der Besetzung und wurde vom ganzen Volk durch verschiedene Formen von Aktivitäten getragen: Die wichtigsten sind folgende: a)Die Verneinung des Empfangs der deutschen Armee. b) Mit Verneinung ihrer Befehle. c) Mit Waffenversteckung. d) Mit Pflege und Hilfe zur Flucht griechischer Gefangener. e) Mit Pflege, Versteckung und Hilfe zur Flucht englischer Gefangener. f) Mit Sabotage. g) Verneinung zur Kollaboration, abgesehen von wenigen Fällen im Vergleich mit anderen Ländern. In diesem Volkskampf hat die Linke ohne Zweifel eine besondere Role gespielt. 9. Die Einheit des griechischen Widerstands ist nach der Befreiung zerbrochen – welche Faktoren waren aus Deiner heutigen Sicht dafür maßgeblich? 3 Ant.: a) Die Schwäche der bürgerlich - politischen Leute, ihre Phobien für eine Zusammenarbeit mit den Linken zu überwinden. b) Die Unfähigkeit der Linke, ein Selbstbewusstsein ihrer Macht zu gewinnen, um das Volk zur Regierungsherrschaft zu führen. Aus diesem Grunde hat sie immer Kompromisse zu den Engländern und zu der von ihnen kontrollierten griechischen Königsregierung. 10. Ist dennoch ein positives politisches Erbe wirksam geblieben? Wie würdest Du dieses Erbe beschreiben? Αnt.: Eine positive Erbschaft ist: Der allgemeine Nationale Widerstand des griechischen Volkes, abgesehen von seinem wirkungsvollen Beitrag für den Niedergang des Nazi-Regimes, hat auch zum folgenden beigetragen: a) Zur Bestätigung des nationalen Bewusstseins. b) Zur Gewinnung des Vertrauens der eigenen nationalen Kräfte. c) Zum Glauben an die Menschenwerte. d) Zur Entwicklung des Widerstandgeistes und der Widerstandideologie, wobei beide ein nationales Erbe darstellen, um die negativen Auswirkungen der Globalisierung zu begegnen, die die volle Knechtschaft der Nationen, der Völker und der Bürger erstrebt. 11. Seit vielen Jahren kämpfst Du mit Freunden und Genossen dafür, dass eine deutsche Regierung endlich die Verantwortung für das Unrecht der Okkupation und für die riesigen Schäden übernimmt, die vor allem der der Zivilbevölkerung, aber auch der wirtschaftlichen Substanz Griechenlands damals zugefügt wurden. Jede deutsche Regierung, vor kurzem auch das höchste deutsche Gericht habe dies fundamental abgelehnt. Wie bewertest Du diese Weigerung, kann sie Deiner Meinung nach doch noch überwunden werden? Ant.: Es muss endlich das Recht wiederhergestellt werden. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit können nicht verjährt werden. Wie ist es möglich, dass Italien und Bulgarien ihren Reparationsverpflichtungen nach dem Beschluss des Allierten Komitees in Paris 1946 nachgegangen sind und nur Deutschland sich weigert, obwohl das Nazi-Deutschland die Ursache war, dass die Italiener und die Bulgaren nach Griechenland einmarschierten, seine Schulden zu begleichen? Deutschland schuldet Griechenland folgendes: 1. Dem griechischen Staat: a) Den Betrag von 7.100 Millionen USD für die Schäden, die das Nazi-Deutschland der griechischen Wirtschaft, der Infrastuktur und für den Diebstahl der allgemeinen, griechischen Schätze. b) Die Zwangsanleihe in Höhe von 2.500 Millionen USD, die Deutschland Griechenland aufgezwungen hat. c) Den griechischen Bürgern schuldet Deutschland sowohl Entschädigungen, für die Beschlagnahme, die Plünderung und die Zerstörung ihrer Vermögen, als auch Entschädigungen für die Menschenschäden, die es verursacht hat. Jeder deutscher Bürger ist verpflichtet, sich mit diesem Problem auseinander zu setzten und uns zeigen, wie wir unser Recht finden können. 4