Word-Datei - mcleods töchter

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Rettung der Vergangenheit
Autor: Jayna ([email protected])
Rating: PG-13 (denk ich)
Anmerkungen: 1. Ich nenne Charlotte Bom und nicht Mebsi. 2. Ihr solltet die Folge 73 kennen…aber das tun ja eigentlich alle
*losheul* 3. Habt ein wenig Nachsicht mit mir. 4. Bom ist bei mir etwas älter. Am Anfang ist sie 4 Jahre *muss sein*
Das ist meine zweite FF und ich hoffe, sie gefällt euch.
Ich würde gerne jede Menge Feedback bekommen. Umso besseren, desto schöner ist es für mich. Konstruktive Kritik nehme
ich gerne an. Man will sich ja schließlich verbessern. Eure Meinung ist mir halt wichtig, damit ich weiß, ob ich überhaupt weiter
schreiben soll.
PS: Der Anfang ist das Ende der Mitte der Folge 73. Zumindest einiges…hab einiges rausgelassen. Stammt also nicht von mir
;) Hab’s bloß als Text geschrieben ^^
Spoiler: Vor allem Folge 73 (der Anfang); weiter bin ich noch nicht^^
Inhalt: Ein Unfall und der Tod von Claire verändert das Leben aller MLTs…aber ist sie wirklich tot? Und mal schauen, was dann
noch so passiert…
Disclaimer: Alle MLT Charaktere sind Eigentum von Nine Network, The South Australian Film Corporation and Millenium
Television. Diese Fanfic wurde lediglich zum Spaß geschrieben und nicht um damit Geld zu verdienen. Jegliche Ähnlichkeiten
zu Lebenden und Toten Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt. Alle weiteren Charaktere sind Eigentum des Autors.
„The wheels on the bus go round and round. Round and round, round and round. The wheels on the bus
go round and round. On a sunny day,” Claire und Tess McLeod saßen im Auto und sagen lautstarkt. Auf
der Rückbank saß Charlotte und guckte mürrisch aus dem Fenster. Ihr gefiel der Gesang ihrer Mutter
und ihrer Tante anscheinend nicht so.
„Vielleicht sollten wir lieber nicht singen,” sagte Tess und hörte auf zu singen, „Ja, ist besser.“
Claire haute auf das Lenkrad: „Oh so ein Mist, jetzt hab ich die Chips vergessen.“
„Wir können doch keine Party ohne Chips feiern,“ meinte Tess daraufhin.
„So ein Glück, die Salsa hab ich auch vergessen,“ Claire guckte Tess einen Augenblick an und vergaß
die Straße.
„Claire!“
In diesem Augenblick überquerte der weiße Hengst die Straße. Claire riss das Lenkrad um. Dem Hengst
war nichts passiert und ihnen auch nicht. Sie konnten aufatmen.
„Oh man, das war knapp,“ sagte Claire erleichtert.
„Das Pferd, es war…“ stammelte Tess. Den ganzen Tag verfolgte sie dieser weiße Hengst schon.
„Der wilde Hengst, ich weiß.“
„Ob Nick weiß, dass…“
Ein Ruckeln ging durch den Wagen. Claire war mit voller Geschwindigkeit in ein großes Schlagloch
gefahren, was Claire vom Weg abbrachte. Claires Fuß war unter der Bremspedale eingeklemmt, was ein
Bremsen unmöglich machte. Sie rasten weiter auf dem unwegsamen Weg und streiften mit der
Fahrerseite ein Baum. Claire versuchte die ganze Zeit, das Auto wieder unter Kontrolle zu bekommen,
doch die Angst, der eingeklemmte Fuß und dieser unwegsame Boden machten das nicht gerade
einfacher.
Tess schrie ununterbrochen und auch Claire war danach zu Mute, doch sie hatte momentan andere
Probleme, denn die Klippe kam immer näher und ihr Fuß war immer noch eingeklemmt. Schließlich
konnte sie ihren Fuß befreien und trat mit voller Wucht auf die Bremspedale. Das Auto stoppte…aber es
hing über dem Abhang. Tess und Claire starrten direkt in die Tiefe.
„Scheiße,“ murmelte Claire. Zu mehr war sie gerade nicht in Stande. Der Schock stand ihr im Gesicht
geschrieben.
„Oh mein Gott,“ sagte Tess.
Schmerz. Claire spürte auf einmal ein Stechen im rechten Oberschenkel. Ihr Oberschenkel war
eingeklemmt und blutete stark. Das Streifen des Baumes muss doch mehr als nur ein leichtes Streifen
gewesen sein. Claire stöhnte auf, als sie ihr Bein berührte. Bom fing an zuweinen.
„Mama?“ schluchze sie.
„Schon gut Bom. Alles in Ordnung, Kleine. Keine Angst,“ sagte Claire und hoffte nicht zu panisch zu
klingen. Das Auto rutschte. Der Abgrund kam näher. Die Panik wurde größer.
„Claire…“ flüsterte Tess panisch.
„Nicht bewegen. Nicht bewegen, bleib ganz still sitzen. Hast du gehört? Kannst du deine Beine
bewegen?“ Claire versuchte ganz ruhig zu bleiben, um die ganze Situation überblicken zu können. Ihr
Bein schmerzte höllisch und Bom weinte auch, was ihr Vorhaben nicht gerade einfach machte.
„Ja,“ antwortete Tess.
„Gut!“
„Du?“
„Nein,“ Claire fasste sich ans Bein und verzog das Gesicht vor Schmerzen, „Mein Bein ist unter der
Lenksäule eingeklemmt.“
„Wir müssen warten, bis jemand vorbeikommt!“ meinte Tess auf einmal.
Das Auto rutschte weiter und Claire musste sich ein Aufschreien unterdrücken.
„Okay…“ Claire versuchte ruhig zu bleiben und guckte Tess eindringlich an, „Es ist keine Zeit mehr. Du
musst jetzt aussteigen und Bom rausholen.“
„Nein, wir steigen nur zusammen aus,“ entgegnete Tess panisch.
„Ja, wir steigen alle aus,“ Claire versuchte Tess zu beruhigen, „Aber erst solltest du aussteigen. Dreh
dich jetzt ganz langsam um.“ Claire versuchte Tess aufmunternd anzulächeln, was ihr aber nicht gelang.
Ihre Angst war einfach zu groß, auch wenn sie das nie zugegeben würde.
„Ja gut,“ antwortete Tess und die ersten Tränen liefen ihre Wangen hinunter.
„Ich kriegs nicht raus,“ Claire versuchte ihr Bein aus der unbequemen und nicht gerade hilfreichen Lage
zu befreien, doch es gelang es nicht. Auch Tess hatte ihre Probleme. Sie konnte sich nicht abschnallen.
„Mein Gurt,“ murmelte sie.
Claire griff langsam und vorsichtig zum Gurt und löste ihn. Das Auto rutschte weiter und der Abgrund
kam näher. Sie hörten wie Steine den Abhang hinunterfielen. Die Angst wuchs. Bom schreite auf.
„Keine Angst Bom…“ Tess griff langsam nach hinten, um Bom zu helfen, aber sie kam nicht heran.
„Ganz langsam,“ flüsterte Claire. Das Auto rutschte wieder. Claire verzog ihr Gesicht vor Schmerzen.
Immer mehr Gewicht lagerte sich auf ihr Bein und machte die Schmerzen noch schlimmer.
„Gott…“ murmelte sie. Sie war den Tränen nahe. Die Angst, die Schmerzen. Es war einfach zu viel.
Doch sie musste stark sein. Sie durfte jetzt nicht verzweifeln, dann würden sie alle das nicht überleben.
Bom weinte.
„Keine Angst mein Schatz. Hab keine Angst,“ sagte Claire zu Bom und versuchte so optimistisch zu
klingen, wie es ging.
„Na gut okay,“ Claire musste sich etwas neues einfallen lassen, „Öffne die Tür und hol sie durch die Tür,
okay?“
„Aber…aber nein,“ Tess war verzweifelt, „Lass uns versuchen dein Bein rauszuholen!“ Sie wollte ihrer
Schwester helfen.
„Nein nein nein nein nein. Jetzt öffne die Tür und hol sie raus,“ rief Claire verzweifelt und fing an zu
schluchzen. Sie konnte ihre Tränen nicht mehr zurück halten. Es ging hier um ihre kleine Tochter, „Sie
ist doch meine Tochter!“
Das Auto rutschte wieder und ein Schub Panik durchflutete den Körper aller Anwesenden.
„Bitte Tess,“ rief Claire verzweifelt.
Tess schaffte es schließlich ihre Tür zu öffnen und auszusteigen. Sie sah den Anhang hinunter und
schlängelte sich vorsichtig und voller Angst zur Tür, die den Weg zu Bom versperrte. Sie öffnete diese
vorsichtig und versuchte Boms Gurt zu öffnen. Bom weinte.
„Ist okay, Bom. Alles okay mein Schatz,“ flüsterte Claire ihrer Tochter zu.
„Keine Angst Bom. Keine Angst. Ist ja gut, Schätzchen,“ Tess versuchte ihre kleine Nichte zu beruhigen.
„Hast du sie?“ fragte Claire ängstlich. Sie sah den Abhang hinunter. Er war hoch…sehr hoch.
„Ich hab sie!“ sagte Tess schließlich nach einer Ewigkeit.
„Danke,“ sagte Claire. Claire atmete auf. Bom war in Sicherheit.
Tess lief mit Bom ein Stückchen weg um sie in das sichere Gras zu setzen.
„Bleib hier!“
Jetzt wollte sie noch Claire helfen, damit sie alle nach Hause konnten. Sie lief zu Claires Tür und rüttelte
an dieser. Sie klemmte. Sie ging nicht auf. Tess überkam Panik.
„Sie klemmt…“ sagte sie. Claire stöhnte vor Schmerzen auf und verzog ihr Gesicht, „kannst du dein Bein
bewegen?“
„Nein,“ antwortete Claire unter Schmerzen. Tess hatte eine Idee.
„Was ist mit dem Hebel unter dem Sitz?“
„Der klemmt….“ Das Auto rutschte wieder und wieder kam der Abhang näher. Claires Puls
beschleunigte sich noch mehr. Tess sah auf die Ladefläche des Pickups.
„Okay, ich binde uns fest mit dem Seil hinten,“ Tess hoffte inständig dieser Plan würde funktionieren.
„Geh,“ rief Claire. Sie hoffte mit.
Tess schnappte sich das Seil am Auto und lief mit dem anderen Ende des Seils in Richtung eines
Baumes. Auf der Hälfte des Weges allerdings endete das Seil. Tess schaute sich panisch und hektisch
um. Irgendwas musste sie doch tun können.
„Oh Gott, nein,“ murmelte sie und lief zu Claire zurück, „Zieh dein Bein raus! Versuch es! Versuch es!“
Tess schrie Claire verzweifelt an. Irgendwas musste sie doch tun können. Irgendwie musste sie es doch
schaffen, ihre Schwester zu befreien.
„Ich schaff es nicht,“ sagte Claire. Ihr Bein war so stark eingeklemmt. Sie konnte es einfach nicht
bewegen. Sie guckte Tess panisch an. Das Auto rutschte wieder gefährlich weit nach vorne. Tess rannte
nach hinten und versuchte in ihrer Verzweiflung das Auto festzuhalten. Doch das Auto und die
Erdanziehungskraft waren einfach zu stark. Das Auto rutschte weiter. Sie bekam immer mehr Panik. Das
durfte nicht passieren!
„NEIN!“ schrie Tess immer wieder verzweifelt. Sie rannte wieder nach vorne zu Claire.
„Claire, zieh…zieh dein Bein raus!“ schrie Tess weinend. Das Auto rutschte weiter und schließlich
wusste Claire, dass sie das Auto nicht verlassen könnte. Ihre Tochter war in Sicherheit. Tess versuchte
indessen weiter das Auto am rutschen zu hindern.
„Du musst auf Charlotte aufpassen,“ flüsterte Claire mit tränenerstickter Stimme.
„NEIN!“ schrie Tess. Sie wollte nicht, dass Claire so redete. Aufgab. Sich dem Schicksal hingab. Das
durfte nicht passieren. Sie zog am Auto, doch das Auto und die Erdanziehungskraft waren einfach
stärker. Das Auto rutsche.
„Ich liebe dich!“ flüsterte Claire und schubste Tess von Auto weg, damit sie nicht mitgerissen wird, wenn
sich das Auto den Weg in den Abgrund bahnen würde.
„NEIN! NEIN!“ schrie Tess, doch sie konnte nicht verhindern, dass das Auto samt ihrer Schwester den
Abgrund hinunterfiel.
Sie lag am Abgrund und robbte so weit, dass sie das Ende des Abgrundes sehen konnte.
„Nein…Nein!“ schrie sie, als sie das Auto unten sehen sah. Kaputt, zerbeult.
Sie stand auf.
„Nein…Nein!“ rief sie immer wieder. Sie rannte zu Charlotte. Ihr ging es gut…soweit ganz gut. Tess
weinte und nahm Charlotte auf dem Arm und drückte sie an sich.
„Wo ist Mama?“ fragte Bom und guckte ihre Tante weinend an.
Hilfe. Sie musste Hilfe holen.
Währenddessen waren alle Freunde der Schwestern auf Drover’s Run versammelt. Sie wollten feiern.
Zunächst natürlich, dass Tess kein Krebs hatte und zum anderen, Alex’ Einzug auf Drover’s. Sie ahnten
nicht, was sich gerade kilometerweit abgespielt hatte.
Tess rannte so schnell sie konnte. Sie wusste nicht wie weit ihr Zuhause noch entfernt war, aber der
Weg hörte und hörte nicht auf.
„Nick, hast du auch überall im Haus nachgesehen?“ fragte Alex seinen Bruder in einem unbeobachteten
Moment. Alex wollte Claire einen Antrag machen und beim Umzug ist ihm der Ring abhanden
gekommen und nun hoffte er, Nick hätte ich gefunden. Dieser holte auch gleich ein kleines Kästchen
heraus und übergab es Alex.
„Hach, Gott sei Dank. Du kannst frech sein,“ sagte er und blickte das Kästchen mit dem Ring lächelnd
an. Was würde Claire wohl dazu sagen?
„Ich wollte nicht, dass du ihn noch einmal verlierst. Dafür ist der Trauzeuge zuständig,“ sagte Nick
lächelnd.
„Ach du meinst, dass ich dich nehme?“ gab Alex frech zurück.
„Gute Idee,“ antwortete Nick, „Wie willst du ihr den Antrag denn machen?“
„Weiß ich nicht…aber es muss gut sein. Damit wollen wir noch unsere Enkel langweilen!“
„Steck den Ring doch in den Zwiebeldipp,“ schlug Nick lachend vor.
„Nein, mir wird schon etwas einfallen. Ach, ich werde sie einfach überraschen!“ Aber wie. Das war noch
die Frage. Er sah das Haus an. Da war das Schlafzimmer. Er hatte die Idee.
Tess rannte in der Zeit verzweifeln weinend die Straße entlang. Kein Auto zerstörte die Ruhe des
Outbacks. Kein Auto kam und konnte ihr helfen. Sie war so verzweifelt. Irgendjemand musste doch hier
entlangfahren und Tess helfen, ihrer Schwester zu helfen. Irgendjemand…
Alex war in Claires Zimmer. Bald war es offiziell das Schlafzimmer von Claire UND ihm. Auf dem
Schminktisch von Claire stehen Bilder. Er lächelt. Sie sieht so unglaublich schön aus. Er sieht sich im
Zimmer um und sein Blick bleibt beim Bett stehen. Er lächelt und holt das Kästchen mit dem Ring aus
seiner Tasche. Er streicht über den Deckel und öffnet ihn. Der Ring war noch da. Zum Glück. Er glitzerte
und funkelte. Er schließt den Deckel wieder und legt das geschlossene Kästchen auf Claires Bett. Er
runzelt die Stirn. Er öffnet das Kästchen wieder und legt es wieder auf das Bett. Jetzt lächelt er. Perfekt.
Er freute sich schon auf Claires Gesicht.
Nach einer halben Ewigkeit kam Tess schreiend auf den Hof gelaufen. Sie war völlig erschöpft.
„Helft mir. Helft mir doch. Claire…!“ schrie sie verzweifelt und weinte.
Alle wussten, es muss etwas Schlimmes geschehen sein. Meg nahm Tess Bom ab und ließ den Rest
gehen. Sie wollte hier bleiben und auf Bom aufpassen.
Alle anderen verließen den Hof so schnell wie sie konnten und fuhren dahin, wo sie das Schrecken
erwartete.
Alex stürmte aus dem Auto und sah Rauch den Abgrund hinauf steigen. Viel Rauch. Er lief zum Abgrund
und sah hinunter. Das Auto brannte, es war explodiert.
„Claire!“ schrie er unentwegt verzweifelt. Das konnte nicht wahr sein. Das konnte nicht das Auto von
Claire sein. Die anderen kamen bei ihm an und schauten ebenfalls hinunter.
„Nein,“ schluchze Tess, „Claire! Sag was. Du darfst nicht tot sein. CLAIRE!“
Alex lief zum Wagen und holte ein Seil. Er wollte sich zu Claire abseilen und sie retten. Sie durfte nicht
tot sein. Er hatte sie doch gerade erst bekommen. Gerade waren sie glücklich. So unfair und schlimm
konnte das Schicksal es nicht mit den beiden meinen.
„Alex!“ rief Nick seinem Bruder hinterher. Er lief ihm nach und befestigte ein Ende des Seils sicher am
Auto. Alex war schon zum Abhang geeilt und seilte sich ab.
Tess stand mit Jodi am Abhang und weinte. Sie verstand das alles nicht. Warum nur…
„Alex…Langsam!“ rief Nick Alex hinterher.
Als Alex ein Stück hinunter geklettert war, explodierte das Auto von neuem.
„Nein,“ murmelte Alex und ließ sich die letzten Meter in die Tiefe fallen.
„Claire!“ schrie Tess weinend. Jodi versuchte Tess mit liebevollen Gestiken zu beruhigen, aber sie war
selbst geschockt und voller Angst.
„Claire…Claire,“ Alex lief um das brennende Auto herum. Er konnte nichts erkennen. Lediglich Feuer
und Rauch sah er.
„Claire,“ er ging näher an das Auto ran. Er musste sie retten, auch wenn er nicht wusste, ob sie noch am
Leben war. Er konnte nicht tatenlos zusehen, wie das Auto, wo seine Liebe drin gefangen war,
ausbrannte.
„Feuerwehr…wir müssen die Feuerwehr rufen,“ rief Tess plötzlich und rannte zum Auto, um mit einem
Handy die Feuerwehr anzurufen.
„Hallo?“ schrie sie ins Handy, „meine Schwester…Klippe…“ Tess konnte nicht erklären, was passiert
war. Es war einfach zu schrecklich. Jodi nahm ihr das Handy ab und erklärte der anderen Seite so ruhig
sie konnte, was passiert war.
Alex stand währenddessen regungslos vor dem brennenden Auto und starrte weinend in die Flammen.
Warum? Warum sie? Warum jetzt? Warum nur?
Nick seilte sich ebenfalls ab. Er sah, dass Alex es aufgegeben hatte. Er hatte es eingesehen…Er stellte
sich zu seinem Bruder.
„Es tut mir leid,“ flüsterte er.
„Sie war so jung…so hübsch…so perfekt…“
„Ich weiß.“
„WARUM?“ schrie Alex in den Himmel, „warum?“
Es dauerte eine Ewigkeit bis die Feuerwehr am Unfallort ankam und sie konnten auch nicht viel tun. Das
brennende Auto lag unten, sie standen oben. Die Feuerwehr half Alex und Nick wieder nach oben und
löschten schließlich auch das Auto. Zumindest das, was davon übrig geblieben war. Es war alles
schwarz und in sich zusammengefallen. Wüsste man nicht, dass es einmal ein Auto gewesen war,
könnte man das Verbrannte nicht definieren.
Es kam allen vor wie ein Traum. Ein schlimmer Traum – ein Alptraum, der nicht schlimmer hätte sein
können.
Stumm, geschockt und wie in Trance stiegen Tess, Jodi, Alex und Nick wieder in ihre Autos und fuhren
zurück nach Drover’s, während die Feuerwehr mit Hilfe der Polizei ihre Arbeit beendete.
Sie kamen auf Drover’s Run an. Meg sah ihnen an, was passiert war. Sie konnte es nicht glauben. Nicht
Claire… Tess kam und nahm ihr Bom an und ging ins Haus. Jodi kam weinend und warf sich in die
Arme ihrer Mutter. Es war alles so schrecklich.
Tess saß mit Bom in Claires Zimmer und sagte nichts. Sie wiegte ihre weinende Nichte im Arm und
starrte vor sich hin. Sie glaubte das alles nicht. Es war alles so unfair. Nicht richtig. Falsch.
Unverständlich.
Alex betrat das Zimmer und sah Tess mit verweinten Augen an. Auch er konnte das alles nicht glauben
und wollte es nicht wahrhaben.
„Alex…“ flüsterte Tess, doch Alex reagierte darauf nicht. Er sah auf das Bett und den Ring und weinte.
Tess folgte seinem Blick und sah den Ring. Alex wollte Claire heute einen Antrag machen…Heute…sie
schluckte.
Alex ging zum Bett und schloss das Kästchen. Er nahm das Kästchen an sich und verließ den Raum.
Tess fing an zu weinen. Das konnte doch nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Das ging gar nicht.
An einem der nächsten Morgen stand Tess wieder in Claires Zimmer. Sie konnte sich nicht vorstellen,
dass sie nie wieder die Stimme ihrer Schwester hören sollte. Nie wieder ihr Gemahne. Nie wieder ihr
Gemecker, wenn Tess etwas falsch gemacht hatte. Nie wieder ihr Lachen. Nie wieder ihre liebevollen
Worte. Nie wieder ihre Stimme…
Sie ging durch das Zimmer. Es wirkte so einsam. So leer. Auf Claires Nachttisch standen Fotos. Von
Claire, Alex und Bom in Melbourne. Claire und sie bei der Windmühle. Sie und Claire als Kinder. Eins
von Bom. Eins von Jack und Claire. Tess kamen die Tränen. Erst ihre Mutter, dann ihr Vater, nun ihre
Schwester. Warum starben denn nur alle, die sie liebt. Immer mehr Tränen folgten. Sie nahm das Foto
von ihr und Claire und drückte es an sich. Sie weinte lautlos. Immer mehr Tränen folgten ihren
Vorgängern.
„Claire,“ schluchze sie, „warum? Warum musstest du mich verlassen?“ Sie küsste das Foto.
Alex stand am Abgrund und blickte hinunter. Das verbrannte Auto war weg. Nur einige Reifenspuren und
Asche wiesen noch auf die Tragödie hin. Sonst war alles wie früher. Alex schluckte und kämpfte mit den
Tränen. Er setzte sich an die Klippe und sah in die unendlichen Weiten des Outbacks.
Warum nur? Warum? Keiner und Nichts konnte diese Frage beantworten.
„Nein…Claire,“ schluchzte er, „ich liebe dich so sehr. Ich brauche dich!“ Er stellte sich an den Abgrund.
„Alex,“ sagte jemand hinter ihm.
„Nick,“ entgegnete Alex ohne sich umzudrehen.
„Tess hat angerufen. Es geht um Claires Leiche...“
„Ja?“
„Das Auto war zu verbrannt. Sie konnten sie nicht bergen.“
„Was?“
„Es tut mir leid…“
Alex drehte sich um. Jetzt konnte er sich nicht einmal richtig von Claire verabschieden.
Tess stand neben dem Sarg. Auch wenn Claires Leiche nicht geborgen werden konnte, sollte Claire
beerdigt werden. Symbolisch. Tess weinte und strich über den Sarg.
„Claire…vielleicht hörst du mich ja…“ sie schluckte, „Ich liebe dich so. Du bist die beste Schwester, die
man sich wünschen könnte.“ Ihre Hand lag auf dem Sarg. Sie wünschte sich so sehr, dass Claire gleich
reinkommt und sagen würde, es war alles ein Scherz. Auch wenn es ein schlechter Scherz gewesen
wäre, wäre Tess doch glücklich gewesen. Aber es geschah nicht. Claire kam nicht. Nie wieder…
„Ich vermisse dich so sehr. Und Bom auch. Es ist so unfair,“ flüsterte Tess mit tränenerstickter Stimme.
Die Tür zum Raum wurde geöffnet und Tess sah Alex. Auch er hatte vom Weinen gerötete Augen.
„Hallo Tess,“ sagte er.
„Hallo Alex, hat Nick…“
„Ja hat er. Ich will mich trotzdem hier von Claire verabschieden.“
Tess ließ Alex alleine. Gerade waren er und Claire glücklich. Claire hatte es so verdient…sie hatte so
viel Pech mit den Männern in den letzten Jahren gehabt und nun hatte sie Glück und…
„Claire, meine Liebe meines Lebens,“ flüsterte Alex. Er ging zum Sarg und strich darüber. Das Bild, was
auf dem Sarg stand, war eines seiner Lieblingsbilder von Claire. Er lächelte sanft das Bild an und nahm
es in die Hand. Langsam, behutsam zeichnete er ihre Konturen nach. Eine Träne fiel auf das Bild.
„Claire! Warum?“ Er küsste das Bild und drückte es dann an sich.
„Weißt du Claire, es ist unfair. Ich liebe dich. Ich kann nicht ohne dich leben und du weißt das. Warum
bist du weggegangen?“
Alex schluchze und weinte immer mehr. Er hatte noch nie einen Menschen so geliebt wie Claire.
„Damals beim Rodeo, wo wir uns kennen gelernt haben…weißt du? Ich war damals schon in dich
verliebt…die ganze Zeit über. Ich war nur zu feige, es dir zu sagen. Wenn ich es getan hätte, hätten wir
schon eine Großfamilie…“ Er schwieg. Es wäre so schön gewesen.
„Ich wollte dir das heute geben,“ Alex zog das Kästchen mit dem Ring aus der Hosentasche, „Claire, ich
liebe dich und ich wollte dich heute fragen, ob du mich heiraten willst!“ Ein Heulkrampf durchschüttelte
ihn.
„Du bist nicht da! Das ist falsch. Ich liebe dich doch so unendlich!“
Ein paar Tage später war die Beerdigung. Es war ein schöner Tag…es wäre ein schöner Tag gewesen.
Alle standen still schweigend um den Sarg herum und eigentlich konnte es immer noch niemand fassen,
dass sie tatsächlich hier standen und Claire beerdigten.
Der Sarg wurde abgestellt und alle versammelten sich darum. Terry ging nach vorne um einige
Abschiedsworte zu sagen. Er holte einen Zettel hervor und man sah im die Trauer deutlich an. Er kannte
Claire schon sein halbes Leben lang und er fand es nicht richtig, dass er an ihrem Grab stand.
„Äh, wann immer Tennyson veröffentlicht wurde bat er darum, dass hier ans Ende zu setzen:
Sonnenuntergang und auch Abendstern, an mich ergeht ein Ruf von Fern, doch bitte trauert nicht weil
ich nun geh, muss ich doch stechen jetzt in See, Dämmerung und Abendgeläut und dann die dunkle
Nacht. Ohne Trauer und Abschied geht die Reise zu dem, der über uns allen wacht. Wir sind geboren an
einem Ort zu unserer Zeit, doch trage die Flut mich endlos weit und trete über die Schwelle, sodann steh
ich, so hoffe ich, vor unseren Steuermann,“ sagte er und steckte den Zettel wieder in die Hosentasche.
Er rang sich ein Lächeln ab.
Meg wollte nun auch etwas sagen. Sie hatte eine kleine Rede vorbereitet. Sie atmete tief durch und
stellte sich dann ebenfalls vor die Trauergemeinde.
„Ich kannte Claire seit sie ein Kind war. Sie hat…sehr schnell gelernt so hart zu sein wie das Land auf
dem sie aufgewachsen ist. Aber sie war einsam. Sie hat sich immer jemanden gewünscht mit dem sie
ihr Leben teilen konnte. Endlich wurde ihr Wunsch erfüllt. Einen Mann der sie liebte und eine
wunderschöne Tochter und dazu...eine Schwester,“ sie musste schlucken und war den Tränen nahe.
Zitternd ging sie zu Tess und nahm ihr Bom ab.
Jetzt war Tess dran. Sie sah es als ihre Pflicht an, etwas zu sagen. Sie stellte sich an denselben Platz,
auf dem zuvor schon Terry und Meg standen.
„Danke, dass ihr heute alle gekommen seid,“ sie stockte, „Claire wäre…“ Sie schluckte. Sie stand
tatsächlich am Grab von Claire. Sie sah in die Gesichter ihrer Freunde und sah überall nur Trauer und
Verständnislosigkeit. Einige Tränen verließen ihr Auge. Sie wischte sie weg, doch es folgten noch mehr.
Sie atmete einmal tief durch.
„Als ich damals herkam, nach Drover’s Run, da wollte ich nichts anderes, als mein Erbe beanspruchen.
Ich habe es damals nicht gleich erkannt, aber das Beste daran war, dass ich…dass ich meine
Schwester wiederhatte. Und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl wirklich irgendwo
hinzugehören. Ich… Ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll ohne Claire,“ Immer mehr Tränen folgten,
„Manchmal möchte ich viel lieber einfach… einfach weglaufen und so tun, als wäre das alles nicht
passiert. Aber ich weiß, was Claire mir sagen würde. Sie würde sagen: Du musst stark sein Tess. Es ist
an der Zeit weiterzugehen und es ist an der Zeit dich den Menschen zu widmen, die du liebst. Hier auf
Drover’s Run,“ sie schluckte, „Lebe wohl Claire. Mögest du in Frieden ruhen.“ Tess weinte ganz bitterlich
und Meg kam und nahm Tess in den Arm.
„Ich möchte auch noch etwas sagen…“ Alex ging nach vorne. Er hatte ganz rote Augen vom Weinen,
„Ich kann das nicht so gut, aber ich möchte etwas sagen. Claire… Claire war die Liebe meines Lebens
und es ist unfair, dass sie mir genommen wurde. Und es ist unfair, dass Bom ohne ihre Mutter
aufwachsen wird. Das hätte Claire nicht gewollt. Ich weiß, sie hat eine tolle Tante und ich werde mich
auch immer um sie kümmern…sie ist ja wie meine Tochter…“ Alex liefen einige Tränen die Wangen
hinunter, „Ich liebe dich Claire…“ Er konnte nicht weiter reden. Er sah auf den Boden. Bom ging zum
Grab und legte eine Rose auf den Sarg.
„Ich hab dich lieb Mama. Jetzt bist du eine Engel,“ schluchze sie.
Schließlich nahmen Alex, Nick, Harry und Terry den Sarg und ließen ihn langsam in das vorgesehene
Loch sinken… Tess, Meg, Jodi und alle anderen Trauergäste standen weinend darum. Keiner konnte es
verstehen und wollte es wahr haben. Doch es war so. Der Sarg war der von Claire Louise McLeod…
Die nächsten Wochen waren für alle schwer. Irgendwie steckte in jedem Winkel von Drover’s ein Teil
von Claire und oft wurden die Freunde so an Claire und den schrecklichen Tod erinnert.
Tess versuchte Drover’s so weiterzuführen, wie Claire es getan hätte. Deshalb und um den Schmerz zu
verdrängen, arbeitete sie den ganzen Tag. Die anderen machten sich oft Sorgen um sie, doch Tess
wollte nicht auf sie hören.
„Tess, du arbeitest zu viel,“ sagte Meg und lief Tess hinterher, die schon wieder irgend etwas zu tun
hatte.
„Die Farm leitet sich nicht alleine!“ Tess nahm sich einen Besen und fegte den Hof.
„Wir sind doch da zum Helfen.“
„Trotzdem!“
„Du machst dich kaputt.“
„Ich will Charlotte eine sichere Zukunft aufbauen,“ sagte Tess und hörte auf zu fegen.
„Das wollen wir alle und wir werden es auch schaffen!“ sagte Meg und schaute Tess aufmunternd an.
„Bom vermisst ihre Mutter,“ sagte Tess und wurde traurig. Bom war noch so jung und schon ohne
Mutter.
„Ja sie vermisst sie sehr…wer kann ihr das verübeln?“
„Ja…ich…ich vermisse Claire,“ schluchzte Tess. Oft lag Tess abends im Bett und weinte. Sie vermisste
Claire so unendlich doll.
„Ich weiß!“ Meg nahm Tess in den Arm, „ich vermisse sie auch.“
„Alle, die ich liebe sterben. Mom, Dad, Claire,“ schluchzte Tess, während Meg ihr beruhigend über den
Rücken strich.
„Mom! Tess! Hilfe!“ Jodi kam mit Bom auf dem Arm angerannt. Bom schrie wie am Spieß.
„Was? Was ist passiert?“ fragte Tess ängstlich und wischte ihre eigenen Tränen weg
„Bom…ich weiß nicht. Sie saß im Buggy nd schlief. Und auf einmal hat sie angefangen zu schreien. Sie
hört nicht mehr auf!“ antwortete Jodi verzweifelt. Tess nahm Bom auf den Arm und versuchte sie zu
beruhigen.
„Schhhh… oh mein Gott,“ Sie fasst Bom an die Stirn, „sie ist ganz heiß…“ Meg kam angerannt und fasst
ebenfalls Bom Stirn an. Heiß. Sehr heiß.
„Sie hat Fieber. Was ist passiert Jodi?“
„Ich weiß es nicht. Ich hab nichts gemacht. Ehrlich. Es tut mir leid,“ Jodi wurde immer verzweifelter. Meg
schob Boms Oberteil nach oben, um den kleinen Körper zu kühlen und sah, dass eine Spinne aus der
Kleidung fiel.
„Oh nein,“ murmelte sie.
„Was?“ fragte Tess panisch.
„Leg Bom hier hin. Das war eine…eine Spinne. Ich hab den Namen vergessen. Aber nicht gerade
ungefährlich. Wir müssen gucken, ob wir einen Spinnenbiss entdecken,“ eiligst zogen die beiden Frauen
der kleinen, immer noch schreienden, Bom den Anzug aus. Bom schrie so verzweifelt, dass es allen
Anwesenden fast das Herz brach. Sie sahen sofort, dass Bom an ihrem Oberschenkel eine rote
geschwollene Stelle hat. Tess fuhr vorsichtig über die Stelle, was Bom nur noch mehr zum schreien und
weinen brachte.
„Was ist das?“ fragte sie Meg ängstlich.
„Spinnenbiss,“ sagte Meg ruhig und starrte an den Biss, „Jodi, ruf das Krankenhaus an und sag Bom hat
einen Spinnebiss. Sofort!“
Jodi rannte ins Haus. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Sie sollte auf Bom aufpassen und nun hatte
Bom einen Spinnenbiss, große Schmerzen, Fieber und muss ins Krankenhaus.
Tess und Meg brachten währenddessen Bom ins Auto, um mit ihr ins Krankenhaus zufahren.
„Wir fahren ins nächste Krankenhaus und dann sehen wir weiter. Es wird alles gut,“ sagte Meg und
blickte Tess aufmunternd an, „es wird alles gut!“
„Ja…“ Tess lief hektisch um das Auto rum.
Jodi kam angelaufen und rief: „Ich hab angerufen. Sie wissen Bescheid!“
„Gut danke. Ruf Alex bitte an und sag ihm Bescheid!“ rief Tess und setzte sich ins Auto. Meg stieg
ebenfalls ein, während Jodi wieder ins Haus lief um Alex Bescheid zu sagen.
Bom schrie immer noch wie am Spieß und war nicht zu beruhigen. Sie versuchten alles. Sie sangen, sie
erzählten ihr was, sie kühlten ihren erhitzen Körper, sie spielten mit ihr, sie wiegten sie in ihrem Armen.
„Sie muss starke Schmerzen haben…“ sagte Tess schluchzend. Sie war so verzweifelt. Sie konnte ihrer
kleinen Nichte nicht helfen… Warum ging momentan nur alles schief?
Nach einer mehr als endlosen Fahrt kamen die drei im Krankenhaus an. Tess sprang aus dem Wagen
und lief zu Boms Tür und holte Bom. Sie rannte zur Notaufnahme. Meg folgte ihr.
„Hilfe!“ schrie sie, „Hilfe! Meine Nichte.“ Ein Doktor kam ruhig auf sie zu.
„Was kann ich tun?“
„Meine Nichte. Sie wurde von einer Spinne gebissen. Sie hat Fieber und Schmerzen. Sie müssen ihr
helfen!“
„Sind sie Tess McLeod?“
„Ja!“
Der Doktor nahm Bom auf den Arm und ging eiligst in einen Untersuchungsraum. Tess und Meg wollten
ihm folgen, durften aber nicht.
Schweigend und verzweifelt setzten sich die beiden auf die Wartebank.
„Und jetzt?“ fragte Tess verzweifelt.
„Warten…“
„Ich hasse warten!“
„Ich auch.“
Tess stütze ihren Kopf in ihre Hände und fing an zuweinen.
„Tess?“
„Sie darf nicht sterben…“
„Sie wird nicht sterben!“
„Alle, die ich liebe sterben…“ Meg setzte sich zu Tess und nahm sie in den Arm.
„Es wird alles gut! Sie ist stark.“
„Wie ihre Mama…und die ist auch tot!“ Tess weinte immer mehr.
Alex und Nick kamen in die Notaufnahme gestürzt.
„Wo ist sie? Charlotte Prudence McLeod? Hallo? Kann uns jemand vielleicht mal helfen? Ein kleines
süßes Mädchen?“ Alex schrie jeden an, den der sah.
„Alex! Nick!“ rief Meg. Alex und Nick gingen zu Meg und Tess.
„Wie geht es ihr?“ fragte Alex besorgt. Bom war so was wie eine Tochter für ihn. Ihr durfte nichts
passieren.
„Wir wissen nichts. Der Doktor hat sie genommen und ist verschwunden und wir warten seitdem hier,“
berichtete Tess mit tränenerstickter Stimme, „aber ihr ging es nicht gut. Sie hatte Fieber, Schmerzen und
hat nur geschrieen.“
Alex und Nick setzten sich. Sie waren geschockt. Das konnte nicht wahr sein. Bom war doch gerade
einmal ein Jahr alt.
Der Doktor kam aus dem Untersuchungszimmer und lief hektisch den Flur hinunter.
„Doktor! Wie geht es ihr?“ rief Tess ihm hinterher, doch er war weg.
Mit zwei anderen Ärzten im Anhang kam er wieder den Flur hinauf gerannt. Die zwei anderen Ärzte
gingen in das Untersuchungszimmer, während der erste Doktor zu den Freunden ging.
„Sie hatte bisher großes Glück und wird es auch noch brauchen. Wir haben in einer anderen Klinik
angerufen, die eine spezialisierte Station haben. Sie wird dahin gebracht, sobald wir sie soweit
stabilisiert haben, dass sie das ohne Gefahr übersteht!“
Tess, Meg, Alex und Nick starrten den Doktor an. Andere Klinik? Spezialisierte Station? Stabilisieren?
„Aber sie wird es schaffen?“
„Es sieht gut aus…Sie ist eine Kämpferin!“
Der Doktor ging wieder ins Untersuchungszimmer und ließ die Freunde mit ihren ganzen Fragen und
ihrer Verzweiflung alleine.
„Warum muss sie denn in eine andere Klinik, wenn es ihr gut geht?“ fragte Tess verzweifelt.
„Nur zur Sicherheit,“ sagte Meg und hoffte, es war die Wahrheit.
Bom lag mittlerweile im Zimmer auf der Station, die sich auf Spinnenbisse spezialisiert haben. Sie war
wach, sah aber trotzdem nicht gut aus. Sie war an mehrere Kabel angeschlossen, was ihr nicht
sonderlich gefiel.
„Hallo mein Sonnenschein,“ sagte Tess, als sie das Zimmer betrat und sah, dass Bom wach war. Sie
hatte sich kurz einen Kaffee geholt.
Bom lachte sie an. Bom war so groß geworden. Jeden Tag lernte Bom etwas dazu und Tess freute sich
über alles, was Bom ihr brachte und erzählte. Oft saßen die beiden in Tess’ Zimmer und guckten sich
Fotos von Claire an. Tess wollte, dass Bom alles über ihre Mutter wusste.
„Guck mal, was ich dir mitgebracht habe!“ Tess zog eine Puppe aus einer Tasche und überreichte sie
Bom.
„Danke,“ sagte sie und drückte die Puppe an sich, „Claire heißt die. Wie meine Mama!“
„Das ist ein schöner Name,“ Tess wunderte sich immer darüber, wie gut Bom mit diesem Thema
umging. Aber sie ist halt noch ein Kind und Kinder können so etwas besser.
„Mama ist jetzt ein Engel, oder Tante Tess?“ fragte Bom Tess.
„Ja und ein ganz hübscher Engel!“ entgegnete Tess lächelnd. Sie strich Bom über ihre kurzen Haare.
Auf dem Nachttisch von Bom lag ein Foto von Claire. Es war Boms Lieblingsfoto und sie hatte es immer
in ihrer Hosentasche. Es war schon zerknittert und dreckig und eigentlich konnte man kaum noch etwas
darauf erkennen, aber sie liebte das Foto einfach.
„Mama!“ sagte sie und zeigte auf das Foto.
„Ja, das ist deine Mama!“ sagte Tess liebevoll und nahm das Foto in die Hand.
Sie guckte Bom an.
„Schade, dass Mama kein Mensch mehr ist!“ Tess schluckte und nickte. Ja, das war schade…
Während Tess mit Bom in der Klinik war, wohnte Alex mit auf Drover’s Run, um Jodi und Meg bei der
Arbeit zu helfen. Es klappte alles, auch wenn es viel Arbeit war. Aber das wichtigste war momentan eh
Bom und dass sie bald wieder gesund nach Hause kommt.
„Bom, der Arzt hat gesagt, wir dürfen ein bisschen auf den Krankenhausspielplatz gehen. Was hälst du
davon?“ fragte Tess einige Tage später ihre Nichte. Das Krankenhausgelände war riesig und hatte
mehrere Gebäude. Für jede Krankheit eins – so ungefähr.
Bom bekam große Augen und nickte stürmisch. Sie hatte keine Lust mehr nur im Bett zu liegen. Jeden
Tag hatte sie aus dem Fenster geschaut und den Spielplatz sehnsüchtig angeguckt.
Tess nahm Bom an die Hand und gemeinsam gingen sie runter zum Spielplatz. Bom liebte den
Spielplatz und Tess fand es auch schön, ein wenig draußen in der Sonne zu sitzen und ihrer kleinen,
noch tollpatschigen, Bom beim Spielen zuzugucken.
„Guck mal Tante Tess!“ rief Bom und zeigte auf eine Sandburg, die sie gebaut hatte.
„Die sieht ja toll aus!“
„Das ist Drover’s Run. Siehst du? Das ist das Haus und das ist der Stall und das sind die Pferde…“ Bom
zeigte auf irgendwelche kleinen Sandhügel und Tess musste sich ein Lachen verkneifen. Es war einfach
zu süß!
„Tante Tess?“
„Ja?“
„Spielst du mit mir zusammen?“
„Was möchtest du denn spielen?“
„Noch eine Sandburg bauen!“ Tess stand auf und setzte sich zu ihrer Nichte in den Sand.
„Aber klar will ich das! Was wollen wir denn bauen?“
„Ähm…gaaaaanz Drover’s Run,“ Bom streckte ihre Arme aus, um zu zeigen, wie groß das
Gesamtkunstwerk werden sollte.
„Dann haben wir aber noch einiges zu tun,“ sagte Tess lächelnd, „dann mal an die Arbeit!“
Sie bauten und bauten und langsam aber sicher nahm Drover’s Run aus Sand Form an.
Bom stand auf um noch eine Schaufel zu holen, die beim „Haus“ von Drover’s lag, als sie eine Frau sah,
die sie beobachtete.
„MAMA!“ rief sie. Tess drehte sich um und sah ebenfalls die Frau. Sie blickte sie erschrocken und
verwirrt an.
„Claire…“ flüsterte sie.
Wer war diese Frau?
Die Frau starrte Tess an, während Tess sie anstarrte. Bom blickte lächelnd die Frau an. Sie zog das
Foto ihrer Mutter aus der Tasche.
„Tante Tess. Ist das Mama? Ich dachte, Engel haben Flügel…“ sagte Bom und sah Tess verwundert an.
„Ich…ich…“
Eine Ärztin kam den Weg entlang und blieb bei der Frau, Tess und Bom stehen. Sie hatte Bom gehört.
„Kennen Sie die Frau?“ fragte die Ärztin Tess.
„Ich…ich weiß nicht. Sie erinnert mich an meine Schwester. Sie sah ihr so ähnlich…“ stammelte Tess.
Sie konnte nicht glauben, was sie sah.
Bom tapste zur Ärztin und zeige ihr das Bild.
„Das ist meine Mama,“ meinte sie und zeigte auf die Frau. Die Ärztin schaute sich das Foto an und dann
die Frau. Die Ähnlichkeit war schon verblüffend.
„Bom, deine Mama ist tot…“ sagte Tess und schaute Bom an.
„Aber…,“ stammelte Bom, „bist du ein Engel?“ Sie sah die Frau erwartungsvoll an.
„Nein!“ sagte diese.
„Darf ich fragen wer Sie sind?“ fragte Tess die Frau.
„Das weiß ich nicht…“ gestand diese.
„Diese Frau hatte einen Unfall und kann sich an nichts erinnern…“
„Wann?“
„Vor ein paar Monaten!“
„Wo?“
„Sie wurde in der Nähe von Fisher in South-West-Australien gefunden, aber ich kann Ihnen da nicht so
viele Informationen zu geben. Ich bin zur Geheimhaltung verpflichtet.“
„Ja, natürlich…“ sagte Tess und sah die geheimnisvolle Frau an. Es konnte nicht ihre Schwester sein.
Claire war tot. Den Absturz hätte sie nicht überleben können.
„Ms., lassen Sie uns wieder reingehen,“ sagte die Ärztin zu der Frau und ging mit ihr ins Krankenhaus
und ließ Bom und Tess alleine.
„Komm Bom, wir gehen auch wieder,“ sagte Tess und blickte der Ärztin und der Frau noch hinterher.
Das Telefon klingelte.
„Ja?“ fragte Tess.
„Hier ist Alex, na wie geht’s meiner kleinen Bom?“ Alex rief jeden Abend an, um auch sicher zugehen,
dass es Bom an nichts fehlte.
„Ja, der geht es gut!“
„Gut!“
„Alex?“
„Ja?“
„Meinst du, man könnte theoretisch den Absturz von der Klippe überleben?“ Tess ging diese Frau nicht
aus dem Kopf. Sie wusste, es konnte nicht Claire sein, aber sie sah ihr so verdammt ähnlich. Wer war
sie nur?
„Ich weiß nicht…mit Glück vielleicht. Wunder gibt es immer wieder.“
„Mhm…“
„Ist etwas passiert?“ fragte Alex besorgt.
„Ich war heute mit Bom draußen auf dem Spielplatz und da war eine Frau, die hatte ihr Gedächtnis
verloren, weil sie vor ein paar Monaten einen Unfall hatte. Sie sah aus wie Claire und sie wurde in der
Nähe von Fisher gefunden…“
„Du meinst es ist Claire?“
„Ich weiß es nicht…sie sah ihr so ähnlich…“
„Ist das Alex?“ rief Bom auf einmal dazwischen.
„Ja mein Schatz,“ antwortete Tess.
„Hallo Alex!“ schrie Bom in Richtung Telefon.
„Sag ihr hallo von mir,“ sagte Alex lachend.
„Ich soll dir Hallo von Alex sagen,“ gab Tess an Bom weiter.
„Alex? Kannst du herkommen? Für einen Tag?“ bat Tess. Sie brauchte Hilfe in Bezug auf die
geheimnisvolle Frau.
„Ja klar, ich komm morgen vorbei.“
Am nächsten Morgen stand Alex auch schon in der Tür.
„Guten Morgen,“ rief er und umarmte Tess und strich der kleinen Bom über ihren Kopf.
„Gehen wir spazieren!“ schlug Tess vor. Sie nahm den Buggy und ging mit Alex und Bom raus. Auf einer
Wiese blieben sie stehen. Bom wollte unbedingt Blumen pflücken.
„Warum sollte ich herkommen Tess?“ fragte Alex und beobachtete Bom, wie sie tollpatschig von einer
Blume zur anderen ging und sie abpflückte.
„Wegen der Frau!“
„Tess, wir vermissen Claire alle…Steiger dich nicht in so etwas rein. Ich wünschte auch, sie würde
leben…“
„Und was ist wenn sie es ist? Ich will noch einmal mit der Ärztin reden…ja?“
„Ich hoffe, du wirst nicht enttäuscht. Dann müsstest du noch einmal von Claire Abschied nehmen und
einmal war schon schwer genug…zieh Bom aber nicht da mit rein, ja? Versprich es! Sie soll nicht noch
einmal ihre Mutter verlieren!“
„Ja, ist gut…passt du auf sie auf…ich geh kurz und such die Ärztin!“
„Ja, aber versteif dich bitte nicht so darauf,“ bat Alex besorgt. Er wünschte sich nichts mehr, als dass
Claire noch leben würde, aber einem Phantom oder einer fremden Frau nachzulaufen, wäre falsch. Er
könnte sich nicht noch einmal von Claire verabschieden.
Tess sagte Bom schnell Bescheid, dass sie nun auf Alex hören solle und ging.
Tess klopfte an der Tür.
„Ja?“ hallte es von innen. Tess öffnete die Tür und lächelte die Ärztin an.
„Hallo, mein Name ist Tess McLeod. Wir haben uns gestern auf dem Spielplatz kennen gelernt!“
„Ja genau. Sie waren mit ihrer Nichte oder so da?!?“
„Genau…“
„Hmmm…und was kann ich für sie tun?“
„Es geht um diese Frau. Die, die ihre Gedächtnis verloren hat…Können Sie mir nicht mehr über Sie
erzählen?“
„Ich habe meine Pflicht gegenüber meiner Geheimhaltung. Ich kann nicht jedem etwas über einen
Patienten erzählen…“ sagte die Ärztin und guckte Tess entschuldigend an.
„Ich weiß. Aber diese Frau kommt mir so bekannt vor. Sie sieht meiner Schwester so ähnlich…“
„Aber die ist doch tot!“
„Ja…“
„Und?“
„Das war so. Sie ist mit dem Auto eine Klippe runtergestürzt…vor ein paar Monaten,“ Tess sah die Bilder
vor sich und musste plötzlich mit den Tränen kämpfen, „das Auto ist explodiert…und verbrannt…ihre
Leiche konnte nicht geborgen werden, weil eigentlich nichts vom Auto übrig geblieben ist…“
„Oh, das tut mir leid…“
„Vielleicht ist Claire…also meine Schwester nicht gestorben!“
„Mhm…“ Die Ärztin wusste nicht genau, was sie nun sagen und machen sollte. Vor ihr saß eine junge
verzweifelte Frau, aber sie hatte auch ihre Geheimhaltungspflicht.
„Ich kann ihnen nur so viel sagen, dass diese Frau unter Amnesie leidet und seit ein paar Monaten
deswegen hier untersucht wird…sprechen Sie mit ihr!“
„Okay…danke!“ murmelte Tess. Sie hatte sich eigentlich etwas mehr von diesem Gespräch erwartet,
aber sie konnte die Ärztin verstehen.
Geknickt verließ Tess den Raum und wollte wieder zu Alex und Bom, als ihr die geheimnisvolle Frau
entgegenkam. Sie sah genau aus wie Claire…
„Entschuldigen Sie,“ sagte Tess und blieb vor der Frau stehen.
„Ja…Oh, sie sind die Frau mit dem Kind von gestern, oder?“
„Ja genau! Könnten wir uns unterhalten?“
„Das Kind hält mich für ihre Mutter, nicht wahr?“
„Ja…“ sagte Tess und blickte traurig auf den Boden.
Die geheimnisvolle Frau setzte sich auf einen der Stühle, die in einer Ecke standen und deutete an, dass
Tess sich ebenfalls setzen sollte.
„Wissen Sie, meine Schwester und die Mutter des Kindes ist gestorben…na ja zumindest so weit wir
wissen…“ Die Frau guckte Tess verwirrt an.
„Also sie ist mit dem Auto eine Klippe hinuntergestürzt und das Auto ist schließlich explodiert. Man
konnte die Leiche nicht bergen, weil alles zu verbrannt war…“
„Das tut mir leid,“ die Frau legte eine Hand auf die von Tess und lächelte sie mitfühlend an.
„Das war in der Nähe von Fisher und vor ein paar Monaten… sie sehen ihr so ähnlich,“ sagte Tess
verzweifelt. Sie schluchze.
„Und mein Unfall war auch in der Nähe von Fisher und vor ein paar Monaten…sie denken, ich sei ihre
Schwester…“
„Sie sehen ihr so ähnlich!“ Tess holte ein Foto aus ihrem Portemonnaie und zeigte es ihr. Es war eines
der letzten Fotos, welches von Claire gemacht wurde. Die Frau nahm das Foto in die Hand und starrte
es an. Diese Frau sah ihr wirklich ähnlich.
„Hmmm ich kann mich an nichts erinnern…“
„Ich weiß…“
„Wissen Sie,“ Die Frau stand auf und ging ans Fenster, „Es ist so schrecklich nicht zu wissen, wer man
ist und wie die eigene Vergangenheit ist. Ich habe die letzten Monate gebetet, ich würde mich erinnern
oder jemand würde mich abholen und mir alles erzählen. Ich will doch wissen, wer ich bin…und nun
kommen Sie und…ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Wenn Sie sich nicht sicher bin, ob ich Ihre
Schwester bin, wer denn dann?“
„Ich weiß es nicht…“
Alex und Bom hatten währenddessen jede Menge Blumen gepflückt und Bom hielt stolz ihren
Blumenstrauß in der Hand, während sie im Buggy saß.
„Wo ist Tante Tess?“
„Die musste doch etwas besprechen!“
„Was denn?“
„Nichts für kleine Mädchen!“
„Warum nicht?“
„Weil du zu klein bist.“
„Warum?“
„Bom!“
„Ja?“
„Wollen wir Tante Tess suchen?“ Alex hatte es aufgegeben. Gegen Bom kam man bei keiner Diskussion
an. Alles wollte sie genau wissen.
„Ja.“
„Gut…“
„Tante Tess!“ Bom rief Tess sobald sie sie auf dem Flur saß. Sie sah die Frau neben Tess.
„Hallo Frau Engel,“ sagte Bom und lächelte die Frau an. Diese lächelte Bom zögernd an.
Alex blickte ebenfalls auf die Frau und schluckte. Tess hatte mit der Ähnlichkeit zu Claire nicht
übertrieben.
„Claire…“ flüsterte es.
Die Frau blickte Alex an und lächelte. Das Lächeln. Dieses Lächeln würde Alex immer wieder erkenne.
„Claire!“ sagte er diesmal lauter.
„Was?“ fragte die Frau nach.
„Sie sind Claire…“ stammelte Alex.
„Ich hab es dir gesagt Alex, dass sie Claire verdammt ähnlich sieht!“ warf Tess ein.
„Kann man nicht so etwas wie ein DNA-Test machen oder so?“ fragte Alex, „dann wären wir uns
sicher…“
Man konnte. Sie machten zwar kein DNA-Test, aber einen Mutterschaftstest mit Bom. Zwei Wochen
mussten sie noch warten. Alex musste aber bis dahin wieder nach Drover’s. Tess und Bom blieben,
nachdem Bom das Krankenhaus verlassen durfte, in einem Hotel und trafen sich regelmäßig mit der
Frau. Tess erzählte ihr viel von Claire und von Bom. Sie mochte die Frau und auch die Frau mochte
Tess und Bom.
Zwei Wochen später hatten sie das Ergebnis. Die Frau war tatsächlich die Mutter von Bom – Claire
Louise McLeod. Tess freute sich riesig. Bei Claire hielt sich die Freude in Grenzen. Sie wusste zwar nun
wer sie ist, doch konnte sie sich nicht an ihre Vergangenheit erinnern.
Tess und Claire beschlossen, dass Claire mit nach Drover’s sollte, damit sie sich erinnerte. Bom war
ganz aufgeregt, dass die Frau – Tess hatte ihr die Wahrheit noch nicht erzählt, weil sie nicht wusste, ob
Bom es verstehen würde, dass Claire sich nicht an sie erinnert – mit nach Drover’s kommen würde.
Claire hatte Angst vor dieser Reise und der Ungewissheit. Tess, Bom und Claire kamen schließlich nach
einer langen und anstrengenden Fahrt auf Drover’s Run an. Alex, Nick, Jodi und Meg standen vor dem
Haus und warteten schon aufgeregt. Sie konnten es nicht glauben, dass Claire – ihre Claire – am Leben
wahr und sie sie gleich wieder in die Arme schließen konnten. Das war ein Wunder; mehr als ein
Wunder. Es war unvorstellbar.
„Das ist unser Zuhause,“ sagte Tess und zeigte auf Drover’s. Claire staunte nicht schlecht. Hier hatte sie
also gewohnt.
„Erinnerst du dich?“
„Nein…“ Claire schüttelte den Kopf, „aber schön sieht es aus.“
„Und da hinten stehen unsere Freunde!“ sagte Tess und zeigte auf die kleine Gruppe, die sehnsüchtig
auf das Auto warteten.
„Aha…“ Das Auto hielt an. Tess stieg aus und half Bom dann beim Aussteigen.
„Ich kann das allein…“ quengelte Bom. Sie war in dem Alter, in dem sie einfach alles alleine machen
wollte. Claire saß im Auto und sah die Gruppe, die anscheinend aus ihren Freunden bestand, an. Sie
atmete tief durch und stieg dann aus. Nick, Jodi und Meg starrten sie an. Claire. Es war Claire. Ihre
Claire. Alex lächelte Claire an. Diese sah alle schüchtern an. Keiner sagte etwas oder bewegte sich.
„Hi…“ sagte Claire schließlich. Jetzt lösten sich auch die anderen aus ihrer Starre.
„Hallo Claire, schön, dass du hier bist!“ Meg kam und umarmte Claire.
„Danke…ähm…“ Claire hatte eigentlich keine Ahnung, wer sie da eben umarmt hatte, aber sie wirkte
nett.
„Meg! Ich bin Meg!“ sagte Meg.
„Ich glaube, die Namen müsst ihr mir noch ein paar mal sagen,“ sagte Claire und lächelte.
„Hi Claire. Ich bin Jodi, die Tochter von Meg,“ sagte Jodi und gab Claire lächelnd die Hand.
„Hallo Jodi…“
„Und ich bin Nick Ryan. Ich bin der Bruder von Alex…“ sagte Nick und lag Claire ebenfalls die Hand.
„Ich hab schon von dir gehört…“
„Ich hoffe, nur Gutes!“ Nick und Claire lachten.
„Hallo Claire!“ sagte Alex sanft.
„Hi,“ sagte Claire lächelnd. Es war zwar komisch diese ganzen Leute zu sehen, die einen kannten und
auch noch besser als man sich selber kennt und selber die Leute nicht mal beim Namen zu kennen,
aber trotzdem fühlte Claire sich wirklich wohl.
„So, wir dachten, wir feiern jetzt ein wenig,“ sagte Alex und ging ins Haus. Die anderen folgten ihm, „das
Gepäck holen wir später!“
Sie betraten das Haus. Claire sah sich um. Es war groß und sah alt aus, aber trotzdem schön. Sie
lächelte. Tess sah das und lächelte auch vor sich hin. Aus dem Esszimmer ertönte Musik und Claire,
Tess und Bom, die auf Tess’ Arm war, gingen zu den anderen.
„Wow, das sieht ja toll aus,“ sagte Tess. Sie setzte Bom auf den Boden, die dann gleich zu den
Süßigkeiten tapste.
„Claire, setz dich oder tanz oder so. Möchtest du etwas essen? Trinken?“ fragte Tess ihre Schwester.
Jedes Mal wenn sie Claire ansah, musste sie lächeln. Sie konnte es noch gar nicht glauben, dass Claire
wieder da war.
„Ähm…nein, momentan nicht. Danke…Tess!“ sagte Claire und setzte sich erst einmal. Es war das erste
mal, dass Claire „Tess“ gesagt hatte. Es klang zwar noch ein wenig unsicher, aber Tess freute sich
darüber. Claire würde sich auch wieder erinnern und dann war alles wie früher! Tess ging zur
Musikanlange und legte eine andere CD auf.
Bom ging zu Claire und sah sie an.
„Hallo…“
„Hallo Charlotte…so heißt du doch oder?“
„Ja, aber alle sagen immer Bom.“
„Warum? Was heißt Bom denn?“
„Weiß ich auch nicht!“
„Wie soll ich dich denn nennen?“
„Bom!“
„Okay Bom…und bist du wieder froh zuhause zu sein?“
„Ja, morgen darf ich auch den Pferdchen hallo sagen.“
„Schön…“
„Willst du auch einen Schokokeks?“ fragte Bom und hielt Claire einen Schokokeks hin. Bom wusste
immer noch nicht, dass das tatsächliche ihre Mutter war. Tess wollte ihr das noch erzählen, wenn der
richtige Zeitpunkt gekommen war.
„Danke,“ sagte Claire lachend, „du bist ja süß!“ Claire sah Bom an. Das war ihre Tochter… sie erinnerte
sich nicht an Bom, was ihr unheimlich wehtat. So ein süßes Kind und sie wusste nichts davon. Sie
schluckte.
„Wie lange bleibst du hier?“ fragte Bom.
„Das weiß ich gar nicht…“ Tess hatte das gehört und kam zu den beiden.
„So lange sie möchte!“ antwortete Tess und lächelte.
Der Abend wurde lang – zumindest für alle, die über 3 Jahre waren – und schön. Claire fühlte sich so
wohl in dieser Umgebung.
Später gingen alle schlafen. Claire betrat das Gästezimmer. Sie wollte nicht in ihrem alten Zimmer
schlafen. Sie hatte nicht das Gefühl, es sei ihres und sie würde jemanden anders das Zimmer
wegnehmen. Später wollte sie da leben.
„So, ich hoffe, es reicht für dich und du fühlst dich einigermaßen wohl. Wenn du etwas brauchst, dann
sag Bescheid!“ sagte Tess und strich noch einmal die Decke glatt, auch wenn das gleich eh zerstören
würde, wenn sie sich ins Bett legt.
„Ja danke Tess. Es ist wunderbar!“ sagte Claire und lächelte Tess an.
„Dann gute Nacht!“ Tess drehte sich um und verließ das Zimmer.
„Ja, dir auch…“ sagte Claire noch. Sie stellte sich an das Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Hier
also war sie geboren und aufgewachsen. Und hier hatte sie gelebt. Sie hatte ihr Leben wieder, auch
wenn sie sich nicht daran erinnerte…aber das würde noch kommen.
Sie war nicht müde und so begann sie leise ihre Sachen in die Schränke zu räumen und alles ordentlich
zu machen. Dann setzte sich daher auf das Fensterbrett um einfach alles genießen zu können. Die
letzten Monate, in denen sie in Ungewissheit und Angst gelebt hatte, waren einfach schrecklich. Sie war
verletzt gewesen, hatte Schmerzen gehabt und wusste nicht wer sie war. Das war sowieso das
schrecklichste. Sie hatte sich jeden Tag gewünscht, dass jemand vorbeikommen würde und sagen
würde „dich kenn ich!“ Und es war passiert…
Tess wachte mitten in der Nacht auf. Sie lächelte vor sich hin. Sie hatte tatsächlich ihre Schwester
wieder. Sie stand auf, schaltete das Licht an und holte aus einer Kiste ein Foto von Claire raus. Sie hatte
damals nach Claires Tod – der ja keiner war – die meisten Fotos von Claire versteckt, um leichter
darüber hinweg zukommen, dass ihre Schwester nicht mehr da war. Sie sah das Foto und lächelte.
„Ich liebe dich so sehr Claire. Ich hätte nicht gedacht, dich wieder zusehen.“ Sie küsste das Foto und
stand auf. Auf dem Flur sah sie, dass die Tür zum Gästezimmer offen stand. Merkwürdig, sie hatte die
doch zugemacht. Sie runzelte die Stirn und betrat das Gästezimmer.
„Claire?“ flüsterte sie. Keiner antwortete. Claire musste schlafen…Sie blickte auf das Bett und sah, dass
es unbenutzt war. Wo war Claire? Wo waren ihre Sachen?
Tess’ Atem beschleunigte sie. Claire war doch da gewesen…Sie hatte sie gesehen, sie umarmt, mit ihr
geredet, ihr Lachen gehört… Wo war sie? Tess erschrak. Sie hatte doch nicht alles geträumt? Das
durfte nicht wahr sein. Claire musste noch leben… sie blickte sich verzweifelt um und war den Tränen
nahe.
„Claire…“flüsterte sie. Es durfte nicht nur ein Traum gewesen sein.
Sie hörte eine Tür knarren. Es kam von unten. Sie holte den Baseballschläger aus ihrem Zimmer und
schlich die Treppe runter. Die Treppe knarrte und Tess blieb wie angewurzelt stehen. Ihr Atem hatte sich
parallel zur Herzfrequenz gesteigert. Unten war alles ruhig. Sie schlich die Treppe weiter runter.
Sie sah in der Küche Licht. Es musste jemand da sein. Was wollte er? Hier auf Drover’s gab es nicht
wirklich etwas zu holen.
Sie schob die Tür langsam und vorsichtig auf.
„Was wollen Sie?“ rief sie und hielt den Baseballschläger hoch, immer bereit loszuschlagen.
„AH!“
„Claire!“ Claire stand im Arbeitszimmer und sah Tess erschrocken an. Tess ließ den Schläger sinken.
„Hast du mich erschreckt,“ sagte Tess und versuchte sich zu beruhigen.
„Du hast mich erschreckt…“ entgegnete Claire.
„Was tust du hier?“
„Ich konnte nicht schlafen. Das war ein aufregender Tag heute,“ sagte Claire und lächelte ihre
Schwester an.
„Ja, so vieles neues…erinnerst du dich an irgendetwas?“ Claire schüttelte geknickt den Kopf.
„Es wird noch kommen! Glaub mir. Du hast ja jetzt uns…wir helfen dir dabei!“
„Ich würde mich gerne an Bom erinnern. Sie ist so süß…“
„Ja und deine Tochter!“
„Weiß sie das?“
„Nein…noch nicht. Ich weiß nicht wie ich es ihr sagen soll…“
„Darf ich es ihr sagen?“
„Wenn du möchtest!“
„Ja bitte!“
„Gut…aber gehen wir jetzt schlafen ja?“
„Okay…danke Tess!“
„Wofür?“
„Für alles. Ich bin so glücklich endlich wieder ein Zuhause zu haben.“
„Schön…und bleib so lange du willst. Am besten natürlich für immer.“
Am nächsten Morgen fand Claire Bom in ihrem Zimmer spielen. Sie beobachtete sie eine ganze Zeit
lang. Sie wusste zwar nicht wie sie Bom erzählen sollte, dass sie ihre Mutter ist, aber sie wollte es auf
jeden Fall tun. Vielleicht konnte sie sich dann schneller an etwas erinnern.
„Hallo Bom!“
„Hallo!“
„Was spielst du denn da schönes?“ Sie setzte sich zu Bom auf den Boden.
„Ich spiele mit meiner Puppe. Sie heißt Claire! Ich hab sie im Krankenhaus von Alex bekommen.“
„Sie heißt Claire…“
„Ja wie meine Mama!“
„Deine Mama…“ Claire schluckte und sah Bom an.
„Meine Mama ist tot!“
„Nein!“ platzte es aus Claire heraus. Bom sah sie erstaunt an.
„Doch…“
„Bom…damals auf dem Spielplatz, wo wir uns das erste Mal getroffen haben, hast du Mama zu mir
gesagt, richtig?“ Bom nickte.
„Ich bin deine Mama…“
„Bist du doch ein Engel?“
„Nein, ich bin ein richtiger Mensch,“ Claire musste Lachen, „Ich hatte einen Unfall, aber ich bin nicht
gestorben. Ich kann mich nur nicht mehr an alles erinnern.“
„Oh…“ sagte Bom nur und starrte Claire verwirrt an.
„Du bist noch sehr klein Bom und …“
„Ich bin schon groß!“ unterbrach Bom.
„Ja natürlich…“ Claire lächelte Bom an, „auf jeden Fall bin ich deine Mama und hilfst du mir, mich daran
zu erinnern?“
„Okay…“
Das war geschafft. Claire lächelte Bom zufrieden an. Bom kam auf Claire zu und umarmte sie.
„Ich hab dich lieb Mama!“
„Ich dich auch…und zusammen schaffen wir das!“ Claire umarmte ihre kleine Tochter und hoffte, dass
sie sich bald wieder wirklich an sie erinnern kann und dann ihre Tochter umarmt und nicht ein kleines –
für sie fremdes – Mädchen!
Claire, Tess und Bom saßen am Nachmittag draußen auf der Terrasse und sahen sich Fotos an, in der
Hoffnung Claire würde sich erinnern.
„Da bist du mit 7 Jahren. Ich war damals 4 Jahre. Das war dein erstes Reitturnier,“ sagte Tess und
reichte Claire ein Foto. Ein kleines dunkelhaariges Mädchen mit Stiefeln und einem Hut auf dem Kopf
stand neben einem Pferd und lächelte in die Kamera. Das sollte sie sein…für sie war es ein fremdes
Mädchen.
„Das bist du mit Dad!“ Tess reichte Claire zwei andere Fotos. Auch hier blickte Claire jedoch in das
Gesicht einer fremden Frau.
„Hier an Jodis 18. Geburtstag,“ Claire nahm das Foto. Sie stand auf dem Foto in einer Ecke und starrte
jemanden an. Wen sie anstarrte, konnte Claire allerdings nicht erkennen. Das Foto endete vor der
Person. Sie erkannte, dass sie auf dem Foto war, doch and en Geburtstag oder an die Person, die sie
anguckte, konnte sie sich nicht erinnern.
„Guck mal, das bist du mit mir,“ sagte Bom und gab Claire ein neues Foto.
„Stimmt…aber da warst du noch jünger,“ sagte Claire lächelnd.
„Erinnerst du dich?“ fragte Tess„Nein…aber es ist schön, diese Fotos zu sehen!“
Bom rückte näher zu Claire und Claire legte einen Arm um sie. Sie mochte Claire und auf irgendeine
Weise liebte sie dieses Kind, doch hegte sie keinerlei Muttergefühle für sie…leider.
„Ich mag die Fotos! Tante Tess hat die mir immer gezeigt, wenn ich dich vermisst habe. Und sie hat mir
immer ganz viele Geschichten über dich erzählt!“ sagte Bom und strahlte Claire an.
„Müsstest du oder müssen wir nicht eigentlich arbeiten? Auf so einer Farm fällt bestimmt viel Arbeit
an?!?“ fragte Claire.
„Eigentlich schon, aber…“ sagte Tess, doch Claire unterbrach sie.
„Dann los. Vielleicht erinnere ich mich dann!“
„Na gut, was willst du denn machen?“
„Was kann man denn machen? Reiten?!?“ schlug Claire vor.
„Okay…wenn Bom mitkommt, müssen wir allerdings etwas langsamer reiten!“
Bom strahlte. Reiten. Sie liebte reiten, auch wenn sie es noch nicht so gut konnte.
Wenig später standen alle neben den gesattelten Pferden. Tess half Bom auf ihr Pferd und stieg dann
selbst auf ihr Pferd. Claire atmete tief durch. Hoffentlich klappte es. Es klappte! Wenig später ritten die
drei auf den Weiden von Drover’s Run. Aber auch dieser Ritt brachte den erwünschten Erfolg nicht.
„Ich dachte, es würde klappten,“ sagte Claire traurig. Sie wünschte sich so sehr, dass sie sich an etwas
erinnert. Jetzt, wo sie ihre Familie wieder hatte, wollte sie sie auch erkennen.
„Setz dich nicht unter Druck Claire. Das wird schon noch klappen,“ sagte Tess aufmunternd.
„Ich hoffe! Ich möchte mein Leben wieder haben!“
Abends saßen Tess, Claire, Alex und Meg auf der Terrasse und unterhielten sich.
„Meg, wie kamst du eigentlich nach Drover’s?“ fragte Claire.
„Ich hatte mich von meinem Mann getrennt, eine kleine Tochter und suchte Arbeit und hier gab es eine
Stelle als Haushälterin, die ich schließlich bekommen habe,“ erklärte Meg in Kurzform.
„Und wie haben wir uns kennen gelernt?“ Claire sah Alex auffordernd an.
„Bei einem Rodeoritt…“
„Wer hat denn gewonnen?“
„Ist doch egal!“
„Nee sag!“
„Du…“
„Das hat dich bestimmt geärgert,“ sagte Claire lachend.
„Quatsch, ich hab dich ja gewinnen lassen.“
„Ach und warum?“
„Ach…nur so. Ich hatte Lust dazu…“ Es genoss es so ausgelassen mit Claire zu reden. Es war wie
früher, vor dem Unfall…nur dass sie ihn nicht liebte. Er liebte sie dafür umso mehr. Jedes Mal wenn er in
ihre strahlenden Augen blickte, hatte er das Gefühl, tausende von Schmetterlingen tobten durch seinen
Magen. Hoffentlich würde sie sich bald an ihn erinnern!
„Lust also…“ sagte Claire, „nur weil du Lust hattest, hast du mich gewinnen lassen?“
„Ja…ich muss dann auch los,“ sagte Alex schnell.
„Ach schon?“ fragte Claire traurig. Sie mochte Alex und sie spürte, dass er eine besondere Bindung zu
ihr hatte…zumindest vor dem Unfall.
„Ja, tut mir leid. Es ist spät. Gute Nacht!“ Er lächelte Claire noch einmal an und machte sich dann auf
den Weg nach Hause.
„Ich geh dann auch,“ sagte Meg und verabschiedete sich.
„Gute Nacht!“ riefen Tess und Claire im Chor und mussten lachen. Meg winkte den beiden noch im
Weggehen zu.
„Was machen wir nun?“ fragte Tess.
„Ehrlich gesagt, jetzt wo die anderen weg sind, hört sich das Bett wirklich verlockend an!“ entgegnete
Claire.
„Okay, gehen wir hoch ins Bettchen,“ Tess lächelte ihre Schwester an und eine Stunde später lagen
beide tief und fest schlafend im Bett.
Claire wachte auf. Sie blickte aus dem Fenster und schaute auf die Uhr. Es war 3:05 Uhr, also noch
mitten in der Nacht. Sie drehte sich auf die andere Seite und schloss wieder die Augen.
Irgendwann öffnete sie diese wieder. 3:23 Uhr. Sie seufze und legte sich wieder auf die andere Seite.
3:24 Uhr. Sie konnte nicht schlafen und irgendetwas in ihr drängte sie aufzustehen. Sie gab diesem
Gefühl nach und stand auf.
Sie verließ das Zimmer und schlich die Treppen hinunter. Die Treppe knarrte und sie hoffte, sie würde
niemanden wecken.
Sie stand schließlich vor einer geschlossenen Tür. Sie war noch nie in diesem Raum gewesen, doch
wusste sie von Tess, dass es das Arbeitszimmer war. Langsam öffnete sie die Tür, immer bedacht
niemanden zu wecken und schaltete das Licht an. Der Raum war schön. Es standen, wie fast überall,
vor allem alte Möbelstücke im Raum. Sie ging durch den Raum. Sie wusste nicht warum sie gerade jetzt,
mitten in der Nacht, das Bedürfnis hatte, in das Arbeitszimmer zu gehen. Sie sah sich die Fotos an.
Überall standen welche von Bom. Sie lächelte. Bom war wirklich ein süßes Baby. Sie nahm ein Bild in
die Hand.
„Na meine Kleine…ich hoffe, ich werde dich bald wieder erkennen,“ flüsterte sie und gab dem Foto einen
Kuss. Ihr Blick ging die Wände entlang und blieb schließlich an einem Bild hängen, was ein Kind gemalt
haben muss. Sie sah das Bild lange an. Auf dem Bild ist ein großes Haus, umgeben von einem Garten,
in dem vier Personen stehen – 2 Kinder, Mutter und Vater. An irgend etwas erinnerte sie das Bild.
Ein Mädchen malt. Sie muss ungefähr 10 Jahre sein. Sie malt oft Bilder, vor allem von Landschaften, Tieren oder
einfach Fantasiebilder. Als sie mit dem Bild fertig ist, rennt sie zu einem Mann.
„Dad!“ ruft sie und hält das Bild hoch, „Dad, guck mal!“
„Das sieht ja großartig aus mein Schatz,“ antwortet der Vater und umarmt seine Tochter.
„Hängst du es auf?“ Das Mädchen blickt ihren Vater lieb an und lächelt, als er ihr Bild nimmt.
„Ja und zwar hier!“ Er hängt es an die Wand. Auf dem Bild ist ein großes Haus, umgeben von einem Garten, in
dem vier Personen stehen – 2 Kinder, Mutter und Vater.
„Guck, hier sieht es doch toll aus, Claire!“
Sie hatte es gemalt. Als Kind. Claire starrte weiter das Bild an. Sie erinnerte sich. Sie erinnerte sich
tatsächlich. Langsam ging sie zu dem Bild und strich ehrwürdig darüber. Sie lächelte.
„Claire?“
Claire drehte sich erschrocken um. Vor ihr stand eine verschlafen aussehende Tess.
„Hallo Tess!“ sagte Claire und lächelte sie an.
„Es ist mitten in der Nacht!“
„Mhm…“ Claire guckte wieder das Bild an.
„Alles klar?“ fragte Tess besorgt.
„Ich habe das Bild gemalt!“
„Ich weiß!“
„Ich auch!“ Claire drehte sich wieder zu Tess, „ich erinnere mich. Ich hab’s gesehen. Ich hab’s gemalt
und dann bin ich zu Dad gegangen. Er hat es hier aufgehängt…“
„Du erinnerst dich?“
„Ja!“ Tess ging zu ihrer Schwester, „das ist toll!“ Sie umarmte sie glücklich.
„Ja…das ist es,“ murmelte Claire glücklich.
„Erinnerst du dich an noch mehr?“
“Nein, aber jetzt bin ich mir sicher, ich werde mich erinnern.“ Claire sah ihre Schwester optimistisch an.
Am nächsten Tag erzählten Tess und Claire allen die freudige Botschaft. Alle freuten sich für Claire und
waren optimistisch, dass dies erst der Anfang war und dass noch viele Erinnerungen folgen würden.
Viele Wochen vergingen, doch Claire konnte sich lediglich an das Bild erinnern. An mehr nicht. Ihr
Optimismus verringerte sich von Tag zu Tag mehr.
Eines Abends saß sie auf ihrem Bett. Sie war inzwischen in ihr altes Zimmer gezogen, in der Hoffnung,
sie würde sich erinnern. Sie blickte sich nun schon seit ein paar Stunden immer wieder die selben Fotos
an und versuchte sich zu erinnern. Aber nichts geschah. Bei ihrer letzten und einzigen Erinnerung war
sie so glücklich gewesen und nun geschah nichts mehr.
Sie blickte missmutig auf das Foto in ihrer Hand. Sie war drauf mit Bom auf dem Arm. Ihrer kleinen
Tochter, ab die sie sich nicht erinnert. Eine Träne fiel auf das Foto. Claire wischte sie sofort weg, doch
schon die nächste tropfte auf das Papier. Immer mehr Tränen folgten.
Sie konnte nicht mehr. Die Verzweiflung wuchs immer mehr und Claire weinte immer mehr. Warum nur
wusste das alles passieren?
Tess hörte das Schluchzen und betrat besorgt das Zimmer. Sie sah ihre Schwester weinend auf dem
Bett sitzen.
„Claire,“ flüsterte sie und ging zu Claire. Claire sah nicht auf.
„Ich erinnere mich nicht an mein Kind,“ schluchze Claire. Tess sah die Fotos in Claires Hand und konnte
sich vorstellen, was sie die letzten Stunden getan hatte,
Vorsichtig nahm sie ihr die Fotos aus der Hand.
„Schhhh…“ sagte sie und setze sich zu Claire auf das Bett. Sie legte einen Arm um sie und zog sie an
sich, „du darfst dich nicht dazu zwingen. Geh es ruhig an!“
„Aber ich will mich an Bom erinnern. Und an dich, an Alex, an Meg, an Jodi, an Drover’s, an mein Leben.
An alles eben!“
„Das wirst du!“
„Wann?“
„Bald…“
„Geht es nicht genauer?“ fragte Claire und lächelte Tess an.
„Nee, tut mir leid!“ sagte Tess daraufhin lächelnd.
Am nächsten Morgen beschloss Claire Drover’s weiter zu erkunden. Alleine. Die anderen waren
entweder in der Stadt oder arbeiteten.
Die Sonne brannte auf Claire nieder und sie suchte schließlich in einer Scheune Schutz vor der Sonne.
Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Es war dunkel und recht kühl hier. Sie
lehnte sich an einen Balken und schöpfte neue Kraft für ihre weitere Erkundungstour. Auf dem Boden
lagen Strohballen und eine Decke. Sie kniete sich auf diese.
„Pressen Claire, du musst pressen!“ Claire hörte Tess’ Stimme.
Claire schüttelte ihren Kopf. Was war das?
„Es ist ein Mädchen. Ein kleines Mädchen!“
Claire lächelte. Es war der Ort, an dem sie Bom auf die Welt gebracht hatte. Sie erinnerte sich an Boms
Geburt…
„Ich will nach Hause!“
Alex hatte sie damals getragen. Sie erinnerte sich an genau das Gesicht von Bom. Ihre kamen die
Tränen, doch waren es Tränen des Glückes. Sie konnte sich endlich an ihre Tochter erinnern.
„Tess!“ Sie lief aus der Scheune, „Tess!“ Doch Tess war nicht da. Sie war auf Oscar weggeritten, um die
Kühe zusammenzutreiben. Weiter entfernt sah sie Jodi mit Bom. Dann mussten die beiden eben für
diese tolle Neuigkeit herhalten.
„Bom! Jodi!“ rief Claire und lief auf die Beiden zu. Jodi winkte Claire.
„Hallo Claire.“
„Ich erinnere mich!“ rief Claire erfreut.
„Woran?“ Jodi bekam große Augen und freute sich wirklich über diese Nachricht,
„Die Scheune. Da wurde Bom geboren!“ Claire zeigte auf die Scheune und strahlte Jodi und Bom an.
„Ich?“ fragte Bom.
„Ja du! Ich erinnre mich an deine Geburt!“ Claire kniete sich zu Bom hinunter.
„Was heißt Geburt?“ fragte sie nach.
„Da kamst du auf die Welt…“ erklärte Claire.
„Wo kam ich denn her?“ fragte Bom weiter.
„Ähm…“ Claire wusste nicht so genau, was sie sagen sollte, „aus Mamas Bauch…“ sagte sie schließlich
zögernd.
„Und wie kam ich darein?“ Claire guckt Jodi hilfesuchend an, doch die zuckte nur mit den Schultern und
lächelte Claire an.
„Ja, wie kam Bom da rein?“ fragte auch Jodi und guckte Claire lächelnd an.
„Ja wie?“ frage Bom noch einmal nach.
„Das erklär ich dir später, ja?“ sagte schließlich Claire.
„Warum?“
„Weil heute Mittwoch ist,“ sagte Claire schnell, „und Mittwoch ist ein schlechter Tag um so etwas zu
erklären.“ Jodi musste sich bei dieser Antwort wirklich das Lachen verkneifen, doch Bom schien diese
Antwort zu akzeptieren.
„Okay,“ sagte diese nur. Claire lächelte sie an.
„Und wie ich bin aus dem Bauch raus gekommen?“ fragte Bom. Jetzt konnte sich Jodi das Lachen nicht
mehr verkneifen und lachte laut los. Claire sah Jodi streng an, was Jodi aber nur noch mehr zum Lachen
brachte.
„Bom…du stellst Fragen. Ich werde sie dir später beantworten. Es ist ja Mittwoch!“
„Okay!“ Das war geschafft. Claire lächelte Bom glücklich an.
„Aber ich erinnere mich an meine Tochter,“ sagte sie glücklich.
„Ja Mama!“ sagte Charlotte und fiel Claire in die Arme. Claire sah noch mehr Bilder von Bom.
Die Geburt. Ihre ersten Gehversuche. Ihr Lächeln. Ihr erster Geburtstag…
„Meine kleine Tochter,“ schluchzte Claire. Sie war so glücklich und konnte ihre Tränen nicht mehr
zurückhalten.
„Nicht traurig sein…“ sagte Bom.
„Ich bin nicht traurig, nur glücklich!“ Claire gab Bom einen Kuss auf die Wange und nahm sie auf den
Arm.
„Und nun erzählen wir das alles Tante Tess!“ sagte sie und ging mit ihr und Jodi Tess suchen.
Sie fanden sie auf einer Weide zusammen mit Terry und Meg, wo sie gerade die Rinder zusammen
getrieben haben.
„Tante Tess!“
„Hallo mein Schatz,“ rief Tess und winkte Bom zu, „Hallo Claire, hallo Jodi!“
„Mama kann sich an meine Geburt erinnern. Aber ich weiß nicht was das ist, weil heute Mittwoch ist.“
Tess guckte Bom erstaunt an.
„Am Mittwoch kann man nicht erklären, wie die Babys in den Bauch kommen und wieder heraus,“ sagte
Jodi lachend. Tess guckte Jodi und dann Claire erstaunt an und lachte dann als sie Claires
schüchternes Lächelnd sah. Sie verstand. Mit der Aufklärung wollte sie als noch warten.
„Du erinnerst dich?“ fragte Tess dann schließlich glücklich.
„Ja an Boms Geburt, Ihre ersten Schritte, Ihr Lächeln, ihr Geburtstag… Ich hab das alles gesehen!“
„Claire, das ist ja toll!“ rief Tess glücklich und umarmte ihre Schwester stürmisch.
Am nächsten Tag ritt Claire alleine über die Weiden von Drover’s. Sie ritt querfeldein und sah von
weitem Gräber, doch sie wusste nicht, wem sie gehörten. Als sie näher kam, erkannte sie, dass es vier
waren. Ihr Blick schweifte über die Namen an den Gräbern und blieb schließlich am letzten Grab
hängen.
‚Claire Louise McLeod’. Sie stand an ihrem eigenen Grab. Sie stieg vom Pferd und ging näher. Der Wind
fegte ihr durch die Haare. Es war ein merkwürdiges Gefühl an seinem eigenen Grab zu stehen. Das Blut
gefror ihr in den Adern bei diesem Gedanken und sie schluckte.
Die anderen Gräber gehörten ‚Jack McLeod’, ‚Prudence McLeod’ und ‚Adam McLeod’ – ihrem Vater,
ihrer Mutter und ihrem Bruder. Er war bei der Geburt gestorben.
„Claire, komm her mein Liebling,“ rief Jack seiner kleinen Tochter zu. Er hatte Tränen in den Agen.
„Was ist denn Dad?“ fragte Claire ängstlich. Zuvor hatte sie ihre Mutter schreien hören und ihren Vater ängstlich
umherlaufen sehen. Jetzt blickte ihr Vater sie an und im ganzen Haus herrschte Stille. Todesstille.
„Wo ist Mom?“ fragte Claire vorsichtig. Jack nahm sie auf den Arm.
„Sie ist jetzt bei den Engeln…“ flüsterte er mit tränenerstickter Stimme, „bei den Engeln mein kleiner Schatz!“
„Und das Baby?“
„Das auch…“
„Warum?“
„Die Engel wollten das!“
„Aber meine Mom soll nicht weg sein,“ schluchzte Claire und klammerte sich enger an ihren Vater.
„Das will ich auch nicht, aber jetzt ist es so.“
Claire weinte bitterlich. Sie konnte es nicht verstehen.
Claire liefen die Tränen die Wangen hinunter. Sie hatte den Tod ihrer Mutter und ihres Bruders nie ganz
verkraftet. Es war einfach nicht fair gewesen und nun musste sie es noch einmal erleben. Sich noch
einmal verabschieden. Sie blickte zitternd auf das Grab ihres Vaters.
„Dad, das ist unfair!“ Claire stand vor ihrem Vater und schaute ihn verletzt an.
„Claire, du bist kein kleines Kind mehr, also benehm dich auch so!“ rief ihr Vater wütend. Die beiden hatten Streit.
Es ging mal wieder um die Führung von Drover’s Run. Claire hatte ihre eigenen Vorstellungen davon, doch ihr
Vater wollte diese nicht hören.
„Noch bin ich hier der Chef, Fräulein!“ rief Jack zornig. Claire guckte ihn böse an und verschwand aus dem Raum.
„Hör dir wenigstens an was ich zu sagen hab,“ rief sie noch.
Auch Jack verließ den Raum, jedoch in die andere Richtung. Er wollte zu Scirocco und dann die Zäune reparieren.
Erst abends, nachdem Jack seit Stunden Zuhause sein sollte, machte sich Claire auf den Weg ihn zu suchen. Sie
sattelte ihr Pferd und ritt los. Von weitem sah sie Scirocco, wie er ruhig neben einer alten Scheune stand, die einer
von Claires Vorfahren gebaut hatte. Er rührte sich nicht. Von Jack war nichts zu sehen.
Dann sah sie jemanden neben Scirocco liegen. Sie gab ihrem Pferd einen leichten Tritt und ritt schnell zu Scirocco.
Es war ihr Vater, der neben Scirocco lag. Regungslos. Bleich.
„Dad!“ schrie Claire und sprang vom Pferd ab. Sie kniete sich zu ihrem Vater.
„Dad! Dad!“ rief sie immer wieder und rüttelte an seinem Körper. Er rührte sich nicht. Er war tot…
„Nein Dad, tu mir das nicht an,“ schluchzte Claire, „verlass mich nicht! Nein!“ Claire weinte immer mehr. Sie legte
ihren Kopf auf Jacks Oberkörper und weinte verzweifelt.
„Nein…Dad…“
„Dad,“ schluchzte Claire. Solche Erinnerungen wollte sie nicht. Sie wollte nicht den Tod ihrer Familie
noch einmal erleben. Sie schluchze noch einmal und wischte sich dann die Tränen weg. Sie drehte sich
um und sah verschiedene Bilder vor sich.
Sie als Kind weinend da stehen.
Nach Mom’s Tod, dachte Claire.
„Claire, Tess und Ruth verlassen uns!“
Claire schluckte. Es war damals schlimm gewesen als ihre Schwester sie verlassen hatte. Sie stieg auf
das Pferd du ritt davon.
„Ich bin’s Tess!“
Nach 20 Jahren war Tess zurückgekehrt. Sie lächelte bei dem Gedanken. Ihre kleine Schwester war
groß geworden.
Sie und Tess ritten wie die Verrückten.
Ein Wettreiten als Tess ein paar Wochen wieder zuhause war. Claire hatte gewonnen. Sie war ja
schließlich auch die erfahrene Reiterin. Sie lächelte, zum einem wegen dem Bild der Erinnerung – Tess
ritt damals wirklich witzig – und zum anderen wegen der Erinnerung an sich. Sie erinnerte sich. Sie
erinnerte sich plötzlich an so vieles und das machte sie wirklich glücklich.
Von weitem sah sie Tess. Sie kam angeritten.
„Hallo Claire,“ rief sie glücklich.
„Hallo Tess,“ Claire strahlte übers ganze Gesicht, „ich war eben an Moms, Dads und Adams Grab…und
an meinem.“
„Oh…wir müssen deins noch wegnehmen…also…“
„Ich erinnere mich!“
„Woran?“
„An den Tod der drei…“
„Oh…das tut mir leid, das muss ja schrecklich…“
„Ja, zuerst schon und ich bin auch jetzt noch traurig. Aber ich erinnere mich. Ich erinnere mich plötzlich
an so vieles. Wie du weggegangen bist, wie du wieder vor mir standest und an einige Dinge, die wir
zusammen erlebt haben. Erinnerst du dich an unser ersten Wettreiten ein paar Wochen nach deiner
Rückkehr?“ fragte Claire.
„Ja…“ Tess lächelte bei diesem Gedanken.
„Dein Reitstil hat sich seit dem gebessert!“ Claire und Tess mussten lachen.
„Lass uns nach Hause reiten!“ sagte Tess und lächelte ihre Schwester an.
Die nächsten Wochen strichen ins Land und immer mehr Erinnerungen folgten. Claire, Tess, Alex, Nick,
Jodi und Bom waren wirklich froh über Claires Erinnerungs-Entwicklung. Die Beziehung zwischen Claire
und Bom verfestigte sich zusehend. An fast alles aus ihrem Leben konnte sie sich erinnern. Die
Erinnerungen an den leiblichen Vater von Bom waren am schlimmsten gewesen.
Bom war wirklich glücklich ihre Mama wieder zuhaben und gab Claire gar nicht mehr her. Die letzten
Monate – der Unfall lag jetzt schon über ein Jahr weg – mussten aufgeholt werden und auch Claire ließ
Bom keine fünf Minuten aus den Augen. Sie war eine tolle Mutter.
An was sie sich – merkwürdigerweise – nicht erinnern konnte – war die Person, die nach Peters
Verschwinden die Rolle des Vaters und des Partners eingenommen hatte und die auch niemand
erwähnte. Alex wollte Claire damit nicht überfallen, sie sollte sich selber daran erinnern, doch war er
enttäuscht, dass er die einzige „Sache“ war, an die sich Claire noch nicht erinnerte.
„Morgen hast du Geburtstag Bom! Und wie alt wirst du dann?“ fragte Claire ihre Tochter, die ihr
daraufhin eine ganze Hand und den Daumen der zweiten Hand entgegenstreckte.
„Soooo!“
„Und wie viel ist das?“
„Sechs!“
„Ja, morgen wirst du schon sechs Jahre alt!“ Claire umarmte ihre Tochter, „freust du dich schon?“
„Ja und dann kommen alle hierher!“
„Genau alle,“ sagte Claire lachend.
Am nächsten Tag schlich Claire schon früh die Treppe hinunter in die Küche, um den GeburtstagsFrühstücks-Tisch zu decken. Die Geschenke und die Kerzen hatte sie schon gestern hinunter gebracht.
Sie wunderte sich, weil die Tür offen stand und sie sich sicher war, dass sie sie gestern Abend
geschlossen hatte.
Als sie die Küche betrat sah sie den Grund dafür: Bom. Sie saß fertig angezogen, mit einem etwas
unordentlichen Zopf lächelnd am Tisch.
„Bom!“ rief Claire erschrocken.
„Mama.“
„Was machst du hier?“
„Mein Geburtstag feiern.“ Bom war noch früher aufgewacht und in die Küche geschlichen. Die
Geschenke hatte sie immerhin nicht ausgepackt. Claire ging zu ihrer kleinen, aber immer größer
werdenden Tochter, umarmte sie und verteilte in ihrem Gesicht lauter Küsse.
„Herzlichen Glückwunsch meine Süße. Alles alles Gute,“ sagte sie zwischen den ganzen Küssen.
„Danka Mama. Jetzt hör auf mit dem Küssen,“ sagte Bom und wischte sich mit dem Ärmel über das
Gesicht.
„Und wie fühlst du dich so alt?“
„Gut!“
„Bist du denn jetzt auch vernünftiger und hörst immer auf mich?“
„Tu ich doch immer!“ Claire blickte ihre Tochter lächelnd an und nickte. Sechs Jahre. Sie konnte es
kaum fassen. Aus dem kleinen Bündel ist ein großes Mädchen geworden. Bom sah sie erwartungsvoll
an, worauf Claire sie fragend anschaute.
„Mama…“ fing Bom verlegen an.
„Ja?“
„Wann krieg ich meine Geschenke?“ Claire lachte los.
„Nach dem Frühstück. Die anderen schlafen ja noch.“ Bom stand plötzlich auf und lief aus der Küche.
„Bom! Alles okay?“
„Ich hol Tante Tess!“
„Nein Bom. Lass sie noch schlafen. Du musst dich noch geduldigen. Ich dachte, du hörst immer auf
mich,“ rief Claire ihr noch hinterher, doch das Getrampel auf der Treppe übertönte Claire.
„Tante Tess! Aufwachen! Tante Tess!“ rief Bom so laut sie konnte. Sie lief zu Tess’ Tür und klopfte so
lange, bis sie ein „Ja…“ hörte. Bom öffnete die Tür, lief zu Tess und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
„Guten Morgen Tante Tess,“ sagte sie fröhlich.
„Guten Morgen Sonnenschein. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,“ sagte Tess, streckte sich und
saß schließlich im Bett. Aber nicht sehr lange, denn Bom zog an ihrem Arm.
„Wir wollen frühstücken!“ Tess zog sich schnell ihren Morgenmantel über und ging mit ihrer kleinen
Nichte nach unten in die Küche. Meg und eine verschlafene Jodi waren auch schon da. Claire hatte in
der Zeit der Abwesenheit Boms den kleinen Geburtstags-Frühstücks-Tisch gedeckt. Eine Vase mit
sechs Rosen und sechs Kerzen standen auf Boms Platz. Neben dem Tisch stand ein weiterer Tisch, der
mit vielen kleinen und großen Geschenken bedeckt war.
Bom strahlte als die den Raum betrat.
„Happy Birthday to you, happy birthday to you, happy birthday dear Bom, happy birthday to you!“ sangen
alle im Chor und Bom lachte.
Dann saßen alle ihr Frühstück. Kaum hatte Bom den letzten Bissen hinuntergeschluckt, pustete sie ihre
Kerzen aus und blickte ihre Mutter erwartungsvoll an.
„Dann nimm dir ein Geschenk,“ sagte Claire. Sie konnte Bom keinen Gefallen abschlagen, Sie aber
auch Meg, Jodi und Tess beobachteten Bom beim Geschenke auspacken – oder eher aufreißen. Bom
strahlte übers ganze Gesicht, wenn sie ein Geschenk auspackte.
„Oh…ah…das wollte ich haben…das ist ja schön…“ Bom hielt alle Geschenke hoch, drückte sie kurz an
sich, legte sie zur Seite und wendete sich einem neuen Paket zu. Claire, Tess, Meg und Jodi
beobachteten dies alles mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Das waren tolle Geschenke,“ sagte schließlich Bom, als sie das letzte Paket mehr oder weniger
aufgerissen hatte.
„Haben sie dir alle gefallen?“ fragte Claire noch einmal lächelnd. Bom nickte stürmisch.
„Die sind von Jodi, Meg, Tante Tess und mir,“ sagte sie und umarmte ihre Tochter, „sag mal jedem
Danke und gib allen einen Kuss.“
Bom ging erst zu Jodi, umarmte sie und gab ihr einen Kuss, dann zu ihrer Tante Tess und schließlich zu
Meg.
„Dankeschön,“ sagte sie und lächelte.
Dann ging sie zu Claire und umarmte diese. Die nahm sie auf den Arm und drückte sie an sich.
„Danke Mama,“ flüsterte Bom und drückte Claire einen Kuss auf den Mund.
„Bitte mein Schatz!“
„Alex ist da!“ rief Bom und rannte auf Alex zu, der gerade aus dem Auto stieg. Ganz Drover’s Run war
bunt geschmückt und alle Freunde aus der Gegend waren zu Boms Geburtstag eingeladen. Bom rannte
den ganzen Tag in ihrem Blümchenkleid umher und freute sich alle zu sehen.
Sie rannte zu Alex, der sie auffing um rumwirbelte.
„Hallo Prinzessin. Alles Gute zum Geburtstag!“ sagte er und übergab Bom ein großes buntes Paket mit
noch einer größeren Schleife.
„Wow, das ist ja groß!“
„Du musst es ganz vorsichtig tragen“, mahnte Alex.
Claire kam auf die beiden zu. Zu Ehren von Bom durfte Bom heute ein Kleid raussuchen, was Claire
anziehen musste. Sie lächelte Alex und Bom an.
„Hallo Alex!“
„Hi Claire.“
„Wollen wir zu den anderen gehen?“
„Ja okay…“
Bom rannte schon los und zeigte aufgeregt allen ihr großes Paket.
„Das ist ja groß,“ sagte Tess und staunte, „Was da wohl drin ist?“ Sie lachte und half Bom das Paket von
der Schleife zu befreien. Als sie das Paket schließlich aufbekommen hat, kam ihr ein kleiner Hund
entgegen.
„Ahhhhhhh,“ quietschte Bom los, „ein Hund!“ Der Hund sprang aus dem Paket raus und sprang an Bom
hoch. Diese lachte.
„Gefällt er dir?“ fragte Alex lachend, als er mit Claire bei Bom ankam.
„Ja! Der ist toll!“
„Alex, ich sagte ein kleines Geschenk,“ sagte Claire und guckte Alex ermahnend an.
„Das ist ein kleiner Hund!“
Claire schüttelte den Kopf.
Bom spielte indessen mit dem Hund. Sie lief vor und der Hund folgte ihr. Stoppte sie, so hüpfte er an ihr
hoch.
„Der ist ja süß,“ rief Jana, eine Freundin von Bom. Sie lief Bom und dem noch namenlosen Hund
hinterher und lachte mit Bom um die Wette.
Claire und Alex standen etwas abseits und beobachteten diese Szene.
„Sie ist glücklich…“ sagte schließlich Claire.
„Ja, sie hat ja auch allen Grund dafür!“ sagte Alex und blickte Claire an. Er sah in ihre Augen und ein
Kribbeln ging durch seinen Magen. Sie war so schön. Er vermisste sie so sehr. Ihre Stimme. Ihr Lächeln.
Ihr Lachen. Ihre Berührungen. Ihre Küsse. All das hatte er nicht mehr seit dem Unfall. Aber immerhin
lebte sie wieder…oder noch.
„Alle klar?“ fragte Claire plötzlich.
„Ja klar, was soll denn sein?“
„Du hast mich so komisch angestarrt…“
„Ähm…nein, alles klar!“ sagte Alex schnell.
Bom kam mit Jana und dem Hund angerannt.
„Mama, Alex wir wollen jetzt Kuchen essen sagt Tante Tess!“
„Ist gut.“
Claire und Alex gingen wieder zu den anderen und setzten sich an den Tisch. Jeder bekam ein großes
Stück Schokoladentorte, auf die sich Bom schon den ganzen Tag gefreut hatte.
„Die ist lecker!“ sagte Bom mit voll gestopftem Mund.
„Bom, beiß noch mal ab, dann versteht man dich besser,“ sagte Claire lachend. Bom guckte sie
daraufhin verwirrt an, „Meg hat die Torte gebacken.“
Nach dem Essen wurden noch Kinderspiele gespielt, was vor allem Bom und Jana gefiel, während die
Erwachsenen eher widerwillig mitspielten. Bom und Jana lachten sich immer krumm und schief, wenn
die Erwachsenen die Spiele mitspielten, die eigentlich nur für Kinder gedacht waren.
Nach Stunden des Spielens widmeten sich Bom und Jana schließlich wieder dem kleinen Hund und
tobten mit ihm über den Hof. Claire und Alex standen gemeinsam unter einem Baum und beobachteten
diese Szene.
„Ja die kleine Bom!“ sagte Alex lächeln.
„Und bald ist sie groß!“
„Ja… aber süß wird sie immer bleiben!“
„Ja!“
„Woher sie das wohl hat…“ sagte Alex und schaute Claire liebevoll an.
„Ja…“
„Claire?“
„Ja?“ Claire sah ihn erwartungsvoll an und er blickte wieder in diese wunderschönen Augen. Dieses
Kribbeln im Magen machte sich wieder bemerkbar. Er lächelte sie an und sie lächelte zurück. Dieses
Lächeln… er liebte dieses Lächeln. Er liebte diese Frau.
Er beugte sich zu ihr. Seit Atem beschleunigte sich und schließlich küsste er sie. Claire wich
erschrocken zurück.
„Was? Also was…“ stammelte Claire. Warum hatte Alex sie geküsst. Er liebte sie doch gar nicht.
Zumindest waren sie nicht zusammen…
„Es tut mir leid…“ sagte Alex und blickte zu Boden. Er war traurig. Er wusste zwar nicht, was genau er
sich vom Kuss erhofft hatte, aber nicht dies. Er liebte sie, aber sie ihn nicht. Sie konnte sich nicht mal
mehr an sie erinnern.
„Nein…“ murmelte Claire. Sie mochte Alex und in seiner Nähe fühlte sie sich wohl und auch ein Kribbeln
verspürte sie in seiner Nähe. Aber sie war verwirrt.
Sie war in Melbourne. Bom war noch ein Baby gewesen. Alex war auch dort gewesen. Er wollte seinen leiblichen
Vater kennen lernen, aber das Treffen lief anders als erwartet und schließlich stand er bei ihr im Hotel.
„Claire… du…du bist der einzige Mensch, zu dem ich immer ehrlich sein kann…und du hast die schönsten Augen,
die ich kenne…“
„Alex, kann ich…“
„Wenn ich dich so in den Armen halte …bedeutest du mir alles…“
„Kann ich auch…mal was sagen?“
„Wenn du schnell machst!“
„Ich liebe dich!“ Claire blickte in die schönsten Augen, die sie jemals gesehen hatte.
Claire lächelte Alex liebevoll an und machte einen Schritt auf ihn zu.
„Ich erinnere mich…“ flüsterte sie.
„Woran?“ Claire beugte sich zu Alex und gab ihm einen flüchtigen Kuss.
„An dich Alex Marion Ryan….an Melbourne…an uns,“ flüsterte sie wieder.
Er lächelte sie an und beugte sich zu ihr runter.
„Das ist schön…“ Er küsste sie sanft auf den Mund. Sie erwiderte den Kuss. Es war ein Kuss voller
Leidenschaft und Liebe. Claire fühlte sich so gut wie lange nicht und genoss den Kuss genauso wie
Alex. Die Welt um sie begann sich aufzulösen. Sie waren eins. Waren vereint nach Monaten des
Wartens.
© Jayna, 2006
****
Anmerkung:
Ich wollte euch noch einmal erklären, wie Claire überleben konnte. Sie ist mit dem Auto den Anhang
hinunter gestürzt, war aber nicht tot. Unter Schock hat sie das Auto verlassen und hat sich verlaufen,
weil sie so verwirrt war. Dann erst ist das Auto explodiert. Claire wurde dann gefunden und ins
Krankenhaus gebracht.
Solche Fälle gibt es wirklich! Ich hab mir das also nicht ausgedacht!
Viele liebe Grüße
Jayna
****
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