Gerichtsaufbau und Instanzenzug Bayern war seit dem 1. Januar 1806 Königreich und ein souveräner Staat, dessen Neuaufbau zu einem modernen Verfassungsstaat in erster Linie das Werk des Grafen Montgelas war. Er trennte Verwaltung und Steuerwesen und übertrug den Landgerichten die Verwaltung und die Gerichtsbarkeit, den Rentämtern aber die Steuergeschäfte. Der Repräsentant des Staates war der „allmächtige“ Landrichter, der die Funktionen des heutigen Amtsrichters und des Landrats in sich vereinigte. Er trug als äußeres Zeichen seiner Würde als Gala-Uniform ein Kleid aus dunkelblauem Tuch mit stehendem Kragen und Ärmelaufschlägen „von karmesinrothem Tuche“. Kragen und Ärmelaufschläge waren mit einer Stickerei in mattem Gold verziert, das Kleid mit gelbmetallenen, mit dem gekrönten Löwen bezeichneten Knöpfen versehen. Zu dieser Uniform gehörte ein goldenes Degengehänge mit dem Namenszug des Königs in Silber und blauer Seide gestickt, sowie ein dreieckiger Hut mit goldener Schlinge und Quasten von Goldfäden ohne Bouillons und schließlich die Kokarde. Erst 1879 wurde bestimmt, dass die Richter, Staatsanwälte, Gerichtsschreiber und Rechtsanwälte in den öffentlichen Sitzungen Robe und Barett zu tragen haben. Dem Landrichter oblag die volle Jurisdiktion in Zivilrechtsangelegenheiten und das Recht der Voruntersuchung in Strafsachen, ferner das Vormundschafts- und das Hypothekenwesen. Er führte des Notariatswesen (bis 1862) und die Aufsicht über die Patrimonialgerichte; diese längst überfälligen Institutionen aus der Feudalzeit konnten sich bis zum Revolutionsjahr 1848 halten. In unserem Bezirk bestanden solche Patrimonialgerichte noch in Egmating, Elkofen, Falkenberg, Holzhausen, Mauerstetten, Mattenhofen/Zinneberg, Ottenhofen und Poing. Der Landrichter hatte aber auch für Ordnung in seinem Bezirk zu sorgen und die Einhaltung der Gesetze und Verordnungen zu überwachen. Aus der Vielfalt der damaligen Verwaltungsaufgaben des Landrichter sollen hier nur die militärischen Angelegenheiten, die Aufsicht über Religion und Kirche, das Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtswesen, das Medizinalwesen sowie das Brand- und Feuerpolizeiwesen genannt sein. Besonders vielfältig waren die Aufgaben auch in der Überwachung der öffentlichen Sicherheit, wo ihm neben dem Paßwesen, der Überwachung politischer Umtriebe und der Polizeistunde auch das Gendarmeriewesen und das Vagantenwesen oblagen. Das Landgericht war zur Bewältigung dieser umfangreichen Aufgaben mit 2 bis 3 der Rechte kundigen und geprüften Landgerichtsassessoren sowie einem Actuar besetzt, der die Aufgaben des bisherigen Gerichtsschreibers übernahm, bei Abwesenheit oder Verhinderung auch zugleich Vertreter des Landrichters war. Schließlich waren beim Landgericht das nötige Schreiberpersonal sowie ein Gerichtsdiener mit der entsprechenden Anzahl von Knechten tätig. Seit dem Jahr 1804 war jedes Landgericht auch mit einem Landgerichtsarzt besetzt; er hatte sowohl die Aufgaben des heutigen Amtsarztes, als auch die des heutigen Landgerichtsarztes zu erfüllen, Aufzeichnungen über auftretende Epidemien und Seuchen zu führen und musste die Armen des Bezirks unentgeltlich behandeln. Bei jedem Landgericht musste auch eine Frohnfeste, also ein Gefängnis, bestehen. Hiervon wird später noch die Rede sein. Übergeordnete Gerichte waren zunächst nach dem organischen Edikt, die Gerichts verfassung betreffend, vom 24.7.1808 (RegBl. S. 1785) das Appellationsgericht für je zwei Kreise des Königreiches – für den Isar- und Salzachkreis in München – als zweite Instanz in Zivilsachen und als erste entscheidende Stelle in peinlichen Fällen (= Straf sachen), sowie das Ober-Appellationsgericht in der Residenzstadt München als letzte Instanz in Zivil- und peinlichen Rechtsfällen für das ganze Königreich. Im Jahre 1837 wurden neben den Appellationsgerichten auch die Gerichtssprengel der Kreis- und Stadtgerichte neu festgelegt (VO vom 29.11.1837, RegBl.Nr.58 und 63), Ab 1.1.1838 war dadurch im Kreis Oberbayern für sämtliche Landgerichte das Kreis- und Stadtgericht München als privilegierte erste Instanz in Strafsachen zuständig geworden. Doch auch dabei sollte es nicht lange bleiben. Bereits 1848 wurden im Kreis Oberbayern zwei neue Kreis- und Stadtgerichte in Aichach und Wasserburg für die Untersuchung und Aburteilung von Vergehen und Verbrechen gebildet, soweit nicht die Zuständigkeit des Schwurgerichts gegeben war. Das Gericht in Ebersberg gehörte von da ab zum Kreis- und Stadtgericht Wasserburg. Durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung und das gerichtliche Verfahren vom 1. Juli 1856 (GVBl. S. 339) wurden die bisherigen Kreis- und Stadtgerichte in Bezirksgerichte umgewandelt. Im Vollzug dieses Gesetzes wurde dem Landgericht Ebersberg allerdings ein BezirksUntersuchungsrichter zugeteilt. Wiederum kurze Zeit später wurde durch das bayer. Gerichtsverfassungsgesetz vom 1.Nov. 1861 (GVBl. S. 210) mit Wirkung vom 1. Juli 1862 die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung durchgeführt. Über den Landgerichten standen die Bezirksgerichte, die Appellationsgerichte und das Ober-Appellationsgericht. Bald darauf brachte die Reichsgründung Bismarcks erneut große Veränderungen. In Bayern gab es fortan nur noch Ausführungsgesetze zu den ab 1.10.1879 in Kraft gesetzten Reichsjustizgesetzen von 1877 (ZPO und GVG mit Einführungsgesetzen). Durch Verordnung vom 2. April 1879 (GVBl. S 355) wurde die neue Gerichtseinteilung bekanntgegeben. Die Landgerichte wurden in Amtsgerichte, die Bezirksgerichte in Landgerichte umbenannt. Aus den Appellationsgerichten waren die Oberlandesgerichte und aus dem Ober-Appellationsgericht das Bayer. Oberste Landesgericht geworden. Das Amtsgericht Ebersberg gehört seitdem zum Landgericht München II. Diese Gerichtsverfassung hat im Wesentlichen auch heute noch Bestand. Es sei aber noch erwähnt, dass bald nach der Jahrhundertwende und verstärkt durch die allgemeine Notlage nach dem ersten Weltkrieg und den damit verbundenen Zwang zur Sparsamkeit der Ruf nach einer Entlastung des Richters immer lauter wurde. Die sog. „Kleine Justizreform“ vom 1921 ermöglichte als Rahmengesetz eine Entlastung des Richters; es folgte 1923 die preußische Entlastungsverfügung, in der erstmals die Bezeichnung „Rechtspfleger“ für die Beamten eingeführt wurde, denen bisher dem Richter obliegende Geschäfte zur selbständigen Wahrnehmung übertragen wurden. Am 26.2.1941 erschien eine reichseinheitliche Ausbildungsordnung für Rechtspfleger und schließlich 1957 ein Rechtspflegergesetz, das bis in die jüngste Zeit mehrfache Änderungen mit weiteren Zuständigkeitsausweitungen erfuhr. Aus dem ehemaligen Gerichtsschreiber war ein eigenes Organ mit sachlicher Unabhängigkeit geworden. Dem Rechtspfleger wurden durch dieses Gesetz zahlreiche Rechtsgebiete ganz oder mit wenigen Richtervorbehalten übertragen. Heute sind beim Amtsgericht Ebersberg neben 6 ½ Richtern 11 Rechtspfleger tätig. Weitere erwähnenswerte Zuständigkeitsänderungen ergaben sich aus der Bildung der Arbeitsgerichte im Jahre 1927 und aus der Übertragung der Zuständigkeit für Konkursund Zwangsversteigerungsverfahren an größere Amtsgerichte (für Ebersberg nunmehr das Amtsgericht München). Zusätzliche Aufgaben erwuchsen dem Amtsgericht durch das ab 1.6.1973 wiederum angesiedelte Erwachsenen- und Jugendschöffengericht und die seit der Eherechtsreform (Gesetz vom 14.6.1976) begründete Zuständigkeit des Familiengerichts für Ehescheidungssachen (bis dahin in der Zuständigkeit der Landgerichte).