Protokoll

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Seminar: „Hessisches Parteiensystem“
Prof. Dr. Wolfgang Schroeder
Exkursion nach Wiesbaden 29. - 31.05.07
Protokoll
Gespräch mit Pit von Bebenburg, Frankfurter Rundschau, Landespolitik Hessen
Wiesbadener Landtag, Konferenzsaal Landespressekonferenz
31.05.07, 11-12h
Protokollantin: Dorothea Keudel
Zur CDU / der „Regierung Koch“
Wahl 2008: Wird Koch 2008 wie 2003 die absolute Mehrheit erreichen?
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Ziel, mit der die CDU in den Wahlkampf geht: Das gleiche Ergebnis wie 2003 wieder
erreichen. Normal treten Parteien mit dem Ziel an, das vorherige Ergebnis zu
übertreffen. Daraus wird klar, dass die CDU selber weiß, dass das Ergebnis 2003 ein
außergewöhnliches war, das nur aufgrund einer bestimmten Situation zustande
kommen konnte: Große Unzufriedenheit mit der rot-grünen Regierung im Bund.
Zerrissenheit der SPD im Land.
Das Schlagwort von „Hessen als Stammland der Sozialdemokratie“ täuscht darüber
hinweg, dass die Wahlen immer sehr eng ausgegangen sind; CDU und SPD immer
sehr nah beieinander lagen.
Keiner rechnet damit, dass das Ergebnis von 2003 noch einmal erreicht werden kann.
Siehe auch Umfragen.
Diesmal hilft der CDU aber vielleicht der Regierungsbonus.
Die wahrscheinlichste Konstellation: Neuauflage Koalition CDU-FDP.
Charakterisierung der Regierung Koch (Person / Regierungsstils Kochs; Schwerpunkte)
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Machtpolitisch und regierungstechnisch gesehen ist die Regierung Koch eine gute
Regierung. „Das, was sie anpacken, machen sie in der Regel sauber.“ Eine
Ausnahme bildet hier allerdings der erste Entwurf des Studiengebührengesetzes.
Von Vorteil für die Regierung ist die im Moment vorhandene gute Konjunktur. Vorher
war das Problem, dass zwar der Wirtschaftsstandort sehr gut dastand, die
Arbeitslosigkeit aber trotzdem sehr hoch war.
Es gibt keine Abwahlstimmung, außer an einem Punkt: Koch wird als unsympathisch
angesehen. Die CDU versucht ein Image aufzubauen: „unsympathisch, aber gut“.
Im Bezug auf die Durchsetzungsfähigkeit ist der Vorsprung für Koch in den Umfragen
zu Recht deutlich. Die Durchsetzungsfähigkeit grenzt aber an Machtversessenheit,
Illegalität.
Koch als „Konservativer Pragmatiker“, siehe unten (Strömungen).
Schwerpunkte der Regierung, „Innovatives“
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Der wichtigste Schwerpunkt von Koch: Vorrang des Privaten vor dem Staatlichen.
o Das ist seine persönliche politische Haltung.
o Hier sieht man auch am meisten Ergebnisse. Unter Koch hat eine Reihe von
Privatisierungen stattgefunden (z.B. Uni-Kliniken, Immobilien – Schulen
wurden verkauft etc.). Zudem hat er auf Bundesebene Initiativen zu
Privatisierungen eingebracht.
o Hier hat er ein sehr authentisches Profil: Sein Image entspricht hier der
tatsächlichen Politik.
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Maßgabe: Der Staat soll nur das machen, was er besser kann als die Privaten.
Diese Einstellung kommt den Unternehmen zugute. Dadurch auch Stärkung
des bürgergesellschaftlichen Bereiches. Hier gibt es Überschneidungen zu
Parteien des linken Spektrums. Koch stärkt das Stiftungswesen.
Weitere Schwerpunkte:
o Schulpolitik. Schwer umkämpft.
o Streit um Atomkraftwerke (Biblis).
Beides sind öffentlichkeitswirksame Themen.
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Thema Ehe / Familie
 Koch hat sich hier auf die Seite der Familienministerin Ursula von der
Leyen geschlagen. Dies überrascht für einen CDU-Politiker aus dem
konservativen Lager. Dafür hat er aber einen „Ausgleich“ geschaffen:
„Familie ist nur dort, wo es auch Ehe gibt.“
Bei allen Themen bewegt sich Koch immer wieder in der Grauzone zum
rechtskonservativen Bereich.
Die Rolle Kochs in der Bundespolitik
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Koch hat einen Kurswechsel vorgenommen. Vor 2006: Wortführer der Kritiker
Merkels. Mit dem Wahlabend dann demonstrative Einreihung hinter Merkel. Absolute
Treue.
Damit ist Koch gewissermaßen auch zu einem Teil der Bundesregierung geworden.
Darum trifft ihn auch zurecht die Kritik an der Bundespolitik. Ein Beispiel ist hier das
Thema Unternehmenssteuer, die maßgeblich mit von ihm ausgearbeitet wurde.
„Vasallentreue“ auch in der Familienpolitik: Hier kam es auf der Bundesebene
innerhalb der CDU zu einem Wettstreit zwischen Traditionalisten und Modernisten.
Es ist sehr erstaunlich, aber sehr wichtig für Merkel, dass Koch hier den Kurs der
Modernisierer eingeschlagen hat.
Strömungen: Einordnung Kochs in Strömungen innerhalb der CDU / Strömungen innerhalb
der hessischen CDU
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Die hessische CDU wird von Koch vollkommen beherrscht
Koch ist in Personalunion Abgeordneter (er ergreift auch öfters demonstrativ als
Abgeordneter das Wort), Regierungschef (in dieser Eigenschaft auch an den
Fraktionssitzungen beteiligt) und Landesvorsitzender der Partei.
Er trägt aber dafür Sorge, dass alle Positionen in der Partei vertreten sind. Er ist sehr
viel weniger ideologisch, als man weithin annimmt. Sein Stil ist zu charakterisieren als
„konservativ-pragmatisch.“ Dregger zum Beispiel war sehr viel stärker ideologisch
getrieben als Koch.
Flügel innerhalb der Partei
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Traditionell gibt es innerhalb der hessischen CDU einen starken rechten,
reaktionären Flügel. Hier Dr. Christian Wagner (Fraktionsvorsitzender) als wichtigste
Person. Auch Hans-Jürgen Irmer, schulpolitischer Sprecher.
Es gibt nur wenig liberal-konservative Politiker: Wissenschaftsminister Corts als ein
Vertreter hat sich gerade aus der Politik verabschiedet.
Der Sozialflügel ist personell gut vertreten, aber hat wenig Einfluss. Hier Gerd Krämer
(CDA) als wichtigste Person (Staatssekretär im Sozialministerium).
Vor allem anderen ist Koch Taktiker. Das steht vor allen Inhalten. Er ist viel zu klug,
um nicht alle Flügel zu berücksichtigen.
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Vom „System Koch“ spricht man zurecht.
o Er beherrscht die Regierung noch besser als die Partei.
o Die Kabinettssitzungen sind „Sitzungen alter Freunde.“ Gemeinsame Urlaube
etc. „Tankstellen-Gruppe“. Schon als Mitglieder der Jungen Union befreundet.
Z.B. Innen-, Finanz- und Justizminister kommen alle aus diesem Umkreis.
Verhältnis zwischen Hahn (FDP) und Koch
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Die persönliche Freundschaft zwischen den beiden kann als stellvertretend für das
angesehen werden, was in Hessen zwischen CDU und FDP passiert. Die FDP wird
oft als „kleine CDU“ verspottet.
Auch Hahn ist – wie Koch – sehr unpopulär, auch in den eigenen Reihen. Er hat ein
Profilierungsproblem. „Er versucht es mit jedem Thema“ (zuletzt mit der
Rückrittsforderung gegenüber dem Trainer Funke…)
Hahn wurde mit deutlicher Mehrheit gewählt, obwohl nicht populär. Dies macht
deutlich: Die Personaldecke der FDP ist sehr dünn.
Verhältnis CDU – Freie Wähler
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Die Freien Wähler „grasen am rechten Rand der CDU, aber auch der FDP.“ Die FDP
ist also genauso gefährdet wie die CDU.
In Nordhessen sind die Freien Wähler eher sozialdemokratisch orientiert. Hier dann
eher Gefahr für die SPD.
Eventuell wären die Freien Wähler aber ein dankbarer Koalitionspartner für die CDU.
Ein Problem für die CDU ist es eher, wenn die Freien Wähler nicht reinkommen:
Dann „knabbern sie den Kuchen von CDU und FDP an“, ohne dass es diesen in
Hinblick auf eine Koalition weiterhilft.
Die Freien Wähler haben keine landespolitischen Themen und kein landespolitisches
Personal außer dem Landesvorsitzenden Thomas Braun.
Seine Prognose: Die Freien Wähler werden nicht in den Landtag reinkommen. Stark
sind sie auf kommunaler Ebene (gute Kommunalwahlergebnisse).
Zur SPD / der Herausforderin Ypsilanti
Momentane Situation der SPD / Rückblick auf die Kandidatenaufstellung
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Im Moment befindet sich die SPD in einer Zwischenphase. Bis letzten Sommer
rechneten alle mit Grandke. Die Entscheidung Grandkes gegen die Kandidatur wird
als Votum von ihm gewertet, dass die Wahl sowieso nicht zu gewinnen ist – ein
demotivierender Faktor für die Partei.
Walter als klassischer Politiker der Mitte. Er ist Koch vom Typ her nicht unähnlich.
Kluger und guter Redner.
Problem der inneren Spaltung der SPD
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Ypsilanti hat zunächst ein Problem nach innen. Bisher ging ihre Beschäftigung und
Aufmerksamkeit daher auch nur nach innen. Bisher ist es ihr aber nicht gelungen, alle
hinter sich zu bekommen. Jetzt müsste sie aber eigentlich anfangen, nach außen
gegen Koch vorzugehen.
Die Abgeordneten, die Walter unterstützt haben, haben sich aus dem Tagesgeschäft
weitgehend zurückgezogen. Vor allem Walter selbst. Vorher ist er oft als
Gegenredner Kochs aufgetreten. Jetzt redet er nicht mehr, kommt oft gar nicht mehr
zu den Sitzungen. Das ist im Prinzip verständlich und richtig so. Aber das Verhalten
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hat etwas Demonstratives: mangelnde Unterstützung für die Spitzenkandidatin.
Dieses Problem wäre umgekehrt aber genauso aufgetreten.
Den engen Kreis um Ypsilanti bilden nur ihre Vertrauten. Vertreter des anderen
Flügels tauchen nicht auf.
Programm der SPD
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Jetzt sind langsam erste Versuche zu erkennen, mit Akzenten nach außen zu gehen.
Das Wahlkampfprogramm ist aber unbedeutend, enttäuschend. Es setzt keine
Akzente. Zwei Scherpunkte sind zu erkennen: Ökologie in Zusammenhang mit
Wirtschaft und Bildung in Zusammenhang mit den Themen Familie und Frauen.
Dies sind keine „Gewinnerthemen“ bzw. nur in einem bestimmten Spektrum.
„Streicheln der linken Seele der Partei.“ Ypsilanti versucht deutlich zu machen, dass
sie in die Mitte der Partei zielt, vor allem mit der Verbindung von Ökologie und
Ökonomie, aber auch mit der bewusst nicht ideologischen Schulpolitik. Dies gelingt
aber eher nicht. Diese Themen dienen eher dazu, die eigenen Leute zu mobilisieren.
Das Thema Bildung aber ist richtig gewählt: Die Unzufriedenheit mit der Regierung
Koch ist hier hoch. Zudem ist es ein authentisches Landesthema.
Notwendig, um die Wähler besser zu überzeugen, wären eine stärkere Präsenz,
mehr Provokation. Eine Aktion vergleichbar mit der Unterschriftenaktion von Koch –
ein Thema, das wirklich mobilisiert. Dafür ist es aber auch noch nicht der Moment.
Linkspartei
Aufstellung und Programm
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Linkspartei ist in Hessen nicht, wie in Ostdeutschland, eine Volkspartei
Ihr großes Ziel ist es, endlich in einen westdeutschen Flächenstaat einzuziehen.
Die Programmatik ist sehr stark bundespolitisch geprägt. Zudem entwickelt sich die
Linkspartei punktuell kommunal über einzelne Themen (zB Einsatz gegen
Privatisierung der Uni-Kliniken). Ein landespolitisches Profil aber gibt es bisher gar
nicht. Es gibt nur Schlagworte: „gegen Privatisierung, gegen Unsoziales.“ Dabei dann
aber sofort wieder Übergang zu bundespolitischen Themen (Hartz IV etc.).
Fazit: die Linke hat in Hessen weder Köpfe noch Programm.
Wählerpotential
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Dieses Defizit hat die Partei selber erkannt. Wenn sie eine Chance hat, dann nur
über Protestwähler. Diese würden aber nur dann ausreichend mobilisiert, sollte kurz
vor den Wahlen noch ein besonderes Ereignis stattfinden, das mobilisiert.
„Versprengte Milieus“ werden sie wählen. An die SPD-Wähler zu kommen, wird durch
die Kandidatur Ypsilantis schwierig.
Kultur im Hessischen Parlament
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Die Bezeichnung als „Brüll- und Schrei-Parlament“ ist zurückzuführen auf
Legendenbildung, die in die 1970er Jahre zurückreicht. Vor allem zum Thema Schule
gab es heftige Auseinandersetzungen. Aber auch in den 1980er Jahren: „Fischer
gegen Koch.“
Dieses Image wird gepflegt. Es stimmt aber nicht mehr in dem Maße. Dennoch: es
gibt große Unterschiede zwischen den Parlamenten. Das hängt auch von der
bundespolitischen Bedeutung ab. Eine Rolle spielt auch die ausgeprägte
Medienlandschaft vor allem in Frankfurt: Das verleitet zu
„medienwirksamen“ Verhalten.
Hinweis: In seiner Berliner Zeit war Pit von Bebenburg PDS-Berichterstatter!
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