"König Alkohol" nannte Jack London einen seiner Romane

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"König Alkohol" nannte Jack London einen seiner
Romane. Jack London wusste, wovon er sprach: Er war Alkoholiker und endete wie so viele
Alkoholiker durch Selbstmord. Alkoholismus ist eine der letzten gut funktionierenden
Monarchien. Der König ist unumschränkter Herrscher, alle folgen ihm, es gibt keine Gegner,
keine ernstzunehmende Opposition. Im Mittelpunkt der Königstreuen steht der Alkoholiker
selbst, der sich mehr und mehr versklavt und seine Versklavung feiert (mit Alkohol natürlich).
In seinem Dunstkreis versammelt sich das Heer seiner Gehilfen und "Enabler": süffelnde
Vorbilder und Idole, Verwandte, Freunde und Kollegen, die dem Alkoholiker zuarbeiten, die
ihn "verstehen", die ihm helfen so weiterzumachen wie bislang, die tarnen, täuschen,
rechtfertigen, die Augen verschließen. Die einfache Frau, die ihrem alkoholkranken Sohn den
Schnaps in die Trinkerheilanstalt schmuggelt, tut in rührend direkter Weise nur das, was alle
anderen Co-Abhängigen und professionellen Helfershelfer auch tun. Ärzte raten ihren
Patienten, "etwas weniger" zu trinken. Psychologen verheißen, man könne "kontrolliertes
Trinken" lernen, will sagen: sich waschen ohne sich dabei nass zu machen. Sozialarbeiter
saufen mit ihrer Kundschaft in Kneipen, "um sie dort abzuholen, wo sie stehen" (wenn sie
noch stehen). Wirtschaft und Werbung hämmern uns auf Schritt und Tritt ein: "Alkohol tut
dem Menschen gut!". Und die Politiker? Die sorgen sich nicht um das Wohl und Leben der
Millionen von Alkoholikern und ihren Familien, sondern allenfalls um deren Wählerstimmen.
Sie werden sich daher hüten, König Alkohol auch nur zu schief anzusehen. Ganz im
Gegenteil: "Blackout und Vergesslichkeit, die typischen Symptome des Alkoholismus, sind
zu wesentlichen Bestandteilen der Politik geworden", sagt mit Recht Joseph von Westphalen.
Vor dem Alkohol machen alle ihre artige Verbeugung: Literaten, Geistliche, Politiker, Lehrer
und natürlich die Mediziner.
Dem König Alkohol wird alles, aber auch alles geopfert: Gesundheit, Geist, Seelenfrieden,
soziale Bindungen, Selbstachtung, Ruf, Vermögen und schließlich das Leben. Es fängt
harmlos an und endet in Knast, Klapse oder Kiste. Auf dem Weg dorthin verändert sich alles,
und zwar – wie bei allen degenerativen Erkrankungen – zum Schlechten, manchmal rasch,
manchmal über Jahre und Jahrzehnte, immer aber unaufhaltsam. Sämtliche Bereiche des
körperlichen, seelischen, geistigen und sozialen Seins eines Menschen werden dabei zu
Subsystemen, welche der Alkohol dominiert. Der Körper und die inneren Organe des
Alkoholikers geben bald ihren anfänglichen Widerstand und ihre natürliche Abwehr auf und
entwickeln vorübergehend eine höhere Toleranz gegen Alkohol. Natürlich freut es den
Alkoholiker, dass er so viel verträgt, denn das bedeutet, dass er mehr trinken kann und
Trinken bedeutet für ihn alles. Alkoholiker sind Egozentriker und sehen sich als Mittelpunkt
der Welt. Je mehr sie abrutschen, desto höher glauben sie zu stehen, mehr und tiefer zu sehen
als andere Menschen. Alkoholiker büßen die Fähigkeit ein, sich mit den Augen der
Mitmenschen zu sehen und sind nicht mehr in der Lage, ihren eigenen Niedergang zu
erkennen, geschweige ihn aufzuhalten. Alkoholiker sind Egomanen und versuchen ihre
Umgebung zu beherrschen. Wenn es ihnen nicht gelingt die Welt ihren Vorstellungen
anzupassen (was gottlob regelmäßig der Fall ist), dann verlassen sie diese Welt, die sie "nicht
verdient" hat.
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