Weitere Informationen zu den Komponisten

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Zum Programm:
Den Mittelpunkt unseres Programms bildet eine dafür selbst zusammengestellte "Missa
pacis" (Friedens-Messe) mit Vertonungen Epoche-prägender KomponistenPersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Die verschiedenen Sätze des MessOrdinariums (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei) folgen seit ewigen
Zeiten dem gleichen Ritus und inspirierten durch die Musikgeschichte hindurch viele
Komponisten zu beeindruckenden Werken. Die Sätze unseres Messen-Pasticcios "Missa
pacis" erzählen in gewisser Weise von der Geschichte Europas im 20. Jahrhundert, den
Erfahrungen der Menschen mit den beiden Weltkriegen, aber auch von der Hoffnung
danach und den vielen spannenden nationalen Eigenheiten in der Tonsprache der
europäischen Länder Frankreich, Deutschland, England, Schweden und der Schweiz. Es
gibt aber auch einige Gemeinsamkeit en unter den ausgewählten Komponisten. Zum einen
ging es ihnen bei der Komposition ihrer jeweiligen Mess-Vertonungen nicht nur um
geistliche Erbauung, sondern um persönliche Glaubensbekenntnisse. Ihr Leben und Werk
wurde stark beeinflusst durch die Erlebnisse der beiden Weltkriege. Mit ihrer Musik waren
sie alle quasi als Botschafter des Friedens tätig. Zum anderen stehen ihre Werke bewusst
nicht mehr in der spätromantischen Tradition und verpflichten sich einer neuen Sachlichkeit;
sie lehnen zudem die Totalität der Zwölftontechnik als einzig mögliche Weiterentwicklung
der westlichen Musik des 20. Jahrhunderts ab. In den Mess-Sätzen zeigt sich dennoch eine
tief empfundene, individuelle Spiritualität.
Die Klammer für die „Missa pacis“ bildet skandinavische Chormusik. Den Beginn macht die
archaische Michaels-Motette von Bengt Hambraeus. Symbolhaft für das 20. Jahrhundert
steht der Erzengel Michael als Patron der Soldaten und Kranken für seinen Kampf und Sieg
über Luzifer und als Anführer der himmlischen Heerscharen. Den Schluss bilden drei
Werke der bedeutendsten Komponisten der Skandinavischen Chorlyrik im 19. Jahrhundert:
Grieg, Sibelius und Petersson-Berger.
Zu den Stücken:
Bengt Hambraeus war der erste schwedische Komponist, der nach dem Krieg die für die
Neue Musik bedeutenden Sommer-Kurse in Darmstadt besuchte und durch die
Erforschung Elektronischer Musik neue Kompositionstechniken nach Schweden brachte.
Von 1972 bis zu seinen Tod war er Professor für Komposition an der McGill University
Montreal in Canada. Sein Werk Motetum Archangeli Michaelis wurde 1967 komponiert. Der
Text stammt aus der Liturgie zum Festtag des Erzengel Michael. Der Komponist widmete
das Werk Edgar Varèse, einem seiner musikalischen Einflüsse.
Frank Martin gehört neben Arthur Honegger zu den bedeutendsten Schweizer
Komponisten des 20. Jahrhunderts. Gegen die akademische Ausbildung hegte der junge
Martin grösstes Misstrauen. Tatsächlich hat er seine aussergewöhnlichen Fähigkeiten der
Instrumentation und des Kontrapunktes als Autodidakt erworben. Seine stilistische
Entwicklung ist durch eine bemerkenswerte Eigenständigkeit gekennzeichnet. Nach seiner
intensiven pädagogischen Tätikeit in Genf siedelte er nach dem zweiten Weltkrieg mit
seiner Frau, einer Holländerin, nach Amsterdam um. Die Religiosität war eine der
Grundkonstanten im Leben Frank Martins. Als er die Messe begann, war er bereits 31
Jahre. Die Arbeit daran erstreckte sich von 1921 an mit grossen Unterbrechungen bis 1929.
Frank orientiert sich streng an der Deklamation des Textes und ihm gelingt durch eine
selbstgewählte Beschränkung der Mittel eine sehr subjektive Ausdeutung des Textes.
Martin hielt das fertige Manuskript über viele Jahrzehnte vor der Öffentlichkeit geheim
aufgrund seiner Scheu vor jeder Art öffentlich-religiöser Bekenntnisse in einer Welt, die
schon lange nicht mehr auf dem Fundament eines religiösen Konsens aufgebaut ist. „Das
war eine Sache zwischen Gott und mir, die niemand etwas anging.“ 1962 entdeckte der
Kantor Franz W. Brunnert aus Hamburg vermutlich durch einen Zufall die Ankündigung der
Messe in einem alten Verlagskatalog. Sogleich bat er Martin um die Zusendung der Noten
"zu Studienzwecken". Durch diesen kleinen Trick kam es am 2. November 1963 in
Hamburg zur Uraufführung dieses Werkes. Mittlerweile ist die Messe eines der beliebtesten
und wohl auch klangschönsten geistlichen Chorwerke für Chor a cappella des 20. Jh.
überhaupt.
Francis Poulenc war als Kind unter dem Einfluss seines Vaters streng religiös erzogen
worden, hatte sich aber nach dessen Tod im Jahre 1917 vom Glauben abgewandt, mit
unter dem Einfluss der freidenkerischen Mutter. Als 1936 ein geschätzter Freund und
Kollege bei einem Autounfall ums Leben kam, wurde dieser Umstand zum Katalysator,
der ihn dem Glauben wieder zuführte und ihn zur Komposition geistlicher Werke
veranlasste. Ein Jahr später kam Poulencs erstes geistliches A-cappella-Chorwerk
zustande: die Messe in G-Dur, die er dem Gedächtnis seines Vaters widmete.
Schlichtheit und Erhabenheit beherrschen dieses wunderbare Werk, aus dem deutlich
hervorgeht, dass Poulencs Gott den Menschen nahe steht. „Ich sehe mich übrigens nicht,
wie ich ein pompöses Te Deum für Notre-Dame Paris schreibe. Mein Verständnis von
Kirchenmusik ist im wesentlichen direkt und, wenn ich so sagen darf, familiär“, schrieb
Poulenc über dieses Werk in sein Tagebuch.
Paul Hindemith wurde vor dem zweiten Weltkrieg als musikalischer Pionier und Erneuerer
des europäischen Musiklebens betrachtet. Aber der Lauf der Geschichte sollte dies ändern.
Nachdem die Nazis seine Musik als „entartet“ klassifizierten, war er gezwungen in die USA
auszuwandern. Als er nach dem Krieg zurückkam, liess er sich in Blonay im
schweizerischen Wallis nieder und wurde von da an als reaktionärer und konservativer
Komponist angesehen. Dass dieses eindimensionale Urteil nicht gerechtfertigt ist, zeigt vor
allem seine Messe aus dem Jahr 1963. Schon mehrfach hatte Hans Gillesberger, der Leiter
des Wiener Kammerchores ihn um die Komposition einer Messe gebeten, die Hindemith
mit zwei Aussagen abgelehnt hatte: „Ich bin vielleicht ein kein so guter Protestant, aber ich
bin meinem Glauben treu.“ und „Nach Palestrina gibt es der katholischen sakralen Musik
nichts mehr hinzuzufügen.“ Die Messe, die er dann doch komponierte, ist ein starkes
persönliches Glaubensbekenntnis, sozusagen als Schwanengesang seine letzte
Komposition und vermutlich seiner Frau Gertrude gewidmet, die in als praktizierende
Katholikin oftmals zu Messen mitgenommen hatte.
Ralph Vaughan Williams gilt als Schlüsselfigur für die Rückbesinnung der britischen
Musikwelt auf britische Komponisten und deren Tradition. Vaughan Williams selbst
allerdings bevorzugte eher einen musikalischen Individualstil, lehnte ausschließlich national
oder gar international geprägte Kompositionsstile sogar ab. Vaughan Williams arbeitete in
seinen Werken vor allem mit den Mitteln der spätromantischen Tonalität, und schwärmte für
die eigentümlich religiöse Aura die sich daraus ergibt. Und trotzdem Vaughan Williams
bekennender Agnostiker war, komponierte er eine ansehnliche Zahl kirchenmusikalischer
Werke, darunter die Messe in g-Moll für Soli und Doppelchor (1920/21). Gewidmet hat
Vaughan Williams seine Messe den Whitsuntide Singers, einem Ensemble, das von Gustav
Holst 1916 gegründet und geleitet wurde. Holst und Vaughan Williams waren enge Freunde
seit der Studienzeit, in der sie nächtelang gemeinsam über den Partituren alter englischer
Meister wie Thomas Tallis gebrütet hatten. Später, als 80-jähriger, als Vaughan Williams
1952 zur Krönung von Queen Elisabeth II. Silence and Music schrieb, sollte er noch einmal
Englands Renaissancemusikern und vor allem seinem Lehrer Charles Villiers Stanford
seine Reverenz erweisen.
Sven Eric Johansson wuchs in einem musikalischen, freikirchlichen Milieu auf und lernte
früh mehrere Instrumente. Während des Krieges studierte er 1943 Kirchenmusik in
Stockholm. Weitere Studien führten ihn als Komponist nach Frankreich und Italien. Er
gründete in den 1940er Jahren die sogenannte „Montagsgruppe“, zu der auch u.a. Ingvar
Lidholm und Eric Ericson gehörten. Er war ein begnadeter Improvisator, bewegte sich
zwischen den Genres „U- und E-Musik) und suchte immer nach neuen Wegen und
Ausdrucksformen. Neben viele symphonischen Werken, Kammermusik und Opern schuf er
auch viel Chormusik. Da er die Neue Musik immer als zu schwer zugänglich für Laien
empfand, versuchte er ihnen mit pädagogischer Einfachkeit Wege zur Neuen Musik zu
bauen. Vor allem über die Improvisation erreicht er mit Sprechgesang, Clusterbildungen
und aleatorischen Mitteln eine enorme Ausdruckspalette.
Der 1908 geborene Lars-Erik Larsson setzte nach dem Erwerb des Kompositionsdiploms
in Stockholm seine Studien bei Alban Berg in Wien und Fritz Reuter in Leipzig fort. Von
1937 bis 1954 war er Komponist und Produzent beim schwedischen Rundfunk, ausserdem
Dirigent des Schwedischen Radio-Orchesters und von 1947-1959 Professor für
Komposition an der Musikakademie Stockholm. Er starb 1986 in Helsingborg. Er
komponierte Musik für viele Gattungen: Kammermusik, Orchestermusik, Lieder und
Chormusik. Seine Missa brevis entstand 1954 und verwendet viele verschiedene Stile.
Ebenso wie in Deutschland nimm die skandinavische Chormusik ihren entscheidenden
Ausgangspunkt im 19. Jahrhundert. Das Chorsingen wird zum wichtigen Ausdrucksmedium
bürgerlichen vereinsmäßig organisierten Musiklebens. Besonders die Männerchöre, gerade
die studentisch-universitären werden zum selbstbewussten Ausdruck politisch liberalnationaler Emanzipation. Dieses wieder erwachte Nationalgefühl führt zu einer
Rückbesinnung auf die nordische Volksmusik Tradition als Inspirationsquelle. Die daraus
entstehende skandinavische „Chorlyrik“ ist in unserem Programm mit den berühmtesten
Komponisten ihrer jeweiligen Länder vertreten: Für Schweden Wilhelm Petersson-Berger,
für Norwegen steht Edvard Grieg und für Finnland Jean Sibelius. Die Chorlyrik
berücksichtigt besonders die Beziehung des Menschen zur Natur durch den dortigen
starken Einfluss der Jahreszeiten (Licht!) sowie die Grundfragen von Leben und Tod.
Texte und Übersetzungen
Bengt Hambraeus: Motetum Archangeli Michaelis
Erzengel Michael! Ich habe Dich zum Fürsten über alle erwählten Seelen gemacht. Alleluja.
Engel, Erzengel, Throne und Herrschaften, Fürsten und Gewalten, Kräfte des Himmels.
Preiset Gott im Himmel. Alleluja.
Stürmisch ist das Meer und die Erde erbebet, wenn der Erzengel Michael vom Himmel
herabsteigt.
Michael, Erzengel. Du ehrwürdigster unter den Fürsten, gedenke unsrer, jetzt und
immerdar, bete für uns durch den Sohn Gottes. Alleluja, du Erzengel.
Jean Sibelius: Drömmarna
(Jonatan Reuter)
Geschlechter kommen, Geschlechter vergehen,
Geschlechter gleiten wie Ströme, sterben, verschwinden, erlöschen...
Nicht so die verlockenden Träume:
Sie leben bei Sonne, Trauer und Sturm; Sie schlummern, sie werden auf Bahren gelegt,
Sie erstehen wieder in schimmernder Form, folgen einander in Spuren.
Woher sie auch immer kommen, wohin sie auch gehen,
Wie sie auch immer verschwinden und erlöschen,
Sie leben ewig, die Träume.
Petersson-Berger: Stämning (Stimmung)
(J. P. Jacobsen)
Alle die wachsenden Schatten haben sich zu einem einzigen zusammen gegossen.
Einsam am Himmel strahlt ein Stern so strahlend rein. Der Himmel gleitet in schweren
Träumen, geweinter Tau strömt aus den Augen der Blumen, wunderlich säuselt der
Abendwind in den Lindenbäumen.
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