Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 Arten der Leistungskondiktion § 812 I 1, 1. Fall Von Anfang an fehlender Rechtsgrund (condictio indebiti) § 812 I 2, 2. Fall Später weggefallener Rechtsgrund (condictio ob causam finitam) § 812 I 2, 2. Fall Nichteintritt des mit der Leistung verfolgten Zwecks (condictio ob rem) § 813 Leistung trotz Einrede 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Ohne Rechtsgrund (fehlt von Anfang an): ein Grund für das Behaltendürfen des Leistungsgegenstands auf Seiten des Leistungsempfängers existiert nicht 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Rechtsgrund später (nach Leistung) entfallen: der Grund für die Leistung (für das Behaltendürfen auf Seiten des Empfängers) ist nach Leistungsvollzug weggefallen. 4. Kein Kond.Ausschluss nach § 817, S. 2 (erweiterte Anwendung) 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Der mit der Leistung verfolgte Zweck tritt nicht ein: Grund für das Behaltendürfen des Leistungsgegenstands ist die Erreichung eines bestimmten Zwecks, zu dem es nicht kommt. 4. Kein Kond.Ausschluss nach a) § 815: - Unmöglichkeit der Zweckerreichung von Anfang an u. Kenntnis des Leistenden - Treuwidriger Verhinderung der Zweckerreichung d. Leistenden b) § 817, S. 2 (erweiterte Anwendung) 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Dem Anspruch auf den hier geleistet wird stand Einrede entgegen (Achtung gilt nicht für Verjährungseinrede, § 813, S. 2) 4. Kein Kond.Ausschluss nach a) § 814 b) § 817 S. 2 (erweiterte Anwendung) 4. Kein Kond.Ausschluss nach a) § 814: Kenntnis des Leistenden v. Fehlen des Rechtsgrunds - Leistung entspricht Anstands od. Sittenpflicht b) § 817, S. 2: Leistender verstößt gegen ges. Verbot od. gute Sitten (erweiterte Anwendung) § 817 S. 1 Leistungsannahme = Verstoß gegen ges. Verbot od. gute Sitten (condictio ob turpem vel in iustam causam) 1. Etwas erlangt 2. Durch Leistung 3. Leistungsannahme verstößt gegen ges. Verbot oder gute Sitten: der Leistungserfolg wird von der Rechtsoder Sittenordnung missbilligt; deshalb soll Empfänger Leistung nicht behalten. 4. Kein Kond.Ausschluss nach § 817 S. 2 Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 a Fälle des § 812 I 2, 1. Fall (cond. ob causam finitam) I. Der Bei Vornahme der Leistung zunächst vorhandene Rechtsgrund kann später entfallen durch 1. Eintritt eines Endtermins 2. Einverständliche Vertragsaufhebung bzw. Parteivereinbarung, § 311 3. Auflösende Bedingung; (vgl. OLG Brandenburg ZIP 1999, 11 b) aber Achtung: zunächst prüfen, ob bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt, dass Parteien eine vertragliche Rückgewährpflicht vereinbart haben; dann Rückgewähr nach der Vereinbarung, nicht nach § 812 I 2, 1. Fall [Beispiel: Sicherungsvertrag auflösend bedingt: Rückgewährpflicht (z.B. bzgl. des übertragenden Sicherungseigentums, der zur Sicherung abgetretenen Forderung) aus Vertrag, wenn aufl. Bedingung eintritt]; vgl. dazu Medicus, SchuldR BT, Rn. 647. 4. Willenserklärung einer Partei: a) Widerruf einer vollzogenen Schenkung, § 530, 551 II (ebenso bei endgültigem Wegfall des Rechtsgrunds bei einer Zweckschenkung; Rückforderung bei Nichterfüllung einer Auflage richtet sich dagegen nach § 527; zu beidem BGH LM 527, Nr. 1). b) Vorzeitige Beendigung von Dauerschuldverhältnissen: hier grds. Rückforderung nicht verbrauchter Vorausleistungen; aber Achtung: z.T. bestehen insoweit ausdrückliche gesetzliche Regelungen (z.B. § 628 I 3, § 547 I), z.T. ergibt sich Rückgewährpflicht aus dem Vertrag (z.B. Abschlagszahlungen bei Werkvertrag). Bei Kündigung aus wichtigem Grund (etwa § 314, § 313 III) sind eher §§ 346 ff anzuwenden, da die Kündigung das Rücktrittsrecht ersetzt (Palandt/Sprau § 812, Rn. 79), zum Rücktritt s. u. c) Anfechtung, umstritten: z. T. Kondiktion nach § 812 I 1, 1. Fall (cond. indebiti); Argument: Rückwirkung der Anfechtung gem. § 142 I. Konsequenz: Kondiktionsausschluss nach § 814, i.V.m. § 142 III? (s.u.). Z. T. § 812 I 2, 1. Fall (cond. ob causamfinitam) Argumente: Kondiktion nach Argumente: Rückwirkung gilt nicht uneingeschränkt (§ - bei Dauerschuldverhältnissen, ex nunc); vor allem aber: bis zur Anfechtung Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse besteht der Rechtsgrund, ist der Leistende zur Leistung verpflichtet. Konsequenz: § 814 nicht anwendbar. Der Streit führt allerdings nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen: Zwar ist bei Anwendung des § 812 I 1, 1. Fall auch § 814 anwendbar. Die Einrede greift aber nicht, weil der Leistende trotz Kenntnis der Anfechtbarkeit (s.o. § 142 II) bis zur Erklärung der Anfechtung zur Leistung verpflichtet ist. Ist der Leistende selbst der Anfechtungsberechtigte und leistet er in Kenntnis der Anfechtbarkeit, so liegt in der Leistung regelmäßig eine Bestätigung des Geschäfts gem. § 144, so dass eine Anfechtung ausscheidet (vgl. Brox/Walker, SchuldR BT, § 37 Rn. 30). (weitere Fälle zu § 812 I 2, 1. Fall: Palandt/Sprau § 812, Rn. 75 ff.). II. Achtung: Nicht unter § 812 I 2, 1. Fall gehören: 1. Rücktritt: Durch Rücktritt wandelt sich das Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis, das sich nach den (strengen) §§ 346 ff. regelt. § 812 I 2, 1. Fall ist daneben nicht anwendbar (dies gilt auch für Rücktritt nach § 313, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage). 2. Scheidung/Scheitern einer Ehe oder eingetragener Lebenspartnerschaft Bei gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft, Ausgleichsgemeinschaft) gehen die entsprechenden Regelungen als lex specialis vor. BGH: Auch bei Gütertrennung ist § 812 nicht anwendbar (FamRZ 1990, 855). 3. Scheitern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bewirkt keinen Wegfall des Rechtsgrunds für Aufwendungen während der Beziehung (weitere Einzelheiten zu 3. und 4.: Palandt/Sprau § 812, Rn. 83; ferner Familienrecht). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 b Kondition wegen Zweckverfehlung, § 812 I 2., 2. Fall (cond. ob rem oder auch cond. causa data, causanon secuta) Die Kondiktion gem. § 812 I 2., 2. Fall ist dadurch charakterisiert, dass der Leistende mit seiner Leistung einen Zweck verfolgt, der über den Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit (Schuldtilgung) hinausgeht. Die Erreichung des Zwecks ist Rechtsgrund für die Leistung bzw. das Behaltendürfen des Leistungsempfängers. Wird der Zweck nicht erreicht, ist die Leistung rechtsgrundlos, besteht kein Grund für das Behaltendürfen des Leistungsempfängers Rückgewähranspruch. Voraussetzungen: Mit der Leistung war ein Erfolg bezweckt, über den sich die Parteien verständigt hatten, und dieser Erfolg ist nicht eingetreten. 1. Verständigung über den Zweck Eine einseitige Zwecksetzung oder Erwartung des Leistenden reicht nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine gemeinsame Zweck-„Vereinbarung“, eine Verständigung der Parteien über den Zweck. Aber Achtung: Der Zweck darf nicht Gegenstand der vertraglichen Bindung oder Bedingung des Rechtsgeschäfts sein, s.u. Erforderlich ist also eine Willensübereinstimmung ohne Vertragscharakter, durch die die Leistung und der erwartete Erfolg so miteinander verknüpft werden, dass die Leistung (das Behaltendürfen des Empfängers) von der Zweckerreichung abhängig gemacht wird. Die Verständigung der Parteien kann nicht zuletzt durch konkludentes Verhalten zustande kommen (BGHZ 44, 323). Sie ist nach der Rspr. anzunehmen, wenn der Leistende einen bestimmten Erfolg bezweckt, der Leistungsempfänger dies weiß/erkennt und die Leistung annimmt, ohne zu widersprechen (BGHZ 115, 261, 263). 2. Bezweckter Erfolg: S. o.: Der bezweckte Erfolg muss über den Zweck der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit (Schuldtilgung) hinausgehen, da die Ver- Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse fehlung des Zwecks: Erfüllung (Schuldtilgung), bereits durch § 812 I 1, 1. Fall (cond. indebiti) erfasst ist. Nicht erfasst ist der Zweck, bei einem gegenseitigen Vertrag durch die Leistung die Gegenleistung zu erlangen, da bei Verfehlung dieses Zwecks die allgem. Leistungsstörungsregeln gelten. Der Zweck darf des Weiteren weder Gegenstand der vertraglichen Bindung noch Bedingung des Rechtsgeschäfts sein (s.o.). Grund: diese Fälle sind bereits durch § 812 I 1, 1. Fall (cond. indebiti) oder § 812 I 2, 1. Fall (cond. ob causam finitam) erfasst. Ist der bezweckte Erfolg Geschäftsgrundlage gehen die Regeln über den Wegfall bzw. die Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 vor (BGHZ 108, 149; BGH NJW 1992, 2690). 3. Anwendungsbereich des § 812 I 2, 2. Fall Umstritten ist, ob § 812 I 2, 2. Fall nur auf Fälle anwendbar ist, in denen überhaupt nicht (auch nicht teilweise) auf eine Verbindlichkeit geleistet, sondern ausschließlich ein anderer Zweck verfolgt wurde (so etwa Larenz/Canaris, SchuldR II/2, § 68 I 3d) oder ob § 812 I 2, 2. Fall auch dann anwendbar ist, wenn zwar die Erfüllung der Verbindlichkeit bezweckt war und erreicht wurde, darüber hinaus aber ein weiterer (zusätzlicher) Zweck (gemeinsame Zweckvereinbarung!, s.o.) verfolgt wurde, der nicht erreicht wurde (so h.M., etwa Palandt/Sprau § 812, Rn. 91). Beispiele für die 1. Variante (ausschließlich anderer Zweck): - Leistung zur Erfüllung eines formnichtigen Grundstückskaufvertrags in der Hoffnung, dieser werde durch Erfüllung wirksam (§ 311 b I 1 u. 2), Leistung zur Begründung eines Rechtsverhältnisses. - Neffe N pflegt die Tante T in der Erwartung, von ihr als Erbe eingesetzt zu werden Beispiele für 2. Variante (neben Erfüllung einer Verbindlichkeit weiterer Zweck): - A gewährt B ein Darlehn, damit dieser eine Forschungsreise unternehme; B macht eine Urlaubsreise. - X arbeitet unterbezahlt im Unternehmen des Y in der Hoffnung, die Tochter des Y zu heiraten. Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Nach h. M. sollen in diesen Fällen A die Darlehenssumme und X den tatsächlichen Wert seiner Arbeit (§ 812 II) gem. § 812 I 2, 2. Fall kondizieren können. Nach der Gegenauffassung scheidet in beiden Fällen eine Kondiktion aus. Argument: Bei vollausgebildeten Verträgen ist der Leistende auf die Rechtsbehelfe des Vertragsrechts zu verweisen, zumal er es in der Hand hat, seine Erwartungen in vertraglich verbindlicher Form zu vereinbaren. Ihm ist allenfalls mit den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage zu helfen (Medicus, SchuldR BT, Rn. 651). Im Beispiel „Unterbezahlung“ hat Rspr. dem Leistenden (X) über § 612 einen vertragl. Vergütungsanspruch gewährt (vgl. Medicus, BR, Rn. 692). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 c Verhältnis Leistungen/Nichtleistungskondiktion I) Zweipersonenverhältnis Es gilt der Grundsatz der Alternativität der Kondiktionen, d.h. der Bereicherungsgegenstand kann schon begrifflich entweder nur durch Leistung oder in sonstiger Weise erlangt worden sein. Die Spezialregelung der Leistungskondiktion geht der der Nichtleistungs-(Eingriffs-)Kondiktion vor. (Achtung: §§ 814, 815 gelten nur für Leistungskondiktion: § 814 für § 812 I 1., 1. Fall, § 815 für § 812 I 2, 2. Fall). II) Mehrpersonenverhältnis Bei Beteiligung mehrerer Personen am Bereicherungsvorgang, kann sich die Bereicherung im Verhältnis zu einer Person als durch Leistung, im Verhältnis zu einer anderen Person (= dagegen als durch Nichtleistung (Eingriff) erlangt darstellen (Rechtserwerb bzw. Rechtsverlust durch Eingriff). Beispiel: Bauunternehmer B bestellt für den Bau des Bauherren C bei Baustoffhändler H Baumaterialien, die H an die Baustelle liefert, wo sie sofort eingebaut und gem. § 946 Eigentum des C werden (Im Verhältnis B-C: Leistung; im Verhältnis H-C: Nichtleistung. H.M.: Es gilt der Grundsatz vom Vorrang der Leistungskondiktion bzw. von der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion: eine Nichtleistungskondiktion kommt grds. (s.u.) nur dann in Betracht, wenn der Bereicherungsgegenstand dem Bereicherten überhaupt nicht, von niemandem, geleistet worden ist. Dabei ist nach h.M. aus der Sicht des Bereicherten zu beurteilen (Empfängerhorrizont), wer als Leistender anzusehen ist [BGHZ 36, 30; 40, 272; 122, 46 (50). Palandt/Sprau § 812, Rn. 41] (zu Abweichungen der Lit. bei Anweisungsfällen, s. Merkblatt Anweisungsfälle). Im o.a. Beispiel bedeutet dies: Aus Sicht des C war B Leistender; ein Bereicherungsausgleich gem. § 951 (Rechtsgrundverweisung auf § 812 I 1, 2. Fall, Eingriffskond.!) scheidet danach aus. M.M. (Lit.): Ein Teil will Grundsatz v. Vorrang der Leistungskondiktion ganz aufgeben und durch andere Wertungen (Larenz/Canaris SchuldR II/2 Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse § 67 IV 3, s.u. Merkblatt Anweisungsfälle); ein Teil will ihn nur abgeschwächt anwenden: wer etwas durch Leistung weggibt, kann es nur vom Leistungsempfänger, nicht aber von einem Dritten aufgrund Nichtleistungskond. Zurückverlangen. Nachweise MüKo/Lieb § 812, Rn. 281). Die h.M. wendet den Grundsatz v. Vorrang der Leistungskondiktion allerdings nicht ausnahmslos an. Umstritten ist allerdings, wie weit Einschränkungen zu machen sind. - Rspr.: Der Vorrang der Leistungskondiktion gilt nicht, wenn ein Einzelfall gesetzliche Wertungen entgegenstehen, vor allem § 935 (BGHZ 55, 176: „Jungbullenfall“). Aus der Wertung § 935 ergibt sich, dass abhandengekommene Sachen ihrem Wert nach (§ 818 II) nach Verarbeitung gem. § 951 vom ursprünglichen Eigentümer kondiziert werden können, wenn sie dem Verarbeitenden geleistet worden sind. Der Schutz des Eigentümers geht nach der ges. Wertung dem Schutz des Bereicherten vor. - Weitergehend h.L. (bzgl. Einbaufälle): Es ist stets zu prüfen, ob der Bereicherte nach den Regeln über den Erwerb des Nichtberechtigten das Eigentum rechtsgeschäftlich erworben hätte. Wenn ja: Vorrang der Leistungskondiktion; wenn nein (etwa wegen Bösgläubigkeit des Bereicherten): Nichtleistungskondiktion des ursprünglichen Eigentümers. [Der BGH (BGHZ 56, 228; NJW-RR, 1991, 343) wendet dagegen in Einbaufällen den Grundsatz strikt an; Ausnahme nur s.o.: im Fall des § 935]. Achtung: § 816 I 2 ist ein Fall der gesetzlichen Durchbrechung des Grundsatzes von Vorrang der Leistungskondiktion: Bei unentgeltlichem Erwerb vom Nichtberechtigten kann der ursprünglich Berechtigte vom Bereicherten kondizieren, obwohl dieser den Bereicherungsgegenstand vom Nichtberechtigten geleistet bekommen hat. S. weiterhin auch § 822. In beiden Fällen wird der Bereicherte wegen der Unentgeltlichkeit seines Erwerbs nicht geschützt. Anders § 816 I 1: der entgeltliche (gutgläubige) Erwerber von einem Nichtberechtigten ist keiner Kondiktion ausgesetzt, sondern nur der nichtberechtigte Verfügende. Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 d Kondiktionssperren § 814: Gilt nur für die Kondiktion nach § 812 I 1, 1. Fall (condictio indebiti) Fall 1: Der Leistende hat (bei Leistung) gewusst, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Fall 2: Die Leistung entspricht einer sittlichen oder Anstandspflicht. Beispiel: Der Bruder leistet der verarmten Schwester Unterhalt im Glauben hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein. § 815: Gilt nur für die Kondiktion nach § 812 I 2, 2. Fall (condictio ob rem) Fall 1: Erreichung des Zwecks war von Anfang an unmöglich und der Leistende hat dies (bei Leistung) gewusst Fall 2: Der Leistende hat den Erfolgseintritt wider Treu und Glauben verhindert. § 817, S.2: Gilt nach allgemeiner Ansicht – anders als der Wortlaut vermuten lässt – nicht nur für die Kondiktion gem. § 817 S. 1 (Leistungsannahme verstößt gegen gute Sitten oder ges. Verbot, (condictio ob turpem vel iniustam causa) sondern für alle Leistungskondiktionen. Grund: Da die meisten sitten- oder verbotswidrigen Leistungen mit der Kondiktion gem. § 812 I 1, 1. Fall (Nichtigkeit des Vertrags) abgewickelt werden, würde § 817 S. 2 letztlich bedeutungslos (1. Erweiterung des § 817 S. 2). Voraussetzungen: - Obj.: Anders als der Wortlaut vermuten lässt, greift die Kondiktionssperre nicht nur bei einem beiderseitigen Sitten – oder Gesetzesverstoß, sondern reicht nach allgemeiner Ansicht ein einseitiger Verstoß des Leistenden aus (2. Erweiterung des § 817 S. 2). Grund: Es ist nicht einzusehen, warum der Leistende, der allein gegen die guten Sitten oder ein Verbotsgesetz, besser stehen (d.h. kondizieren dürfen, soll, nur weil sich die andere Partei korrekt verhält. - Subj.: Nach allgemeiner Ansicht wird Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit verlangt, leichtfertiges Verschließen vor der Erkenntnis (BGH NJW 1983, 1420, (1423); NJW 1989, 3217 (3218). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Grund: z.T.: § 817 S. 2 habe Strafcharakter, Strafe setze Verschulden voraus. Z.T.: § 817 S. 2 sei ein Fall der Rechtsverweigerung, Rechtsschutzversagung; diese sei ohne Verschulden nicht angemessen (Larenz/Canaris SchuldR II 2, § 68 III 3 b). - Die verbotswidrige Leistung darf nicht in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestehen (ein geleistetes abstraktes Schuldversprechen kann kondiziert werden). Rechtsfolge: Ausschluss der Rückforderung des Geleisteten. Aber: Bei sitten- oder verbotswidrigen Verträgen über die zeitweise Überlassung von Gegenständen ist die Rückforderung nicht dauerhaft: nur vorübergehende Nutzungsmöglichkeit war geleistet, deshalb ist nur die vorzeitige Rückforderung wegen Nichtigkeit des Vertrags ausgeschlossen (Beispiel: Wucherdarlehen: § 817 S. 2 schließt nur den sofortigen Rückzahlungsanspruch aus; umstritten ist, ob dem Wucherer ein Nutzungsentgelt zusteht, Gegenargument, dann werden Wuchergeschäfte ungefährlich, weil der Wucherer immer das angemessene Nutzungsentgelt erhält, vgl. z. Ganzen Medicus, BR Rn. 700). Achtung: bei beiderseitigem Sitten- oder Verbotsverstoß kommt auch eine sofortige Rückforderung in Betracht, weil sonst der verbots- und sittenwidrige Zustand unnötig verlängert wird [BGHZ 41, 341 (343 f.), „Bordellpacht“]. Einschränkungen der Kondiktionssperre können sich nach BGH ergeben, wenn der Ausschluss der Kondiktion gem. § 817 S. 2 nicht unbedint vom Sinn und Zweck der Verbotsnorm gefordert ist [BGHZ 111, 308, 312 f]; erscheint fraglich vgl. Larenz/Canaris SchRII 2 § 68 III 3 g; Dörner Fall 1. Aus § 242 können sich (ausnahmsweise) Einschränkungen ergeben, wenn es unbillig erscheint, dass der Bereicherte die Leistung unentgeltlich behält, vgl. hierzu Dörner, Fall 1. Achtung: Umstritten ist, ob § 817 S. 2 auch auf andere als Leistungskondiktionsansprüche anwendbar ist (auf § 985 ff., GoA, §§ 823 ff.). Die Rechtsprechung verneint dies [BGHZ 39, 87 (91); 63, 365 (368 f.); NJW 1992, 310, 311). Dagegen teilw. Lit.: es sollen dadurch Wertungswidersprüche vermieden werden, s. Medicus BR, Rn. 697; Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 5 e Saldotheorie Problemlage: Rückabwicklung synallagmatischer Austauschverträge Beispiel: K kauft von V Sache (100 EUR). Kaufvertrag ist unwirksam. Sache geht bei K durch Zufall unter. Nun verlangt K wegen Unwirksamkeit des Kaufvertrags Kaufpreis zurück. 1. Strenge Zweikondiktionentheorie: K kann von V gem. § 812 I 1, 1. Fall Rückzahlung von 100 EUR verlangen. Ansich hätte wegen Unwirksamkeit des Vertrags auch V gegen K einen Anspruch auf Herausgabe der Sache; aber: diese ist untergegangen; § 818 II Wertersatz scheitert an § 818 III, weil K entreichert ist. Nach der Zweikondiktionen stehen die Ansprüche K gegen V und V gegen K unverknüpft nebeneinander. Eine Verknüpfung kann nur durch Anfechtung (bei gleichartigen Leistungsgegenständen) oder Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (bei ungleichartigen Leistungsgegenständen) hergestellt werden. Dies ist nicht möglich, wenn der eine Anspruch (der des V) an § 818 III (Entreicherung) scheitert. Konsequenz: Der Gegner des Bereicherungsanspruchs (hier V) trägt das Risiko des Untergangs der gelieferten Sache, obwohl (bei wirksamem Vertrag) der Bereicherungsgläubiger K das Risiko trägen müsste. Die strenge Zweikondiktionentheorie nimmt dies hin. 2. Abweichende Theorien a) „Moderne“ Zweikondiktionentheorie (etwa: Carenz/Canaris, SchRII)2, § 73 III 2a, b) Ausgangspunkt: wie oben; die beiden Ansprüche stehen unverknüpft nebeneinander (Verknüpfung allenfalls durch Aufrechnung oder Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht). aber: Korrektur der Risikoverteilung (s.o.) durch Einschränkung des § 818 III: Das Risiko, dass die geleistete Sache untergeht und damit „Entreicherung“ eintritt, soll der Empfänger der Sache tragen, wenn es (das Risiko), in seine Risikosphäre fällt; Folge keine Berufung (hier des K) auf Entreicherung) gem. § 818 III; er bleibt zu Wertersatz (§ 818 II) verpflichtet. Welche Risiken der Leistungsempfänger zu tragen hat, beurteilt sich nach den Regelungen des Rücktrittsrechts, hier: § 346 II 1, Nr. 3 u. § 346 III 1, Nr. 3. Danach entfällt Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse beim Rücktritt die Pflicht zum Wertersatz, wenn der Rücktrittsberechtigte die eigenübliche Sorgfalt angewandt hat. Hieraus folgt für § 818 III: eine Berufung auf § 818 III entfällt, wenn der zur Herausgabe einer Sache verpflichtete Kondiktionsschuldner (hier K) im Umgang mit der herauszugebenden Sache die eigenübliche Sorgfalt missachtet hat. Ist dies nicht der Fall: Berufung auf § 818 III möglich. Zum Fall: • K gegen V aus § 818 I 1. 1. Fall (+) • Dem Anspruch V gegen K kann K den Entreicherungseinwand erheben: kein Anspruch V gegen K • Hätte K den Untergang verschuldet (vors. oder grob fahrl.) oder gegen die eigenübliche Sorgfalt verstoßen: Berufung des K auf § 818 III ausgeschlossen. Dem Anspruch des K gegen V stünde ein Anspruch des V gegen K gegenüber Aufrechnung Argument der „modernen“ Zweikondiktionentheorie: Die Rückabwicklung synallagmatischer Austauschverhältnisse soll nach den selben Prinzipien ablaufen unabhängig davon, ob die Abwicklung nach Rücktritts- oder nach Bereicherungsrecht erfolgt. Leitbild für die Rückabwicklung syn. Verträge ist das Rücktrittsrecht. b) Saldotheorie h.M.: [Rspr. BGH 1, 75 (81); 53, 145 f.; 57, 177 f.; 252 (254); 78, 216 (222)] Ausgangspunkt: Bei Rückabwicklung synallagmatischer Verträge hängen die Rückabwicklungsansprüche (K-V, V-K) zusammen. Konsequenz: Geldansprüche sind ohne Aufrechnung (s.o.) zu saldieren. Bei Geldansprüchen besteht also zugunsten des Gläubigers des Rückzahlungsanspruchs ein einziger Kondiktionsanspruch in Höhe des jeweiligen Saldos. Bei ungleichartigen Leistungen erfolgt eine Verurteilung Zug um Zug (Rückzahlung Zug und Zug gegen Herausgabe der anderen Leistung, z.B. Sache). Eine Verurteilung Zug um Zug ist aber nur möglich, wenn oder soweit der jeweilige Leistungsgegenstand (die Sache) noch vorhanden ist. Bei Untergang (bzw. Verschlechterung) der Sache: Abzug des Werts (bzw. der Verschlechterung) vom Rückzahlungsanspruch. Hieraus folgt: War Kaufpreis 100 EUR und die Sache 90 EUR wert: Der Anspruch K gegen V reduziert sich um den Wert der untergegangenen Sache: 100 - 90 = 10. Anspruch K gegen V aus § 812 I 1, 1. Fall i.H. v. 10. Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Bei Wert = Preis: Saldo: „Null; kein Anspruch. Dasselbe gilt, wenn der Wert höher als der Preis ist. Die Saldotheorie gibt dem Gegner stets nur eine Einrede (keinen Anspruch); die Einrede ist von Amts wegen zu prüfen. Konsequenz: Das Risiko des Untergangs Korrektur der Risikoverteilung des § 818 III einer Sache trägt danach grundsätzlich der Kondiktionsgläubiger (beim Kauf der Käufer) und dies auch in Fällen, in denen er nach Rücktrittsrechts keinen Wertersatz leisten müsste (also das Risiko nicht trüge). Aber: Saldotheorie soll nach BGH nur im Regelfall gelten. In bestimmten Fällen bleibt es bei der Risikoverteilung nach § 818 III. Keine „Saldierung“: - bei Minderjährigen u. Geschäftsunfähigen, die ihre Leistung zurückfordern. (BGHZ 126, 105 ff.; Medicus BR Rn. 231). - wenn Verkäufer den Käufer arglistig getäuscht hat (BGHZ 53, 144, 147 ff., 57, 137, 148 ff.). - wenn gelieferte Sache wegen Sachmangels untergegangen ist (BGHZ 78, 216) - wenn Sache untergeht (entwertet) wird, nachdem der Rückzahlungsanspruch des Käufers rechtshängig geworden ist (BGHZ, 252, 254 ff.). Teil des Schrifttums (vgl. Medicus BR Rn. 229 f.) Die Ergebnisse der Saldotheorie sind nicht „fallweise“ zu korrigieren. Vielmehr ist die Gefahrtragung im Bereicherungsrecht stets an der Gefahrtragung des Rücktrittsrechts auszurichten: gleicher Gedankengang wie oben; gleiche Argumentation. Konsequenz: Saldierung nur, wenn der Bereicherungsgläubiger (hier K) nach Rücktrittsrecht Wertersatz leisten müsste (also bei Missachtung der eigenüblichen Sorgfalt). Ist dies nicht der Fall keine Saldierung: voller Rückzahlungsanspruch. (Argument bei Täuschung. Der Umstand, dass getäuscht worden ist, ist schadensrechtl. zu werten, kann sich aber nicht auf die bereicherungsrechtliche Gefahrtragung des Empfängers der Sache, Käufer auswirken). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merblatt 5 f Kondiktion in Dreipersonenverhältnissen I. Allgemeines 1. Ausgangspunkt zur Lösung der Dreipersonenverhältnisse ist der aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts bestimmte Leistungsbegriff. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Am Merkmal der Zweckgerichtetheit ist aus Sicht eines objektiven Dritten (Empfängerhorizont) festzustellen, wer gegenüber wem welchen Zweck (idR Erfüllung einer Verbindlichkeit) verfolgt. In diesen Verhältnissen erfolgt dann auch grundsätzlich die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung. 2. Der Leistungsbegriff allein führt nicht immer zu sachgerechten Ergebnissen; ergänzend sind folgende allgemeine Wertungskriterien heranzuziehen. a) Jedem sollten seine Einwendungen gegen seinen Vertragspartner erhalten bleiben b) Niemand soll neuen Einwendungen eines Dritten ausgesetzt werden, den er sich nicht als Vertragspartner ausgesucht hat c) Jeder soll nur das Insolvenzrisiko seines ausgesuchten Vertragspartners fragen 3. Darüber hinaus greifen in einzelnen Fällen besondere Wertungen, die jeweils ergänzend herangezogen werden sollen: z.B. Veranlassungsprinzip, § 822 vom Mangel der Anweisung. B Skizze: Deckungsverhältnis A Valutaverhältnis C II. Fallgruppen 1. Lieferkette (Grundfall): Leistungen A -> B, B -> C Mangel im Deckungsverhältnis (A-B): Kondiktionsanspruch a ->B (LK); bei unentgeltlicher Zuwendung B an C Anspruch A ->C gemäß § 822 Mangel im Valutaverhältnis (B-C): Kondiktionsanspruch B -> C (LK) Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Doppelmangel (A-B, B-C): Abwicklung grds. über Dreieck; Kondiktionsanspruch A -> B (LK) und B -> C (LK); Inhalt des Anspruchs A-> B umstritten; BGH: Kondiktion der Kondiktion; h.L.: Wertersatz gem. § 818 II 2. Anweisung: Leistungen A -> B, B -> C Mangel im Deckungsverhältnis (A-B): Kondiktionsanspruch A -> B (LK); bei unentgeltlicher Zuwendung B an C Anspruch A -> C gem. § 822 (analog) Mangel im Valutaverhältnis (B-C): Kondiktionsanspruch B -> C (LK) Mangel der Anweisung: Entscheidend ist grds. die Zurechenbarkeit des Mangels; entlang der Leistungskette, wenn Mangel B zurechenjbar, ansonsten Direktkondiktion (A -> C (NKL) und B -> A (NKL)). Zurechenbarkeit (-) wenn: 1. gar keine Anweisung vorliegt (Veranlassungsprinzip); 2. Kenntnis des C vom Mangel der Anweisung; 3. Minderjährigkeit des B 3. Vertrag zugunsten Dritter: Leistungen A -> B, A -> C, B -> C Mangel wie in Leistungskette: wenn Vertrag zugunsten Dritter nur abgekürzter Lieferung dienst -> Rückabwicklung wie bei Anweisung (häufig § 822 (analog)). Direktkondiktion wenn: 1. Verbindung A-C enger als B-C (z.B. wenn A völlig eigenen Zweck gegenüber C verfolgt; vgl. § 330) -> vor allem Versorgungsfälle (Lebensversicherung); 2. B verzichtet auf Anspruch (§ 335) 4. Abtretung: Leistungen A -> C abgetretene Forderung existiert nicht: Zwar (nur) Leistung A an C, aber nach wohl h.M. trotzdem Rückabwicklung über Dreieck wegen der Vergleichbarkeit mit Anweisungsfällen (A hat sich B als Vertragspartner ausgesucht; B hat durch Abtretung Zahlung von A an C veranlasst; sehr str.) Fehler der Zession: Wie bei Anweisung Entscheidung nach Zurechenbarkeit des Mangels; u.U. B gegen C gem. § 816 II, wenn B dem A Abtretung angezeigt hat (§ 409) 5. Tilgung fremder Schulden: Leistungen A -> C, (A -> B, B -> C) Schuld des B bestand nicht: BGH: immer Direktkondiktion A ->C (LK), da eigene Tilgungsbestimmung; h.L. Direktkondiktion nur, wenn Zahlung des Dritten durch Schuldner nicht veranlasst; bei veranlasster Drittleistung Gleichbehandlung mit Anweisungsfällen -> grds. über Dreieck Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Irrtümliche zahlung fremder Schuld (A denkt, er sei Schuldner): Direktkondiktion A -> C (LK); A -> B (Rückgriffskondiktion), wenn nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung, so dass A auf eine Schuld des B geleistet hat; nach h.M. Änderung der Tilgungsbestimmung zulässig, da B über § 404 analog geschützt ist Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 6 Arten der Nichtleistungskondiktion (Kondiktion in sonstiger Weise) § 812 I 1, 2. Fall Kond. in sonstiger Weise - Eingriffskond - Verwendungskond. -Rückgriffskond. - Allgem. Nichtleistungskond Sich gegen den in sonst. Weise Bereicherten 1. Etwas erlangt 2. In sonstiger Weise 3. Auf Kosten 4. Ohne Rechtsgrund § 816 I 1 § 816 I 2 § 816 II § 822 Verfügung eines Nichtberechtigten (Anspruch gerichtet gegen den n.b. Verfügenden Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten (Anspruch richtet sich gegen den Erwerber) Bewirken Durchgriffskondiktion (Anspruch richtet sich gegen den unentgeltlich zu erwerbenden Dritten einer Leistung an einen Nichtberechtigten (Anspruch richtet sich gegen n.b. Leistungsempfänger 1. Verfügung 2. Durch einen Nichtberechtigten 3. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten 1. Verfügung 2. Durch einen Nichtberechtigten 3. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten 4. Unentgeltlichkeit der Verfügung 1. Bewirken einer Leistung 2. An einen Nichtberechtigten 3. Wirksamkeit der Leistungsbewirkung gegenüber dem Berechtigten 1. Kondiktionsanspruch hat ursprünglich bestanden 2. Der ursprüngliche Bereicherte hat Bereicherungsgegenstand einen Dritten zu. 3. Unentgeltlichkeit dieser Zuwendung 4. Dadurch Anspruch gegen den urspr. Bereicherten ausgeschlossen Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 6 a Kondiktion in sonstiger Weise gem. § 812 I 1, 2. Fall Die Kondiktion in sonstiger Weise gem. § 812 I 1, 2. Fall untergliedert sich in drei Fälle: Eingriffskondiktion, Rückgriffskondiktion und Verwendungskondiktion. 1. Eingriffskondiktion Wichtigster Fall der Kondiktion in sonstiger Weise (Nichtleistungskondiktion) Voraussetzungen: a) „Eingriff“ (sehr umstritten) Entgegen früherer Auffassung sind nach heute h.M. auch rechtmäßige Eingriffe erfasst. Entscheidend ist nach h.M., dass ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt einer fremden Rechtsposition vorliegt, deren wirtschaftliche Vertretung nach der Rechtsordnung allein ihrem Inhaber zugewiesen ist (Larenz/Canaris SchRII2 § 69 I1). Bei der Konkretisierung dieses Merkmals Orientierung an der Wertordnung des Deliktsrechts und den Vorschriften über Eigentum. Zuweisungsgehalt: Der Berechtigte kann Eingriffe in das Recht abwehren und für die wirtschaftliche Verwertung ein Entgelt verlangen. Neben absoluten Rechten ist dies auch bei Forderungen der Fall, soweit es um die Befugnis ihrer Einziehung geht. Beispiele: Eigentümer sind zugewiesen: Sachnutzung und Gebrauch (Achtung: ggf. sind EBV-Regeln §§ 987 ff. vorrangig!). Wichtiger Fall der Eingriffskondiktion ist die Verwertung einer schuldnerfremden Sache in der Zwangsvollstreckung. Persönlichkeitsrecht hat ggf. Zuweisungsgehalt i.S. des Bereicherungsrechts: Verwertung eines Bildes zu kommerziellen Zwecken. Achtung: Nach h.M. hat das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb keinen Zuweisungsgehalt; es fehlt an einer dem Inhaber ausschließlich zugewiesenen Erwerbs-/Verwertungsmöglichkeit. b) Auf Kosten: Dieses Merkmal (es gilt nach h.M. nicht bei der Leistungskondiktion) dient der Bestimmung des Bereicherungsgläubigers (des Anspruchsinhabers gem. § 812 I 1, 2. Fall). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Nach heute h.M. ist entscheidend, wem der nun beim Bereicherten vorhandene Vermögenswert nach der Rechtsordnung zugewiesen war (s.o.). Es muss also nicht unbedingt eine Vermögensverschiebung derart vorliegen, dass auf der einen Seite eine Vermögensminderung eingetreten ist. Grund: Im Bereicherungsrecht geht es nicht darum Vermögensverluste auszugleichen, sondern ungerechtfertigte Vermögensmehrungen (Bereicherungen) abzuschöpfen. Allerdings zu beachten: Erfordernis der Unmittelbarkeit: Bei einem Zwischenerwerb eines Dritten ist Kondiktion gegen Enderwerber ausgeschlossen. c) Ohne Rechtsgrund Liegt vor, wenn der erlangte Vermögensvorteil auf Seiten des Bereicherten nach der Rechtsordnung einem anderen, eben dem Träger des Rechts in dessen Zuweisungsgehalt eingegriffen worden ist, zusteht. Hier ist also zu prüfen, ob die Rechtsordnung den Vermögensvorteil endgültig dem Bereicherten zugesteht, oder ob er nach wie vor dem Entreicherten zustehen soll; nur im letzten Fall: kein Rechtsgrund, Kondiktion Beispiele: Bei gutgläubigem Erwerb einer Sache (§§ 932 ff; 893) etwa ergibt sich aus dem Gesetz, dass die Zuordnungsänderung Bestand haben soll keine Kondiktion gegen den Erwerber (Schutz des Verkehrsinteresses; aber Kondiktion gem. § 816 gegen den Verfügenden). Anders etwa bei faktischen Veränderungen, die sachenrechtlich zu einer neuen Zuordnung führen: Verbindung, Vermischung, Verarbeitung gem. § 946-950. Hier ist gem. § 951 die Eingriffskondiktion zugelassen; allerdings nur des Werts (§ 818 II). 2. Rückgriffskondiktion Kommt in Betracht, wenn jemand die Schuld eines anderen bei einem Dritten begleicht: A hat bei C eine Schuld (Kaufpreiszahlung), die B zahlt. B will sich bei A schadlos halten, Regress nehmen. Achtung: Zunächst prüfen, ob eine Spezialregelung eingreift; dann scheidet Rückgriffskondiktion aus. Vorrang der Leistungskondiktion: A hat B angewiesen die Schuld zu begleichen, die Anweisung ist nichtig (s. Merkblatt: Mehrpersonenverhältnisse). War B von A wirksam beauftragt Anspruch aus § 670 Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Wurde B im Rahmen einer berechtigten GoA tätig: Anspruch aus §§ 683, S. 1, 670 § 268: cessio legis § 426 bei Gesamtschuldnerschaft; ebenso cessio legis Das Anwendungsgebiet der Rückgriffskondiktion ist also sehr eingeschränkt, s. hierzu Medicus, BR Rn 949 ff. (lesen!). 3. Verwendungskondiktion Kommt in Betracht, wenn jemand eigene Mittel auf eine fremde Sache verwendet, ohne dazu verpflichtet zu sein (Kondiktion des Werts der Verwendungen) Achtung: Verwendungskondiktion ist in mehrfacher Hinsicht subsidiär: Vorrang der Leistungskondiktion, wenn Verwendung erbracht wurde, um eine vermeintliche Rechtspflicht zu erfüllen (Medicus, BR Rn. 892 ff.) Vorrang des Anspruchs aus berechtigter GoA: §§ 683, S. 1, 670! (Berechtigte GoA: Rechtsgrund!) Spezialregelung der §§ 994 ff. hat nach h.M. Vorrang: Verwendungen des unrechtmäßigen Besitzes auf die Sache werden nur nach §§ 994 ff. ersetzt. (umstritten: M.M. etwa Medicus, BR Rn 897). Nach der h.M. kommt die Verwendungskondiktion nur außerhalb der Spezialregelungen, insbesondere des EBV in Betracht, etwa wenn jemand Verwendungen auf eine Sache macht, die nicht in seinem Besitz steht: A streicht irrtümlich Zaun des Nachbarn; A verbessert Haus der Tante T, weil er hofft, es zu erben. Nach h.M. sind die Merkmale „ohne Rechtsgrund“ und „auf Kosten“ wie bei der Leistungskondiktion zu verstehen; hier wie dort geht es um einen freiwilligen Vermögensverlust“ auf Seiten des Entreicherten. Problem: Aufgedrängte Bereicherung Stellt sich, wenn jemand aufgrund einer Verwendungskondiktion Wertersatz zahlen muss und die Verwendung zwar objektiv zu einer Werterhöhung geführt haben, für den Betroffenen persönlich, d.h. subjektiv wertlos sind: A streicht irrtümlich Zaun des Nachbarn; dieser wollte den Zaun durch eine Mauer ersetzen. A macht Verwendungen auf Haus der Tante T, weil er hofft es zu erben. Erbe wird E, der das Haus abreißt, um ein neues zu errichten. Das Problem stellt sich nur, wenn eine körperliche Wegnahme der Bereicherung nicht möglich ist (dann ggf. § 1001 entsprechend, BGHZ 23, 61 ff). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Nach h.M. ist das Problem zu lösen, in dem ausnahmsweise nicht auf die objektive Werterhöhung abgestellt wird, sondern auf den persönlichen Nutzen, die der „Bereicherte“ nach seiner Vermögensplanung aus den Verwendungen ziehen kann. Möglich ist dies entweder durch (ausnahmsweise) Subjektivierung des Wertbegriffs i.R. des § 818 II oder durch entsprechende Anwendung des § 818 III. Teilw. werden beide Lösungen kombiniert. Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Merkblatt 6 b Kondiktion nach § 816 I. § 816 I 1: entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten Anspruchsteller: der urspr. Berechtigte Anspruchsgegner: der Nichtberechtigte, der wirksam verfügt hat. 1. Voraussetzungen a) Verfügung: = jedes Rechtsgeschäft das auf ein bestehendes Recht unmittelbar einwirkt durch Übertragung, Belastung, Aufhebung oder inhaltliche Änderung (der Erwerb ist keine Vfg.!) b) Nichtberechtigter: = jeder, der weder Rechtsinhaber noch zur Vfg. ermächtigt ist. c) Wirksamkeit der Vfg gegenüber dem Berechtigten Wirksamkeit der Vfg nach den Regeln des gutgläubigen Erwerbs (§§ 932 ff; 892 f.; 1207; 2366; § 366 HGB) Eine zunächst wirksame Vfg. (etwa im Fall des § 935) kann durch Genehmigung des Berechtigten wirksam gemacht werden (§ 185 II 1).Die Genehmigung macht den Verfügenden nicht zum Berechtigten. Bei einer Kette unwirksamer Vfgen kann der Anspruchsteller sich aussuchen, welche Vfg. er genehmigt und dann vom Verfügenden kondizieren. Achtung: Die Genehmigung kann konkludent erfolgen; etwa durch Klageerhebung (vgl. Medicus SchRII, Rn. 701). 2. Rechtsfolge: Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten Umstritten ist, was das „Erlangte“ ist H.M.: Der Erlös, d.h. auch der Gewinn (Argument: auch die Möglichkeit, Gewinn zu erteilen, ist allein dem Berechtigten zugeordnet) M.M. (Lit. vgl. Medicus SchR, Rn. 705): Herauszugeben ist nur der objektive Wert des Verfügungsstands. Arg.: Erlangt durch Vfg. ist nicht der Erlös, sondern allenfalls die Befreiung von einer Verbindlichkeit Wertersatz gem. § 818 II in Höhe des Werts des Vfg.s-Gegenstands. Weiteres Arg.: Der gutgläubige Verfügende muss besser stehen, als der bösgläubig Verfügende, der nach §§ 687 II 1, 681, S. 2, 667 zur Gewinnherausgabe verpflichtet ist (Stichhaltigkeit des Arguments fraglich). Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse Einigkeit besteht darin, dass der Verfügende nicht das vom Erlangten abziehen darf, was er selbst für den Gegenstand aufgewendet hat (etwa den Kaufpreis, den er gezahlt hat). Argument: Diese Aufwendungen hätte er auch bei einer Inanspruchnahme gem. § 985 (vor der Vfg) in Ansatz bringen können (§ 816 I 1 ist Ersatz für den verlorenen § 985; dessen „Verlängerung“ in das Bereicherungsrecht). II. Kondiktion nach § 816 I 2 Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten Anspruchsteller: Der urspr. Berechtigte Anspruchsgegner: Der (unentgeltlich Erwerbende) 1. 2. Voraussetzungen a) Verfügung s.o. b) Nichtberechtiger s.o. c) Wirksamkeit s.o. d) Unentgeltlichkeit Rechtsfolge: Herausgabe des vom Erwerber unentgeltlich erlangten Gegenstands Durchgriffskondiktion (Abweichung von Vorrang der Leisungskondiktion!) Grund: Der unentgeltliche Erwerber ist weniger schutzwürdig; er hat nichts aufgewandt: Wie gewonnen, so zeronnen. Achtung: Unterschied zu § 822 (ebenfalls Durchgriffskondiktion gegen den unentgeltlich Erwerbenden) Im Gegensatz zu § 816 I 2 verfügt im Fall des § 822 ein Berechtiger, der aber den Gegenstand nach § 812 einem anderen zurückgeben müsste, durch die wirksame Vfg aber entreichert ist. Beispiel: A kauft von B einen Ring und schenkt ihn seiner Freundin F. Der Kaufvertrag ist unwirksam. B hätte Anspruch gegen A auf Herausgabe gem. § 812 I 1, 1.Fall. A hat aber unentgeltlich verfügt: § 822 B kann von F kondizieren: Eigentum und Besitz am Ring Grund: wie oben. III. § 816 II: Wirksame Leistung eines Nichtberechtigten Anspruchsteller: der "wahre" Gläubiger Anspruchsgegner: der "falsche" Gläubiger 1. Voraussetzungen Prof. Dr. Franz Dorn Repetitorium Gesetzliche Schuldverhältnisse a. Leistung des Schuldners b. an einen Nichtberechtigten ("falschen" Gläubiger, der nicht Inhaber der Forderung ist) c. Wirksamkeit der Leistung gegenüber dem wahren Berechtigten (Gläubiger): Erforderlich ist eine Leistungsbefreiung auf Seiten des zahlenden Schuldners trotz Zahlung an den falschen Gläubiger. Häufigster Fall: Zahlung/Leistung an Altgläubiger nach verdeckter Abtretung (dem Schuldner unbekannt); Zahlung an einen "Scheingläubiger", aber unwirksame Abtretung -> §§ 407 ff; ferner: Zahlung an Altvermieter nach Veräußerung des vermieteten Grundstücks u. Übergang der Vermieterrechte auf den Erwerber -> §§ 566, 566c. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten vom nichtberechtigten an den Berechtigten -> §§ 818 ff.