Pflichtübung aus Völkerrecht

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Univ. Prof. Dr. Gerhard Hafner
INSTITUT FÜR VÖLKERRECHT UND
INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN
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Universitätsstr. 2
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Tel: +1 4277/35306
PFLICHTÜBUNG AUS VÖLKERRECHT
Sommersemester 2001
A. ERZEUGUNGSFORMEN DES VÖLKERRECHTS
Bindende Natur des Völkerrechts?
1. Staat X will Staat Y wegen Verletzung der Schlußakte von Helsinki 1975 (D 219) vor dem
IGH klagen.
i. Kann ein Staat wegen der Verletzung der Schlußakte von Helsinki geklagt werden?
ii. Welche sind die Voraussetzungen für eine Klage vor dem IGH (IGH- Statut D 261)?
2. Eine Schweizerin, die ihren Urlaub in Österreich verbringt, beruft sich vor einer
österreichischen Verwaltungsbehörde auf die Allgemeine Menschenrechtsdeklaration 1948
(D 171), da ein österreichisches Organ gegen Bestimungen dieser Deklaration verstoßen habe.
Welche Erfolgsaussichten hat diese Beschwerde?
3. Österreich stimmt einer Resolution der GV der UNO zu, derzufolge die Staaten Asyl auch
aus wirtschaftlichen Gründen gewähren sollen. Österreichs Behörden verweigern später in
einem Anlaßfall, ein Asyl aus diesem Grund zu gewähren. Staat X wirft Österreich deswegen
eine Völkerrechtsverletzung vor.
4. Der UN Sicherheitsrat erläßt die Resolution S/RES/827(1993) – siehe Handbuch D 359.
Österreich veröffentlicht diese Resolution im BGBl. Der ICTY ersucht Österreich unter
Berufung auf diese Resolution, eine bestimmte, der Kriegsverbrechen verdächtige Personen,
in Österreich festzunehmen und nach Den Haag auszuliefern. Dürfen österreichische
Polizeiorgane diese Person festnehmen?
Einseitige Akte
5. Auf der 50. Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärt der österreichische
Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, daß Österreich den Transit von Panzern des
Nachbarstaates X für Manöver im Nachbarstaat Y gewähren werde. Sind die österreichischen
Behörden daran gebunden?
Völkergewohnheitsrecht
6. In Österreich wurden keine Studiengebühren für Ausländer verlangt. Aufgrund des wegen
der ausgezeichneten Studienbedingungen und der international anerkannten Professor/Inn/en
angestiegenen Ausländeranteils an Studenten erläßt Österreich ein Gesetz über eine
Studiengebühren für ausländische Studenten. Staat X klagt Österreich wegen Verletzung des
Völkerrechts vor dem IGH. Wie sind die Chancen? (Vgl. Lotus-Fall, D 7)
7. In Santiago de Chile flüchten Dissidenten in die österreichische Botschaft und suchen um
diplomatisches Asyl an. Kann Österreich dieses gewähren? Vgl. Asyl-Fall, Handbuch D 8.
B. VERTRAGSRECHT
1. Am 15. Oktober 1998 schließt der polnische Außenminister Geremek namens der OSZE
mit dem Außenminister der BR Jugoslawien ein Abkommen ab. Ist dies ein völkerrechtlicher
Vertrag (Hat die OSZE Vertragsschlußkompetenz)? (D 219)
2. Österreich unterzeichnet das ratifikationsbedürftige Übereinkommen über die Rettung von
Regenwürmern. In weiterer Folge, bevor noch eine Ratifikation erfolgt, macht jedoch das
Landwirtschaftsministerium Bedenken gegen das Übereinkommen geltend und bringt im
Ministerrat einen Gesetzesentwurf ein, der in klarem Gegensatz zum Übereinkommen steht.
Verletzt Österreich im Falle der Erlassung des Gesetzes Art. 18 WVK (D 14)?
3. Der österreichische Gesundheitsminister unterzeichnet auf einer Dienstreise ein bilaterales
Abkommen über Gesundheit, Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung erneuerbarer
Ressourcen. Gemäß Schlußklauseln tritt das Abkommen 14 Tage nach Unterzeichnung in
Kraft. Als der Minister nach dreiwöchiger Reise in Wien ankam, stand da das Abkommen in
Kraft? Kann Österreich wegen der Unzuständigkeit des Gesundheitsministers erklären, an das
Abkommen nicht gebunden zu sein?
4. Der Landeshauptmann von Salzburg schließt mit Schleswig Holstein ein Abkommen über
Umweltschutz ab, worin NGO’s ein Klagsrecht zugunsten bedrohter Tierarten eingeräumt
wird. Steht dies im Einklang mit dem B-VG (D 52)?
5. Österreich stimmt gegen eine in der GV vorgeschlagene Änderung der SVN (Verbot
jeglicher Berufung auf die Neutralität), wird aber von mehr als 2/3 überstimmt. Österreich
weigert sich auch, diese Änderung zu ratifizieren, obwohl sie alle ständigen Mitglieder des
SR sowie mehr als 2/3 der UNO Mitglieder ratifiziert haben. Was passiert nun?
6. Staat X erklärt zur Völkermordkonvention (D 178) einen Vorbehalt, wonach der Begriff
Völkermord auch die Verfolgung von politischen Gruppen mitumfaßt. Wird Staat X Partei
der Völkermordkonvention?
7. Staat A erklärt einen Vorbehalt zu Art. 10 UN MRPakt II (D 173), daß die
Meinungsfreiheit durch staatliche Zensur eingeschränkt ist. Wie können die anderen Staaten
darauf reagieren und wie sind die rechtlichen Folgen?
8. Österreich schließt ein bilaterales Abkommen mit der Schweiz gem Art. 50 (1) B-VG (D
52), das nach Ansicht von Frau X den Gleichheitsgrundsatz der EMRK (D 181) und des BVG verletzt. Welche Schritte kann Frau X unternehmen und was sind die Folgen?
9. Die österreichische Regierung besitzt nur die einfache Mehrheit im Nationalrat. Österreich
will aber ein Übereinkommen ratifizieren, das dem Organ mit beschränkter Mitgliedschaft
einer internationalen Organisation das Recht einräumt, für alle Mitglieder bindendende
Beschlüsse zu fassen. Welche Probleme können sich im Nationalrat ergeben?
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C. DER STAAT: GEBIET
1. Österreich anerkannte Bosnien/Herzegowina in den Grenzen, die der gleichlautende
Bestandteil des früheren Jugoslawien hatte. Auf welches Prinzip stützte sich dies?
2. Im AUA Flugzeug wird auf einem Flug nach London eine Handtasche gestohlen. Welches
Strafrecht findet Anwendung?
3. Québec besitzt die ausschließliche Zuständigkeit für Fragen der Sozialversicherung und
will mit Österreich darüber einen Vertrag abschließen. Kann Österreich dies tun oder nur
unter Anerkennnung Québecs als Staat?
4. Der Staat Sosed, ein Nachbarstaat Österreichs, legt an der gemeinsamen Grenze eine
Müllverbrennungsanlage an. Österreich protestiert dagegen – mit welchen Argumenten?
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D. DER STAAT: ZEITLICHER GELTUNGSBEREICH
1. Auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion bestehen derzeit 15 Staaten. Welchen Status
haben sie?
2. Auf dem Gebiet des früheren Jugoslawiens bestehen nunmehr sechs Staaten. Welchen
Status haben sie?
3. Österreich stimmt in der UN-GV für die Aufnahme FYROMs in die UNO. Fand dadurch
eine Anerkennung statt?
4. In Klagenfurt steht ein Haus, das das Konsulat des früheren Jugoslawiens beherbergte und
Eigentum dieses Staates war. Slowenien will nunmehr darin ein slowenisches Konsulat
eröffnen; wie geht dies?
5. Sind Slowenien und die Russische Föderation Partei des Staatsvertrags von Wien (D 377)?
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E. DER STAAT: PERSONEN
1. Karol Schweijk flüchtet 1968 nach Österreich und schließt sich in Wien der tschechischen
Minderheit an. Kann er die Rechte der Minderheit beanspruchen? (D 208)
2. Der österreichische LKW Chauffeur Heinz V. chauffiert in Südtirol seinen LKW, wird
wegen Trunkenheit angehalten und einem Verfahren in italienischer Sprache unterworfen.
Sein Anwalt protestiert und verlangt, daß das Verfahren in Deutsch erfolgt, da Südtiroler
Behörden zweisprachig sein müssen. Kann er sich durchsetzen?
3. Der deutsche Staatsangehörige Otto Pappenheimer erhält in Österreich per Bescheid die
Konzession, ein Kurhotel zu eröffnen. Nach zehnjährigem Betrieb wird ihm aber im
Verwaltungswege die Konzession entzogen. Er klagt die Republik Österreich wegen
Menschenrechtsverletzung in Straßburg. (EMRK D 181; vgl D 192)
4. Das österreichische Eishockeyteam will sich vor den olympischen Spielen mit dem
Kanadier Ken Jordan verstärken, dessen Großeltern aus Cisleithanien nach Kanada
ausgewandert waren und die kanadische Staatsangehörigkeit erhalten hatten. Jordan wird
eingebürgert, ohne daß er auf die kanadische Staatsangehörigkeit verzichten mußte. In
Kanada wird er aber verhaftet, ohne daß der österreichische Konsul verständigt wird.
Österreich protestiert dagegen. Zu Recht? Beide Staaten sind Partei der WKK (D 214).
5. Der Vermögensvertrag Österreich – CSSR enthält eine Klausel, worin Östereich auf die
Unterstützung von Ansprüchen Österreicher auf Entschädigung vor den CSSR Behörden
verzichtet. Der Österreicher Klaus V. ist a) der Ansicht, daß Österreich dadurch, daß der
Vertrag nur einen Teil der geforderten Entschädigung sichert, ihn enteignet habe, und b) will,
daß Österreich, nachdem er vor den tschechischen Behörden keine volle Entschädigung
erhalten konnte, für ihn von der Tschechischen Republik Entschädigung verlangt. Zu Recht?
(Vgl. D 73, 169)
6. Österreich erläßt ein Gesetz, das die Mitbestimmung des Betriebsrates bei der
Geschäftsführung jedes österreichischen Unternehmens vorsieht. Österreich wendet auch
diese Gesetz auf General Motors Austria, ein 100% Tochterunternehmen von General Motors
America, an. Die USA verlangen von Österreich, daß es dieses Gesetz auf jenes
Unternehmen nicht anwendet; als diesem Verlangen nicht entsprochen wird, beschlagnahmt
es die im Besitz des Kunsthistorischen Museum stehenden und auf einer Ausstellung in New
York befindlichen Gemälde Kokoschkas. Zulässig?
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F. INTERNATIONALE ORGANISATIONEN
1. UNIDO will im Burgenland ein Grundstück zu Erholungszwecken für seine Beamten
kaufen. Zulässig? (Vgl. D 108)
2. Nach einer Sitzung des Rats der OSZE im Redoutensaal fängt dieser zu brennen an. Eine
weggeworfene Zigarette war offensichtlich schuld. Kann Österreich die OSZE dafür
verantwortlich machen und klagen? (Vgl. D 107)
3. Ein österreichischer UN-Soldat in den UN Peace-keeping Truppen auf dem Golan ( D
241 Notenwechsel VN – Österreich betreffend UNFICYP) chauffiert einen Jeep seiner
Truppe. Er verunglückt jedoch auf einer Dienstfahrt mit dem Jeep, wobei der mitfahrende
Kommandant, ein Österreicher, verletzt wird. Kann dieser vor einem österreichischen Gericht
jenen auf Schadenersatz klagen?
4. Ein österreichischer UNIDO-Beamter wird entlassen. Kann er vor österreichischen
Behörden die UNIDO klagen (vgl D 118)?
5. Im Kosovo werden die Albaner systematisch verfolgt und teilweise sogar getötet. Ein
serbischer Anführer dieser Maßnahmen wird in Österreich gefaßt und unter Anklage gestellt.
Sein Verteidiger bestreitet die Zuständigkeit Österreichs. Darauf ergeht ein Beschluß des
Anklägers des Ad-hoc Tribunals für das frühere Jugoslawien (auf Grundlage der Res 827, vgl.
D 359, D 360), worin Österreich zur Abtretung der Verfahrens an das Tribunal und zur
Überstellung jener Person an das Tribunal aufgefordert wird. Der Verteidiger bnehauptet, daß
jene Resolution ultra vires und folglich – genauso wie die Anordnung des Tribunals – nichtig
und folglich nicht zu beachten sei. Wie entscheidet das Gericht?
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G. DIPLOMATENRECHT (VGL D 212)
1. Der äthiopische Diplomat Haile kauft in Wien eine Wohnung. Gemäß Kaufvertrag zahlt
der Käufer sämtliche Steuern und Gebühren aus diesem Rechtsgeschäft. Darauf erhält aber
der Verkäufer eine Vorschreibung betreffend verschiedene einschlägige Steuern. Er beruft
sich vor dem Finanzamt auf den Vertrag. Das Finanzamt verlangt aber von ihm diese Steuern,
die er zähneknirschend zahlt. Darauf will er Haile belangen. Wie?
2. Der russische Diplomat Valentin Boris (russische Botschaft Wien) erhält wegen
Falschparkens ein Organmandat. Er will es zahlen; darf er?
3. Der italienische Diplomat Benjamino Gigli (italienische Botschaft Wien) erhält von den
Finanzorganen der Wiener Diözese eine Vorschreibung für „Kirchensteuer“. Muß er zahlen?
4. Der Sohn eines französischen Diplomaten in Wien will an der Alma Mater studieren. Ist er
von Studiengebühren befreit? (Vgl D 212)
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H. GRUNDPRINZIPIEN
1. Eine limnologische Exkursion der Universität Wien zur Erforschung der Flora und Fauna
von langsam fliessenden Gewässern im Entwicklungsland Ruritania kommt dort in
Schwierigkeiten, da die Forschungstätigkeit als Einmischung in innere Angelegenheiten
bezeichnet wird. Die Behörden Ruritaniens lassen die Studenten und Professoren nicht
ausreisen, wenn diese nicht alle Forschungsunterlagen und -geräte zurücklassen. Außerdem
setzen die ruritanischen Behörden aus diesem Grund die Rückzahlungen aus einem bilateralen
Kreditvertrag mit Österreich mit sofortiger Wirkung aus.
2. Die NATO beschließt, angesichts der Weigerung der BRJ, das Rambouillet Abkommen zu
akzeptieren, Luftschläge gegen die BRJ durchzuführen. In Österreich liegt dem BMI ein
Antrag der NATO vor, die Durchfuhr von Kriegsmaterial zum Zwecke der Luftschläge gegen
die BRJ zu gestatten. Wie hat das BMI zu entscheiden?
3. Zwischen Staat X und Staat Y besteht ein Konflikt. Staat X schlägt vor, diesen Konflikt
durch Verhandlungen beizulegen, Staat Y will ein Schiedsgericht einsetzen. Welchem
Verfahren gebührt Vorrang und welche Verfahren stehen für ein Schiedsgericht zur
Verfügung?
4. Der Geheimdienst der Großmacht Megalia bildet militärisch Exilanten des kleinen
Nachbarstaates Ruritania aus. Diese Exilanten führen Untergrundkämpfe in Ruritanien zum
Umsturz der Regierung dieses Staates durch, an denen als Berater Offiziere des
Geheimdienstes teilnehmen. Ruritanien klagt Megalia wegen Aggression und Einmischung
vor dem IGH an. Zu Recht? (Vgl. D 249)
5. Staat Colonia entläßt die Kolonie Indepentia in die Unabhängigkeit. Zwei Tage vor der
Erklärung der Unabhängigkeit marschieren Truppen des Nachbarstaates Oleostan in
Indepentia ein. Dreißig Jahre nach diesem Vorfall erwirbt die OMV Ölbohrkonzessionen in
jenem Festlandsockel des Staates Oleostan, der der Küste Indepentias vorgelagert ist.
Welches Risiko geht die OMV damit ein?
6. Die USA erklären, daß sie Bewegungen unterstützen, die den Sturz der Regierung Iraks
anstreben. Irak erklärt, daß die USA eine unerlaubte Einmischung vornehmen. Zu Recht?
8. Kann Österreich die Verletzung des Südtirol- Operationskalenders und des Südtirol-Pakets
(D 390) durch Italien vor den IGH bringen?
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I. VERANTWORTLICHKEIT
1. Terroristen überfallen im Dezember 1975 den Amtssitz der OPEC in Wien; ein
österreichischer Polizist wird getötet. Die Terroristen nehmen aber die Ölminister der OPEC
Staaten fest und lassen sie erst in Algier frei. Die OPEC und OPEC Staaten verlangen von
Österreich Schadenersatz und Genugtuung. Zu Recht?
2. Vor einem Gericht in einem Nachbarstaat wird behauptet, daß der Einmarsch deutscher
Truppen in Österreich im März 1938 nicht rechtswidrig gewesen sei, da die Bevölkerung
Österreichs bei einer Volksabstimmung im April 1938 dafür gestimmt habe, so daß die
ursprünglich Rechtswidrigkeit saniert sei. Stimmt dies?
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