Mag. Dr. Silke Reverencic Gemeindeabgaben und Abgabeverfahren Stand: November 2010 1 INHALTSVERZEICHNIS 1. Abschnitt: Das Kanalabgabengesetz 1955 in der Fassung LGBl. Nr. 81/2005 ........................................................................... S.4 I. DER GESETZESWORTLAUT ...................................................................... S.4 II. DIE NEUERUNGEN DES KANALABGABENGESETZES 1955 IN DER FASSUNG 2005 IM EINZELNEN .................................................................. S.11 1.) Berechnung des Kanalisationsbeitrages ................................................... S.11 1.1.) Gegenstand der Abgabe .............................................................................. S.11 1.2.) Ausmaß des Kanalisationsbeitrages ............................................................ S.12 1.3.) Einheitssatz ................................................................................................. S.12 1.4.) Nebengebäude, oberirdische Garagen und Wirtschaftsgebäude ................. S.13 1.5.) Tiefgaragen ................................................................................................. S.13 1.6.) Hofflächen ................................................................................................... S.13 1.7.) Unbebaute Flächen ...................................................................................... S.13 1.8.) Wirtschaftsgebäude mit land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung ............. S.14 1.9.) Gebäude, die Lagerzwecken dienen ............................................................ S.14 1.10.) Vergrößerung der Bruttogeschoßfläche – ergänzender Kanalisationsbeitrag ................................................................................................................. S.14 1.11.) Gesetzliches Pfandrecht ............................................................................ S.15 III. FALLBEISPIELE ZUM KANALISATIONSBEITRAG .............................. S.17 IV. KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR .................................................................. S.23 1.) Doppeltes Äquivalenzprinzip ..................................................................... S.23 2.) Freies Beschlussrecht der Gemeinden ...................................................... S.24 2. Abschnitt: Die inhaltliche Gestaltung von Verordnungen ..................... S.27 1.) Allgemeines .................................................................................................. S.27 2.) Wertsicherung bzw. Indexklausel ............................................................. S.27 3.) Volksrechtegesetz – Entfall der Dringlicherklärung gemäß § 131 Volksrechtegesetz ................................................................................................. S.28 4.) Kundmachung ............................................................................................. S.28 5.) Vorlage an die Aufsichtsbehörde .............................................................. S.29 3. Abschnitt: Der Abgabenbescheid ............................................................. S.31 1.) Inhalt des Festsetzungsbescheides ............................................................. S.31 2.) Die wichtigsten Bescheidbestandteile im Einzelnen ................................ S.31 2 2.1.) Spruch ......................................................................................................... S.31 2.2.) Begründung ................................................................................................. S.32 2.3.) Rechtsmittelbelehrung................................................................................. S.32 2.4.) Sonstige Bestandteile .................................................................................. S.32 3.) Der Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich ...................................... S.33 4.) Entscheidungspflicht der Gemeinde ......................................................... S.33 4. Abschnitt: Ausgewählte Bestimmungen der Bundesabgabenordnung -BAO ............................................................................................................... S. 35 1.) Allgemeines…………………………………………………………..……S. 35 2.) Festsetzung der Abgaben (§ 198 BAO)………………………………….S. 36 3.) Verjährungsbestimmungen (§§ 207-209a BAO) ...................................... S. 36 4.) Nachsicht von Abgaben (§ 236 BAO)……………………………………S. 37 5.) Berichtigungsbescheid (§ 293 BAO)……………………………………..S. 38 6.) Aufhebung gemäß § 299 BAO ................................................................... S. 39 7.) Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303ff BAO) ..................................... S. 39 8.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308f BAO)............................ S. 40 9.) Devolutionsantrag gemäß § 311 BAO ....................................................... S. 41 10.) Übergangsbestimmungen ........................................................................... S. 41 5. Abschnitt: Getränkeabgabe…………………………………………………..S. 43 1.) Urteil des EuGH vom 9. März 2000, C-437/97 ......................................... S. 43 2.) Die Überwälzungsfrage .............................................................................. S. 43 3.) Urteil des EuGH vom 10. März 2005 ........................................................ S. 45 4.) Erkenntnis des VwGH vom 27. April 2006, Zahl: 2005/16/0217………S. 46 5.) Erkenntnis des VwGH vom 21. Mai 2007 Zahl: 2005/16/0247………..S. 47 6.) Weitere Vorgangsweise…………………………………………………...S. 48 6.1.) Restaurationsumsätze……………………………………………………...S. 48 6.2.) Bemessungsverjährung…………………………………………………….S. 51 6.3.) Handelsbetriebe……………………………………………………………S. 51 3 1. Abschnitt: Das Kanalabgabengesetz 1955 in der Fassung LGBl. Nr. 81/2005 I. DER GESETZESWORTLAUT Gesetz vom 28. Juni 1955 über die Erhebung der Kanalabgaben durch die Gemeinden des Landes Steiermark (Kanalabgabengesetz 1955) Stammfassung: LGBl. Nr. 71/1955 Novellen: (1) LGBl. Nr. 158/1963 (2) LGBl. Nr. 63/1965 (3) LGBl. Nr. 40/1971 (4) LGBl. Nr. 67/1986 (5) LGBl. Nr. 44/1987 (6) LGBl. Nr. 80/1988 (7) LGBl. Nr. 3/2003 (8) LGBl. Nr. 81/2005 Der Steiermärkische Landtag hat beschlossen: Abgabeberechtigung. § 1. Die Gemeinden des Landes Steiermark, welche öffentliche Kanalanlagen zur Ableitung von Abwässern errichten und betreiben, werden auf Grund des § 8 Abs. 5 des Finanzverfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, durch Beschluss des Gemeinderates eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und der Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage (Kanalisationsbeitrag) nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu erheben. Gegenstand der Abgabe. § 2. (1) Der Kanalisationsbeitrag ist einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht. (2) Bei Neulegung öffentlicher Kanäle ist der einmalige Kanalisationsbeitrag für alle anschlusspflichtigen Liegenschaften ohne Rücksicht auf ihren tatsächlichen Anschluss zu leisten. Ein weiterer Kanalisationsbeitrag ist, unbeschadet der Bestimmungen des § 1, auch für den Umbau, die Erneuerung oder die Verbesserung der technischen Einrichtungen von Abwasserreinigungsanlagen für bereits 4 bestehende Kanäle zu entrichten, sofern diese baulichen Maßnahmen im Hinblick auf die technische Entwicklung auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen bescheidmäßig festgelegt werden. Die Beitragspflicht entsteht zur Hälfte bei Baubeginn und zur Hälfte bei Vorliegen der technischen Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Kanalanlage oder Fertigstellung der Abwasserreinigungsanlage. (3) Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der Baulichkeit oder ihrer Teile. Bei Wiedererrichtung einer zerstörten, abgetragenen oder beschädigten Baulichkeit ist der Kanalisationsbeitrag nur insoweit zu leisten, als das wiedererrichtete Bauwerk die Ausmaße des früheren überschreitet. (4) Für außerhalb des Verpflichtungsbereiches gelegene Liegenschaften entsteht die Beitragspflicht mit dem freiwilligen Anschluss an das öffentliche Kanalnetz. § 3. (entfallen) Ausmaß. § 4. (1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem Produkt von Einheitssatz und der Bruttogeschoßflächen eines Gebäudes. Dabei sind Keller- und Dachgeschoße zur Hälfte, die übrigen Geschoße zur Gänze zu berechnen; Nebengebäude, oberirdische Garagen und Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes ohne Rücksicht auf die Geschoßanzahl eingerechnet. Bei Tiefgaragen ist der Berechnung die Bruttogeschoßfläche jenes Geschoßes zugrunde zu legen, das die größte Ausdehnung hat. Für Hofflächen, das sind ganzoder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen (in Quadratmetern), deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, darf höchstens die Hälfte und für unbebaute Flächen (in Quadratmetern) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage, darf höchstens ein Zehntel des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden. Gesetzestext vor der Novelle 2005: (1) Die Höhe des Kanalisationsbeitrages bestimmt sich aus dem mit der verbauten Grundfläche (in Quadratmetern) mal Geschoßanzahl vervielfachten Einheitssatz (Abs. 2), wobei Dachgeschoße und Kellergeschoße je zur Hälfte eingerechnet 5 werden; Wirtschaftsgebäude, die keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten, werden nach der verbauten Fläche ohne Rücksicht auf die Geschoßzahl, Hofflächen, das sind ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossene Grundflächen, deren Entwässerung durch die Kanalanlage erfolgt, nach dem Flächenausmaß eingerechnet. (2) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 7,5 v. H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. Bei der Festsetzung des Einheitssatzes sind aus Bundes- und Landesmitteln für die Errichtung, die Erweiterung, den Umbau, die Erneuerung oder die Verbesserung der öffentlichen Kanal- und Abwasserreinigungsanlage gewährte Beiträge und Zuschüsse in Abschlag zu bringen. Gesetzestext vor der Novelle 2005: (2) Der Einheitssatz ist vom Gemeinderat in der Kanalabgabenordnung (§ 7) nach den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage höchstens bis zu 5 v. H. dieser Baukosten für den Meter festzusetzen. Bei der Festsetzung des Einheitssatzes sind aus Bundes- und Landesmitteln für die Errichtung und die Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage gewährte Beiträge und Zuschüsse in Abschlag zu bringen. (3) Bei Wirtschaftsgebäuden mit landoder forstwirtschaftlicher Nutzung gelangen nur jene baulich abgegrenzten Geschoßflächen (in Quadratmetern) zur Verrechnung, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt. Ausschließlich Lagerzwecken dienende Gebäude eines Gewerbe-, Handels-, Dienstleistungs- oder Industriebetriebes mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage, sind lediglich mit der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes in Anrechnung zu bringen. Gesetzestext vor der Novelle 2005: (3) Für nicht Wohnzwecken dienende Gebäude (Gebäudeteile) land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und für die dazugehörigen Hofflächen, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt, darf höchstens die Hälfte und für unbebaute Flächen (in Quadratmeter) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage höchstens ein Zehntel des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden. (4) Bei Zu- und Umbauten von Baulichkeiten ist der ergänzende Kanalisationsbeitrag (Ergänzungsbeitrag) entsprechend der neugewonnenen Bruttogeschoßfläche zu 6 berechnen. Gesetzestext vor der Novelle 2005: (4) Bei Zu-, Auf-, Ein- und Umbauten von Baulichkeiten, für welche bereits ein Kanalisationsbeitrag entrichtet wurde, sind der Berechnung des ergänzenden Kanalisationsbeitrages (Ergänzungsbeitrag) lediglich die neu verbaute Fläche und die neuerrichteten Geschoße zugrunde zu legen. (5) Ist durch die Zweckbestimmung einer Baulichkeit eine über das übliche Maß hinausgehende Beanspruchung des Kanals und der dazugehörigen Anlagen zu gewärtigen, so erhöht sich über Beschluss des Gemeinderates der Kanalisationsbeitrag noch um die Kosten der hiedurch notwendigen besonderen Ausgestaltung der Kanalanlage (Sondergebühr). Diese Erhöhung darf den durch die besondere Inanspruchnahme erhöhten Bauaufwand nicht übersteigen. Wird die besondere Ausgestaltung der Kanalanlage wegen übermäßiger Inanspruchnahme durch mehrere Betriebe notwendig, so ist die Erhöhung des Kanalisationsbeitrages verhältnismäßig aufzuteilen. (6) Für die Auslegung der in diesem Paragraphen enthaltenen spezifisch baurechtlichen Bestimmungen ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBL. Nr. 59/1995, heranzuziehen. Abgabepflichtiger, Fälligkeit und Haftung. § 5. (1) Zur Entrichtung des einmaligen Kanalisationsbeitrages ist der Eigentümer der anschlusspflichtigen Liegenschaft, sofern dieser aber mit dem Bauwerkseigentümer nicht identisch ist, der Eigentümer der anschlusspflichtigen Baulichkeit verpflichtet. (2) Der Kanalisationsbeitrag ist nach Ablauf der im Abgabenbescheid (§ 8) festzusetzenden Zahlungsfrist fällig und kann in den im Abgabenbescheid festzusetzenden Teilzahlungen entrichtet werden. (3) Der Kanalisationsbeitrag ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 5 des FinanzVerfassungsgesetzes 1948. Für den Kanalisationsbeitrag samt Nebengebühren haftet auf dem Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht. Kanalbenützungsgebühren. 7 § 6. (1) Die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen (Kanalbenützungsgebühren) obliegt dem freien Beschlussrechte der Gemeinden. (2) Das Ausmaß des mutmaßlichen Jahresertrages der Kanalbenützungsgebühren darf das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der öffentlichen Kanal- und Abwasserreinigungsanlage, für die Verzinsung und Tilgung der Kosten für die Errichtung, die Erweiterung, den Umbau oder die Erneuerung unter Berücksichtigung einer der Art der Anlage entsprechenden Lebensdauer sowie für die Bildung einer angemessenen Erneuerungsrücklage nicht übersteigen. (3) Sofern die Kanalabgabenordnung der Gemeinde nicht anderes bestimmt, entsteht die Gebührenschuld für die Kanalbenützung mit dem 1. des Monates, in dem der öffentliche Kanal in Benützung genommen wird. (4) (entfallen) Kanalabgabenordnung. § 7. (1) In jeder Gemeinde mit einer öffentlichen Kanalanlage ist vom Gemeinderat eine Kanalabgabenordnung zu beschließen, welche zu enthalten hat: a) die Erhebung der Kanalisationsbeiträge (§ 1); b) die Erhebung der Kanalbenützungsgebühren (§ 6); c) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung des Kanalisationsbeitrages (§ 4), erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und Mischwasserkanäle; d) die Höhe des Einheitssatzes für die Berechnung der Kanalbenützungsgebühren (§ 6), erforderlichenfalls getrennt für Schmutzwasser-, Regenwasser- und Mischwasserkanäle; e) die Grundlagen für die Festsetzung des Einheitssatzes aus denen sich die Höhe des Kanalisationsbeitrages errechnet; f) die Zahlungstermine für die laufenden Kanalbenützungsgebühren. (2) Die Kanalabgabenordnung sowie allfällige spätere Änderungen oder Ergänzungen sind nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung zwei Wochen hindurch öffentlich kundzumachen und treten, sofern nicht anderes bestimmt wird, mit dem Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Monatsersten in Kraft. 8 Abgabenbescheid. § 8. (1) Der Kanalisationsbeitrag ist im Einzelfall auf Grund dieses Gesetzes und der Kanalabgabenordnung der Gemeinde vom Bürgermeister in einem Abgabenbescheid festzusetzen, wobei die von der Baubehörde genehmigten Baupläne als Grundlage für die Berechnung der Bruttogeschoßfläche und der Geschoßanzahl dienen. (2) Der Abgabenbescheid hat zu enthalten: a) den Namen und die Anschrift des Abgabepflichtigen; b) die gesetzlichen Bestimmungen und den Beschluss des Gemeinderates, auf die sich die Vorschreibung stützt; c) die Höhe des einmaligen Kanalisationsbeitrages (der Kanalbenützungsgebühr); d) die gewährten Teilzahlungen; e) die Zahlungsfrist; f) die Berechnungsgrundlagen, aus denen sich die Höhe der Abgabe ergibt; g) die Rechtsmittelbelehrung. (3) Die vorstehenden Abs. 1 und 2 gelten sinngemäß auch für die Vorschreibung der laufenden Kanalbenützungsgebühren mit der Bestimmung, dass die einmal festgesetzte Kanalbenützungsgebühr so lange in derselben Höhe zu entrichten ist, als nicht ein neuer Abgabenbescheid ergeht. Veränderungsanzeige, Auskunftspflicht und Kontrolle. § 9. (1) Treten nach Zustellung des Abgabenbescheides (§ 8) derartige Veränderungen ein, dass die demselben zugrunde gelegenen Voraussetzungen nicht mehr zutreffen, so hat der Abgabepflichtige diese Veränderungen binnen vier Wochen nach ihrem Eintritt oder Bekannt werden der Gemeinde schriftlich anzuzeigen. (2) (entfallen) Eigener Wirkungsbereich der Gemeinde § 10 Die in diesem Gesetz geregelten Aufgaben der Gemeinde sind solche des eigenen Wirkungsbereiches. Strafbestimmungen. 9 § 11. (1) Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Kanalabgabe verkürzt wird, sind als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafe bis zum zweifachen des verkürzten Betrages, höchstens aber mit 15.000,-- Euro zu bestrafen; für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe ist eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen festzusetzen. (2) Die Ahndung der Verwaltungsübertretungen richtet sich nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 117/2002. (3) Die verhängten Geldstrafen abgabeberechtigten Gemeinde zu. fließen der Schlussbestimmungen. § 12. (1) Dieses Gesetz tritt mit dem auf seine Kundmachung folgenden Monatsersten in Kraft. (2) Mit dem Wirksamkeitsbeginne dieses Gesetzes treten die §§ 7 bis 13 des Gesetzes vom 10. März 1916, LGuVBl. Nr. 30, außer Kraft. 10 II. DIE NEUERUNGEN DES KANALABGABENGESETZES 1955 IN DER FASSUNG 2005 IM EINZELNEN 1.) Berechnung des Kanalisationsbeitrages 1.1.) Gegenstand der Abgabe Der Kanalisationsbeitrag ist ein Interessentenbeitrag und als solcher einmalig für alle Liegenschaften im Gemeindegebiete zu leisten, für welche eine gesetzliche Anschlusspflicht an das bereits bestehende öffentliche Kanalnetz besteht, ohne Rücksicht darauf, ob sie an das Kanalnetz tatsächlich angeschlossen sind oder nicht. Eine gesetzliche Anschlusspflicht besteht gemäß § 4 Abs. 1 des Kanalgesetzes 1988 im Einhundertmeterbereich des öffentlichen Kanalstranges. Der Kanalisationsbeitrag stellt eine einmalige Abgabe zur Deckung der Kosten der Errichtung und Erweiterung der öffentlichen Kanalanlage dar und ist gemäß den obigen Ausführungen nicht notwendigerweise von der Inanspruchnahme der öffentlichen Kanalanlage abhängig. Betreffend das Entstehen der Beitragspflicht sind zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: 1.) § 2 Abs. 2 Kanalabgabengesetz: Bei Neulegung öffentlicher Kanäle entsteht die Beitragspflicht zur Hälfte bei Baubeginn und zur Hälfte bei Vorliegen der technischen Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Kanalanlage oder Fertigstellung der Abwasserreinigungsanlage. 2.) § 2 Abs. 3 Kanalabgabengesetz: Bei anschlusspflichtigen Neubauten und bei Zu- und Umbauten in anschlusspflichtigen Baulichkeiten entsteht die Beitragspflicht mit der erstmaligen Benützung der 11 Baulichkeit oder ihrer Teile. 1.2.) Ausmaß des Kanalisationsbeitrages Die Höhe bestimmt sich aus den Bruttogeschoßflächen eines Gebäudes (in Quadratmetern) multipliziert mit dem in der Verordnung festzusetzenden Einheitssatz. Keller- und Dachgeschoße sind zur Hälfte (von der tatsächlichen Bruttogeschoßfläche), die übrigen Geschoße zur Gänze zu berechnen. Der Einheitssatz leitet sich aus den durchschnittlichen, ortsüblichen Baukosten je Meter der Kanalanlage ab und ist in der Verordnung festzusetzen. 1.3.) Einheitssatz Durch die Novelle 2005 darf der Einheitssatz maximal 7,5 % der Baukosten je Meter betragen. Neu ist, dass die Berechnungsgrundlagen für die Festsetzung des Einheitssatzes in der Verordnung festgelegt werden müssen. Der Einheitssatz errechnet sich aus den Gesamtbaukosten abzüglich der aus Bundes- und Landesmitteln gewährten Beiträge und Zuschüsse und der Gesamtlänge des öffentlichen Kanals. Unter Gesamtbaukosten sind die Kosten aller Bauabschnitte der öffentlichen Kanalanlage innerhalb eines Gemeindegebietes zu verstehen, wobei diese zur Errechnung des Einheitssatzes valorisiert zur Anrechnung gebracht werden dürfen. Als Bundes- und Landesmittel sind einmalige Zuschüsse und Direktförderungen abzuziehen, nicht jedoch die laufenden Annuitätenzuschüsse. Unter Ortsüblichkeit sind die Baukosten je Laufmeter der öffentlichen Kanalanlage in der eigenen Gemeinde sowie die Baukosten je Laufmeter der öffentlichen Kanalanlage von benachbarten vergleichbaren Gemeinden zu verstehen. 12 1.4.) Nebengebäude, oberirdische Garagen und Wirtschaftsgebäude Sonderregelungen gelten für Nebengebäude, oberirdische Garagen und Wirtschaftsgebäude, welche keine Wohnung oder Betriebsstätte enthalten: Diese Gebäude werden nach der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes ohne Rücksicht auf die Geschoßanzahl eingerechnet. Zur Definition der Begriffe Nebengebäude und oberirdische Garagen sind die Begriffsbestimmungen des § 4 Stmk. Baugesetz heranzuziehen (siehe auch den durch die Novelle LGBl. Nr. 81/2005 neu eingefügten Verweis auf das Stmk. Baugesetz 1995 in § 4 Abs. 6 Kanalabgabengesetz). 1.5.) Tiefgaragen Bei der Berechnung des Kanalisationsbeitrages für Tiefgaragen ist die Bruttogeschoßfläche jenes Geschoßes zugrunde zu legen, das die größte Ausdehnung hat. Zu beachten ist dabei, dass die Bruttogeschoßfläche des größten Geschoßes mit der Hälfte in Anrechnung zu bringen ist (§ 15 Abs. 3 Stmk. Baugesetz). 1.6.) Hofflächen Unter Hofflächen sind Grundflächen zu verstehen, die ganz oder teilweise von Baulichkeiten umschlossen sind. Wenn deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt (und nur dann!), darf höchstens die Hälfte des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden. Inwieweit die Gemeinde von dieser vom Gesetz einräumten Ermächtigung Gebrauch macht (0 bis 50% des Einheitssatzes), ist in der Kanalabgabenordnung zu regeln. 1.7.) Unbebaute Flächen Für unbebaute Flächen (in Quadratmetern) mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage darf höchstens 13 ein Zehntel des Einheitssatzes in Anrechnung gebracht werden. Die diesbezügliche Konkretisierung ist wiederum in der Kanalabgabenordnung vorzunehmen. 1.8.) Wirtschaftsgebäude mit land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung Unter „land – oder forstwirtschaftlicher Nutzung“ ist zu verstehen, dass ein Gebäude im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes in einer für die Land- oder Forstwirtschaft typischen Weise genutzt wird. Dazu gehört auch, dass betriebliche Merkmale vorliegen, somit eine planvolle, grundsätzlich auf Erzielung von Einnahmen gerichtete nachhaltige Tätigkeit. In diesem Zusammenhang ist die Baubeschreibung ausgewiesene samt Nutzung Bauplänen maßgeblich. und Bei die dort derartigen Wirtschaftsgebäuden mit land- oder forstwirtschaftlicher Nutzung gelangen bei Kanalisationsbeitrages der nur Berechnung baulich des abgegrenzte Geschoßflächen zur Verrechnung, deren Entwässerung durch die öffentliche Kanalanlage erfolgt. (Bsp: Milchkammer) 1.9.) Gebäude, die Lagerzwecken dienen Ausschließlich Lagerzwecken dienende Gebäude eines Gewerbe-, Handels-, Dienstleistungs- oder Industriebetriebes mit künstlicher Entwässerung in die öffentliche Kanalanlage sind lediglich mit der Bruttogeschoßfläche des Erdgeschoßes in Anrechnung zu bringen. 1.10.) Vergrößerung der Bruttogeschoßfläche – ergänzender Kanalisationsbeitrag Im Falle der Schaffung einer vergrößerten Bruttogeschoßfläche durch Zu- oder Umbauten ist bei der Berechnung nur die neu gewonnene 14 Fläche zu berücksichtigen und zwar unabhängig davon, ob in der Vergangenheit ein Kanalisationsbeitrag für diese Baulichkeit vorgeschrieben oder entrichtet wurde. 1.11.) Gesetzliches Pfandrecht Für den Kanalisationsbeitrag samt Nebengebühren haftet auf dem Grundstück ein gesetzliches Pfandrecht. Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch der Schuldnerwechsel hinsichtlich einer bereits entstandenen Abgabenverbindlichkeit. Das bedeutet, dass mangels einer ausdrücklichen Regelung kein selbständiger Haftungsübergang nach dem Kanalabgabengesetz möglich ist. Um einen Haftungsübergang auf den neuen Eigentümer herbeizuführen, ist die Erlassung eines eigenen Haftungsbescheides erforderlich. Beispiel: Dem Eigentümer einer Liegenschaft wird der Kanalisationsbeitrag bescheidmäßig vorgeschrieben. Die Liegenschaft wird verkauft; der Kanalisationsbeitrag wurde vom Verkäufer noch nicht entrichtet. Wer haftet für die Entrichtung des Kanalisationsbeitrages? Abgabepflichtiger bleibt der frühere Eigentümer (Verkäufer), weil er zum Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung Eigentümer der Liegenschaft war. Dem Käufer darf der Kanalisationsbeitrag nicht nochmals vorgeschrieben werden (er ist nicht Eigentümereigenschaft Abgabepflichtiger zum mangels Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung; außerdem ne bis in idem). Für einen Schuldnerwechsel müsste eine ausdrückliche Bestimmung im Gesetz vorgesehen sein. Dies ist jedoch auch nach der Novelle LGBl. Nr. 81/2005 nicht der Fall; daher schuldet der ursprüngliche Eigentümer als Abgabepflichtiger die Entrichtung des Kanalisationsbeitrages. Entrichtet der Abgabepflichtige den Kanalisationsbeitrag nicht bzw. nicht rechtzeitig, ist gegen ihn das Vollstreckungsverfahren 15 einzuleiten. Um einen Haftungsübergang auf den neuen Eigentümer herbeizuführen, ist ein Haftungsbescheid zu erlassen, welcher sich auf § 5 Abs. 3 Kanalabgabengesetz 1955 stützt. 16 III. FALLBEISPIELE ZUM KANALISATIONSBEITRAG 1.) Ein Wohnhaus besteht aus einem Erdgeschoß im Ausmaß von 120 m², einem Dachgeschoß im Ausmaß von 100 m², einem Kellergeschoß im Ausmaß von 30 m² sowie einer nicht umschlossenen Terrasse im Ausmaß von 15 m². Wie berechnet sich der einmalige Kanalisationsbeitrag unter der Annahme, dass der Einheitssatz € 13,00 beträgt? 2.) Ein Wirtschaftsgebäude mit 400 m² Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Wie berechnet sich der einmalige Kanalisationsbeitrag? 3.) Bei einem Wohnhaus (EG 100m², KG 40m², Dachboden 100m²; einmaliger Kanalisationsbeitrag bereits entrichtet) wird ein Zubau in der Form errichtet, dass im EG ein Wintergarten im Ausmaß von 20m² errichtet wird und der Dachboden in ein Dachgeschoß 17 umgebaut wird. Wie ist der ergänzende Kanalisationsbeitrag zu berechnen? 4.) Ein fünfgeschoßiges Mehrparteienwohnhaus hat im ersten überirdischen „Geschoß“ eine Garage auf Stützen. Wie berechnet sich der Kanalisationsbeitrag? 5.) Ein Neubau wurde am 20.12.2005 an die öffentliche Kanalisationsanlage angeschlossen. Kommt bei der Berechnung des Kanalisationsbeitrages das KAbgG vor oder nach der Novelle 2005 zur Anwendung? 6.) Tiefgaragen a. Ist Geschoßes die Bruttogeschoßfläche mit der des größten Ausdehnung mit 100% oder 50% dieser Fläche zu verrechnen? - § 4 Abs 1 zweiter Satz lässt dies offen 18 b. Gilt die Sonderregelung für Tiefgaragen nur dann, wenn die gesamte bauliche Anlage einen (als solchen baubewilligten) darstellt (und Tiefgaragenkomplex nicht etwa für Wohn- bzw. Bürokomplexe mit Tiefgarage)? c. Sind oberirdische Bauteile (bei als solche bewilligten Tiefgaragen) nach der Grundnorm des § 4 Abs 1 erster Satz KAbgG NEBEN der Fläche des Geschoßes mit der größten Ausdehnung zu verrechnen oder etwa überhaupt nicht? 7. Hochgarage / Parkhaus Kann bei einem allseitig offenen Parkhaus, dessen (Dach-)Regenwässer in den öffentlichen Kanal entsorgt werden, ein Kanalisationsbeitrag werden? 19 vorgeschrieben 8. Dachboden / Dachgeschoß Ein Dachboden (§ 4 Z. 21 Stmk. Baugesetz) im Ausmaß von 100 m² wird im Ausmaß von 60 m² in einen Aufenthaltsraum (Dachgeschoß, § 4 Z. 22 Stmk. Baugesetz) umgebaut. Welche Bruttogeschoßfläche ist dem ergänzenden Kanalisationsbeitrag in diesem Fall zu Grunde zu legen? Anmerkungen: Für die 60 m² sprechen wohl die Absicht des Gesetzgebers und der Wortlaut des § 4 Abs. 4 Kanalabgabengesetz (vgl. auch Auslegungs-Anregungen der FA 7A des Amtes der Stmk. Landesregierung zu § 4 Abs. 4). Für die 100 m² spricht der Umstand, dass ein Dachgeschoß gemäß § 4 Z 22 Stmk. Baugesetz schon dann vorliegt, wenn ein Dachboden (ein unausgebauter Dachraum) auch nur teilweise für Aufenthalts-, Lagerzwecke u.dgl. ausgebaut wird. Daraus könnte man folgern, dass es - auch für Zwecke der Vorschreibung des Kanalisationsbeitrages - nicht möglich ist (immerhin verweist § 4 Abs 6 ja ausdrücklich auf die Begriffsdefinitionen des Baugesetzes und damit auch auf den Begriff des Dachgeschoßes), dass eine Raumebene einen Dachboden UND daneben gleichzeitig ein Dachgeschoß bildet (das müsste man aber unterstellen, wenn man von einer Bruttogeschoßfläche von 60 m², natürlich nur im Ausmaß von 50%, ausgeht). 20 9. Loggien Zählt die Fläche von Loggien zur Bemessungsgrundlage, weil insoweit eine Bruttogeschoßfläche vorliegt? 10. (Teilweise) geschlossene Balkone Zählt die Fläche eines überdachten Balkons, der an den beiden Schmalseiten geschlossen ist, zur Bruttogeschoßfläche? Anmerkung: Es müssen Außenwände (§ 4 Z 20 Stmk. Baugesetz) vorliegen, welche einen Raum bilden, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist (§ 4 Z 28 leg.cit). Das führt zur Notwendigkeit, den Begriff der „Außenwände“ zu interpretieren. 11. Bruttogeschoßfläche / Das „Loch im Boden“ Zählen auch Flächen, die gar nicht begehbar sind – also in Wahrheit „Luftraum“ darstellen – zur verrechenbaren Bruttogeschoßfläche? Dies kann insbesondere bei mehrgeschoßigen Gebäuden in Frage kommen, welche im Inneren ein (umlaufendes) Stiegenhaus haben (z.B. Rathaus in 21 Graz). Vom letzten Geschoß kann man bis auf den Boden des Erdgeschoßes blicken. 12. Ist Garage - einseitig offen die Fläche Autoabstellplatzes, eines der dreiseitig nicht an umschlossenen die öffentliche Kanalanlage angeschlossen ist bei der Vorschreibung zu berücksichtigen? 22 IV. KANALBENÜTZUNGSGEBÜHR 1.) Doppeltes Äquivalenzprinzip § 6 Abs. 1 Kanalabgabengesetz 1955, LGBl. Nr. 71/1955 idF LGBl. Nr. 81/2005 besagt, dass die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Kanalanlagen (Kanalbenützungsgebühren) dem freien Beschlussrechte der Gemeinden obliegt. Die Gemeinden sind demnach ermächtigt, durch Beschluss des Gemeinderates Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und –anlagen, die – wie etwa öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen – für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, auszuschreiben. In zahlreichen Erkenntnissen haben sich die Höchstgerichte mit der Frage der Gebühr und Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt und dabei unter Gebühr eine unterliegende dem Grundsatz Gegenleistung der für Verhältnismäßigkeit die Leistung einer Gebietskörperschaft verstanden. Das freie Gemeindebeschlussrecht war bis zum Inkrafttreten des Finanzausgleichsgesetz 1993 – FAG 1993, BGBl. Nr. 30, an die Beschränkung gebunden, dass die gesamten Gebührenerträge für die Benützung von kommunalen Anlagen zuzüglich sonstiger Einnahmen nicht höher sein durften, als die gesamten Kosten, die der Gemeinde durch die Beschaffung, Erhaltung und den Betrieb der Einrichtungen bzw. Anlagen erwachsen (Äquivalenzprinzip). In § 15 Abs. 3 Z. 4 FAG 2005, BGBl. Nr. I 156/2004 wurde vom Gesetzgeber insofern die im Jahre 1993 eingeführte Regelung übernommen, als die Gebühren für die Benützung der Gemeindeeinrichtungen und Anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, bis zu einem Ausmaß festzusetzen sind, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für 23 die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung und Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt (doppeltes Äquivalenzprinzip). Der Verfassungsgerichtshof 10.10.2001, GZ: B hat 260/01 mit Erkenntnis ausgesprochen, dass vom die finanzausgleichsrechtliche Ermächtigung zur Ausschreibung von Gebühren bis zum doppelten Jahreserfordernis nicht verfassungswidrig ist. Die Ausschöpfung dieses Rahmens kommt jedoch nur aus Gründen in Betracht, die mit der betreffenden Einrichtung in einem inneren Zusammenhang stehen, sei es, dass - Folgekosten der Errichtung finanziert werden - Lenkungsziele verfolgt werden - Rücklagen für eine Ausweitung bzw. Sanierung der Einrichtung oder Anlage gebildet werden sollen. Durch den durch die Novelle 2005 neu eingefügten § 6 Abs. 2 leg. cit. ist das doppelte Äquivalenzprinzip auch ausdrücklich im Kanalabgabengesetz verankert. 2.) Freies Beschlussrecht der Gemeinden Die Erhebung von laufenden Gebühren für die Benützung von öffentlichen Gemeindeeinrichtungen und -anlagen obliegt – wie oben erwähnt - dem freien Beschlussrechte der Gemeinden. Das bedeutet, dass die Gemeinden in ihrer Funktion als Selbstverwaltungskörper unter Beachtung des doppelten Äquivalenzprinzips in der Ausgestaltung der Erhebung der laufenden Gebühren frei sind. Betreffend die Kanalbenützungsgebühren stehen der Gemeinde verschiedene Berechnungsmodelle offen, wie etwa die Berechnung nach der Fläche, nach der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalisationsanlage (m³), nach Einwohnergleichwerten oder 24 auch ein Mischschlüssel aus den genannten Modellen. Entstehen der Gebührenschuld: Das Kanalabgabengesetz ermächtigt die Gemeinden, im Rahmen ihres freien Beschlussrechts, den Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenschuld in der Verordnung frei zu bestimmen. So kann in der Verordnung etwa festgelegt werden, dass die Gebührenschuld mit dem 1. des Monats entsteht, in dem die technische Möglichkeit zur Benützung der öffentlichen Kanalanlage besteht. Ist in der Kanalabgabenordnung diesbezüglich nichts bestimmt, so gilt § 6 Abs. 3 des Kanalabgabengesetzes: Demnach entsteht die Gebührenschuld für die Kanalbenützung mit dem 1. des Monats, in dem der öffentliche Kanal in Benützung genommen wird. Die in der Kanalabgabenordnung der jeweiligen Gemeinde festzusetzende Kanalbenützungsgebühr landwirtschaftlichen Betrieben, kann bei Gewerbebetrieben und Privathaushalten unterschiedlich ausgestaltet sein, da bei diesen Objekten von sachlichen Unterschieden auszugehen sein wird. In jedem Fall ist jedoch auf eine sachgerechte Beziehung der Höhe der Gebühr zum Ausmaß der Benützung zu achten. Zulässig ist auch die Festsetzung einer verbrauchsunabhängigen Bereitstellungsgebühr und einer tatsächlichen Verbrauchsgebühr. Es ist nicht unsachlich, nicht nur auf den konkreten Schmutzwasseranfall abzustellen, sondern das Ausmaß der Gebühr auch nach einer bestimmten Pauschale zu berechnen. Faktum ist, dass der Gemeinde für den Betrieb, die Erhaltung und die Erweiterung der Kanalisationsanlage nur zum geringen Teil durch den größeren oder geringeren Schmutzwasseranfall Kosten erwachsen, zum überwiegenden Teil aber durch die 25 jederzeitige Bereitstellung und das Bereithalten der Abwasserentsorgungsanlage (vgl. VfSlg. 10781/1986). Die tatsächliche Ausgestaltung des Gebührenmodells in der jeweiligen Gemeinde ist im Gemeinderat zu beschließen und in der Kanalabgabenordnung festzulegen. Jede Änderung (Bsp.: Erhöhung der Tarife) bedarf ebenfalls eines Gemeinderatsbeschlusses sowie einer Änderung des Textes der Verordnung und einer öffentlichen Kundmachung. Eingeschränkt ist das freie Beschlussrecht der Gemeinden jedoch in jenen Fällen, wo der Gesetzgeber Regelungen betreffend das Gebührenmodell vorgegeben hat, wie z. B. im Stmk. Abfallwirtschaftsgesetz 2004. § 13 Abs. 4 StAWG 2004 sieht vor, dass die Abfallabfuhrgebühr in eine Grundgebühr und eine variable Gebühr aufzuspalten ist. Die Grundgebühr hat sich etwa nach der Anzahl der gemeldeten Personen oder nach Wohneinheiten bzw. Haushalten zu richten, während die variable Gebühr nach beigestelltem Behältervolumen und der Anzahl der Entleerungen oder gewichtsbezogen zu berechnen ist. Diese gesetzliche Vorgabe ist bei Beschlussfassung der Gebührenhöhe Abfuhrordnung zu berücksichtigen. 26 in der 2. Abschnitt: Die inhaltliche Gestaltung von Verordnungen 1.) Allgemeines Verordnungen sind Rechtsvorschriften, die von Verwaltungsbehörden erlassen werden und sich ihrem Inhalt nach an einen generellen Adressatenkreis richten (Unterschied zum Bescheid!). Art 18 Abs. 2 B-VG ermächtigt die Verwaltungsbehörden zur Erlassung von Verordnungen „auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches“. Verordnungen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde werden vom Gemeinderat beschlossen, sind öffentlich kundzumachen und der Aufsichtsbehörde zur Überprüfung vorzulegen. Verordnungen konkretisieren Gesetzesbestimmungen, dürfen ihnen jedoch nicht widersprechen. Sie stellen die rechtliche Grundlage für die Erlassung von Abgabenbescheiden dar. Ein Rechtsmittel gegen eine Verordnung im Instanzenzug der Verwaltung ist nicht denkbar. Lediglich der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen nach den Bestimmungen des Artikel 139 B-VG. 2.) Wertsicherung bzw. Indexklausel Die Formulierung „diese Beträge sind wertgesichert“ oder dgl. in einer Verordnung ist nicht zulässig, da der einzelne Bürger dadurch eine etwaige Indexanpassung und damit verbundene Änderungen der Gebührenhöhe nicht aus der Verordnung ersehen kann. Aus dem Erfordernis der Transparenz einer Verordnung ergibt sich, dass eine auf einer Indexanpassung beruhende Änderung der Gebührenhöhe im Gemeinderat zu beschließen ist. Damit verbunden ist die 27 Pflicht zur Änderung der Bestimmung in der Verordnung, welche die Gebührenhöhe beinhaltet sowie die Kundmachung derselben. Nur auf diese Weise ist gesichert, dass jeder Bürger aus der Verordnung die tatsächliche Gebührenhöhe erkennen kann. 3.) Volksrechtegesetz – Entfall der Dringlicherklärung gemäß § 131 Volksrechtegesetz Das Stmk. Volksrechtegesetz 1986, LGBl. Nr. 87, wurde mit Landesgesetz Nr. 94/2005 vom 5. Juli 2005 mit Wirksamkeit vom 14. Oktober 2005 in mehreren Punkten novelliert. Vor Inkrafttreten Gemeinderatsbeschlüsse dieser Novelle gemäß § 131 konnten Abs. 2 Volksrechtegesetz 1986 erst 3 Monate nach Beschlussfassung Geltung erlangen, sofern nicht der Beschluss für dringlich erklärt wird. Nun entfällt unter anderem die Dringlicherklärung durch den Gemeinderat, d.h., dass jeder Gemeinderatsbeschluss sofort mit gültiger Beschlussfassung rechtswirksam wird, es sei denn, der Gemeinderat beschließt gleichzeitig hierüber die Durchführung einer Volksabstimmung. 4.) Kundmachung Gemäß § 92 Abs. 1 der Stmk. Gemeindeordnung 1967 sind Verordnungen der Gemeinde öffentlich kundzumachen. Die Kundmachung ist vom Bürgermeister binnen 2 Wochen nach der Beschlussfassung durch Anschlag an der Amtstafel durchzuführen. Kundzumachen ist die neu beschlossene Verordnung bzw. Verordnungsänderung; Eine Kundmachung, in der darauf hingewiesen wird, dass der novellierte Text der Verordnung im Gemeindeamt zur Einsicht aufliege, reicht nicht aus. Lediglich Verordnungen, deren Umfang oder Art einen Anschlag an der Amtstafel nicht zulassen, sind gemäß § 92 28 Abs. 2 Stmk. Gemeindeordnung 1967 im Gemeindeamt zur öffentlichen Einsicht während der Amtsstunden innerhalb der Kundmachungsfrist aufzulegen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Oktober 2002, G 229,230/02-12,V 55,56/02-12, in dem ausgesprochen wurde, dass der Umfang einer Verordnung im Ausmaß von sieben A4 Seiten eine Kundmachung nach § 92 Abs. 2 Stmk. Gemeindeordnung nicht rechtfertigt. Nach Ansicht des VfGH haben Gemeinden die Verpflichtung, für eine ausreichend große Amtstafel zu sorgen, sodass die üblicherweise erfolgenden Kundmachungen dort Platz finden. Die Rechtswirksamkeit solcher Verordnungen beginnt, soweit nichts anderes bestimmt wird, mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag (Ausnahme Kanalabgabengesetz). Der Satz „soweit nichts anderes bestimmt ist“, ist nicht so zu verstehen, dass etwa in der Verordnung etwas anderes bestimmt werden kann, sondern bezieht sich darauf, ob in einem in dem Stufenbau der Rechtsordnung höherrangigen Gesetz (Verfassungsgesetz; Bsp: F-VG)) etwas anderes bestimmt ist. Wenn der VfGH zur Auffassung gelangt, dass die ganze Verordnung in gesetzwidriger Weise kundgemacht wurde, hat er die Verordnung nach Art. 139 Abs. 3 lit.c B-VG als gesetzwidrig aufzuheben. 5.) Vorlage an die Aufsichtsbehörde Die Gemeinde hat im eigenen Wirkungsbereich erlassene Verordnungen der Aufsichtsbehörde gemäß § 100 Stmk. Gemeindeordnung vorzulegen. Der 1967 Vorlage unverzüglich der zur Verordnung Prüfung sind die Einladungskurrende zur Gemeinderatssitzung und ein Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der 29 jeweiligen Gemeinderatssitzung anzuschließen; die vorgelegte Verordnung muss außerdem mit einem Anschlags- und Abnahmevermerk versehen sein. Es handelt sich dabei um eine nachfolgende Aufsichtsbehörde, Änderungen rechtliche ob die Prüfung Verordnung gesetzeskonform durch bzw. sind. die etwaige Allfällige Gesetzwidrigkeiten in der vorgelegten Verordnung werden von der Aufsichtsbehörde auf schriftlichem Wege bemängelt und sind vom Gemeinderat durch eine neue – gesetzeskonforme - Verordnung bzw. eine Novelle zur Verordnung zu ersetzen. Abgesehen davon ist die Aufsichtsbehörde berechtigt bzw. verpflichtet, Gesetzwidrigkeiten in Verordnungen nach Anhörung der Gemeinde durch eine die Aufhebung verfügende Verordnung im Landesgesetzblatt aufzuheben (§ 100 Abs. 2 leg.cit.). Vor der Erlassung einer solchen Verordnung ist der Gemeinde Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Gemeinde ist wiederum verpflichtet, die aufhebende Verordnung an der Amtstafel kundzumachen. Die Gemeinde hat die Möglichkeit, eine Aufhebungsverordnung der Aufsichtsbehörde gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG wegen Gesetzwidrigkeit beim VfGH anzufechten. (Anmerkung: Vorstellungen sind gemäß § 94 Abs. 2 Stmk. GemO 1967 unverzüglich, spätestens jedoch 1 Monat nach ihrem Einlangen unter Anschluss der Verwaltungsakten der Aufsichtsbehörde vorzulegen.) 30 3. Abschnitt: Der Abgabenbescheid 1.) Inhalt des Festsetzungsbescheides Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Weitere essentielle Bestandteile eines Bescheides sind die Begründung sowie die Rechtsmittelbelehrung. Außerdem müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Das Kanalabgabengesetz 1955 sieht in seinem § 8 Abs. 2 außerdem vor, dass der Abgabenbescheid die gesetzlichen Bestimmungen und den Beschluss des Gemeinderates, auf den sich die Vorschreibung stützt, zu enthalten hat, außerdem die Höhe des einmaligen Kanalisationsbeitrages (der Kanalbenützungsgebühr), die gewährten Teilzahlungen, die Zahlungsfrist sowie die Berechnungsgrundlagen, aus denen sich die Höhe der Abgabe ergibt (im Spruch!). 2.) Die wichtigsten Bescheidbestandteile im Einzelnen 2.1.) Spruch Der Spruch hat die angeführten Inhalte in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen. Er muss so deutlich gefasst sein, dass erkennbar ist, worüber und wie entschieden wurde und welche Leistung der Bescheidadressat erbringen muss. Abgabenbescheide haben im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) enthalten. 31 zu Die Nennung der Art und Höhe der Abgabe allein ist jedoch nicht ausreichend, die Konkretisierung muss vor allem auch personen-, zeit– und sachbezogen sein, was vor allem in der Nennung des Namens des Bescheidadressaten zum Ausdruck kommt. Die Rechtskraft erfasst nur den Spruch des Bescheides, diesen aber als ganzen. 2.2.) Begründung Die Begründung muss erkennen lassen, wie die Behörde zu ihrer Entscheidung gekommen ist. Das Fehlen jeglicher Begründung stellt Willkür dar, sodass der Bescheid wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz aufzuheben ist. 2.3.) Rechtsmittelbelehrung Jeder Bescheid hat eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten, in welcher anzugeben ist, ob der Bescheid noch einem weiteren Rechtszug unterliegt, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig ist, wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Enthält der Bescheid eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist, gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wird. Ist im Bescheid eine längere als die gesetzlich vorgesehene Rechtsmittelfrist rechtswirksam angegeben, auch während kann das dieser Rechtsmittel längeren Frist eingebracht werden. 2.4.) Sonstige Bestandteile - die Angabe der Behörde, die den Bescheid erlassen hat - das Datum - die Bezeichnung als Bescheid 32 - der Name des Genehmigenden - eine ordnungsgemäße Fertigung 3.) Der Instanzenzug im eigenen Wirkungsbereich Der Instanzenzug gegen Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht vom Bürgermeister an den Gemeinderat (§ 93 Abs. 1 Stmk. Gemeindeordnung 1967). Gegen jeden Gemeindeorgans letztinstanzlichen in Bescheid Angelegenheiten des eines eigenen Wirkungsbereichs kann innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides Vorstellung erhoben werden. Auf diese Möglichkeit ist im Gemeinderatsbescheid ausdrücklich hinzuweisen. 4.) Entscheidungspflicht der Gemeinde Gemäß § 311 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden. Werden erstinstanzliche Abgabenbescheide der Partei nicht innerhalb von 6 Monaten nach Einlangen der Anbringen zugestellt, so geht auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung an die Abgabenbehörde II. Instanz über (Devolutionsantrag). Die Abgabenbehörde II. Instanz hat der Abgabenbehörde I. Instanz aufzutragen, binnen 3 Monaten ab Einlangen des Devolutionsantrages zu entscheiden. Diese Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde I. Instanz Gründe vorweist, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Nach Ablauf der Frist geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde II. Instanz über. Ein solcher Devolutionsantrag kann abgewiesen werden, wenn die Verspätung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Abgabenbehörde I. Instanz zurückzuführen ist. (Ein Verschulden der Behörde besteht nicht, wenn die Partei selbst 33 um ein Zuwarten mit der Entscheidung ersucht. Ein Verschulden der Partei ist auch dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Verzögerung in ihrer Person liegen, wie etwa eine Änderung des verfahrenseinleitenden Antrages kurz vor Ablauf der Entscheidungsfrist.) Der Gemeinderat ist verpflichtet, binnen 6 Monaten ab Erhebung einer Berufung über diese zu entscheiden. Ist dies nicht der Fall, hat der Berufungswerber die Möglichkeit, Säumnisbeschwerde beim VwGH zu erheben. 34 4. Abschnitt: Ausgewählte Bestimmungen der Bundesabgabenordnung–BAO 1.) Allgemeines § 7 Abs. 6 Finanzverfassungsgesetz 1948, welcher mit 1.1.2010 in Kraft tritt, ist die verfassungsrechtliche Grundlage für eine weitgehende Vereinheitlichung der BAO und der LAOs. „Die Bundesgesetzgebung regelt die allgemeinen Bestimmungen und das Verfahren für die von den Abgabenbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden verwalteten Abgaben.“ Bestimmungen betreffend das Abgabenverfahren von Bundes–, Landes- und Gemeindeabgaben liegen somit in der alleinigen Kompetenz des Bundesgesetzgebers. Verfahrensbestimmungen Landesrechtliche betreffend Abgaben- angelegenheiten treten, sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, mit 1.1.2010 außer Kraft. Keine Bundeskompetenz gibt es allerdings bei Allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungs- strafrechts Verwaltungsstrafverfahren Zuständigkeitsregelungen betreffend die Erhebung von Landes– und Gemeindeabgaben Durch die Anwendung der BAO auf Landes– und Gemeindeabgaben ergibt sich eine einheitliche Rechtslage insbesondere bei: Höchstbeträgen für Ordnungs- und Mutwillensstrafen, Bemessungsverjährung, Berichtigungsbescheiden, Änderung und Aufhebung von Bescheiden, Wiederaufnahme des Verfahrens und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Entscheidungspflicht 35 und Devolutionsantrag. 2.) Festsetzung der Abgaben (§ 198 BAO) Soweit in den Materiengesetzen nichts anderes vorgesehen ist, hat die Abgabenbehörde die Abgaben durch Abgabenbescheide festzusetzen. Inhalt der Abgabenbescheide: Der Spruch hat die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten. Enthält der Bescheid keine Angaben über die Bemessungsgrundlagen oder sind diese lediglich in der Begründung oder in einem Anhang zum Bescheid dargelegt, ist der Bescheid nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 3.)Verjährungsbestimmungen (§§ 207 – 209a BAO) Die Verjährungsfrist beträgt nunmehr einheitlich grundsätzlich 5 Jahre (Ausnahmen: Zwangs-, Ordnungs- und Mutwillensstrafen etc.), 7 Jahre für hinterzogene Abgaben (statt bisher 10 J.) und 10 Jahre (absolute Verjährung; statt bisher 15 J.). Die Bemessungsverjährung beginnt mit dem Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Die Stmk. LAO sah vor, dass die Festsetzungsverjährung durch eine nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen wird und danach neu zu laufen beginnt. Die BAO kennt jedoch Verjährungsfrist lediglich durch die nach Verlängerung außen der erkennbare Amtshandlungen um 1 Jahr. Derartige Amtshandlungen sind z.B. Abgabenbescheide, Außenprüfungen, Vorhalte, Zeugeneinvernahmen oder Ortsaugenscheine. Unbeachtlich ist, wie viele Amtshandlungen innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt werden; diese wird immer nur um 1 Jahr verlängert. 36 Die absolute Verjährungsfrist (10 Jahre ab Entstehen des Abgabenanspruches) ist nicht verlängerbar. Sie wird jedoch durchbrochen bei anhängigen Berufungsverfahren. Unter Einhebungsverjährung (§ 238 BAO) ist zu verstehen, dass das Recht, bereits fällige Abgaben einzuheben, binnen 5 Jahren nach Ablauf des Jahres verjährt, in dem die Abgabe fällig wurde. Eine absolute Einhebungsverjährung kennt die BAO nicht. Bei der Einhebungsverjährung gibt es weiterhin eine Verjährungsunterbrechung Unterbrechungshandlung wie etwa (nach einer Mahnung oder Bewilligung von Zahlungserleichterungen beginnt die 5jährige Verjährungsfrist neu zu laufen). Die neuen Verjährungsregelungen gelten ab 1.1.2010. Für Nachforderungen bzw. Gutschriften infolge einer Nachschau gilt § 209 BAO jedoch erst ab 1.1.2011, wenn der Beginn der Amtshandlung vor dem 1.1.2010 gelegen ist. 4.) Nachsicht von Abgaben (§ 236 BAO) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles „unbillig“ wäre. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete, wobei es allerdings nicht unbedingt der Gefährdung des „Nahrungsstandes“ (bei natürlichen Personen), besonderer finanzieller Schwierigkeiten oder Notlagen bedarf, sondern es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Sachlich bedingte Unbilligkeit hingegen ist anzunehmen, 37 wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die begehrte Nachsicht gestützt werden kann (vgl. z. B. das Erkenntnis des VwGH vom 20. Jänner 2000, Zl. 95/15/0031, und die dort zitierten Vorerkenntnisse). Kommt der Abgabepflichtige als Begünstigungswerber diesen Mindesterfordernissen, die an den Antrag zu stellen sind, nicht nach, hat er mit dessen Abweisung (als zwingende Entscheidung, kein Ermessen) zu rechnen (vgl. dazu Stoll, BAO – Kommentar 2000, 243). Über ein Nachsichtsansuchen entscheidet in I. Instanz der Gemeindevorstand gemäß § 44 Abs. 1 lit. c der Stmk. Gemeindeordnung 1967. 5.) Berichtigungsbescheid (§ 293 BAO) § 293 BAO ermöglicht der Behörde, bestimmte Fehler, die bei der Ausfertigung eines Bescheides unterlaufen sind, auf Antrag einer Partei zu berichtigen. Es sind dies: - Schreib- und Rechenfehler (z.B. falsche Schreibweise eines Namens) - Offenbar Unrichtigkeiten auf einem (Fehler, die Versehen von der beruhende Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit hätten vermieden werden können; Beispiel: Abweichung der Urschrift von der Erledigung). Es ist jedoch nicht möglich, einen fehlerhaften Spruch oder eine fehlerhafte Begründung richtig zu stellen oder sonstige rechtliche Mängel des Bescheides zu beheben. 38 - Fehler, die offensichtlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhen. Die Berichtigung hat durch Bescheid zu erfolgen; zuständig ist die Behörde, die den fehlerhaften Bescheid erlassen hat. Eine Berichtigung ist nur bei rechtskräftigen Bescheiden möglich. Der Berichtigungsbescheid kann mit denselben Rechtsmitteln wie der berichtigte Bescheid angefochten werden. 6.) Aufhebung gemäß § 299 BAO Zuständig ist nunmehr die Abgabenbehörde 1. Instanz und nicht wie bisher die Oberbehörde. Die Aufhebung ist nur dann möglich, wenn sich der Spruch des aufzuhebenden Bescheides als nicht richtig erweist, also nur bei Rechtswidrigkeit des Inhaltes (und nicht mehr z.B. wegen Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften oder wegen Unzuständigkeit). Außerdem gibt es nunmehr neben der amtswegigen Aufhebung ein Antragsrecht der Partei (Entscheidungspflicht!). Der Aufhebungsbescheid ist mit dem neuen Sachbescheid zu verbinden. Die Aufhebungsfrist beträgt grundsätzlich 1 Jahr ab Bekanntgabe des aufzuhebenden Bescheides (§ 302 BAO). 7.) Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 303ff BAO) Vereinheitlicht sind nunmehr insbesondere die Antragsfristen (3 Monate ab nachweislicher Wiederaufnahmegrundes; nicht Kenntnis des verlängerbar), die Zuständigkeit für die Wiederaufnahme des Verfahrens (Abgabenbehörde, die den Bescheid in I. Instanz erlassen hat) sowie die Inhaltserfordernisse des Wiederaufnahmeantrages (Mängelbehebungsauftrag). Die „absolute“ Verjährung betreffend die Einbringung eines Wiederaufnahmeantrages 39 beträgt 5 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft. Die Wiederaufnahme von Amts wegen liegt im Ermessen der Behörde. In dem die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid sind die Wiederaufnahmegründe anzuführen; auch die Wiederaufnahme von Amts wegen ist nur innerhalb der Verjährungsfrist zulässig. Wiederaufnahmegründe sind: a.) Wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder b.) wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten oder c.) wenn der Bescheid von Vorfragen abhängig war oder nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. 8.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308f BAO) Die Vereinheitlichung betrifft insbesondere die inhaltlichen Erfordernisse eines Wiedereinsetzungsantrages (Mängelbehebungsverfahren), die Frist zur Antragstellung (3 Monate nach Aufhören des Hindernisses) und die Befristung der Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages (5 Jahre ab Ende der versäumten Frist). Der Antrag ist bei der Behörde einzubringen, bei der die Frist versäumt wurde. Die Antragsfrist ist nicht verlängerbar. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig mit Wiedereinsetzungsantrages der Einbringung nachzuholen. des Der Wiedereinsetzungsantrag hat zu beinhalten: die Bezeichnung der versäumten unvorhergesehenen Frist, oder die Bezeichnung unabwendbaren des Ereignisses, Angaben zur Rechtzeitigkeit des Antrages sowie Angaben 40 zum fehlenden groben Verschulden an der Fristversäumung. 9.) Devolutionsantrag gemäß § 311 BAO Devolutionsanträge sind bei der Abgabenbehörde II. Insatnz einzubringen; diese hat der Abgabenbehörde I. Instanz aufzutragen, innerhalb einer Frist bis zu 3 Monaten ab Einlangen des Devolutionsantrages zu entscheiden oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden. Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht auf die Abgabenbehörde II: Instanz über, wenn die Frist abgelaufen ist. Gemäß § 311 a) BAO hat der Devolutionsantrag zu enthalten: a.) die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde, b.) die Darstellung des Inhaltes, des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht, c.) die Angaben, die zur Beurteilung des Fristablaufes notwendig sind. Entspricht der Devolutionsantrag nicht diesen Inhaltserfordernissen, hat die Abgabenbehörde II. Instanz dem Antragsteller die Mängelbehebung mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Fristablauf als zurückgenommen gilt. Ein Devolutionsantrag ist abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde 1. Instanz zurückzuführen ist. 10.) Übergangsbestimmungen Gemäß § 323a Abs. 1 Z. 1 BAO treten die Änderungen für Landes- und Gemeindeabgaben mit 1.1.2010 in Kraft. In § 323a Abs. 1 Z. 2-7 BAO finden sich diverse Übergangsbestimmungen: So bleiben etwa abgabenrechtliche Begünstigungen oder Befreiungen 41 wie etwa Zahlungserleichterungen oder Fristverlängerungen aufrecht, wenn diese vor dem 1.1.2010 zuerkannt wurden. Die Bestimmungen betreffend die Verjährung (§§ 207 und 209 BAO) sind ab 1.1.2010 anzuwenden. Hinsichtlich der Getränkesteuerrückzahlungsverfahren wird Folgendes bestimmt: § 186 Stmk. LAO ist für Abgabenansprüche, die vor dem 1.1.2010 entstanden sind, auch nach dem 1.1.2010 anzuwenden. 42 5. Abschnitt: Getränkeabgabe 1.) Urteil des EuGH vom 9. März 2000, C-437/97 Mit diesem Urteil befand der Europäische Gerichtshof die Getränkeabgabe auf alkoholische Getränke für gemeinschaftsrechtswidrig und sprach gleichzeitig aus, dass sich nur jene Abgabepflichtigen auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit berufen können, die vor dem 9. März 2000 Klage erhoben oder einen Rechtsbehelf eingelegt haben. Der Begriff Rechtsbehelf insbesondere sind ist weit darunter zu interpretieren, Nullerklärungen und Rückzahlungsanträge zu verstehen. Rückzahlungsanträge, die unter einer Bedingung gestellt werden (wie etwa „Sollte die Getränkesteuer als EU-widrig erklärt werden, wird die Rückzahlung der für diesen Zeitraum geleisteten Abgabe beantragt.“) sind unzulässig. Auch Prozesserklärungen, die für die Zukunft abgegeben werden sowie Zahlungen „unter Vorbehalt“ sind nicht als Rechtsbehelfe im Sinne des oben zitierten Urteils des EuGH anzusehen. 2.) Die Überwälzungsfrage Mit Erkenntnissen vom 4.12.2003, Zl. 2003/16/0148 sowie vom 16.12.2004, Zl. 2004/16/0128, hat der VwGH erstmals zur Frage der Überwälzung ausführlich Stellung bezogen. Insbesondere wird in diesen Erkenntnissen ausgeführt, dass die Frage der Überwälzung vorrangig anhand der persönlichen Umstände des Abgabepflichtigen zu lösen ist (Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen: Vorlage von Kalkulationsunterlagen Endverbraucherpreisen). und tatsächlichen Kalkulationsunterlagen sollten möglichst das gesamte Warenangebot an alkoholischen Getränken und den gesamten Rückzahlungszeitraum 43 umfassen und einen Vergleich mit durchschnittlichen Rohaufschlägen aus makroökonomischen Analysen (etwa die Studie der Bundeswirtschaftskammer, BWK-Studie) ermöglichen. Andere Beweismittel sind die Parteienvernehmung sowie Stellungnahmen von Fremdenverkehrsverbänden oder von Verbraucherschutzorganisationen bezüglich der tatsächlich verlangten Preise. Die in der LAO vorgesehene Schätzung ist erst nach Ausschöpfung aller anderen Beweismittel heranzuziehen; Dies unter strikter Wahrung des rechtlichen Gehörs und der die Behörde in diesem Zusammenhang treffenden Begründungspflicht. Als zweiter Verfahrensschritt ist die ungerechtfertigte Bereicherung zu prüfen. Eine Bereicherung liegt nur dann vor, wenn sie nicht durch einen wirtschaftlichen Schaden zufolge Absatzrückgängen zunichte gemacht wurde. Daraus folgt, dass – um von einer Bereicherung des Abgabepflichtigen ausgehen zu können - diese einen allenfalls vorliegenden, durch die Getränkesteuer verursachten Schaden übersteigt. Die Rückzahlung der Abgabe darf von der Abgabenbehörde dann verweigert werden, wenn ihr der Nachweis gelingt, dass die Abgabenlast von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde und die Rückzahlung an den Abgabepflichtigen zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führen würde. Die Beweislast hinsichtlich der Überwälzung trifft somit die Abgabenbehörde. Die Beweislast, dass der Abgabepflichtige durch die Erhebung der Getränkesteuer einen wirtschaftlichen Nachteil und somit einen Schaden gehabt 44 hat, ist vom Abgabepflichtigen zu tragen. 3.) Urteil des EuGH vom 10. März 2005 („Ottmar Hermann/Stadt Frankfurt am Main“) In seinem Urteil „Ottmar Hermann als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Volkswirt Weinschänken GmbH gegen Stadt Frankfurt am Main“, welches die Getränkesteuer in Deutschland betrifft, unterscheidet der EuGH generell zwischen Lieferungen von alkoholischen Getränken im Handel und der Abgabe von alkoholischen Getränken an Kunden etwa in einem Gastbetrieb. Die Abgabe alkoholischer Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit geht laut EuGH mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind. Die Bewirtungstätigkeit im weiteren Sinne ist verbunden mit der Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen umfasst, weiters mit der Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, der Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, weiters mit der Bedienung bei Tisch und schließlich mit dem Abdecken der Tische und der Reinigung nach dem Verzehr. Somit ist die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit durch mehrere Handlungen gekennzeichnet, von denen die Lieferung der Getränke selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen. Das bedeutet, dass eine derartige Steuer als eine solche auf Dienstleistungen „im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren“ iS von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/12 anzusehen ist. Daraus folgt weiters, dass eine Steuer, die auf die entgeltliche Abgabe alkoholhaltiger Getränke zum 45 unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit erhoben wird, eine Steuer auf Dienstleistungen ist. Werden alkoholische Getränke daher in einem Restaurant, einer Bar, einem Cafe oder einem Gasthaus serviert, liegt nach Auffassung des EuGH nicht eine Lieferung, sondern eine Dienstleistung vor. Auf Dienstleistungen dürfen Getränkesteuern aber sehrwohl eingehoben werden; der EuGH beurteilt deshalb Getränkeausschank Getränkesteuern in auf Gastwirtschaften den als gemeinschaftsrechtskonform. Die Einhebung einer Getränkesteuer auf Lieferungen alkoholischer Getränke etwa im Weinhandel oder Supermarkt ist hingegen gemäß Art. 3 Abs. 2 der Verbrauchssteuerrichtlinie gemeinschaftsrechtswidrig. Aufgrund dieser Konkretisierung der Rechtslage durch den EuGH war innerstaatlich durch den VwGH die Frage zu klären, ob das EuGH-Urteil auch in Österreich anwendbar ist. 4.) Erkenntnis des VwGH vom 27. April 2006, Zahl: 2005/16/0217 Im oben genannten Erkenntnis ist der VwGH davon ausgegangen, dass das EuGH-Urteil vom 10. März 2005 auch auf österreichische Fälle anzuwenden ist. Insbesondere sprach der VwGH aus, dass der EuGH in seinem Urteil vom 9. März 2000 nur über die Unzulässigkeit der Besteuerung der entgeltlichen „Lieferung“ von alkoholischen Getränken, nicht aber auch über die Besteuerung einer Dienstleistung, nämlich eines Restaurationsumsatzes mit alkoholhaltigen Getränken, entschieden hat. Mit der Frage, wann eine „Dienstleistung“ im vorgenannten Sinne vorliegt, hat sich der EuGH bereits im Urteil vom 2. Mai 1996, C-231/94, beschäftigt und dabei die 46 wesentlichen Merkmale einer derartigen Dienstleistung dargestellt. Danach ist die Abgabe von Getränken in einem „Restaurationsbetrieb“ das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen. Da die entscheidende Frage, ob im Einzelfall eine Dienstleistung vorliegt, aus einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln ist, ist in jedem Beschwerdefall für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, ob „Dienstleistungen“ oder „Lieferungen“ der Getränkebesteuerung zu Grunde lagen. Betreffend die Frage der Abgrenzung der Lieferung von der Dienstleistung ist insbesondere das EuGH-Urteil vom 2. Mai 1996, Rs C-231/94 heranzuziehen. Bezugnehmend auf das von der Abgabenbehörde durchzuführende amtswegige Beweisverfahren ist jedoch hinzuweisen, dass eine weitergehende Mitwirkungspflicht des betroffenen Abgabepflichtigen besteht. 5.) Erkenntnis des VwGH vom 21. Mai 2007, Zahl: 2005/16/0247 (Handel) Mit diesem Erkenntnis betreffend einen oberösterreichischen Handelsbetrieb liegt nunmehr erstmals ein vom VwGH akzeptiertes Beweisführungs- und Berechnungsmodell betreffend die Frage der Überwälzung als Leitentscheidung für Handelsumsätze mit alkoholischen Getränken vor. Die Abgabenbehörde darf die Rückzahlung der Getränkesteuer dann verweigern, wenn sie nachweist, dass die Abgabenlast von einem anderen als dem Abgabepflichtigen getragen wurde und die Rückzahlung an den Abgabepflichtigen zu dessen ungerechtfertigter Bereicherung führen würde. Nach Feststellung der Überwälzung muss ermittelt werden, inwieweit die Getränkesteuer allenfalls zu einem Absatz- und Gewinnrückgang geführt hat. Im konkreten Beschwerdefall hat die Behörde einen wirtschaftlichen Nachteil im Ausmaß von 4 % des überwälzten Anteils an der Getränkesteuer 47 festgestellt und in dieser Höhe eine Rückzahlung vorgenommen. Bei sogenannten Mischbetrieben (etwa Tankstelle mit Shop und Kaffee) ist zu prüfen, ob beim Getränkeumsatz die gastronomischen Dienstleistungselemente qualitativ überwiegen. 6.) Weitere Vorgangsweise Bei anhängigen Verfahren ist das VwGH-Erkenntnis vom 27. April 2006 anzuwenden; das heißt, dass die Getränkesteuer auf alkoholische Getränke bei Gastronomiebetrieben festzusetzen ist, bei Lieferungen alkoholischer Getränke im Handel jedoch nicht. 6.1.) Restaurationsumsätze Nicht rechtskräftige Nullfestsetzungen erweisen sich nunmehr im Lichte des EuGH-Urteils vom 10. März 2005, C-491/03 und des darauf aufbauenden VwGH-Erkenntnisses vom 27. April 2006, Zahl: 2005/16/0217 rückblickend betrachtet als rechtswidrig, Getränken soweit betreffen, „Dienstleistungen“ sie Umsätze die von alkoholischen gemeinschaftsrechtlich einzustufen sind. Nach als den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung steht es der Rechtsmittelbehörde grundsätzlich frei, ihre Rechtsauffassung an die Stelle jener der Erstinstanz zu setzen, weshalb sie die Nullfestsetzung aufheben oder durch die Abgabenfestsetzung der Getränkesteuer für alkoholische Getränke ersetzen kann. Komplizierter stellt sich die Rechtslage jedoch dann dar, wenn solche Nullfestsetzungen bereits rechtskräftig geworden sind. Eine mögliche Variante der Vorgangsweise ist die Aufhebung des bereits in Rechtskraft erwachsenen erstinstanzlichen Festsetzungsbescheides gemäß § 299 BAO. Durch die Aufhebung des erstinstanzlichen Nullbescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor 48 Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Daraus folgt, dass aufgrund der Aufhebung eines erstinstanzlichen Bescheides die bescheidmäßige Festsetzung nun wiederum erstinstanzlich zu erfolgen hat. Nach Aufhebung von Berufungsvorentscheidungen ist die neuerliche bescheidmäßige Festsetzung entweder wiederum durch Berufungsvorentscheidung oder aber durch Berufungsentscheidung (Gemeinderat als Abgabenbehörde II. Instanz) vorzunehmen. Zu beachten ist jedoch, dass eine derartige Aufhebung nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides zulässig ist. Als weitere mögliche Vorgangsweise ist die Wiederaufnahme des bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß §§ 303ff BAO in Betracht zu ziehen. Univ.Prof. Dr. Michael Lang und Univ. Doz. Mag. Dr. Tina Ehrke-Rabel zeigen in ihren Gutachten vom Oktober 2006 diese Variante mit unterschiedlichen Ansätzen auf; während Lang über den Vorfragentatbestand zum Ergebnis der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen kommt, sieht Ehrke-Rabel die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen über den Neuerungstatbestand gegeben. Lang führt aus, dass der VwGH selbst die im Vorabentscheidungsurteil entschiedene Frage als mögliche, für andere Abgabeverfahren relevante „Vorfrage“ in Betracht zieht (z. B. VwGH vom 18.12.1997, Zahl: 97/16/0175). Weiters führt er aus, dass EuGH-Urteile (im Gegensatz zu VwGH-Erkenntnissen) über den Einzelfall hinaus generelle Bindungswirkung für alle gleichgelagerten Fälle entfalten können. Daraus ist für die Getränkesteuer folgendes abzuleiten: Aufgrund des Umstandes, dass das EuGH-Urteil vom 10. März 2005 für die Deutung der Rechtslage maßgebend ist 49 (vgl. VwGH-Erkenntnis vom 27.4.2006), erfüllt dieses Vorabentscheidungsurteil den Vorfragentatbestand. Zu dem in § 228 Abs. 2 der Stmk. LAO enthaltenen „Verböserungsverbot“ führt Lang aus, dass das gemeinschaftsrechtlich verankerte Effektivitätsprinzip gegen die Erweiterung der Anwendung dieses „Verböserungsverbotes“ auf EuGH-Urteile spricht. Der VwGH selbst ist davon ausgegangen, dass er seine Rechtsprechung nicht geändert hat (keine Befassung eines verstärkten Senates), sondern hat diese Positionen nur aufgrund der Rechtsprechungen des EuGH vertreten. Das Verböserungsverbot ist jedoch auf EuGH-Urteile nicht anzuwenden. Auch Ehrke-Rabel sieht die Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Getränkeabgabeverfahren für zulässig, und zwar aufgrund des Vorliegens eines Neuerungstatbestandes. Laut Ehrke-Rabel ist durch das EuGH-Urteil vom 10.3.2005, Hermann, das Urteil des EuGH vom 9.3.2000, Evangelischer Krankenhausverein, insoweit gegenstandslos geworden, als die Annahme der Gemeinden, dass die Getränkesteuer auch auf Alkoholumsätze in der Gastronomie EU-widrig sei, unzutreffend war. Die beiden Urteile ergänzen einander und war daher die Getränkesteuer auf Restaurationsumsätze schon ursprünglich EU-konform. Dieser Umstand ist erst durch das Urteil Hermann hervorgekommen. Aufgrund des EuGH-Urteils vom 10.3.2005, Hermann, ist der Tatbestand für die Erlassung der „Null-Bescheide“ nachträglich und rückwirkend weggefallen. Da dieser Grund für diese Ungültigkeit bereits im Zeitpunkt der Erlassung dieser Bescheide bestand, ist die Wiederaufnahme wegen Hervorkommens neuer Tatsachen zulässig. Die Wiederaufnahme des Verfahrens steht im Ermessen der 50 Abgabenbehörde. Es ist jedoch ungewiss, wie der Verwaltungsgerichtshof über die Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme in diesen Fällen entscheiden wird (bis dato liegt keine diesbezügliche höchstgerichtliche Entscheidung vor). 6.2.) Bemessungsverjährung Bei Behördeninaktivität Bemessungsverjährung tritt ein. In nach Fällen, 5 in Jahren denen die erstinstanzliche Besteuerung von Alkohol mit bislang unerledigter, offener Berufung angefochten ist, tritt keine Bemessungsverjährung ein. Seitens der Abgabenbehörde besteht jedoch Entscheidungspflicht. Die Verletzung dieser Entscheidungspflicht kann von den Berufungswerbern mit Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden. Schutz vor einer derartigen Säumnisbeschwerde bietet die bescheidmäßige Aussetzung der anhängigen Berufungsverfahren. 6.3.) Handelsbetriebe Die Einhebung der Getränkesteuer auf Lieferungen alkoholischer Getränke im Handel (Beispiel: Weinhandel oder Supermarkt) ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH-Urteil vom 10.3.2005, C491/03, Hermann) gemäß Verbrauchsteuerrichtlinie Artikel 3 Abs. 2 der gemeinschaftsrechtswidrig. Das oberösterreichische Musterverfahren vor dem VwGH vom 21.5.2007, Zahl: 2005/16/0247 hat aufgezeigt, welche Qualität ein durchzuführendes Überwälzungsverfahren aufweisen muss. Der Österreichische Gemeindebund und der Österreichische Städtebund haben Ende April 2008 eine Vereinbarung mit der Wirtschaftskammer Österreich über die Beendigung der Getränkeabgabeverfahren im Handel abgeschlossen. Mit der nunmehr getroffenen Vereinbarung 51 sollen die Gemeinden 15 % des offenen Streitwerts an den Handel zurückzahlen. Das Bundesministerium für Finanzen schießt der Vergleichssumme 7,5 Mio. Euro zu. Bis 30.9.2008 hatten die Handelsbetriebe die Höhe der zurückgeforderten Getränkesteuer für alkoholische Getränke für den Zeitraum 1.1.1995 bis 31.12.1999 bekannt zu geben, soweit es sich um noch offene Verfahren handelt. Gleichzeitig ist seitens der Handelsbetriebe eine Erklärung abzugeben, dass im Falle der Rückerstattung der Getränkesteuer in Höhe von 15 % auf ein Rechtsmittel gegen die von den Gemeinden zu erlassenden Abgabenbescheide verzichtet wird. Nach Vorliegen der von den Handelsbetrieben gemeldeten Getränkesteuerforderungen sind die Ergebnisse den Handelsbetrieben mit der Mitteilung zur Kenntnis zu bringen, dass die Gemeinde der Vergleichsvereinbarung beitritt. Bis längstens 30.11.2008 waren die Getränkesteuerfestsetzung und der 15%ige Rückzahlungsbetrag aufsichtsbehörden des zu Handels melden, den welche bis Gemeindespätestens 22.12.2008 die gemeldeten Rückzahlungsvolumina an das BMF weiterleiten, um die jeweilige Länderquote, die sich im Verhältnis zur Bundesbeteiligung ergibt, ermitteln zu können. Die Bundesmittel aus den Mehreinnahmen der Körperschaftssteuer werden den Ländern zur Aufteilung an die Gemeinden entsprechend ihrer Rückzahlungsquote zur Verfügung gestellt. Sämtliche abgabenrechtlichen Erledigungen, insbesondere die Erlassung von Bescheiden betreffend die anhängigen Verfahren, waren bis 31.3.2009 abzuschließen. Bis Ende April 2009 haben die Gemeinden den Vergleichsbetrag von 15 % an die Handelsbetriebe zu überweisen. Vorteil dieser Vereinbarung ist, dass kostspielige Verwaltungsverfahren nicht fortgesetzt werden müssen und ein nicht unbeachtliches Prozessrisiko bei weiteren Verfahren vor den Höchstgerichten vermieden wird. 52 53