Bundesarbeitsgemeinschaft Mobile Rehabilitation den 14.2.2004 Zur Wirtschaftlichkeit Mobiler Rehabilitation Erarbeitet von Matthias Schmidt-Ohlemann Mobile Rehabilitation ist eine wirtschaftliche Versorgungsform, wenn die Indikation korrekt gestellt wird, sie im Versorgungspfad richtig platziert wird, die substitutive Funktion sichergestellt ist, die Leistungen konzeptionsgerecht erbracht werden und die Binnenorganisation der Mobilen Rehaeinrichtung effektiv ist. Wirtschaftlichkeit heißt, dass ein gewünschtes Ergebnis mit einem vertretbaren Aufwand erzielt wird. Eine Leistung ist insbesondere dann wirtschaftlich, wenn das gleiche Ergebnis nicht durch eine andere Leistung zu geringeren Kosten erzielt werden kann oder wenn durch gleiche Kosten ein besseres Ergebnis erzielt werden kann. Sofern ein Leistungsangebot durch ein anderes nicht ersetzt werden kann, ist ein Vergleich mit anderen Angeboten nicht möglich. Es kommt dann auf die Prüfung der wirtschaftlichen Leistungserbringung, vorwiegend unter betriebswirtschaftlichen Kriterien an. Dies trifft für Mobile Rehabilitation zu, vergleiche dazu Winkler, Positionspapier im Anhang Nr. 2. 1. Betriebswirtschaftliche Aspekte: In der Projektphase wurden in der Mobilen Rehabilitation ausführliche Arbeitszeit- und Arbeitsprozessanalysen, zum Teil mit exakten Minutenwerten durchgeführt. Dabei wurden Arbeitsweisen, Fahrzeiten, Teamzeiten und vor allem auch Möglichkeiten und Zeitbedarf für Teamarbeit im mobilen Setting getestet. Diese Erkenntnisse fanden ihren Niederschlag in den jeweiligen Konzeptionen, die im Konsens mit den Kostenträgern verabschiedet wurden. Entsprechende Vergütungsvereinbarungen konnten abgeschlossen werden. Es sind also für die bestehenden Modelle Prüfungen entsprechender Kosten durch die Kostenträger nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgenommen worden. Dabei zeigt sich, dass die Besonderheit der Mobilen Rehabilitation in dem Ausmaß der Fahrzeiten besteht, die je Hausbesuch im Mittel zwischen 18 und 30 Minuten inklusive gegebenenfalls notwendig werdender Rüstzeiten betragen und der damit verbundenen Kosten für Fahrzeuge. Behandlungszeiten beim Patienten sind exakt festgelegt, ebenfalls Teamzeiten, die sowohl aus organisatorischen (Absprachen) als auch aus inhaltlichen Gründen ( Zielorientierung und transdisziplinäre Arbeitsweise) zwischen 2,5 und 6 Stunden je Woche betragen. Dieser besondere Aufwand ist in anderen Rehaformen so nicht gegeben. Insofern müssen diese Nachteile durch andere Vorteile ausgeglichen werden. Solche Vorteile sind insbesondere: 1 Unterbringung und Verpflegung tragen die Patienten und Familien selbst Behandlungsfreie Tage , auch Wochenenden, werden nicht berechnet Ausgefallene Therapien werden nicht berechnet Unterbrechungen durch interkurrente Erkrankungen sind möglich und verursachen keine Kosten Es werden nur Einzeltherapien abgegeben, die gegebenenfalls mit den Angehörigen gemeinsam durchgeführt werden, keine Gruppenbehandlung Die Wohnung stellt das Übungsfeld bereit (keine Lehrküche, keine speziellen Geräte) Übungsbehandlung in Form von Alltagsverrichtungen durch den Patienten selbst oder mit Hilfe der Angehörigen im Alltag in eigener häuslicher Umgebung Hohe Qualität und Effizienz der Behandlung, da nur hochqualifizierte Mitarbeiter, keine Aushilfen, Schüler oder Berufsanfänger eingesetzt werden. Hohe Behandlerkonstanz ermöglicht effektives Arbeiten (unter anderem geringe Informationsverluste) Weitere Vorteile zeigen sich in den folgenden Kapiteln. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Nachteile durch die Vorteile mindestens aufgewogen werden, sofern die Indikation exakt beachtet wird. Denn diese Vorteile gelten nicht für Patienten mit solchen Krankheitsbildern, die einen anderen Behandlungsbedarf aufweisen, zum Beispiel mit hochfrequenter Übungsbehandlung am Gerät bei muskuloskeletalen Erkrankungen, und bei denen die alltäglichen praktischen Lebensvollzüge im häuslichen Umfeld keine adäquate Übungsmöglichkeit darstellen. 2. Maßnahmekosten Die durchschnittlichen Gesamtmaßnahmekosten liegen je nach Standort zwischen ca. 2900 und 4000 €. Sie hängen vom Preis der jeweiligen Leistungseinheit und der Gesamtzahl der Leistungseinheiten ab. Der Preis je Leistungseinheit hängt unter anderem davon ab, ob bestimmte Leistungen enthalten sind oder nicht (z. B. Sozialarbeit) und wie die jeweilige Leistungseinheit definiert ist. Die Gesamtzahl der Leistungen wiederum ist abhängig von der Diagnose, der Vorbehandlung und dem Verlauf des Rehabilitationsbedarfes. Sie streuen naturgemäß sehr stark. In die Durchschnittszahlen gehen neben langen Dauern bei Problempatienten zugleich auch Patienten mit kürzerer Behandlungsdauer ein. Die Dauer Mobiler Rehabilitation wird nämlich stark flexibilisiert , das heißt exakt dem Bedarf der Patienten angepasst. Insofern ergibt sich dadurch ein Wirtschaftlichkeitsvorteil, da überflüssige Einheiten 2 vermieden werden, Problempatienten aber eine Rehabilitationsmaßnahme über lange Zeit erhalten können. Der Vergleich mit der Wirtschaftlichkeit anderer Leistungsangebote (stationäre Rehabilitation, Heilmittelversorgung, ambulante Rehabilitation) ist methodisch schwierig. Ein einfacher Vergleich der reinen Maßnahmekosten, zum Beispiel der Kosten pro Behandlungstag oder der Behandlungseinheit greift zu kurz. Ob ein einfacher Kostenvergleich Sinn macht, ist zudem sehr zweifelhaft, da die behandelte Klientel in den verschiedenen Einrichtungen unterschiedlich ist. Die vielen verschiedenen potentiellen Einflussfaktoren sind kaum differenziert zu erheben beziehungsweise in ihrer Bedeutung zu gewichten. Dies wäre wünschenswert und auch grundsätzlich leistbar, erfordert jedoch eine eigene Studie. Macht man dennoch einen Versuch zur Bestimmung der Größenordnung ökonomischer Effekte, liegt Mobile Rehabilitation im Vergleich der reinen Gesamtmaßnahmekosten mit anderen Rehamaßnahmen zwischen stationärer Rehabilitationsbehandlung und einfacher Heilmittelerbringung mit ambulanter ärztlicher Versorgung. Rechnet man bei Patienten mit Schlaganfall am Standort Bad Kreuznach zum Beispiel mit 36 Hausbesuchen à 76 € ergeben sich 2736 € als Maßnahmekosten gegenüber 28 Tagen à 160 € insgesamt 4480 € bei stationärer Rehabilitation. Allerdings kommen bei der Mobilen Rehabilitation andere ambulante Versorgungskosten durch Arzneimittel, durch die hausärztliche Behandlung etc. hinzu. Die Kosten ambulanter Behandlung zu berechnen ist zwar eigentlich müßig, da Patienten, die ambulant mit Heilmitteln behandelt werden können, keinen Anspruch auf Mobile oder auch stationäre Rehabilitation haben, ist jedoch zur Orientierung interessant. Um zu sinnvollen Aussagen zur Wirtschaftlichkeit zu kommen ist es notwendig, einen längeren Zeitraum zu betrachten, vor allem deshalb, weil Mobile Rehabilitation zwischen 8 und 12 Wochen, in Einzelfällen auch länger dauert. Als Zeitraum werden für die Beispielrechnung 90 Tage gewählt. Mit recht guter Aussagekraft ist es möglich, die Kosten eines durchschnittlichen akuten Behandlungsfalls, zum Beispiel eines Schlaganfallpatienten, über einen Zeitraum von 90 Tagen zu berechnen und verschiedene Behandlungspfade einander gegenüberzustellen. Dabei sind auch Arzneikosten, Heilmittelkosten, Arztkosten, Hilfsmittelkosten, Beförderungskosten etc. einzubeziehen. Eine solche Berechnung wurde am Standort Bad Kreuznach durchgeführt. Die Berechnungen zeigen, dass es Behandlungspfade mit Mobiler Rehabilitation gibt, die deutliche ökonomische Vorteile gegenüber solchen ohne Mobile Rehabilitation aufweisen, vor allem dann, wenn MORE eine stationäre Rehabilitationsbehandlung ersetzt oder die Krankenhausverweildauer verkürzt oder stationäre Rehabilitation verkürzt wird und wenn MORE durchschnittlich länger dauert als stationäre Rehabilitation und deshalb ambulante Arzt- und Heilmittel- und Beförderungskosten eingespart werden. 3 Der folgende Exkurs zeigt eine Modellrechnung am Beispiel Bad Kreuznach: Exkurs: Behandlungspfade und Kosten am Beispiel Standort Bad Kreuznach Die folgenden Fallkonstruktionen beziehen sich auf 90 Tage nach dem Akutereignis, da der Vergleich einzelner Maßnahmen und ihrer Kosten und der jeweiligen Alternativen nur dann exakt bewertet werden kann, wenn man über einen längeren Zeitraum verschiedene alternative Behandlungsformen miteinander vergleicht. Wir haben bei dieser Fallkonstruktion – siehe Anhang Nr. 6– folgende Bestandteile aufgenommen. 1. Die Behandlung im Akutkrankenhaus (unabhängig ob Stroke-Unit oder nicht), das heißt entsprechend dem rheinland-pfälzischen Modell Erstbehandlung auf einer Akutbehandlung eines normalen Krankenhauses. 2. Die Behandlung in einer stationären Rehabilitationseinrichtung. Dabei bleibt offen, ob es sich dabei um eine geriatrische oder neurologische Rehabilitationseinrichtung handelt. Im rheinland-pfälzischen Konzept handelt es sich dabei ausschließlich um Kliniken nach § 111 SGB 5. 3. Ambulante Heilmittel – Es ist stets die Frage zu prüfen, ob statt stationärer Rehabilitation oder ambulanten/ mobilen Formen auch Heilmittelbehandlung ausreichend sein kann. In der Regel muss die ambulante Heilmittelversorgung nach einer stationären Rehabilitation fortgesetzt werden. Deshalb ist diese in einem Zeitraum von 90 Tagen einzubeziehen. 4. Sonstige Behandlung – Ist ein Patient nicht stationär muss berücksichtigt werden, dass in der Zeit, in der er sich zu Hause oder auch in einem Heim befindet, hausärztliche und fachärztliche vertragsärztliche Behandlung stattfindet, und er gegebenenfalls zu einem Facharzt befördert werden muss. Nicht zuletzt sind Medikamente zu finanzieren. Dieser Bereich der sonstigen Behandlung ist zu modifizieren, wenn zugleich während einer solchen Behandlung mobile Rehabilitation stattfindet. Diese stellt eine besondere Form der ambulanten Rehabilitation dar, wobei ja die sonstige ambulante Versorgung dennoch funktionieren muss. Allerdings wird durch die Tatsache der mobilen Rehabilitation die Frequenz der ärztlichen Besuche und auch der Facharztbesuche durch die Einschaltung des mobilen Rehabilitationsdienstes reduziert. Unter Berücksichtigung dieser Behandlungskomponenten lassen sich idealtypisch 6 Fälle, wie sie im Alltag häufig vorkommen, identifizieren. (s. Tabelle) 4 Fall 1 möge bestehen aus 18 Tagen Akutkrankenhaus, 25 Tagen Rehabilitationseinrichtung und anschließend 47 Tage ambulante Heilmittel- und sonstige Behandlung. Die Kosten je Woche sind auf 7 Tage gleichmäßig verteilt worden, um einfacher rechnen zu können. Bei der Ermittlung der ambulanten Heilmittel sind wir von den in Rheinland-Pfalz üblichen Gebührensätzen ausgegangen und unterstellen eine Behandlung von vier Mal die Woche, z. B. 2 x KG, 1 x Ergo und 1 x Logo (geplant 5 x , 1 x Ausfall) jeweils als Hausbesuch, wobei die täglichen Kosten zwischen 20 € und 26 € schwanken können. Die sonstige vertragsärztliche Behandlung wurde ermittelt aus den gültigen Ziffern des EBM als durchschnittliche Haubesuchs- und Konsultationsziffern des Hausarztes. Anhand von Beispielfällen aus unserem Klientel wurde der Medikamentenverbrauch errechnet unter der Voraussetzung, dass ausschließlich Generika verwendet werden. Unter diesen Bedingungen (Fall 1 ) kommt bei den angegebenen Preisen in diesem Fall ein Betrag von etwa 10.100,-- € zustande. Würde man in diesem Falle die ambulante Behandlung durch mobile Rehabilitation ersetzen – Fall 2 - (also kein Substitutionseffekt für stationäre Rehabilitation) wären insgesamt etwa knapp 700,-- € mehr aufzubringen. Aus der Analyse zeigt sich jedoch, dass sehr viel häufiger der Fall 3 eingetreten ist: der Patient verlässt nach 18 Tagen das Akutkrankenhaus/ die Klinik und wird dann ausschließlich durch mobile Rehabilitation und sonstige Behandlung behandelt, wobei die Heilmittel ja durch die mobile Rehabilitation ersetzt werden. In diesem Fall sind für den Fall 8.400,-- € aufzubringen. Im Fall 4 wird davon ausgegangen, dass vielleicht die Verweildauer im Akutkrankenhaus dadurch länger sein könne, dass man nicht in eine stationäre Einrichtung verlegt, sondern vielleicht noch etwas im Akutkrankenhaus zuwartet, dann fallen nur noch 66 Tage mobiler Rehabilitation an, entsprechen 9.560,-- €. Denkbar ist aber auch ( Fall 5), dass nach dem Akutkrankenhaus lediglich ambulante Behandlung durchgeführt wird, dann entstehen 8.600,-- € an Kosten. Allerdings wäre dieser Behandlungspfad problematisch, da der Patient ja Rehabilitationsbedarf hat, der durch einfache Heilmittelbehandlung nicht angemessen zu versorgen ist. Wenn dies dazu führen würde, Fall 6, dass die Entlassung aus dem Akutkrankenhaus sich noch weiter hinzieht, würde der relative Kostenvorteil der ambulanten Heilmittel jedoch aufgefressen. Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass entscheidend für die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes mobiler Rehabilitation die Frage ist, welcher Behandlungspfad eingeschlagen wird. Dabei zeigt sich, dass die Heilmittelerbringung natürlich kostengünstiger ist, allerdings nicht für dieselbe Patientenklientel aufgrund der strengen Indikationsbestimmungen in Frage kommt. Sie ist außerdem nicht so „billig“, wie man auf den ersten Blick vermuten möchte: länger durchgeführte Rehabilitation, vor allem 5 über einen längeren Zeitraum, wie dies bei der mobilen Rehabilitation der Fall ist, erspart zugleich auch Heilmittelkosten und senkt auch die sonstigen ambulanten Behandlungskosten. Nicht zu vernachlässigen ist die Verkürzung der stationären Behandlung dann, wenn durch mobile Rehabilitation eine Entlassung aus dem Akutkrankenhaus ohne Qualitätsverlustmöglich ist. Selbst wenn solche Modellrechnungen mit hohen Fehlerquoten behaftet sind, machen sie doch deutlich, dass die substitutiven Effekte von mobiler Rehabilitation in erster Linie als Substitution stationärer Reha angesehen werden müssen, dass sie aber auch zur Verkürzung stationärer Behandlung dient und sie zugleich ambulante Heilmittelerbringung ersetzt. Mobile Rehabilitation hat auf Grund ihrer in der Regel längeren Dauer dabei einen stärkeren Heilmitteleinspareffekt als stationäre Rehabilitation, bei der allerdings Medikamente (zumindest partiell) und Pflege enthalten sind. Tabelle Fallkonstruktionen für 90 Tage (Schlaganfallpatient, frisch) Fall 1 Akutkrankenhaus Rehaklinik Ambulante Heilmittel Sonstige Behandlung 18 Tage 25 Tage 47 Tage 47 Tage a 250 EU a 150 EU a 23 EU a 16 EU 18 Tage 25 Tage 47 Tage 47 Tage a 250 EU a 150 EU a 43 EU a 11 EU 18 Tage 72 Tage 72 Tage a 250 EU a 43 EU a 11 EU 24 Tage 66 Tage 66 Tage a 250 EU a 43 EU a 11 EU _______ 10083 EU Fall 2 Akutkrankenhaus Rehaklinik Mobile Reha Sonstige Behandl.(MORE) ________ 10788 EU Fall 3 Akutkrankenhaus MORE Sonstige Behandl.(MORE) ________ 8388 EU Fall 4 Akutkrankenhaus MORE Sonst. Behandlung (MORE) Fall 5 6 ________ 9564 EU Akutkrankenhaus Ambulante Heilmittel Sonstige Behandlung 24 Tage 66Tage 66 Tage a 250 EU a 23 EU a 16 EU 28 Tage 62 Tage 62 Tage a 250 EU a 23 EU a 16 EU ________ 8574 EU Fall 6 Akutkrankenhaus Ambulante Heilmittel Sonstige Behandlung _________ 9418 EU Diese Modellrechnung lässt sich mehr oder weniger auf alle Standorte Mobiler Rehabilitation übertragen. (Exkurs Ende) Die Berücksichtigung des Behandlungspfades „Akutkrankenhaus - keine Reha Heilmittel und ambulante Versorgung“ kommt für die Patienten der Mobilen Reha aus inhaltlichen Gründen nicht in Betracht, da ja Rehabedarf bestehen muss, der mit Heilmitteln nicht zu decken ist. Zur Auseinandersetzung mit dem Argument, MORE sei im Grunde nur Heilmittelerbringung vergleiche Anhang Nr.4. 3. Wirksamkeit und Effizienz (kurz- und langfristig) Wirtschaftlichkeitsvergleiche dürfen nicht nur Struktur– und Prozessmerkmale beachten sondern müssen auch die Ergebnisse berücksichtigen. Nach allen vorliegenden Studien wirkt Mobile Rehabilitation im Sinne einer Verbesserung der Aktivitäten und der Partizipation, vergleiche Anhang Nr. 4 und Nr. 5. Sicher ist, dass Mobile Reha eine bedeutsame Wirkung für die Hilfsmittelversorgung hat. Die Hilfsmittelauswahl und -anpassung unter Mitwirkung der Mobilen Rehabilitation berücksichtigt exakt das Umfeld. Unter-, Über- und Fehlversorgungen werden vermieden. Der Bedarf kann exakt eingeschätzt werden. Überflüssige oder nicht passgerechte Hilfsmittel werden zurückgegeben. Der Gebrauch wird trainiert, die Angehörigen in den Gebrauch eingewiesen. Die Erfahrungen belegen, dass MORE eine rationale und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung wirksam unterstützt. MORE ist in der Lage, gültige Leitlinien und Behandlungsstandards in Behandlung und Pflege unter häuslichen Bedingungen nachhaltig umzusetzen, insbesondere: 7 Diabetes mellitus: Behandlung von Fußproblemen, Durchführung von Blutzucker-Kontrollen, Lösung von Diätproblemen etc. werden vor Ort mit den Angehörigen erarbeitet, gegebenenfalls in Absprache mit dem DMP-führenden Arzt: Gegebenenfalls wird der Patient dazu motiviert, an einem DMP teilzunehmen. Decubitus: Maßnahmen zur Vorbeugung oder zur Behandlung des Decubitus werden erarbeitet und Patient und Angehörige angeleitet. Harnwegsinfekte: Maßnahmen der Prophylaxe, des Umgangs mit Kathetern, Früherkennung von Infekten bei Risikopatienten mittels Urostix, gegebenenfalls Uricult werden erarbeitet und umgesetzt. Mangelernährung : Maßnahmen für eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, ausreichende Ernährung im Hinblick auf Kalorien, Nährstoffe etc. Medikamentengabe: Sicherstellung entsprechender Medikamenteneinnahme Prophylaxen: Anleitung zur Durchführung prophylaktischer Maßnahmen: Thrombosen, Pneumonien, Schluckstörungen: Angemessener Umgang mit Schluckstörungen zur Vermeidung oder Behandlung der Aspiration und Verhütung bronchopulmonaler Komplikationen. PEG: Unterweisung in Handhabung, Pflege und Vermeidung möglicher Komplikationen, soweit Stomaberatung nicht ausreicht. Weitere wichtige Ziele Mobiler Rehabilitation sind unter anderem: Dass Patienten und Angehörige in die Lage versetzt werden, Krisen auch ohne Inanspruchnahme von Arzt oder Krankenhaus zu bewältigen Dass bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen eine sachgerechte neurologische Diagnostik und Mitbehandlung gesichert wird, z. B. bei Morbus Parkinson, Depressionen etc. Dass der Pflegebedarf für Angehörige oder auch professionelle Dienste geringer und gegebenenfalls die Pflege erleichtert wird, auch im Hinblick auf die Gesundheit der Pflegepersonen Die Vermeidung von erneuten Krankenhauseinweisungen (Drehtüreffekt) Die Vermeidung von stationärer Pflege Vermeidung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger, z. B. Sozialhilfe Die Erschließung von Leistungen anderer Sozialleistungsträger zur Sicherung der häuslichen Versorgung und damit zur Vermeidung weiterer medizinischer Leistungen (z. B. wegen Komplikationen), z. B. der Sozialhilfe (persönliches Budget etc.) Die Untersuchung von M. Schulz stützt die klinischen Erfahrungen, dass solche Effekte tatsächlich erreicht werden und dabei nicht nur kurzfristige sondern auch nachhaltige Wirkungen erzielt werden, so der Verbleib in der Häuslichkeit, Minderung der Krankenhausaufenthalte, insbesondere auch in der letzten Lebensphase, Verminderung der Heimaufnahmen, geringere Inanspruchnahme medizinischer oder 8 anderer Sozialleistungen. Allerdings steht eine Absicherung für diese Erfahrungen in Form einer kontrollierten Langzeitstudie noch aus. Für die Bewertung der Wirtschaftlichkeit sind diese Effekte jedoch von großer Bedeutung. 4. Systemeffekte und Realisierung der Wirtschaftlichkeitsvorteile Die Analyse der Wirtschaftlichkeit muss auch Systemeffekte berücksichtigen und danach fragen, ob die Wirtschaftlichkeitspotentiale auch wirklich realisiert werden können. Im Prozess der Mobilen Rehabilitation können persönliche Ressourcen aktiviert, in den Prozess einbezogen (Familie, Freunde, Nachbarschaft) und in der Regel nachhaltig erschlossen werden. Dies stellt eine systembezogene Wirkung Mobiler Rehabilitation dar, die auf anderem Wege kaum zu erreichen ist, da Mobile Reha genau dann und dort einsetzt, wo Unterstützung notwendig wird und wo in Zukunft die Hilfe geleistet werden muss. Mobile Rehabilitation kann stationäre Rehabilitation verkürzen oder ersetzen. Dies sollte sich auch auf die Planung der rehabilitativen Versorgung im jeweiligen Bundesland auswirken. Dazu bietet sich die Berücksichtigung der Mobilen Rehabilitation bei der Planung der notwendigen Bettenzahl nach § 111 SGB V im Bereich der Neurologie, Orthopädie und Geriatrie an. Da das Gros der Patienten älter als 65 Jahre ist, dürften etwa 10 Betten geriatrischer Rehabilitation durch einen Mobilen Rehabilitationsdienst abgedeckt sein, da ein Mobiler Rehabilitationsdienst in der vollen Ausbaustufe ca. 160 Patienten mit einer Rehamaßnahme behandeln kann. Unterstellt man bei einer stationären Einrichtung 90 % Belegung, entsprechen 10 Betten 3285 Belegungstagen im Jahr. Bei einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 24 Tagen bedeutet dies ein Äquivalent für ca. 137 stationäre Patienten, also die Größenordnung einer Mobilen Rehabilitationseinrichtung. Bei einem durchschnittlichen Pflegesatz von 150 € entspricht dies einem Kostenvolumen von 492.750 Euro. Damit ist ein Mobiler Rehabilitationsdienst fast vollständig gegenfinanziert. In die Analyse der Wirtschaftlichkeit muss ferner eingehen, dass die MORE auch Spezialfälle behandelt oder behandeln kann. So gibt es z um Beispiel im Rahmen einer Sonderreglung mit der zuständigen Krankenkasse die mobile Langzeitbehandlung eines dauerbeatmeten Kindes im Alter von zur Zeit 6 Jahren einschließlich umfangreicher Förderungsmaßnahmen , wodurch sich stationäre Aufenthalte weitgehend vermeiden lassen und die Integration in die Familie gesichert bleibt. Ferner erfolgt die Langzeitrehabilitation eines schwer schädelhirntraumarisierten Patienten zu Lasten des GUV statt der sonst erforderlichen regelmäßigen stationären Intervallbehandlung. In einem Fall wurde eine Langzeitbehandlung für ein schwerstmehrfachbehindertes Mädchen zu Lasten des Sozialamtes in häuslicher Umgebung durchgeführt. 9 Patienten mit Schädelhirntrauma, nach Hirntumor-Operationen oder mit Querschnittlähmungen gerade auch in höherem Alter können viel früher als bisher aus der stationären Behandlung entlassen werden, wenn die häusliche Versorgung gesichert ist und Mobile Rehabilitation zur Verfügung steht. Dies gilt auch für Patienten mit Sauerstoffdauerbehandlung. Stationäre Behandlung wird dann allenfalls noch als Intervallbehandlung durchgeführt oder sogar ganz vermieden. Mobile Rehabilitation kann hier eine Art Feuerwehrfunktion für eine Region für schwierige Spezialfälle übernehmen, die sonst im ambulanten Bereich trotz Bereitschaft der Angehörigen zur Pflege nicht zu versorgen wären. Zu beachten ist dabei, dass in einer Region nicht für beliebig viele Problemgruppen eigene Dienste vorgehalten werden können. Vielmehr macht es gerade ökonomisch Sinn, dass es, zumindest in nicht dichtbesiedelten Gebieten einen Dienst gibt, der solche Patienten mit Rehabedarf behandelt und dabei den gesamten einschlägigen Rehabedarf der Region abdecken kann. Diese regionale Orientierung kann unter Umständen bedeuten, dass man zu Gunsten der praktischen regionalen Verfügbarkeit in Kauf nimmt, dass ein solcher Dienst nicht alle Aspekte der neurologischen oder der geriatrischen Rehabilitation vollständig wie eine stationäre Einrichtung abdeckt. In Krankenhäusern und Rehabilitationskliniken stellt die Behandlung von MRSA-Patienten eine große Herausforderung dar und erfordert das Vorhalten von Einzelzimmern, Isolationsmöglichkeiten etc.. Für diese Personengruppe ist Mobile Rehabilitation eine preisgünstige Alternative. Die Wirtschaftlichkeitspotentiale Mobiler Rehabilitation sind nicht nur theoretisch vorhanden sondern auch praktisch nutzbar, und zwar dadurch, dass die Allokationsentscheidung zur Rehabilitation bei den Krankenkassen beziehungsweise den zuständigen Sozialeistungsträgern liegt. Die Erfahrungen zeigen, dass die Krankenkassen davon Gebrauch machen und in Richtung auf Mobile Rehabilitation umsteuern können, sofern dies sachgerecht möglich ist. Dies führt in einigen Regionen durchaus dazu, dass andere Einrichtungen weniger frequentiert werden: So gibt es Leerstände in stationären Rehabilitationskliniken oder eine verminderte Auslastung einer Tagesklinik. Die Liegezeiten in stationären neurologischen Einrichtungen der Phasen B, C und D werden verkürzt. Mobile Rehabilitation ersetzt auch Heilmittelbehandlungen in dem Zeitraum, solange sie andauert. Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit insgesamt ergibt sich daraus ein substitutiver Effekt. Die Tatsache, dass Heilmittel aus dem Heilmittelbudget finanziert werden, kann natürlich bedeuten, dass sich dieser substitutive Effekt auf der Ebene des Gesamtbudgets nicht realisieren lässt, da die Ausgaben für Heilmittel insgesamt konstant gehalten werden sollen. Es handelt sich allerdings bei diesem Effekt der Mobilen Reha nur um eine Art Nebeneffekt: für sich genommen würde er Mobile Reha nicht begründen können – die Begründung ergibt sich vielmehr aus dem Ersatz stationärer Reha und ihren Kosten. Die derzeitige Versorgung mit Heilmitteln für die Klientel der Patienten mit Rehabedarf nach einer Reha ist überwiegend 10 defizitär (Stichwort: Versorgungsloch). Zugleich bestehen innerhalb des Heilmittelbudgets nur geringe Spielräume, vergleiche Kostenanstiege zwischen 2001 und 2002 um 15,8 %. Es wird mit guten Argumenten bezweifelt, ob die Auswirkungen der DRGs auf die ambulante Versorgung mit dem bisherigen Budget aufgefangen werden können. Es ist das Wesen des gegliederten Systems, dass Leistungen in dem einen Bereich Leistungen des anderen ersetzen. Jede Rehaleistung ersetzt auch Heilmittel und kommt nur dann in Betracht, wenn Heilmittel nicht ausreichen. Dann kann es aber kein Nachteil sein, wenn eine Rehamaßnahme durch ihre längere Dauer bei geringeren Maßnahmekosten auch noch zusätzlich Einsparungen bei Heilmitteln bringt. Immerhin wird dann zumindest der Spielraum im Rahmen des Heilmittelbudgets größer. Zusammenfassung: Zusammenfassend lassen sich in gesundheitsökonomischer Hinsicht keine Hinweise dafür finden, dass MORE auf Grund der Fahrtkosten und der Arbeit in häuslicher Umgebung von vornherein unwirtschaftlicher sei als andere Rehabilitationsangebote. Im Gegenteil: es gibt es gute Argumente für die These, dass Mobile Rehabilitation zumindest für bestimmte Patienten wirtschaftlicher ist als stationäre oder tagesklinische Angebote. Dies legen auch internationale Studien nahe. Deshalb macht es gerade aus wirtschaftlichen Gründen Sinn, Mobile Rehabilitation als Teil der ambulanten Versorgung zu etablieren. Voraussetzung dafür ist, dass die Behandlungspfade sachgerecht gestaltet werden und dass die Systemeffekte durch Steuerung auch wirklich realisiert werden. 11