1.Kurzbeschreibung Zu sehen ist eine junge Frau, ein Barfräulein, das sich auf einen Marmortresen stützt. Auf dem Tresen stehen links und rechts von ihr einige Flaschen, wahrscheinlich mit alkoholischen Getränken. Außerdem steht links von ihr zum einen ein Glas mit zwei weißen Rosen darin, sowie eine hohe Schale, die mit Orangen gefüllt ist. Den gesamten Hintergrund des Bildes nimmt ein großer Spiegel ein. So sieht man auch rechts neben dem Barfräulein im Spiegelbild sie selbst in ihrer Rückenansicht, wie sie sich gerade einem schnurrbärtigen Mann mit Zylinder zuwendet. Weiter hinten sind zwei große Kronleuchter zu sehen, die die Menschenmenge der Gäste in der Bar hell beleuchten, das Lokal ist sehr edel. Auch die Kleidung des Barfräuleins; ein schwarzes tailliertes Jackett und darunter eine weiße Rüschenbluse mit weitem Ausschnitt zeigt dies. Das Bild wirkt sehr üppig, es ist bepackt mit Einzelheiten. Diese sind allerdings zumeist nicht naturalistisch ausgearbeitet, sondern nur angedeutet. 2. Farben - Tonwerte - Kontraste Das Bild besteht aus Silbergrau in unterschiedlichsten Abstufungen und Blauschwarz. Hinzu kommen Ocker und Braun sowie Weiß, das fast allen Farben beigemischt ist und die Farbkontraste mildert. Weiß und Schwarz treten im gesamten Bild nicht auf.. Die Bildgegenstände sind eher unscharf dargestellt- erzeugt durch den spontanen Pinselduktus- und trotzdem konkret erkennbar. Wirklich leuchten tut keiner der Farbtöne. Ein silbergrauer Schleier liegt auf dem gesamten Bild, pastellige, marmorartige Töne, die eine Atmosphäre schwankt zwischen kalt und warm. Im Vordergrund sind relativ große Farbflächen zu beobachten. Das Barfräulein, noch relativ klar zu erkennen, hebt sich deutlich von dem Spiegelbild hinter ihr, welches nach hinten hin immer unschärfer wird, ab. Das Ocker, das Manet verwendet, benutzt er um Akzente zu setzen. Damit "erwärmt" er den sonst silbergrauen, also kühlen, Raum der Bar. Bildbestimmend ist weiterhin der Helldunkel- Kontrast, der innerhalb des Vordergrundes am stärksten auftritt sowie den gesamten Vordergrund des Bildes vom Hintergrund abhebt. Obwohl sich der Vordergrund derart vom Hintergrund abhebt, kann man sagen, dass das Bild, egal ob Vorder- oder Hintergrund, gleich hell ist. Die Kronleuchter an der Decke beleuchten die gesamte Bar gleichmäßig. 5. Darstellungsart + Interpretation Das Bild "Un Bar aux Folies-Bergère" wirft mehrere Interpretations- ansätze auf. Zum einen ist es ein abgründiges Bild der Verlorenheit einer jungen Frau in einer Welt oberflächlichen Trubels und glitzernder Verlockungen zum anderen gehört es in eine Reihe von "Wirklichkeitsbefragungen im Spiegel-Bild“. Es durchbricht den naturalistischen Darstellungsmodus und wirft gleichzeitig das Realismusproblem auf neue Weise auf. Das zeigt, dass Manet einer der Vorreiter der Moderne gewesen ist. Kurz gesagt ist das Bild ein Zeugnis für die Überwindung des naturalistischen Darstellungsmodus auf der Schwelle zur Moderne. Betrachtet man das Bild erkennt man als Betrachter die junge hübsche Frau und nimmt damit die fiktionale Rolle des Barbesuchers ein. Es fällt auf, dass das Barfräulein den Blick des Betrachters nicht erwidert. So ist das Verhältnis zwischen beiden durch die geistige Abwesenheit des Mädchens gestört. Der Betrachter selbst ist der Partner dieser missglückten Beziehung. Im rechten Teil des Bildes ist das Barfräulein wiederzuerkennen, allerdings von hinten in Kontakt mit einem schnurrbärtigen Mann mit Zylinder. Nach der Logik des Spiegelbildes muss es der Betrachter selbst sein, der vor ihr steht. Im Gegensatz zur Vorderansicht, erscheint sie jetzt leicht vorgeneigt und ganz "bei der Ausübung der Rolle, die von ihr erwartet wird". So sieht sich der Betrachter nunmehr in seiner konventionellen Rolle als Barbesucher, der Gehör findet und von dem Barfräulein als Gast empfangen wird; im Gegensatz zu der zuerst beschriebenen Wirklichkeitsebene, wo die Beziehung gestört ist. So zeigt das Bild verschiedene Wirklichkeitsebenen: zum einen die gestörte, zum anderen die funktionierende konventionelle Beziehung; eine Doppelsituation, die in dem im Rückspiegel gezeigten Vergnügungskontext eingebettet ist. Manet zeigt sein Realismuskonzept im offenen Festhalten und kompositorischen Hervorheben der Verlorenheit und statuarischen Abwesenheit des Mädchens in einer Welt flimmernder Bewegung und Vergnügung. Auch im Scheitern der Kommunikation zwischen dem Betrachter und ihr wird die Scheinhülle heiterer Gesellschaft durchschlagen. So gesehen ist "Un bar aux Folies-Bergère" ein gesellschaftskritisches Bild. Darin allein ist es aber nichts Neues, denn problematische Mann- FrauBeziehungen in der bürgerlichen Welt des 19.Jahrhunderts waren zu Manets Zeiten bereits lange behandelt. Neu ist allerdings die Situation des Paares im Spiegelbild in Beziehung zu der Ebene des Barfräuleins im Vordergrund. Die Idee, das Mädchen von zwei Seiten zu beleuchten, sie einerseits in ihrer Rolle, andererseits in ihrer existenziellen Verlorenheit zu zeigen, zwingt Manet den naturalistischen Darstellungsmodus aufzubrechen. So thematisiert er die Kluft zwischen Schein und Sein. Nicht nur die junge Frau im Spiegel zeigt gegenüber der "wirklichen" Frau eine leicht veränderte Haltung, sondern das Spiegel- Paar ist insgesamt "falsch" wiedergegeben. So zwingt die Absicht, zwei Aspekte des Barfräuleins in einem Bild darzustellen, zur Aufhebung der naturalistischen Einheit. Ein "richtig" wiedergegebenes Spiegelbild der Frau würde nämlich bei Parallelstellung von Bildebene und Spiegelhintergrund durch das Mädchen selbst im Vordergrund, verdeckt werden. Manets Bild ist also eine Montage; zwar nicht im Sinne der Zusammenfügung bereits fertiger Teile wie bei einer Fotomontage, aber doch im Sinne einer Zusammenfügung unterschiedlicher Situationen zu einem Bild. Die Teile wurden durch die Malweise und Gesamtkomposition bildnerisch "verschweißt".