2 Selbstorganisation, Chaos und Energie aus

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Qualitative Systemwissenschaften
Bakkalaureatsarbeit:
Selbstorganisation und Energie in Systemen
aus dem Studium der Umweltsystemwissenschaften
vorgelegt von
Huber Oliver
9811289
033 619 411
an der Karl-Franzens-Universität Graz
bei
Herrn Prof. Mag. Dr. Günther OSSIMITZ
Graz, 09.06.2004
Selbstorganisation und Energie in Systemen
Huber Oliver
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
1
Huber Oliver
Prolog
Wenn ich ehrlich bin, so habe ich eine ganze Weile nach dem ersten Satz zu dieser
Arbeit gesucht, denn über ein Thema mit so einem Titel gibt es genug zu schreiben
und obendrein erfordert es auch Mut. Energie und Selbstorganisation von Systemen.
Da dieses Thema sehr umfangreich ist, habe ich es in zwei Bakkalaureatsarbeiten
gesplittet. Der erste Part befasst sich mit der verbalen Erläuterung dieses Themas,
hingegen erläutert die zweite Arbeit das Thema anhand von konkreten Beispielen –
Fingerübungen - aus der Physik bzw. aus verschiedenen Naturwissenschaften. So
aber nun ins Geschehen.
Als Mensch – Teil der Natur – besitzt man die Fähigkeit durch seine Sinne, Vorgänge
in der Natur zu erkennen. Wenn man Begebenheiten wie zum Beispiel Tag und
Nacht, Sonnenauf- bzw. Untergang und die damit verbundenen Planetenbewegungen
betrachtet, so scheint es, dass dem Regeln zugrunde liegen, damit dieser
harmonisch-periodischer Wandel überhaupt stattfindet. Ein Mathematiker namens
Henri Poincaré erkannte, bei Beobachtung der Planeten, dass schon ein System mit
nur drei Himmelskörper nicht mehr exakt gelöst werden kann, sondern nur
genähert, insofern dass dem idealen Zweikörperproblem ein Term angehängt wird,
der die nichtlineare Komplexität (Rückkopplung) der Gleichungen vergrößerte und
sich somit Planetenbahnen ergaben, die chaotisches Verhalten aufwiesen mit der
Schlussfolgerung, dass das Sonnensystem möglicherweise aus den Fugen geraten
könnte. Jedoch gibt es unzählige derartiger Vorgänge in der Natur, in dem
Nichtvorhersehbares stattfindet und dies scheinbar keinen Regeln genügt. Als
Menschen sind wir, vielleicht durch unsere Neugierde bestrebt, manchen Dingen auf
den Grund zu gehen. Um also verschiedene Vorgänge zu verstehen schaffen wir uns
oft Modelle, die durch gewisse definierte Regeln schlüssig sind. Wie solch Regeln
aussehen könnten, dies weckt oft unser Interesse. Aber um überhaupt Regeln zu
finden müssen wir vorerst wissen was wir beschreiben wollen. Wir beschränken uns
deshalb immer auf einen gewissen Bereich von einer umfangreicheren Angelegenheit
und beginnen eine Struktur für diesen, von uns ausgezeichneten Bereich zu finden,
um Eigenschaften, Attribute und dergleichen, die der Beschreibung und vor allem
dem Verständnis dienen, zuweisen zu können. Was ich sagen möchte ist, dass wir in
der heutigen Zeit, sobald wir bewusst mit der Umwelt interagieren können - behaupte
ich -
einem Systemdenken unterliegen um Dinge verstehen zu können bzw. uns
begreiflich zu machen.
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
Huber Oliver
Gleichsam gibt es eben Unterteilungen in vielen Disziplinen des Alltags. Die
Leitbegriffe dieser Arbeit
- Energie
und Selbstorganisation
-
sind uns im
Sprachgebrauch wohlbekannt; eindeutig Wörter, die wir als Fremdwörter bezeichnen.
Somit unterscheiden wir diese von anderen Wörtern unserer Sprache. Ich möchte
dies nicht weiterführen, weil schon klar wird, dass sich hinter Wörtern und Sätzen
der Oberbegriff Sprache verbirgt und so denken wir auch gleich an Regeln, hier quasi
an die Grammatik. Schlussendlich nenne ich das Ganze was Sprache ausmacht
Sprachgebilde und setze Gebilde in der Bedeutung gleich System. Somit ergibt sich,
dass es zumindest in einem System Regeln geben kann. Regeln dienen der Ordnung –
mit Vorwand gesagt. Dies sollte nur als ad hoc Beispiel über die vielen
Unterteilungen bzw. Strukturen dienen, die wir bekanntermaßen im Leben
mitschleppen.
Oft verwenden wir für Dinge respektive Objekte wie Bäume, Skulpturen, Felsen und
dergleichen einen Ausdruck wie Gebilde. Ein Gebilde ist uns vertrauter und wirkt
anschaulicher. Bei Anblick dieser Dinge erkennen wir eine Art Abgeschlossenheit. Es
wirkt so, als wäre ein Baum ein autonomes bzw. selbstorganisiertes System. Man
unterscheidet einen einzigen Baum von seiner Umgebung eindeutig. Nun folgern wir
leise und aus freiem Gedanken, ohne jeglichen Beweis, dass ein System nun auch
noch abgeschlossen ist. Wenn man aber mehr über das System Baum weiß, so
erkennt man, dass es Wechselwirkungen mit der Umwelt seitens des Baumes gibt
und somit einen Energieaustausch. Beispielsweise besitzen Pflanzen nicht die
Fähigkeit
Stickstoff
aus
der
Luft
zu
binden,
sondern
wechselwirken
mit
Mikroorganismen, welche diese Aufgabe für die Pflanzen übernehmen.
Wenn wir uns umschauen oder aber auch umhören bemerken wir, dass wir Dinge,
wenn wir sie untersuchen in verschiedenster Art aufteilen, kategorisieren können
und somit vielleicht eine Hierarchie, eine Struktur bzw. ein Schema heraus finden zu
können um es zu verstehen, dennoch kennen wir auch Systeme die wir nicht so gut
beschreiben können, die aber oft auch Träger einer gewissen Ästhetik sind. Das man
Schönheiten in Form von gewissen Strukturen erkennen kann. Wie diese entstehen,
das ist Gegenstand der Theorie über die Selbstorganisation - diese hängt mit dem
Wechsel zwischen Ordnung und Chaos zusammen. Oft hängt es von der
Betrachtungsweise ab, von der Dimension ob ein System als in Ordnung (mit evtl.
Ästhetik) oder in Unordnung empfunden wird. Als Chaos in Form von Rauch, oder
als geordnete Struktur wie eine Bienenwabe. Als Anmerkung weise ich auf die
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Bedeutung der Phrasen: …bei näherer Betrachtung…“, und „…von weiter weg
betrachtet…,“ welche wir aus unserer Umgangssprache kennen, hin.
Eines ist jedoch klar, dass Begriffe wie Chaos und Ordnung und damit verbundenen
Begriffe wie Selbstorganisation oder aber System in der Geschichte oft wieder zu
finden sind und immer brisant sind und waren, weil wir so wie wir Dinge betrachten
unser Denken auch folgernd einem System unterwerfen bzw. unser Gehirn ohnehin
eine Systematik unterliegt, welche ebenso in dieses Gebiet passt. Eines der
chaotischen Systeme ist eben unser Gehirn. Nirgedwo gibt es dort einen Dirigenten,
der alles steuert, und doch laufen die Hirnfunktionen erstaunlich geordnet ab. Der
Grund: Unser Gehirn ist keinesfalls diktatorisch, sondern quasi streng demokratisch
aufgebaut, es organisiert sich selbst. Neuronen senden ständig Impulse und
Botenstoffe aus, Nervenbahnen formen sich spontan und bilden Muster, die
vorübergehend existieren, dann aber gleich wieder aufgelöst werden. Solch Beispiele
gibt es zu genüge aus vielen Disziplinen und vielleicht ist es das, warum heutzutage
so reges Interesse diesem Forschungsgebiet geschenkt wird.
So beschäftigen sich die Weltreligionen in den Schöpfungsgeschichten damit, dass
ganz am Anfang des Seins ein Übergang zwischen Chaos und Ordnung stattfand; die
Theorie vom Urknall spricht von einer Teilchensuppe die allmählich in eine geordnete
Struktur überging. Der Begriff Chaos bedeutete für die Menschen immer nur
Unordnung, Elend und Gefahr. Aber die Wissenschaft entdeckte darin nicht nur
Schrecken, sondern auch Schönheit und hofft natürlich statt heilloser Verwirrung die
rätselhafte Handschrift des Lebens zu entschlüsseln.
Um Dinge zu verstehen aber auch zu erklären bediente man sich immer Modellen,
Experimenten und dergleichen. Die Menschheit wurde immer getrieben, so zeigt der
sozialgeschichtliche Aspekt, widergespiegelt durch Mythologie und Religion, dieses
System Erde, Mensch, Universum zu erklären. Ich meine, dass Modellen oft viel
Phantasie zugrunde liegt und bringe das Wort Veranschaulichung hier mit vorigem in
Berührung.
Phantasie ist viel wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.
Einstein, Albert, Mathematiker und Physiker (1879 - 1955),
aus Spektrum der Wissenschaft – Biographie 4/1999
Es bedarf u.a. einer Strukturierung wie man so ein Thema aufbereitet, um es für den
Leser optimal verständlich zu machen. Am ehesten kommt man zum Ziel, wenn man
einzugrenzen beginnt und portioniert oder aber vereinheitlichen kann. Somit
definieren wir ein abgeschlossenes System, welches sich von gleichartigen Systemen
und seiner Umgebung abgrenzt, und sehen es als ausgezeichnet an.
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
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Wir abstrahieren Vorgänge oder Begebenheiten führen Verallgemeinerungen ein und
schaffen so vereinfachte Konstrukte wie Modelle um das System in irgendeiner Weise
zu beschreiben, sodass es durchaus zu anderen Denkansätzen durch Modelle und
deren Weiterentwicklung kommen kann, die auch revolutionäre Auswirkungen haben
können.
Hier möchte ich beginnen den Begriff Energie einzuführen. Für mich veranschaulicht
diesen
Begriff
die
Physik
am
Deutlichsten.
Vorerst
möchte
ich
nur
die
Verallgemeinerung, dass Energie äquivalent der Masse mit einer Konstanten
multipliziert ist – also E=mc2, anmerken und beifügen, dass diese absolut nicht zu
leugnende revolutionäre Auswirkungen gehabt hatte. Sozusagen ist jegliche Materie
auch Energie mit der Einschränkung, dass die Energie nur in gewissen Päckchen,
also Quanten auftauchen kann. Energie im physikalischen Sinn kann aber auch in
verschiedenen Formen auftreten.
Ein Ausschnitt aus Einsteins Arbeit:
Ist die Trägheit eines Körpers von seinem
Energieinhalt abhängig? – erschienen
1906 in den Annalen der Physik
Abb. 1, aus Spektrum der Wissenschaft – Biographie 4/1999
Energie hat jedoch auch eine nicht physikalische Bedeutung. So werden Willenskraft,
Beharrlichkeit, Ehrgeiz, Information u.a. ebenfalls oft mit dem Oberbegriff Energie
betitelt. Nachstehend hoffe ich einen allgemeinen Überblick geben zu können und
versuche, dass sich im Kopf des Lesers, am Ende der Arbeit ein schlüssiges Bild
ergibt.
1.1 Frühe Vorstellungen über Ordnung und Chaos
Ich möchte hier nun keine komplette und ausführliche Beschreibung aus der Welt
der Mythologie und Religion geben, sondern nur kurz zeigen das schon sehr früh der
Gedanke gehegt wurde, dass doch am Anfang allen Seins die Unordnung geherrscht
haben muss. Schon in der Bibel beginnt alles mit dem anfänglichen Chaos, aus dem
der Schöpfer den Kosmos schafft: "Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde.
Die Erde aber war wüst und wirr, und Finsternis lag über der Urflut ..." (Gen 1:1f)
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
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Diese chaotische Urflut, das "tohu wabohu" wie da im Urtext steht, meint Unordnung
und Durcheinander schlechthin. Das griechische Wort "Chaos" heißt denn auch
gähnender Schlund, Abgrund, klaffende Leere. Unter Chaos (von griech. cheinein
„gähnen”) verstand man also den unermessliche Weltenraum am Anfang der Welt,
Urgrund allen Seins sowie der ungeordnete, regellose Urzustand vor Erschaffung der
Welt.
Aus dem Chaos gingen zunächst die Erde (Gaia) hervor, zeitgleich der Eros (HESIOD,
Theogonie, 115-124). Dann entstanden aus dem Chaos die Finsternis Erebos und die
Nacht Nyx. Letztere soll in orphischer Vorstellung ein Ur-Ei ausgebrütet haben, das
aus der Vermengung des Aither mit dem Chaos hervorgegangen war, den zwei
Grundprinzipen, hier das ungeordnete, wilde Material, dort der reine, ordnende
Geist.
Bei Ovid waren es ein unbestimmter Gott und bessere Ordnung, die den Zwiespalt
der in einem Gebilde unverbunden umherwabernden und einander widerstrebenden
kalten und warmen, weichen und harten, trockenen und feuchten Massen aufhoben.
Geschieden wurden bei diesem Akt Meer, Erde und Himmel, wobei die dichtere Luft
noch vom feineren Äther getrennt wurde. Fortan war zuoberst der leichte Äther,
darunter die Luft und unten die vom Wasser umströmte Erde, die zu einer großen
Kugel geformt war und deren Täler von zahllosen Wasserläufen durchströmt sind
(Metamorphosen I,5-43). Vorstellungen vom ungeordneten Urzustand sind sehr
verbreitet. Chaos ähnelt darin beispielsweise wie bereits erwähnt dem hebräischen
Tohuwabohu oder dem nordischen Ginnungagap. Eine in diesen Ideen von
Schöpfung als Prozess des Ordnens liegender Anklang von Polarität wird bei der oben
angerissenen
orphischen
Vorstellung
deutlich
gemacht.
Als Wort oder Wortbestandteil ist Chaos geläufig. Auch Gas, dieser ungreifbare
Aggregatzustand, rührt etymologisch hierher. Die spätere, geordnete Welt ist der
Kosmos.
Das Denken in der klassischen Antike
„Abstraktionen sind nicht real – wirklich sind nur konkrete Dinge“, sind wir heute
geneigt zu sagen. Ist der genetische Bauplan eines Menschen nicht real? „Das ist das
einzig Reale“, hätte ein Grieche geantwortet, „denn er macht all diese Menschen zu
dem, was wir Mensch nennen“, und hätte diesen Bauplan Idee genannt. Für das
antike griechische Denken war nur das Konstante von Bedeutung. Menschen kamen
und gingen, was sich jedoch nicht veränderte, war die Form des Menschen. Hinter
dem Konkreten stand die Konstanz der ewigen Formen. Die griechischen VorSeite 7 von 20
Selbstorganisation und Energie in Systemen
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Sokratiker suchten nach Verallgemeinerungen - was hinter all diesen Erscheinungen
ist. So teilten sich hier ihre Meinungen, denn: Wasser, sagte Thales von Milet;
Gegensätze, meinte Anaximander - die heutigen Physik würde dazu Symmetrie und
Antisymmetrie sagen – Atome, behauptete Demokrit. Sie systematisierten also
bereits. Der Schlüssel zum Verständnis des antiken griechischen Denkens, so würde
ich sagen, ist der Gedanke, dass die Realität eingebaute Muster verbirgt - einfache,
erkennbare und rationale Baupläne und Grundformen, über die sich die Wirklichkeit
organisiert oder ordnet.
1.2 Ein Naturwissenschaftlicher Versuch über einen Entwurf der
Natur
Ich glaube, dass im 20. Jahrhundert in den Naturwissenschaften ein enormer
Denkwandel stattgefunden hat. Dieser nimmt stark Bezug auf ein Systemdenken man erkennt Dinge als Objekte und erklärt Systeme als Summe von Objekten, die
miteinander wechselwirken. Als Beispiel möchte ich natürlich die Physik anführen.
Die klassische Mechanik, die zur Zeit Newtons ihren Höhepunkt fand, wurde
zunehmend durch andere Theorien verdrängt. Sicher behält sie ihre Gültigkeit,
jedoch beschränkt. Mit der Entwicklung der Quantentheorie begibt man sich in ein
Gebiet, welches versucht die kleine Welt der Atome auf einfache Weise zu erklären.
Das Werkzeug ist - wie immer in der Physik - die Mathematik. Dabei arbeitet man
mit Matrizen (Strukturierte Anordnung von Zahlen in Zeilen und Spalten) als
Operatoren, welche fähig sind, Transformationen von Vektoren durchzuführen um
Eigenschaften von Elementarteilchen zu erhalten, die statistischer Natur sind und
dann meist ganzzahligen Werten zugewiesen werden. Wobei diese Eigenschaften eben
durch
einfache
Zahlen
ausgedrückt
werden.
Betrachtet
man
das
Wort
Quantentheorie so erkennt man auch die Wortverwandtschaft mit Quantität, also
eine messbare Menge. Quant meint also in der Physik ein Päckchen Energie, oder
eine fixe Portion Energie bzw. geben die Quantenzustände eines Teilchens Aufschluss
über dessen Energiezustand. Der Clou aber ist, ein Physiker gibt zB einem Elektron
einen Bereich vor, indem es sich bewegen kann – legt somit also eine Messvorschrift
fest. Er berechnet seinen Ort und entwirft auf diese Weise erst die Gestalt des Atoms
und dann die aller Elemente, die das Periodensystem ausmachen. So kann man mit
derartigen Quantenzahlen das Atom, aber auch Atombindungen darstellen. Der
Wissenschaftler entwirft also die Natur in einer Weise. Er schafft ein Modell, welches
gestützt durch eine Theorie, eine Veranschaulichung schafft – in unserem Fall hier
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die Teilchenphysik. Die Anfänge der Quantentheorie sind mittlerweile über hundert
Jahre alt. Zu Beginn stand M. Mendelejeff, welcher verschiedene Ähnlichkeiten der
Elemente erkannte und gruppierte daraufhin das Periodensystem der Elemente
schuf.
Aber nicht nur in der Physik gab es eine Wandlung im Denken. Die Biologie, besser
gesagt
die
Gen-
bzw.
Mikrobiologie,
die
meiner
Meinung
nach
jüngste
Naturwissenschaft, scheint zu wiederholen was in der Atomphysik geschehen ist. Sie
versucht ein vereinfachtes Modell für den Bauplan des Lebens zu „zaubern“. Hier
möchte ich auf die zuvor kurz beschriebene möglichen revolutionären Auswirkungen
von Theorien hinweisen, welche nicht immer positiver Natur sein können. So könnte
man es als Sündenfall einer Wissenschaft sehen, wenn die Auswirkungen einer
Theorie für den Menschen zerstörerische Folgen haben, wie es bei der Atombombe
war bzw. wie so mancher durch die Gentechnik vermutet. Man könnte sagen, dass
irgendwie Naturwissenschaftler durch ihr phantasievolles Vorstellungsvermögen
vielmehr Künstler sind, als sie selbst oft ahnen. Fragen nach der Art, was ein Atom
oder ein Gen ist, müssen also anders erklärt werden. Atome bzw. die Bestandteile wie
Elektronen, Protonen und Neutronen existieren nicht als individuelle Objekte in der
Raum-Zeit, sondern existieren durch die Wechselwirkung mit ihrer Umgebung und
können durch statistische Beobachtungen erfasst werden. Sie besitzen keine
Individualität bzw. Identität - das kommt gut durch den Welle- Teilchendualismus
zum Ausdruck. Sie sind mathematisch erfassbar sowie physikalisch existent. Bei
Genen ist es ähnlich. Sie könnte man als Moleküle, welche materieller Natur sind
und aus den Bausteinen - Aminosäuren gebildet werden, bzw. aus reine Information,
als
Code
die
so
einen
immateriellen
Charakter
hat,
verstanden
werden.
Ich meine, dass unsere bissherige Entwicklung stark davon abhängig ist, welche
„Geheimnisse“
wir
der
Natur
durch
unsere
nunmehr
ganzheitlichen
Beschreibungsmethoden entlocken konnten. Eine weitere passende abstrakte
Wissenschaft ist die Informatik. Hier führte man eine neue Programmierweise und
eine damit verbundene Denkweise ein. Bevor man im neuen Stil programmierte,
lehnte man sich rein an ein funktionales, strukturiertes Schema – top down. Dies ist
so zu verstehen, dass man ausgehend von einem Hauptprogramm verschiedene
Funktionen aufruft, an welche Parameter übergeben werden und je nach Funktion
Werte zurückgegeben werden oder auch nicht. Wobei das Hauptprogramm nichts
anderes ist als eine ausgezeichnete Funktion. Das Programm ist also beendet, wenn
der letzte auszuführende Schritt im Hauptprogramm ausgeführt worden ist. Die
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
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aktuelle Programmierform nennt man, bezeichnend dafür – Objektorientierte
Programmierung. Diese Form trifft genau den Punkt. Man konstruiert Objekte,
welche als eigenständig anzusehen sind. Diese Objekte besitzen Funktionen – hier
werden sie Methoden genannt - welche durch sich selbst, aber auch durch andere
Objekte ausgelöst werden können. Durch diese Art zu Programmieren ergibt sich die
Möglichkeit der Verallgemeinerung in dem Sinne, dass man Metaobjekte kreiert,
welche als Archetypen anderer Objekte zu sehen sind. Aus diesen Metaobjekten kann
man neue Objekte mit den Eigenschaften und Methoden des Metaobjektes bilden.
Sozusagen bietet diese Programmierung die Möglichkeit der Vererbung von Methoden
und Eigenschaften eines Metaobjektes plus zusätzliche die Eventualität der
Zuweisung von spezifischen Methoden. In der Planung – OOD (object oriented
design), vorab der Programmierung verwendet man häufig Tools wie UML (unified
modelling
language)
bzw.
ERD
(entity
relationship
diagram)
welche
Objektbeziehungen und Objektdefinitionen und den Sinn dieser Programmierung
deutlich machen. Die Informatik ist ohnehin in unserer Zeit eine der dominierensten
Wissenschaften. Durch den Einsatz des Computers können heutzutage viele
komplexe Erscheinungen simuliert werden. Beispielsweise bedient man sich bei der
Analyse komplexer Systeme oft der Automatentheorie.
Es
gibt
wahrscheinlich
noch
mehrere
oder
bessere
Beispiele
in
den
Naturwissenschaften um diesen Wandel zu erklären.
In vielen Bereichen der Wissenschaft kann man aber inzwischen weder bestimmen
noch entscheiden und erst recht nicht mehr vorhersagen, wie sich Dinge entwickeln.
In
der
Physik
ist
dies
zweifelsohne
die
Entdeckung
Heisenbergs:
Die
Unschärferelation. Sie manifestiert die Unbestimmtheit eines Teilchens bezüglich
seines Ortes, sobald man seine Geschwindigkeit misst bzw. umgekehrt. In der
Mathematik zeigte Kurt Gödel, dass sich in einem logischen System, das auf einer
Reihe von Axiomen beruht, Sätze formulieren und Behauptungen aufstellen lassen,
die innerhalb des gegebenen Rahmens weder bewiesen noch widerlegt werden
können. Sie bleiben schlicht und einfach unentscheidbar.
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Hommage à Gödel
Münchhausens Theorem, Pferd, Sumpf und
Schopf,
ist bezaubernd, aber vergiß nicht:
Münchhausen war ein Lügner.
Gödels Theorem wirkt auf den ersten Blick
etwas unscheinbar, doch bedenk:
Gödel hat recht.
„In jedem genügend reichhaltigen System
lassen sich Sätze formulieren,
die innerhalb des Systems
weder beweis- noch widerlegbar sind,
es sei denn das System
wäre selber inkonsistent.“
Du kannst deine eigene Sprache
in deiner eigenen Sprache beschreiben:
aber nicht ganz.
Du kannst dein eigenes Gehirn
Mit deinem eignen Gehirn erforschen,
aber nicht ganz.
Usw.
Um sich zu rechtfertigen
Muß jedes denkbare System
sich transzendieren,
d.h. zerstören.
„Genügend reichhaltig“ oder nicht:
Widerspruchsfreiheit
ist eine Mangelerscheinung
oder ein Widerspruch.
(Gewissheit = Inkonsistenz.)
Jeder denkbare Reiter,
also auch Münchhausen,
also auch du bist ein Subsystem
eines genügend reichhaltigen Sumpfes.
Und ein Subsystem dieses Subsystems
ist der eigene Schopf,
dieses Hebezeug
für Reformisten und Lügner.
In jedem genügend reichhaltigen System,
also auch in diesem Sumpf hier,
lassen sich Sätze formulieren,
die innerhalb des Systems
weder beweis- noch widerlegbar sind.
Diese Sätze nimm in die Hand und zieh!
Aus: „Die Elixiere der Wissenschaft – Seitenblicke in
Poesie und Prosa“, Hans Magnus Enzensberger
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Aber Kurt Gödel war zweifelsohne nicht der alleinige Grübler. Ein Herr namens
Turing konstruierte zunächst gedanklich eine Maschine - Turing-Maschine – die
Rechenschritt für Rechenschritt konkret gestellte Aufgaben lösen konnte.
Anschließend bewies er, dass sich nicht entscheiden lässt, ob diese Maschine
jemals an ein Ende kommt und fertig wird. Ein anderwärtige Fragestellung wäre,
ob es nur wenige oder unendlich viele Formen von Unendlichkeit gibt. Bekannt
sind mir zwei Formen, die als „abzählbar unendlich“ – Unendlichkeit der
natürlichen Zahlen – bzw. „überabzählbar unendlich“ – Unendlichkeit aller
anderen Zahlen inklusive die der irrationalen. So gibt es verschiedene Varianten
abhängt. Ein Mathematiker namens Cantor entwickelte ein Zählverfahren,
welches zeigen konnte, dass es mehr irrationale als natürliche Zahlen gibt. Als
eine Art Krönung der Unvorhersagbarkeit entwickelte die Physik eine neue
Theorie, die Chaostheorie. Sie demonstriert die Unfähigkeit von Voraussagen aus
dem Grund, weil durch das Auftreten von Nichtlinearitäten in Funktionen bei
Iterationen beispielsweise anfängliche Ungenauigkeiten sich nicht verlieren,
sondern dies zu einer Vervielfachung dieser Ungenauigkeiten führt. Beispiele aus
dem Alltag sind Wetter- oder Börsenprognosen. Man stelle sich den Graphen eines
Aktienkurses
vor.
Dieses
Zickzackverhalten
ist
nicht
vorhersehbar.
Das
Großartige in der Chaostheorie liegt darin, dass man beschreiben kann, nach
welchen
Regeln
sich
ein
Übergang
von
einer
klaren
Ordnung
in
ein
deterministisches Chaos vollzieht. Hier führt die Wissenschaft den Begriff von
Szenarien ein. Sie kann man sich als Vermittler von Natur und Naturgesetzen
vorstellen – entfalten also die Naturgesetze und schieben sich so zwischen
Gesetzen und Wirklichkeit, so wie die Biochemie die Information der Gene
entfaltet und sich zwischen Genen und Leben tut. Hier könnte man einen
Vergleich zu den biochemischen Vorgängen in Zellen ziehen. Also Szenarien,
welche zwischen Genen und dem Leben stehen und regeln, wie sich das entfaltet,
was tatsächlich im genetischen Material vorliegt. In der Physik wären es somit
Szenarien, die aus Atomen Moleküle und in weiterer Folge Materie formen. Das
interessante dabei ist, das solche Vorgänge Strukturen durch Selbstorganisation
hervorbringen.
Selbstorganisation und Energie in Systemen
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2 Selbstorganisation, Chaos und Energie aus
systemwissenschaftlicher Sicht
2.1 Systemtheorien
2.1.1 Klassische Naturwissenschaftliche Theorien
Der Übergang von der antiken zur klassischen Naturwissenschaft war durch die
Einführung einer, auf mathematischen Begriffen der klassischen Mechanik
beruhenden, Naturbeschreibung gekennzeichnet. Diese wissenschaftliche
Revolution steht in engem Zusammenhang mit dem englischen Physiker und
Mathematiker Isaac Newton (1643-1727). Er begründete eine “reversible und
streng deterministische Betrachtungsweise des Wesens von Veränderungen”
(Beisel, 1996, S.14.). Dieses deterministische Kausalitätsprinzip besagt, “dass auf
unserer Welt jedes Ereignis auf eine Ursache in der Vergangenheit zurückgeführt
werden kann und umgekehrt, jede Ursache hat eine genau bestimmte Wirkung in
der Zukunft” (Seifritz, 1987, S.85). Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen.
Die Newtonsche Dynamik lässt demzufolge keinen Raum für Selbstorganisation
bzw. Evolution.
Eine Erweiterung der Newtonschen Dynamik erfolgte zu Beginn des 19. Jh. mit
der Begründung der klassischen Thermodynamik. Die klassische Thermodynamik
entwickelt Beziehungen zwischen den makroskopisch messbaren Zustandsgrößen
geschlossener Systeme, die weder Energie noch Materie und Information mit ihrer
Umgebung austauschen und nur durch die Nutzung innerer Energiereserven
funktionieren. Die Qualität der im System befindlichen Energie wird durch die
“Entropie” bestimmt, die als Maß für das Verhältnis von Ordnung und Unordnung
in einem geschlossenen System gilt.
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie in einem
geschlossenen System niemals abnehmen kann. Daraus folgt die Irreversibilität
(Unumkehrbarkeit) von Prozessen und die Gerichtetheit zeitlicher Abläufe. Der
zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass die Entropie eines
geschlossenen Systems nur solange zunehmen kann, bis das System sein
sogenanntes thermodynamisches Gleichgewicht erreicht hat. In diesem Zustand
gibt es keinen Energiefluss mehr. Die Systemkomponenten sind nunmehr nicht
mehr zu unterscheiden.
Systemevolution vollzieht sich in der klassischen Thermodynamik als Abfolge von
Systemzuständen, die auf der Skala eines einzigen makroskopischen
Systemparameters, der Entropie, angeordnet werden können (Beisel, 1996, S.16).
Durch die Irreversibilität erreichter Systemzustände vollzieht sich die Evolution
eines Systems von einem mehr geordneten energiereichen Zustand, zu
zunehmender Homogenität und Unordnung, bis hin zum thermodynamischen
Gleichgewicht. Die Entwicklung erfolgt in Richtung einer fortschreitenden
Selbstdesorganisation.
Systemevolution
erscheint
als
unumkehrbarer
Entwicklungsprozess. Daher ist die klassische Thermodynamik zur Beschreibung
und Erklärung der Entwicklung des Menschen ebenso ungeeignet wie die
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
Newtonsche Dynamik, die durch das reduktionistische
Selbstorganisation grundsätzlich in Abrede stellt.
Huber Oliver
Kausalitätsprinzip
In Anlehnung an die klassische Thermodynamik entwickelte der Biologe Charles
Darwin (1808-1882) die Theorie des “Survival of the Fittest”. Anhand zahlreicher
Beobachtungen erkannte er, dass nur das Bessere, Lebenstüchtigere erhalten
bleibt und seine fortschrittlichen Eigenschaften in der Vererbung an seine
Nachkommen weitergibt. In der Natur vollzieht sich demnach ein ständiger
Prozess aus Variabilität, Auslese und Vererbung. Systemevolution vollzieht sich,
in Übereinstimmung mit der klassischen Thermodynamik, als ein irreversibler
Entwicklungsprozess, mit dem Unterschied, dass Darwin die Entwicklung zu einer
höheren Ordnung und Qualität in den Vordergrund stellt. Der Zeitvektor weist
kontinuierlich aufwärts.
Die Bedeutung der Theorie Darwins liegt in ihrer Ausrichtung auf
Höherentwicklung und Zweckmäßigkeit. Er schuf damit entscheidende
Grundlagen für die Entwicklung der Selbstorganisationsforschung.
Der Widerspruch zwischen der klassischen Thermodynamik und ihrer
Orientierung auf Gleichgewicht und Entropie in geschlossenen Systemen und die
Evolutionstheorie Darwins, die eine Zunahme an Komplexität, Strukturiertheit
und funktioneller Zweckmäßigkeit in der Natur feststellte, führte zur Entwicklung
der traditionellen Systemtheorie.
2.1.2 Traditionelle Systemtheorien
In den 40er Jahren begründete der Mathematiker Norbert die Kybernetik. Wiener
arbeitete zusammen mit dem Ingenieur Bigelow an der Entwicklung
automatischer Zielverfolgungsgeräte. Sie entdeckten einen Informationskreislauf
mit negativer Rückkopplung. Negative Rückkopplung deshalb, weil Abweichungen
ausgelöscht, korrigiert oder negiert werden. Darüber hinaus stellten sie fest, dass
die negative Rückkopplung bei Maschinen und Organismen gleichartig wirkt.
In kurzer Zeit entwickelte sich die Kybernetik zu einem interdisziplinären
Wissenschaftszweig, deren Gegenstand die selbsttätige Steuerung und Regelung
von Verhalten sowohl in maschinellen als auch in lebenden Systemen ist, die
Merkmale wie Regelung, rückgekoppelte Informationsübertragung , -verarbeitung,
-speicherung, Adaptation und Selbstorganisation aufweisen (Balgo, 1998, S.75).
Es zeigte sich, dass der Informationskreislauf der negativen Rückkopplung
(Feedback) zur Korrektur jeder Handlung erforderlich ist und auch das
Nervensystem die Muskelbewegungen entsprechend der von den Sinnen über das
Gehirn gemeldeten Wirkungen steuert. Dies bedeutete eine Abkehr von den
reflextheoretischen Ansätzen in den Neurowissenschaften.
Im Jahre 1954 gründete der Biologe Ludwig von Bertalanffy (1901-1972) die
Gesellschaft für Allgemeine Systemforschung. Ihr Ziel war, die Kybernetik auf alle
Systeme anzuwenden. Sie förderte die Entwicklung einer einheitlichen
Terminologie und Methodologie für Phänomene der Selbstregelungstätigkeit
offener Systeme.
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Selbstorganisation und Energie in Systemen
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Bertalanffy war auch der erste, der die Ganzheitlichkeit und Offenheit biologischer
Systeme hervorhob. Er prägte den Begriff der Äquifinalität, der die
charakteristischen
Ganzheitseigenschaften
von
Organismen
aus
ihrer
physikalisch-energetischen Wechselwirkung mit ihrer Umwelt ableitet. Dabei
gelingt die ständige Anpassung an neue Bedingungen der Umwelt durch die
Ausbildung
von
sogenannten
“Fließgleichgewichten”,
die
durch
Austauschprozesse zwischen System und Umwelt entstehen (Balgo, 1998, S.68).
Bertalanffy beschreibt die Aufgabe seiner Theorie “offener Systeme”
folgendermaßen:
“Unsere Aufgabe muß es vielmehr sein, die Lebewesen als Systeme
besonderer Art von in dynamischer Wechselwirkung stehenden Elementen
zu betrachten und die hier geltenden Systemgesetze zu ermitteln, welche die
Ordnung aller Teile und Vorgänge untereinander beherrschen. Notwendig
ist sowohl die Untersuchung der Teile und Vorgänge als auch der
Beziehungen, in denen diese zueinander und zum Ganzen stehen.” (1937,
S.12)
Kybernetik und Allgemeine Systemtheorie beschäftigen sich mit offenen Systemen,
die ständig freie Energie, Materie oder Information mit der Umwelt austauschen.
Das Ziel besteht in der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines
Fließgleichgewichts. Der Fokus liegt demzufolge auf der Stabilisierung von
Systemzuständen.
Die Erkenntnisse der Kybernetik und Allgemeine Systemtheorie hatten großen
Einfluss auf zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen. Vor allem auch auf die
Bewegungswissenschaften, wo neue Erklärungen für die Regulation der
Bewegungstätigkeit gefunden wurden. Hier sei nur auf die Abkehr vom
Behaviorismus mit der Vorstellung von Reiz-Reaktions-Schemata, die
Vorstellungen Bernsteins (1988), der die Existenz hybrider Steuerungs- und
Regelungsprozesse und sich verändernder Anteile von Feedback- sowie FeedForward-Mechanismen bei der Bewegungskoordination annahm und das Konzept
des sogenannten Wirkungs- oder Aktionsakzeptors von Annochin (1956)
verwiesen. Ebenso sind die Closed-Loop-Theorie von Adams (1971) und die
Schematheorie von Schmidt (1975) auf die kybernetische Denkweise
zurückzuführen.
In den 60er Jahren traf die einseitige Fokussierung auf die Stabilisierung von
Systemzuständen zunehmend auf Kritik. Maruyama wies auf das Phänomen
bestimmter Systeme hin, durch positive Rückkopplung ursprünglich geringfügige
Abweichungen von einem Gleichgewichtszustand so zu verstärken, daß ein
Veränderungsprozess und die Bildung neuer Strukturen des Systems einsetzen
(Vgl. 1960, zit. N. Balgo, 1998, S.76f.). Damit wurde die Entstehung moderner
Systemtheorien eingeleitet, die sich intensiver mit Wandel, Instabilität, (Selbst-)
Verstärkung von Abweichungen, Emergenz neuer Eigenschaften, Flexibilität,
innovativem Lernen, mit selbstreferenten, ihre Sollwerte in Grenzen selbst
festlegenden Prozessen, Evolution und Koevolution befasste (Balgo, 1998, S. 77).
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2.1.3 Moderne Systemtheorien
Das wesentliche Merkmal moderner Systemtheorien ist die komplementäre
Denkweise. Stabilität und Instabilität, Offenheit und Geschlossenheit, negative
und positive Rückkopplung sind nunmehr integrale Bestandteile dynamischer
Systeme, die nebeneinander bestehen und sich gegenseitig bedingen (Beisel, 1996,
S.20). Die neue Sichtweise wurde von zahlreichen Wissenschaftlern aufgegriffen
und zum neuen Paradigma stilisiert. Laszlo (1987) spricht ebenso wie Paslack
(1991) vom Paradigma der Selbstorganisation. Maruyama (1963) favorisiert den
Begriff der Kybernetik II und Probst (1987) spricht von innovativer
Selbstorganisationsforschung.
In unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen entstand eine Vielzahl von
Konzepten, die die Selbstorganisation von Systemen in den Mittelpunkt rückten.
Aus der Vielzahl sich entwickelnder Theorien können sieben grundlegende
Selbstorganisationskonzepte hervorgehoben werden:







Die Theorie dissipativer Strukturen des Chemikers Ilya Prigogine
Die Synergetik des Physikers Hermann Haken
Die Theorie autokatalytischer Hyperzyklen des Biochemikers Manfred
Eigen
Die Chaostheorie des Mathematikers Edward N. Lorenz sowie des
Mathematikers und Begründers der “fraktalen Geometrie” Benoit
Mandelbrot
Die systemtheoretisch-kybernetischen Ansätze des Physikers Heinz
von Foerster
Die Theorie der Autopoiesie und Selbstreferentialität der
Neurobiologen Humberto R. Maturana und Fransisco J. Varela
Die Theorie des “elastischen” Ökosystems von P. Ehrlich, J. Lovelock,
L. Margulis und C.S. Holling.
Die formulierten Struktur- und Entwicklungsprinzipien aus den verschiedenen
Wissenschaften erwiesen sich als äußerst kompatibel. Nordmann (1991, S.90)
benennt daher folgende grundlegenden Aspekte einer Selbstorganisationstheorie
im allgemeinsten Sinne:







die Offenheit und Dynamik der Systeme,
ihre Komplexe interne Regelung,
die entscheidende Rolle der “Randbedingungen”,
der irreversible Prozesscharakter ihrer Dynamik
die dialektische Determiniertheit
die systemische Eigenzeit sowie
die Ordnung durch interne Strukturierung.
Als Selbstorganisation können daher irreversible Prozesse in nichtlinearen
dynamischen Systemen bezeichnet werden, “die durch das kooperative Wirken
von Teilsystemen zu komplexeren Strukturen des Gesamtsystems führen”
(Ebeling, W. zit.n. Nordmann, 1991, S.91). Der Begriff Selbstorganisation
kennzeichnet darüber hinaus die spontane Erhöhung von Ordnung in einem
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System (Paslack, 1991). Spontan deshalb, weil zur Erhöhung der Ordnung kein
Eingriff von “Außen” stattfindet, sondern Prozesse innerhalb des Systems selbst
zur Ordnungserhöhung führen. Probst bezeichnet zusammenfassend “SelbstOrganisation” als ein Meta-Konzept für das Verstehen der Entstehung,
Aufrechterhaltung und Entwicklung von Ordnungsmustern (1987, S.14).
2.2 Selbstorganisation
Selbstorganisation ist das spontane Auftreten neuer Strukturen und neuer
Verhaltensweisen in Systemen fern vom Gleichgewicht, die durch innere
Rückkopplungsschleifen
charakterisiert
sind
und
mathematisch
durch
nichtlineare Gleichungen beschrieben werden. Die Selbstorganisation ist zum
zentralen Begriff der systemischen Anschauung vom Leben geworden. Die Theorie
der Selbstorganisation beschreibt, wie Systeme innerhalb des Bereichs bestimmter
Anfangs- und Randbedingungen bestimmte Ordnungszustände einnehmen. Diese
Prozesse sind zwar von außen anregbar, nicht jedoch intendierbar. Die Theorie der
Selbstorganisation lässt sich sowohl auf physikalische, chemische und biologische
Systeme
als
auch
auf
psychische
und
soziale
Systeme
anwenden.
Selbstorganisation wird auch als Theorie der Ordnungsbildung nicht-linearer
(dynamischer) Systeme ("Chaostheorie") bezeichnet. Kennzeichnend für diese
Systeme ist, dass ihre Ordnungszustände nicht vorhersagbar sind, trotzdem
entwickeln
sie
sich
nicht
beliebig
("deterministisches
Chaos").
Mit
Hilfe
mathematischer nichtlinearer Gleichungen können nichtlineare Phänomene
beschrieben werden. In nichtlinearen Systemen haben oft kleine Ursachen große
Wirkungen
("Schmetterlingseffekt")
Systeme
können
mit
Hilfe
zweier
Ordnungszustände beschrieben werden: stabil/instabil. Diese Ordnungszustände
können sich durch das unter- oder überschreiten bestimmter Grenzwerte ändern.
Dadurch kann es zu Phasenübergängen kommen. Sogenannte Attraktoren
regulieren Phasenübergänge und "bündeln" nichtlineare Systeme in einem
"Phasenraum" (raum-zeitliches Kontinuum) bzw.
In der biologischen System- und Erkenntnistheorie wird mit dem Begriff der
Selbstorganisation die Möglichkeit lebender Wesen bezeichnet, sich in ihrer
Struktur und Organisation selbst zu organisieren: Lebewesen sind unabhängig
von ihrer Umwelt und fähig zu Autonomie. Systeme wählen also selbst aus,
welche Perturbationen (Verwirrung, Störung) bzw. Energieeintrag aus der Umwelt
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gemäß der systemeigenen Struktur und Ordnung in das System mittels
Strukturveränderungen integriert werden.
Unter Selbstorganisation werden irreversible Prozesse verstanden, die durch
systemimmanente
Kräfte
Ordnungsstrukturen
hervorbringen.
Über
Rückkopplungseffekte können sich diese Strukturen verändern, ausdifferenzieren
oder
höher
entwickeln.
Das
System
befindet
sich
dabei
fern
vom
thermodynamischen Gleichgewicht. Von evolutionärer Selbstorganisation wird
gesprochen, wenn sich Prozesse der Selbstorganisation zyklisch verketten und
sich so selbst eine Entwicklungsgeschichte bereiten. Die Welt mit ihren
verschiedenen Gefügen ökologischer, ökonomischer oder soziokultureller Art kann
wohl nur als ein komplexes dynamisches System verstanden werden.
2.3 Voraussetzungen für Selbstorganisation:
Damit es überhaupt zur Selbstorganisation kommen kann müssen verschiedene
Voraussetzungen vorhanden sein:

nichtlineare
Dynamik
des
Systems
und
interne
Rückkopplungsmechanismen- 'Überkritische Distanz': Mindestdistanz des
Systems vom thermodynamischen Gleichgewicht

Offenheit: Austausch des Systems mit seiner Umgebung (stofflicher,
materieller oder informeller Art)
2.4 Merkmale von Selbstorganisation:
Dabei handelt es sich um Merkmale, die mit dem Funktionieren des Systems an
sich in Verbindung stehen:

Entropieexport: da höhere Ordnungen entstehen, fallen als Abfallprodukte
gleichermassen Unordnungen an (Entropie, gilt als Maß für Unordnung).
Diese muss aus dem System gelangen (durch Abführen von Unordnung
bzw. Aufnahme von Ordnung, sprich höherwertigere Energie).

Energietransformation: ein Teil der aufgenommenen Energie wird im
System in hochwertige Energieformen umgewandelt. (Strömungsenergie,
Konzentrationsdifferenzen, Spannungen,...)
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
Ordner
(Agenten);
im
System
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sind
Parameter
vorhanden,
die
das
Zusammenspiel der Teile koordinieren (Versklavung)

Stabilität und Phasenübergänge: gegenüber kleiner Störungen sind
selbstorganisierende Systeme stabil. Grosse Störungen können jedoch zum
Zusammenbruch der Struktur führen. Einem Phasenübergang gleich, gibt
es
eine
weitere
Spielart
von
Instabilität
des
Systems:
nehmen
Parametergrössen einen kritischen Wert an, so kann das System von der
einen in eine neue, andere Struktur überschlagen. Kritische Fluktuationen
sind
die
starken
Schwankungen
im
System,
die
während
dieses
Überschlagens auftreten. Bestimmte 'Moden' können die 'Keime' der neuen
Struktur bilden und so vom alten Muster evtl. modifiziert und übernommen
werden.

Symmetriebrechung: sie tritt normalerweise bei der Musterbildung auf.

Beschränkte Vorhersagbarkeit: es können sowohl reguläre als auch
irreguläre/chaotische
Strukturen
entstehen.
Bei
letzteren
sind
noch
eingeschränkte Vorhersagen über das System möglich.

Selbstähnlichkeit:

Historizität: es gibt eine spezifische Entwicklungsgeschichte des Systems,
die es einzig macht. Das System ist somit nur als über die Zeit entstanden
zu verstehen (Einfluss des Zufalls bei Phasenübergängen; Identität).
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3 Literaturhinweise
John Briggs, F. David Peat:
Die Entdeckung des Chaos
Heinz-Otto Peitgen, Hartmut Jürgens, Dietmar Saupe: Chaos –
Bausteine der Ordnung
Klaus Richter, Jan-Michael Rost:
Komplexe Systeme
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