Anhang 3 Memor Wirtschaftlichkeit

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Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation
den 14.2.2004
Zur Wirtschaftlichkeit Mobiler Rehabilitation
Erarbeitet von Matthias Schmidt-Ohlemann
Mobile Rehabilitation ist eine wirtschaftliche Versorgungsform, wenn die Indikation
korrekt gestellt wird, sie im Versorgungspfad richtig platziert wird, die substitutive
Funktion sichergestellt ist, die Leistungen konzeptionsgerecht erbracht werden und
die Binnenorganisation der Mobilen Rehaeinrichtung effektiv ist.
Wirtschaftlichkeit heißt, dass ein gewünschtes Ergebnis mit einem vertretbaren
Aufwand erzielt wird. Eine Leistung ist insbesondere dann wirtschaftlich, wenn das
gleiche Ergebnis nicht durch eine andere Leistung zu geringeren Kosten erzielt
werden kann oder wenn durch gleiche Kosten ein besseres Ergebnis erzielt werden
kann.
Sofern ein Leistungsangebot durch ein anderes nicht ersetzt werden kann, ist ein
Vergleich mit anderen Angeboten nicht möglich. Es kommt dann auf die Prüfung der
wirtschaftlichen Leistungserbringung, vorwiegend unter betriebswirtschaftlichen
Kriterien an. Dies trifft für Mobile Rehabilitation zu, vergleiche dazu Winkler,
Positionspapier im Anhang Nr. 2.
1. Betriebswirtschaftliche Aspekte:
In der Projektphase wurden in der Mobilen Rehabilitation ausführliche
Arbeitszeit- und Arbeitsprozessanalysen, zum Teil mit exakten Minutenwerten
durchgeführt. Dabei wurden Arbeitsweisen, Fahrzeiten, Teamzeiten und vor
allem auch Möglichkeiten und Zeitbedarf für Teamarbeit im mobilen Setting
getestet. Diese Erkenntnisse fanden ihren Niederschlag in den jeweiligen
Konzeptionen, die im Konsens mit den Kostenträgern verabschiedet wurden.
Entsprechende Vergütungsvereinbarungen konnten abgeschlossen werden.
Es sind also für die bestehenden Modelle Prüfungen entsprechender Kosten
durch die Kostenträger nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten
vorgenommen worden.
Dabei zeigt sich, dass die Besonderheit der Mobilen Rehabilitation in dem
Ausmaß der Fahrzeiten besteht, die je Hausbesuch im Mittel zwischen 18 und
30 Minuten inklusive gegebenenfalls notwendig werdender Rüstzeiten
betragen und der damit verbundenen Kosten für Fahrzeuge.
Behandlungszeiten beim Patienten sind exakt festgelegt, ebenfalls
Teamzeiten, die sowohl aus organisatorischen (Absprachen) als auch aus
inhaltlichen Gründen ( Zielorientierung und transdisziplinäre Arbeitsweise)
zwischen 2,5 und 6 Stunden je Woche betragen.
Dieser besondere Aufwand ist in anderen Rehaformen so nicht gegeben.
Insofern müssen diese Nachteile durch andere Vorteile ausgeglichen werden.
Solche Vorteile sind insbesondere:
1









Unterbringung und Verpflegung tragen die Patienten und Familien
selbst
Behandlungsfreie Tage , auch Wochenenden, werden nicht berechnet
Ausgefallene Therapien werden nicht berechnet
Unterbrechungen durch interkurrente Erkrankungen sind möglich und
verursachen keine Kosten
Es werden nur Einzeltherapien abgegeben, die gegebenenfalls mit
den Angehörigen gemeinsam durchgeführt werden, keine
Gruppenbehandlung
Die Wohnung stellt das Übungsfeld bereit (keine Lehrküche, keine
speziellen Geräte)
Übungsbehandlung in Form von Alltagsverrichtungen durch den
Patienten selbst oder mit Hilfe der Angehörigen im Alltag in eigener
häuslicher Umgebung
Hohe Qualität und Effizienz der Behandlung, da nur hochqualifizierte
Mitarbeiter, keine Aushilfen, Schüler oder Berufsanfänger eingesetzt
werden.
Hohe Behandlerkonstanz ermöglicht effektives Arbeiten (unter
anderem geringe Informationsverluste)
Weitere Vorteile zeigen sich in den folgenden Kapiteln.
Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Nachteile durch die Vorteile
mindestens aufgewogen werden, sofern die Indikation exakt beachtet wird. Denn
diese Vorteile gelten nicht für Patienten mit solchen Krankheitsbildern, die einen
anderen Behandlungsbedarf aufweisen, zum Beispiel mit hochfrequenter
Übungsbehandlung am Gerät bei muskuloskeletalen Erkrankungen, und bei denen
die alltäglichen praktischen Lebensvollzüge im häuslichen Umfeld keine adäquate
Übungsmöglichkeit darstellen.
2. Maßnahmekosten
Die durchschnittlichen Gesamtmaßnahmekosten liegen je nach Standort
zwischen ca. 2900 und 4000 €. Sie hängen vom Preis der jeweiligen
Leistungseinheit und der Gesamtzahl der Leistungseinheiten ab. Der Preis je
Leistungseinheit hängt unter anderem davon ab, ob bestimmte Leistungen
enthalten sind oder nicht (z. B. Sozialarbeit) und wie die jeweilige
Leistungseinheit definiert ist. Die Gesamtzahl der Leistungen wiederum ist
abhängig von der Diagnose, der Vorbehandlung und dem Verlauf des
Rehabilitationsbedarfes.
Sie streuen naturgemäß sehr stark. In die Durchschnittszahlen gehen neben
langen Dauern bei Problempatienten zugleich auch Patienten mit kürzerer
Behandlungsdauer ein. Die Dauer Mobiler Rehabilitation wird nämlich stark
flexibilisiert , das heißt exakt dem Bedarf der Patienten angepasst. Insofern
ergibt sich dadurch ein Wirtschaftlichkeitsvorteil, da überflüssige Einheiten
2
vermieden werden, Problempatienten aber eine Rehabilitationsmaßnahme
über lange Zeit erhalten können.
Der Vergleich mit der Wirtschaftlichkeit anderer Leistungsangebote (stationäre
Rehabilitation, Heilmittelversorgung, ambulante Rehabilitation) ist methodisch
schwierig. Ein einfacher Vergleich der reinen Maßnahmekosten, zum Beispiel
der Kosten pro Behandlungstag oder der Behandlungseinheit greift zu kurz.
Ob ein einfacher Kostenvergleich Sinn macht, ist zudem sehr zweifelhaft, da
die behandelte Klientel in den verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich ist.
Die vielen verschiedenen potentiellen Einflussfaktoren sind kaum differenziert
zu erheben beziehungsweise in ihrer Bedeutung zu gewichten. Dies wäre
wünschenswert und auch grundsätzlich leistbar, erfordert jedoch eine eigene
Studie.
Macht man dennoch einen Versuch zur Bestimmung der Größenordnung
ökonomischer Effekte, liegt Mobile Rehabilitation im Vergleich der reinen
Gesamtmaßnahmekosten mit anderen Rehamaßnahmen zwischen stationärer
Rehabilitationsbehandlung und einfacher Heilmittelerbringung mit ambulanter
ärztlicher Versorgung. Rechnet man bei Patienten mit Schlaganfall am
Standort Bad Kreuznach zum Beispiel mit 36 Hausbesuchen à 76 € ergeben
sich 2736 € als Maßnahmekosten gegenüber 28 Tagen à 160 € insgesamt
4480 € bei stationärer Rehabilitation. Allerdings kommen bei der Mobilen
Rehabilitation andere ambulante Versorgungskosten durch Arzneimittel, durch
die hausärztliche Behandlung etc. hinzu. Die Kosten ambulanter Behandlung
zu berechnen ist zwar eigentlich müßig, da Patienten, die ambulant mit
Heilmitteln behandelt werden können, keinen Anspruch auf Mobile oder auch
stationäre Rehabilitation haben, ist jedoch zur Orientierung interessant.
Um zu sinnvollen Aussagen zur Wirtschaftlichkeit zu kommen ist es
notwendig, einen längeren Zeitraum zu betrachten, vor allem deshalb, weil
Mobile Rehabilitation zwischen 8 und 12 Wochen, in Einzelfällen auch länger
dauert. Als Zeitraum werden für die Beispielrechnung 90 Tage gewählt.
Mit recht guter Aussagekraft ist es
möglich, die Kosten eines
durchschnittlichen
akuten
Behandlungsfalls,
zum
Beispiel
eines
Schlaganfallpatienten, über einen Zeitraum von 90 Tagen zu berechnen und
verschiedene Behandlungspfade einander gegenüberzustellen. Dabei sind
auch
Arzneikosten,
Heilmittelkosten,
Arztkosten,
Hilfsmittelkosten,
Beförderungskosten etc. einzubeziehen.
Eine solche Berechnung wurde am Standort Bad Kreuznach durchgeführt. Die
Berechnungen zeigen, dass es Behandlungspfade mit Mobiler Rehabilitation
gibt, die deutliche ökonomische Vorteile gegenüber solchen ohne Mobile
Rehabilitation aufweisen, vor allem dann, wenn MORE




eine stationäre Rehabilitationsbehandlung ersetzt oder
die Krankenhausverweildauer verkürzt oder
stationäre Rehabilitation verkürzt wird
und wenn MORE durchschnittlich länger dauert als stationäre Rehabilitation
und deshalb ambulante Arzt- und Heilmittel- und Beförderungskosten
eingespart werden.
3
Der folgende Exkurs zeigt eine Modellrechnung am Beispiel Bad Kreuznach:
Exkurs: Behandlungspfade und Kosten am Beispiel Standort Bad Kreuznach
Die folgenden Fallkonstruktionen beziehen sich auf 90 Tage nach dem Akutereignis,
da der Vergleich einzelner Maßnahmen und ihrer Kosten und der jeweiligen
Alternativen nur dann exakt bewertet werden kann, wenn man über einen längeren
Zeitraum verschiedene alternative Behandlungsformen miteinander vergleicht.
Wir haben bei dieser Fallkonstruktion – siehe Anhang Nr. 6– folgende Bestandteile
aufgenommen.
1.
Die Behandlung im Akutkrankenhaus (unabhängig ob Stroke-Unit oder
nicht), das heißt entsprechend dem rheinland-pfälzischen Modell
Erstbehandlung auf einer Akutbehandlung eines normalen Krankenhauses.
2.
Die Behandlung in einer stationären Rehabilitationseinrichtung. Dabei
bleibt offen, ob es sich dabei um eine geriatrische oder neurologische
Rehabilitationseinrichtung handelt. Im rheinland-pfälzischen Konzept
handelt es sich dabei ausschließlich um Kliniken nach § 111 SGB 5.
3.
Ambulante Heilmittel – Es ist stets die Frage zu prüfen, ob statt stationärer
Rehabilitation
oder
ambulanten/
mobilen
Formen
auch
Heilmittelbehandlung ausreichend sein kann. In der Regel muss die
ambulante Heilmittelversorgung nach einer stationären Rehabilitation
fortgesetzt werden. Deshalb ist diese in einem Zeitraum von 90 Tagen
einzubeziehen.
4.
Sonstige Behandlung – Ist ein Patient nicht stationär muss berücksichtigt
werden, dass in der Zeit, in der er sich zu Hause oder auch in einem Heim
befindet, hausärztliche und fachärztliche vertragsärztliche Behandlung
stattfindet, und er gegebenenfalls zu einem Facharzt befördert werden
muss. Nicht zuletzt sind Medikamente zu finanzieren.
Dieser Bereich der sonstigen Behandlung ist zu modifizieren, wenn
zugleich während einer solchen Behandlung mobile Rehabilitation
stattfindet. Diese stellt eine besondere Form der ambulanten Rehabilitation
dar, wobei ja die sonstige ambulante Versorgung dennoch funktionieren
muss. Allerdings wird durch die Tatsache der mobilen Rehabilitation die
Frequenz der ärztlichen Besuche und auch der Facharztbesuche durch die
Einschaltung des mobilen Rehabilitationsdienstes reduziert.
Unter Berücksichtigung dieser Behandlungskomponenten lassen sich idealtypisch 6
Fälle, wie sie im Alltag häufig vorkommen, identifizieren. (s. Tabelle)
4
Fall 1 möge bestehen aus 18 Tagen Akutkrankenhaus, 25 Tagen
Rehabilitationseinrichtung und anschließend 47 Tage ambulante Heilmittel- und
sonstige Behandlung. Die Kosten je Woche sind auf 7 Tage gleichmäßig verteilt
worden, um einfacher rechnen zu können.
Bei der Ermittlung der ambulanten Heilmittel sind wir von den in Rheinland-Pfalz
üblichen Gebührensätzen ausgegangen und unterstellen eine Behandlung von vier
Mal die Woche, z. B. 2 x KG, 1 x Ergo und 1 x Logo (geplant 5 x , 1 x Ausfall) jeweils
als Hausbesuch, wobei die täglichen Kosten zwischen 20 € und 26 € schwanken
können. Die sonstige vertragsärztliche Behandlung wurde ermittelt aus den gültigen
Ziffern des EBM als durchschnittliche Haubesuchs- und Konsultationsziffern des
Hausarztes. Anhand von Beispielfällen aus unserem Klientel wurde der
Medikamentenverbrauch errechnet unter der Voraussetzung, dass ausschließlich
Generika verwendet werden.
Unter diesen Bedingungen (Fall 1 ) kommt bei den angegebenen Preisen in diesem
Fall ein Betrag von etwa 10.100,-- € zustande.
Würde man in diesem Falle die ambulante Behandlung durch mobile Rehabilitation
ersetzen – Fall 2 - (also kein Substitutionseffekt für stationäre Rehabilitation) wären
insgesamt etwa knapp 700,-- € mehr aufzubringen.
Aus der Analyse zeigt sich jedoch, dass sehr viel häufiger der Fall 3 eingetreten ist:
der Patient verlässt nach 18 Tagen das Akutkrankenhaus/ die Klinik und wird dann
ausschließlich durch mobile Rehabilitation und sonstige Behandlung behandelt,
wobei die Heilmittel ja durch die mobile Rehabilitation ersetzt werden. In diesem Fall
sind für den Fall 8.400,-- € aufzubringen.
Im Fall 4 wird davon ausgegangen, dass vielleicht die Verweildauer im
Akutkrankenhaus dadurch länger sein könne, dass man nicht in eine stationäre
Einrichtung verlegt, sondern vielleicht noch etwas im Akutkrankenhaus zuwartet,
dann fallen nur noch 66 Tage mobiler Rehabilitation an, entsprechen 9.560,-- €.
Denkbar ist aber auch ( Fall 5), dass nach dem Akutkrankenhaus lediglich ambulante
Behandlung durchgeführt wird, dann entstehen 8.600,-- € an Kosten. Allerdings
wäre dieser Behandlungspfad problematisch, da der Patient ja Rehabilitationsbedarf
hat, der durch einfache Heilmittelbehandlung nicht angemessen zu versorgen ist.
Wenn dies dazu führen würde, Fall 6, dass die Entlassung aus dem
Akutkrankenhaus sich noch weiter hinzieht, würde der relative Kostenvorteil der
ambulanten Heilmittel jedoch aufgefressen.
Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass entscheidend für die Wirtschaftlichkeit
des Einsatzes mobiler Rehabilitation die Frage ist, welcher Behandlungspfad
eingeschlagen wird.
Dabei zeigt sich, dass die Heilmittelerbringung natürlich kostengünstiger ist,
allerdings nicht für dieselbe Patientenklientel aufgrund der strengen
Indikationsbestimmungen in Frage kommt. Sie ist außerdem nicht so „billig“, wie man
auf den ersten Blick vermuten möchte: länger durchgeführte Rehabilitation, vor allem
5
über einen längeren Zeitraum, wie dies bei der mobilen Rehabilitation der Fall ist,
erspart zugleich auch Heilmittelkosten und senkt auch die sonstigen ambulanten
Behandlungskosten.
Nicht zu vernachlässigen ist die Verkürzung der stationären Behandlung dann, wenn
durch mobile Rehabilitation eine Entlassung aus dem Akutkrankenhaus ohne
Qualitätsverlustmöglich ist.
Selbst wenn solche Modellrechnungen mit hohen Fehlerquoten behaftet sind,
machen sie doch deutlich, dass die substitutiven Effekte von mobiler Rehabilitation in
erster Linie als Substitution stationärer Reha angesehen werden müssen, dass sie
aber auch zur Verkürzung stationärer Behandlung dient und sie zugleich ambulante
Heilmittelerbringung ersetzt. Mobile Rehabilitation hat auf Grund ihrer in der Regel
längeren Dauer dabei einen stärkeren Heilmitteleinspareffekt als stationäre
Rehabilitation, bei der allerdings Medikamente (zumindest partiell) und Pflege
enthalten sind.
Tabelle
Fallkonstruktionen für 90 Tage (Schlaganfallpatient, frisch)
Fall 1
Akutkrankenhaus
Rehaklinik
Ambulante Heilmittel
Sonstige Behandlung
18 Tage
25 Tage
47 Tage
47 Tage
a 250 EU
a 150 EU
a 23 EU
a 16 EU
18 Tage
25 Tage
47 Tage
47 Tage
a 250 EU
a 150 EU
a 43 EU
a 11 EU
18 Tage
72 Tage
72 Tage
a 250 EU
a 43 EU
a 11 EU
24 Tage
66 Tage
66 Tage
a 250 EU
a 43 EU
a 11 EU
_______
10083 EU
Fall 2
Akutkrankenhaus
Rehaklinik
Mobile Reha
Sonstige Behandl.(MORE)
________
10788 EU
Fall 3
Akutkrankenhaus
MORE
Sonstige Behandl.(MORE)
________
8388 EU
Fall 4
Akutkrankenhaus
MORE
Sonst. Behandlung (MORE)
Fall 5
6
________
9564 EU
Akutkrankenhaus
Ambulante Heilmittel
Sonstige Behandlung
24 Tage
66Tage
66 Tage
a 250 EU
a 23 EU
a 16 EU
28 Tage
62 Tage
62 Tage
a 250 EU
a 23 EU
a 16 EU
________
8574 EU
Fall 6
Akutkrankenhaus
Ambulante Heilmittel
Sonstige Behandlung
_________
9418 EU
Diese Modellrechnung lässt sich mehr oder weniger auf alle Standorte Mobiler
Rehabilitation übertragen.
(Exkurs Ende)
Die Berücksichtigung des Behandlungspfades „Akutkrankenhaus - keine Reha Heilmittel und ambulante Versorgung“ kommt für die Patienten der Mobilen Reha
aus inhaltlichen Gründen nicht in Betracht, da ja Rehabedarf bestehen muss, der mit
Heilmitteln nicht zu decken ist. Zur Auseinandersetzung mit dem Argument, MORE
sei im Grunde nur Heilmittelerbringung vergleiche Anhang Nr.4.
3. Wirksamkeit und Effizienz (kurz- und langfristig)
Wirtschaftlichkeitsvergleiche dürfen nicht nur Struktur– und Prozessmerkmale
beachten sondern müssen auch die Ergebnisse berücksichtigen.
Nach allen vorliegenden Studien wirkt Mobile Rehabilitation im Sinne einer
Verbesserung der Aktivitäten und der Partizipation, vergleiche Anhang Nr. 4
und Nr. 5.
Sicher ist, dass Mobile Reha eine bedeutsame Wirkung für die
Hilfsmittelversorgung hat. Die Hilfsmittelauswahl und -anpassung unter
Mitwirkung der Mobilen Rehabilitation berücksichtigt exakt das Umfeld. Unter-,
Über- und Fehlversorgungen werden vermieden. Der Bedarf kann exakt
eingeschätzt werden. Überflüssige oder nicht passgerechte Hilfsmittel werden
zurückgegeben. Der Gebrauch wird trainiert, die Angehörigen in den
Gebrauch eingewiesen.
Die Erfahrungen belegen, dass MORE eine rationale und wirtschaftliche
Hilfsmittelversorgung wirksam unterstützt.
MORE ist in der Lage, gültige Leitlinien und Behandlungsstandards in
Behandlung und Pflege unter häuslichen Bedingungen nachhaltig
umzusetzen, insbesondere:
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







Diabetes mellitus: Behandlung von Fußproblemen, Durchführung von
Blutzucker-Kontrollen, Lösung von Diätproblemen etc. werden vor Ort
mit den Angehörigen erarbeitet, gegebenenfalls in Absprache mit dem
DMP-führenden Arzt: Gegebenenfalls wird der Patient dazu motiviert,
an einem DMP teilzunehmen.
Decubitus: Maßnahmen zur Vorbeugung oder zur Behandlung des
Decubitus werden erarbeitet und Patient und Angehörige angeleitet.
Harnwegsinfekte: Maßnahmen der Prophylaxe, des Umgangs mit
Kathetern, Früherkennung von Infekten bei Risikopatienten mittels
Urostix, gegebenenfalls Uricult werden erarbeitet und umgesetzt.
Mangelernährung
:
Maßnahmen
für
eine
ausreichende
Flüssigkeitsaufnahme, ausreichende Ernährung im Hinblick auf
Kalorien, Nährstoffe etc.
Medikamentengabe:
Sicherstellung
entsprechender
Medikamenteneinnahme
Prophylaxen:
Anleitung
zur
Durchführung
prophylaktischer
Maßnahmen: Thrombosen, Pneumonien,
Schluckstörungen: Angemessener Umgang mit Schluckstörungen zur
Vermeidung oder Behandlung der Aspiration und Verhütung
bronchopulmonaler Komplikationen.
PEG: Unterweisung in Handhabung, Pflege und Vermeidung möglicher
Komplikationen, soweit Stomaberatung nicht ausreicht.
Weitere wichtige Ziele Mobiler Rehabilitation sind unter anderem:







Dass Patienten und Angehörige in die Lage versetzt werden, Krisen
auch ohne Inanspruchnahme von Arzt oder Krankenhaus zu bewältigen
Dass bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen eine
sachgerechte neurologische Diagnostik und Mitbehandlung gesichert
wird, z. B. bei Morbus Parkinson, Depressionen etc.
Dass der Pflegebedarf für Angehörige oder auch professionelle
Dienste geringer und gegebenenfalls die Pflege erleichtert wird, auch
im Hinblick auf die Gesundheit der Pflegepersonen
Die
Vermeidung
von
erneuten
Krankenhauseinweisungen
(Drehtüreffekt)
Die Vermeidung von stationärer Pflege
Vermeidung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger, z. B.
Sozialhilfe
Die Erschließung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger zur
Sicherung der häuslichen Versorgung und damit zur Vermeidung
weiterer medizinischer Leistungen (z. B. wegen Komplikationen), z. B.
der Sozialhilfe (persönliches Budget etc.)
Die Untersuchung von M. Schulz stützt die klinischen Erfahrungen, dass solche
Effekte tatsächlich erreicht werden und dabei nicht nur kurzfristige sondern auch
nachhaltige Wirkungen erzielt werden, so der Verbleib in der Häuslichkeit, Minderung
der Krankenhausaufenthalte, insbesondere auch in der letzten Lebensphase,
Verminderung der Heimaufnahmen, geringere Inanspruchnahme medizinischer oder
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anderer Sozialleistungen. Allerdings steht eine Absicherung für diese Erfahrungen in
Form einer kontrollierten Langzeitstudie noch aus.
Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit sind diese Effekte jedoch von großer
Bedeutung.
4. Systemeffekte und Realisierung der Wirtschaftlichkeitsvorteile
Die Analyse der Wirtschaftlichkeit muss auch Systemeffekte berücksichtigen und
danach fragen, ob die Wirtschaftlichkeitspotentiale auch wirklich realisiert werden
können.

Im Prozess der Mobilen Rehabilitation können persönliche Ressourcen
aktiviert, in den Prozess einbezogen (Familie, Freunde, Nachbarschaft) und in
der Regel nachhaltig erschlossen werden. Dies stellt eine systembezogene
Wirkung Mobiler Rehabilitation dar, die auf anderem Wege kaum zu erreichen
ist, da Mobile Reha genau dann und dort einsetzt, wo Unterstützung
notwendig wird und wo in Zukunft die Hilfe geleistet werden muss.

Mobile Rehabilitation kann stationäre Rehabilitation verkürzen oder ersetzen.
Dies sollte sich auch auf die Planung der rehabilitativen Versorgung im
jeweiligen Bundesland auswirken. Dazu bietet sich die Berücksichtigung der
Mobilen Rehabilitation bei der Planung der notwendigen Bettenzahl nach §
111 SGB V im Bereich der Neurologie, Orthopädie und Geriatrie an. Da das
Gros der Patienten älter als 65 Jahre ist, dürften etwa 10 Betten geriatrischer
Rehabilitation durch einen Mobilen Rehabilitationsdienst abgedeckt sein, da
ein Mobiler Rehabilitationsdienst in der vollen Ausbaustufe ca. 160 Patienten
mit einer Rehamaßnahme behandeln kann. Unterstellt man bei einer
stationären Einrichtung 90 % Belegung, entsprechen 10 Betten 3285
Belegungstagen im Jahr. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 24
Tagen bedeutet dies ein Äquivalent für ca. 137 stationäre Patienten, also die
Größenordnung einer Mobilen Rehabilitationseinrichtung.
Bei einem durchschnittlichen Pflegesatz von 150 € entspricht dies einem
Kostenvolumen von 492.750 Euro. Damit ist ein Mobiler Rehabilitationsdienst
fast vollständig gegenfinanziert.

In die Analyse der Wirtschaftlichkeit muss ferner eingehen, dass die MORE
auch Spezialfälle behandelt oder behandeln kann. So gibt es z um Beispiel im
Rahmen einer Sonderreglung mit der zuständigen Krankenkasse die mobile
Langzeitbehandlung eines dauerbeatmeten Kindes im Alter von zur Zeit 6
Jahren einschließlich umfangreicher Förderungsmaßnahmen , wodurch sich
stationäre Aufenthalte weitgehend vermeiden lassen und die Integration in die
Familie gesichert bleibt.
Ferner
erfolgt
die
Langzeitrehabilitation
eines
schwer
schädelhirntraumarisierten Patienten zu Lasten des GUV statt der sonst
erforderlichen regelmäßigen stationären Intervallbehandlung.
In
einem
Fall
wurde
eine
Langzeitbehandlung
für
ein
schwerstmehrfachbehindertes Mädchen zu Lasten des Sozialamtes in
häuslicher Umgebung durchgeführt.
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Patienten mit Schädelhirntrauma, nach Hirntumor-Operationen oder mit
Querschnittlähmungen gerade auch in höherem Alter können viel früher als
bisher aus der stationären Behandlung entlassen werden, wenn die häusliche
Versorgung gesichert ist und Mobile Rehabilitation zur Verfügung steht. Dies
gilt auch für Patienten mit Sauerstoffdauerbehandlung. Stationäre Behandlung
wird dann allenfalls noch als Intervallbehandlung durchgeführt oder sogar
ganz vermieden. Mobile Rehabilitation kann hier eine Art Feuerwehrfunktion
für eine Region für schwierige Spezialfälle übernehmen, die sonst im
ambulanten Bereich trotz Bereitschaft der Angehörigen zur Pflege nicht zu
versorgen wären.

Zu beachten ist dabei, dass in einer Region nicht für beliebig viele
Problemgruppen eigene Dienste vorgehalten werden können. Vielmehr macht
es gerade ökonomisch Sinn, dass es, zumindest in nicht dichtbesiedelten
Gebieten
einen Dienst gibt, der solche Patienten mit Rehabedarf behandelt und dabei
den gesamten einschlägigen Rehabedarf der Region abdecken kann. Diese
regionale Orientierung kann unter Umständen bedeuten, dass man zu
Gunsten der praktischen regionalen Verfügbarkeit in Kauf nimmt, dass ein
solcher Dienst nicht alle Aspekte der neurologischen oder der geriatrischen
Rehabilitation vollständig wie eine stationäre Einrichtung abdeckt.

In Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken stellt die Behandlung von
MRSA-Patienten eine große Herausforderung dar und erfordert das Vorhalten
von Einzelzimmern, Isolationsmöglichkeiten etc.. Für diese Personengruppe
ist Mobile Rehabilitation eine preisgünstige Alternative.

Die Wirtschaftlichkeitspotentiale Mobiler Rehabilitation sind nicht nur
theoretisch vorhanden sondern auch praktisch nutzbar, und zwar dadurch,
dass die Allokationsentscheidung zur Rehabilitation bei den Krankenkassen
beziehungsweise den zuständigen Sozialeistungsträgern liegt. Die
Erfahrungen zeigen, dass die Krankenkassen davon Gebrauch machen und in
Richtung auf Mobile Rehabilitation umsteuern können, sofern dies
sachgerecht möglich ist. Dies führt in einigen Regionen durchaus dazu, dass
andere Einrichtungen weniger frequentiert werden: So gibt es Leerstände in
stationären Rehabilitationskliniken oder eine verminderte Auslastung einer
Tagesklinik. Die Liegezeiten in stationären neurologischen Einrichtungen der
Phasen B, C und D werden verkürzt.

Mobile Rehabilitation ersetzt auch Heilmittelbehandlungen in dem Zeitraum,
solange sie andauert. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit insgesamt ergibt
sich daraus ein substitutiver Effekt. Die Tatsache, dass Heilmittel aus dem
Heilmittelbudget finanziert werden, kann natürlich bedeuten, dass sich dieser
substitutive Effekt auf der Ebene des Gesamtbudgets nicht realisieren lässt,
da die Ausgaben für Heilmittel insgesamt konstant gehalten werden sollen.
Es handelt sich allerdings bei diesem Effekt der Mobilen Reha nur um eine Art
Nebeneffekt: für sich genommen würde er Mobile Reha nicht begründen
können – die Begründung ergibt sich vielmehr aus dem Ersatz stationärer
Reha und ihren Kosten. Die derzeitige Versorgung mit Heilmitteln für die
Klientel der Patienten mit Rehabedarf nach einer Reha ist überwiegend
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defizitär (Stichwort: Versorgungsloch). Zugleich bestehen innerhalb des
Heilmittelbudgets nur geringe Spielräume, vergleiche Kostenanstiege
zwischen 2001 und 2002 um 15,8 %. Es wird mit guten Argumenten
bezweifelt, ob die Auswirkungen der DRGs auf die ambulante Versorgung mit
dem bisherigen Budget aufgefangen werden können. Es ist das Wesen des
gegliederten Systems, dass Leistungen in dem einen Bereich Leistungen des
anderen ersetzen. Jede Rehaleistung ersetzt auch Heilmittel und kommt nur
dann in Betracht, wenn Heilmittel nicht ausreichen. Dann kann es aber kein
Nachteil sein, wenn eine Rehamaßnahme durch ihre längere Dauer bei
geringeren Maßnahmekosten auch noch zusätzlich Einsparungen bei
Heilmitteln bringt. Immerhin wird dann zumindest der Spielraum im Rahmen
des Heilmittelbudgets größer.
Zusammenfassung:
Zusammenfassend lassen sich in gesundheitsökonomischer Hinsicht keine Hinweise
dafür finden, dass MORE auf Grund der Fahrtkosten und der Arbeit in häuslicher
Umgebung von vornherein unwirtschaftlicher sei als andere Rehabilitationsangebote.
Im Gegenteil: es gibt es gute Argumente für die These, dass Mobile Rehabilitation
zumindest für bestimmte Patienten wirtschaftlicher ist als stationäre oder
tagesklinische Angebote. Dies legen auch internationale Studien nahe. Deshalb
macht es gerade aus wirtschaftlichen Gründen Sinn, Mobile Rehabilitation als Teil
der ambulanten Versorgung zu etablieren. Voraussetzung dafür ist, dass die
Behandlungspfade sachgerecht gestaltet werden und dass die Systemeffekte durch
Steuerung auch wirklich realisiert werden.
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