Konstruktivistische Ansätze in der Sozialpsychologie 1 Inhalt Teil I: Grundlagen des Konstruktivismus 1. Das Prinzip der Selbstorganisation in Wahrnehmung und Denken 1.1 Selbstkonstruktion emergenter Phänomene 1.2 Wahrnehmung und Erkennen: Konstruktion von Sinn aufgrund vorhandener Vorstrukturen 2. Grundsätze konstruktivistischer Lern- und Erkenntnistheorie 3. Die Konstruktion menschlicher Beziehungen und sozialer Wirklichkeit 3.1 Die soziale Konstruktion einer Wahrnehmung: Das Experiment von Sherif 3.2 Wirklichkeitsmodelle und Attributionsmuster 3.3 Selbsterfüllende Prophezeiungen 3.4 MindMap zum Konstruktivismus 2 Inhalt Teil II: Die konstruktivistische Kommunikations- und Systemtheorie 1. Selbstorganisation in sozialen Systemen 1.1 Offene Systeme und Interdependenz 1.2 Axiome der Kommunikation in sozialen Systemen 1.3 Selbstorganisation in sozialen Systemen 2. Dynamische Prozesse in sozialen Systemen 2.1 Kreisprozesse und Rückkopplung 2.2 Interpunktionen von Ereignisfolgen Teil III: Systemische Beratung im Schulalltag 1. „Probleme“ aus konstruktivistischer Sicht 2. Techniken der Systemischen Beratung 3. Leitfaden zum systemischen Fragen Literatur 3 Teil I: Grundlagen des Konstruktivismus I.1 Das Prinzip der Selbstorganisation in der Wahrnehmung und im Denken Demonstrationen: Phi-Phänomen Akustische Gestalten Rasterbild 4 5 Rasterbild 6 Bridget Riley: Tremor (1962) 7 Dalmatiner Konstruktivistische Grundprinzipien Das Phänomen der Ganzheit (Emergenzprinzip) Aus der wechselseitigen Beziehung von Teilen entsteht ein prinzipiell neues emergentes Phänomen, dessen Eigenschaften die Teile nicht haben. Es entsteht eine Ganzheit (oder „Gestalt“). „Das Ganze ist etwas anderes als die Summe seiner Teile“ Das Grundgesetz der Selbstorganisation Der Prozess der Ausbildung von Ganzheiten (Gestaltbildung) erfolgt autonom; Ganzheiten sind selbstorganisiert. Das Grundgesetz des dynamischen Gleichgewichts (Prinzip der Selbststabilisierung) Ist eine Ganzheit einmal entstanden, dann setzt sie jeder Veränderung, insbesondere aber ihrer Zerstörung Widerstand entgegen. 8 I.2 Wahrnehmung und Erkennen: Die Konstruktion von Sinn aufgrund vorhandener Vorstrukturen 9 10 11 12 Dreiecke 13 E Das Neun-Punkte-Problem: Eine Lösung Verbinden Sie alle 9 Punkte mit 4 geraden Linien ohne abzusetzen 14 9Punkte-Problem I.3 Die Konstruktion menschlicher Beziehungen und sozialer Wirklichkeit 15 Experiment von Sherif: Die Konvergenz der Schätzungen von drei Vpn beim autokinetischen Phänomen (A: Alleinschätzungen, Z: Zusammenschätzungen) 16 Sherif Der Zeitungskauf Stellen Sie sich vor, Sie kaufen an dem neuen Kiosk in Ihrer Nähe eine Zeitung, die 1,40 Euro kosten soll. Sie legen einen 50-Euroschein hin und bekommen 10,- Euro zu wenig heraus! Notieren Sie Ihren ersten spontanen Gedanken! Mögliche Interpretation Mögliche erste spontane Reaktion des Kunden Die mögliche Wirkung auf den Verkäufer Mögliche Folgen für die Beziehung (1) „Der will mich betrügen!“ (2) „Der kann nicht rechnen!“ (3) „Der hat sich geirrt!“ 17 Die Selbst erfüllende Prophezeiung (self-fulfilling-prophecy) „Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist eine Annahme oder Voraussage, die rein aus der Tatsache heraus, dass sie gemacht wurde, das angenommene, erwartete oder vorhergesagte Ereignis zur Wirklichkeit werden lässt und so ihre eigene ‚Richtigkeit’ bestätigt.“ (Watzlawick) Beispiele für wirksame selbsterfüllende Prophezeiungen im Alltag Variante 1: „Mich liebt keiner!“ Variante 2: „Unsere Beziehung ist auch nicht mehr wie früher!“ Variante 3: „Ich bin ein guter Lehrer aber Max ist ein schwieriger Schüler!“ Hauptsatz: „Ich bin klein, mein Herz ist rein – aber die Welt ist so schlecht“ 18 MindMap zum Konstruktivismus Organisationsentwicklung sozialer Konstruktivismus (Luhmann/ Berger/Luckmann) Lernen durch Einsicht Gruppenprozese Gruppendynamik Ganzheitspsychologie Systemtheorie Konstruktivismus Konstruktivistische Erkenntnistheorie Rezeptionsästhetik Lewins Handlungstheorie Watzlawicks Kommunikationstheorie systemische Familientherapie Piagets Entwicklungstheorie Bruners Entdeckendes Lernen Wagenscheins Genetisches Prinzip 19 20 Schema Konstruktivismus Teil II: Die Konstruktivistische Kommunikations- und Systemtheorie II.1 Selbstorganisation in sozialen Systemen Demonstration: Gruppenbildung 21 Interdependenz in offenen Systemen Jeder Teil eines Systems ist mit jedem anderen Teil so verbunden, dass eine Änderung in einem Teil eine Änderung in allen Teilen und damit im gesamten System verursacht („Interdependenz“). Das systemische „Gummizug-Modell“ 22 Axiome der Kommunikation 1. Axiom der Kommunikationstheorie Man kann nicht nicht kommunizieren. 2. Axiom der Kommunikationstheorie Jede Kommunikation enthält zwangsläufig immer sowohl Inhalts- als auch Beziehungsaspekte Das Prinzip der Selbstorganisation in sozialen Systemen Soziale Systeme sind selbstorganisiert; d.h. sie bilden ihre Beziehungsstrukturen und die Regeln für die Kommunikation aus sich selbst heraus. 23 II.2 Dynamische Prozesse in sozialen Systemen 24 Positive Rückkopplungsprozesse: „Mehr desselben“ desto mehr positive A lehnt sich B lehnt sich Rückkopplung hinaus hinaus desto mehr 25 Interpunktion von Ereignisfolgen Ereignisfolge bei den beiden Seglern: B–A–B–A–B–A–B–A–B–A–B–A– Das Ursache-Denken: Interpunktion von Segler A: (B – A) (B – A) (B – A) (B – A) (B – A) (B – A) – Interpunktion von Segler B: B – (A – B) (A – B) (A – B) (A – B) (A – B) – A – 3. Axiom der Kommunikationstheorie Jede Kommunikation wird von den Beteiligten zwangsläufig interpunktiert. 26 Teil III: Systemische Beratung im Schulalltag III.1 „Probleme“ aus Konstruktivistischer Sicht Der Schüler Max 27 Wie ein Problem entsteht... 1. Eine Person nimmt eine Störung wahr 2. Sie beginnt mit Gegenmaßnahmen Ist die Störung nun behoben? Ja ENDE nein 3. Weitere immer stärkere Gegenmaßnahmen – Positive Rückkopplung 4. Die Gegenmaßnahmen werden zum Problem (Störung 2. Ordnung) 28 Warum Probleme so schwer zu lösen sind 1. Tendenz zur „eingeschränkten Perspektive“ 2. Tendenz zur „Zentrierung auf das Problematische“ 3. Tendenz zum „gesunden Menschenverstand“ 29 Systemtheoretische Lösungen Erster systemtheoretischer Grundsatz für Veränderungen Wenn du in einem System, zu dem du gehörst, etwas ändern willst, dann fange bei dir selber an. Die anderen werden nicht umhin kommen, sich mit zu verändern. Zweiter systemtheoretischer Grundsatz für Veränderungen Verändere die Wirklichkeitsmodelle in den Köpfen und du veränderst die Wirklichkeit. 30 III.2 Techniken der Systemischen Beratung Eine kleine Anleitung zum Scheitern 1. Ergreife Partei (insbesondere für Schwache)! 2. Erforsche die eigentlichen Ursachen! 3. Erforsche, wie es wirklich war! 4. Sondere das Wichtige vom Unwichtigen! 5. Zeige, dass du die Lösung kennst! 31 III.3 Leitfaden zum Systemischen Fragen 1. Fragen zur „Wirklichkeitskonstruktion“ des/der Ratsuchenden • Das Problemverhalten: Wer? Was? • Die systemischen Zusammenhänge: Beteiligte? Kontrahenten? Andere? • Die Erklärungen des/der Ratsuchenden: Sicht der Ursachen? Ideallösung? 2. Fragen zur Verflüssigung des Problems • Verflüssigung der Perspektive – „Zirkuläre Fragen“: Andere Perspektiven? Was würden andere sagen, wenn sie jetzt hier wären? • Verbesserungsfragen: Ausnahmen vom Problem, Ressourcen der Beteiligten, Wunderfrage 3. Paradoxe lösungsorientierte Fragen • Verschlimmerungsfragen • „Heimlicher“ Nutzen des Problems • Bewusster Rückfall 32 33