Lungenembolie Definition Der Begriff der Embolie ist von dem griechischen Wort „embole“ abgeleitet, das man mit „hineindringen“ übersetzen kann. Embolie wird definiert als einen plötzlichen Verschluss eines Gefäßes durch einen Embolus. Ein Embolus ist ein auf dem Blutweg verschlepptes Gebilde, das in einem Gefäß eingekeilt wird, welches einen kleineren Durchmesser besitzt als der Embolus selbst. Er ist im Blut nicht löslich und kann sowohl von ... fester (Blutgerinnsel, Gewebe, Parasiten, Tumorzellen) flüssiger (Fetttropfen, Fruchtwasser) (selten) gasförmiger (Luftblasen) (selten) Beschaffenheit sein. Lungenembolien sind häufig und treten bei rund 1 – 2 % aller stationären Patienten auf. Sie werden so häufig übersehen, dass nur etwa 30 % aller Embolien vor dem Tod diagnostiziert werden. Daher sollte bei jedem Verdacht die entsprechende Diagnostik erfolgen! Man muss einen Embolus von einem Thrombus unterscheiden. Ein Thrombus führt am Ort seines Entstehens zu einem Gefäßverschluss. Ein Embolus hingegen wird mit dem Blutstrom fortgeschwemmt und verursacht einen Gefäßverschluss entfernt von seinem Ursprungsort. Ein Thrombus kann demnach zu einem Embolus werden. Pathogenese Der die Lungenembolie auslösende Blutpfropfen entsteht oftmals in den tiefen Beinoder Beckenvenen, wo er sich löst und von da an als Embolus bezeichnet wird. Er gelangt dann über das Herz in die Lunge. Abhängig von der Größe des Blutpfropfens ist die Stärke der Embolie (die übrigens auch in jedem anderen Organ auftreten kann) - ein kleiner Embolus ist nicht so gravierend wie ein großer. 1 Das hinter dem Embolus gelegene Lungenareal kann v.a. nach größerer Embolie trotz der an sich hohen Regenerationskraft des Lungengewebes dauerhaft absterben und eine partielle Lungenfibrose mit entsprechender Funktionseinbuße (Kurzatmigkeit, reduzierte Belastbarkeit) als Endzustand hinterlassen. Eine Lungenembolie geht jedoch nicht zwangsläufig mit einem Lungeninfarkt einher, da die Lunge noch über eine eigene, private Blutversorgung durch die Bronchialarterien verfügt. Ein Lungeninfarkt entsteht vor allem bei gleichzeitig bestehender Linksherzinsuffizienz, da es zur Verlangsamung des Blutstroms in den Bronchialarterien kommt. Problematischer ist aber der Blutstau vor dem Embolus, der zu einer mehr oder weniger starken Druckerhöhung im kleinen Kreislauf (Lungenkreislauf) führt. Damit kommt es zur Überlastung des rechten Herzens, das ja nun gegen einen erhöhten Widerstand arbeiten muss. Bei einer großen (fulminanten) Lungenembolie kann im Extremfall der Ausfluss aus dem rechten Herzen blockiert werden, was zum akuten Rechtsherzversagen führt. 1 rechter Vorhof 2 linker Vorhof 3 rechte Kammer 4 linke Kammer Der Übersichtlichkeit halber wurden die Lungenvenen weggelassen. Das venöse Blut fließt durch die obere und untere Hohlvene in den rechten Vorhof und über die Trikuspidalklappe in die rechte Kammer. Hier staut sich das Blut aus der Lungenarterie in die rechte Kammer zurück und das Herz versucht dagegen zu arbeiten. Folge : Rechtsherzversagen Unbehandelt hat das akute Rechtsherzversagen bei einer großen Lungenembolie eine schlechte Prognose. 2 Aufgrund der Rechtsherzinsuffizienz ist es auch zu erklären, dass Patienten mit Lungenembolie keinen Bluthochdruck aufweisen, den man bei dem sonstigen Erscheinungsbild (Schmerzen, schneller Herzschlag, schnelles Atmen, Angst) der Patienten vermuten könnte. Aber auch kleinere Lungenembolien können zu Rechtsherzproblemen führen. Hier ist die Drucksteigerung im kleinen Kreislauf nicht so gravierend, die akute Überlebensrate der Patienten meist auch viel höher. Der Embolus wird in den meisten Fällen abgebaut und das Gefäßsystem ist wieder frei. Lokalisation Die Art und Weise des Zustandekommens einer Embolie ist nur teilweise geklärt. Es scheint allerdings festzustehen, dass lediglich frische Thromben zu einer Embolie führen können, da ihr Anteil an lockerem Material verhältnismäßig groß ist und sie noch nicht narbig verändert sind. Die arterielle Embolie hat ihren Ursprung vor allem im linken Herzen. Für etwa 90% aller arteriellen Embolien werden Herzerkrankungen verantwortlich gemacht. Beispiel hierfür sind : Vorhofflimmern (!) Herzinfarkte mit wandständigen Thromben, Entzündungen der Herzinnenhaut Ausweitungen der Herzwand Gehirn Ursprung Herz / große Arterien Körperkreislaufes Gliedmaßen Eingeweide Der Ursprungsort einer venösen Embolie ist in einer Vene des großen Blutkreislaufes (Körperkreislauf), meist im Bereich der unteren Extremität zu suchen. Der Embolus gelangt über das rechte Herz in die Lungenarterie und führt zu einer Lungenembolie, die je nach Größe des Embolus zum Tode führen kann. Venöse Embolie Hohlvene rechtes Herz Lungenarterie 3 Einen Sonderfall bildet die paradoxe (gekreuzte) Embolie. Bei einer offenen Verbindung zwischen beiden Herzvorhöfen, wie z.B. einem offenen Foramen ovale, kann ein venöser Embolus in eine Arterie des Körperkreislaufes gelangen. Ursachen Es gibt bestimmte Risikopatienten, die zu Thrombosen und damit zu Lungenembolien neigen. Dazu gehören zum Beispiel Menschen mit ... angeborenen Störungen des Gerinnungssystems bösartigen Erkrankungen bettlägerige und immobilisierte Menschen (Flugreise) Herzrhythmusstörungen Frischoperierte Andere Risikofaktoren sind ... bestimmte Medikamente (u.a. "die Pille"!) Nikotinabusus Arteriosklerose Bluthochdruck Diabetes mellitus Übergewicht Venenerkrankungen, wie z.B. Krampfadern Ein hohes Alter und die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht tragen ebenfalls zu einem erhöhten Risiko bei. Auslösende Faktoren können sein ... morgendliches Aufstehen Pressen (Stuhlgang!) plötzliche körperliche Anstrengungen 4 Symptome Eine Lungenembolie kann sich äußern durch ... Schmerzen beim Atmen bzw. schnelleres Atmen (85 %) (atemabhängige) Schmerzen im Brustkorb (85 %) schnellen Herzschlag (60 %) Husten (50 %) Angst bzw. Beklemmungsgefühl (60 %), Schweißausbruch (30 %) Zyanose Ggf. Hypotonie Schock bzw. plötzliche Bewusstlosigkeit ( = Synkokpe). Die Lungenembolie weist jedoch vier Schweregrade auf, die unterschiedlich schwere Symptome mit sich bringen. Schweregrad Symptome Blutdruck Gefäßverschluß I Leichte Atemnot, Normal Periphere Äste Mäßiggradige thorakaler Schmerz Normal Segmentarterien Erniedrigt Pulmonalarterienast Schock Hauptstamm Lungenembolie II Akute Atemnot, Schwere Tachypnoe, Lungenembolie Tachykardie, thorakaler Schmerz III Akute, schwere Massive Atemnot, Zyanose, Lungenembolie Unruhe, Synkope, thorakaler Schmerz IV Zusätzlich Fulminante Schocksymptomatik, Lungenembolie evtl. Kreislaufstillstand der Pulmonalarterie Leider gibt es keine pathognomonischen (eindeutig eine bestimmte Diagnose folgernden) Symptome bei der Lungenembolie, so dass sie manchmal verkannt wird oder wertvolle Zeit mit differenzialdiagnostischen Untersuchungen, z.B. gegenüber dem Herzinfarkt, verlorengeht. 5 Diagnostik Ein Ausschluß gelingt mit der Perfusions - / Ventilationsszintigraphie, d.h. ein Normalbefund schließt eine Lungenembolie aus. Ein pathologisches Ergebnis ist jedoch nicht beweisend für Lungenerkrankungen eine Lungenembolie, hinweisen. Der sondern kann diagnostische auch auf Goldstandart andere ist die Gefäßdarstellung mittels Pulmonalisangiographie. Sie ist jedoch aufwendig und nicht ganz ungefährlich, daher wird meist zuerst die Szintigraphie durchgeführt. Desweiteren kann man zur Untermauerung der Diagnose folgende unspezifische Untersuchungen durchführen : Im Labor sollte nach Zeichen einer gestörten Gerinnung gesucht werden. Die Blutgasanalyse würde niedrige Sauerstoffwerte und erhöhte Kohlendioxidwerte ergeben. Röntgen -Thorax zum Ausschluss anderer Erkrankungen (siehe DD) Bei gegebener Symptomatik lässt sich auch mit Hilfe eines Elektrokardiogramms und der Echokardiographie (Rechtsherzbelastung) der Verdacht auf eine Lungenembolie erhärten. Differenzialdiagnose Die Symptome einer Lungenembolie können teiweise auch auf andere Erkrankungen zutreffen. Folgende Differenzialdiagnosen kommen in Betracht. Die farbig unterlegten Symptome stellen dabei die Abgrenzungskriterien zur Lungenembolie dar. Herzinfarkt : vernichtender Thoraxschmerz Spannungspneumothorax : hypersonorer Klopfschall Pleuritis : starke atemabhängige Thoraxschmerzen, Fieber Pneumonie : Fieber, Schüttelfrost, Atemnot, Tachykardie Aortendissektion (Aneurysma dissecans) : Schmerzen hinter dem Brustbein, ggf. Schuckstörungen, Heiserkeit, Atemnot 6 Eine noch genauere Übersicht über die Differenzialdiagnose der einzelnen Symptome bietet die folgende Tabelle : Luftnot Pneumothorax Lungenödem Pneumonie Asthma bronchiale Pleuritis Perikarditis Atelektasen (Bronchus stenose) Pleura- und Lungentumoren Thoraxschmerz Angina pectoris, Myokardinfarkt Pleuritis Perikarditis Aortenaneurisma (dissezierend) Interkostal neuralgie Akutes Abdomen Milzinfarkt Gallenkoliken, Pankreatitis Schock Myokardinfarkt Perikard tamponade Herzrhythmus störungen (bradykard, tachykard) Aortenaneurisma (dissezierend) septisch, anaphyl. Schock Myokarditis Vorhofmyxom Endokarditis lenta Synkopen zerebrales Krampfleiden Hypoglykämien Zerebrale Embolien (Endokarditis) Intoxikationen KarotissinusSyndrom Hysterie vagovasale Synkopen Tachykardie Herzrhythmus störungen Hochdruckkrisen (Phäochromozyto m) schwere orthostat. Dysregulation Therapie Eine Lungenembolie gehört zu den gefürchtetsten Erkrankungen bzw. Komplikationen einer Erkrankung und muss sofort behandelt werden. Die Behandlung ist umso erfolgreicher, je schneller ein Arzt hinzugezogen wird. Die Therapie besteht im schnellstmöglichen Auflösen des Thrombus (Thrombolyse). Beim Tauchunfall durch eine Behandlung in der Dekompressionskammer (hyperbare Sauerstofftherapie). Hinzu kommt die Gabe gerinnungshemmender Stoffe, die verhindern sollen, dass sich ein weiterer Thrombus bildet (5000 I.E. Heparin als Bolus und anschließend ein Heparinperfusor mit 25000 I.E. auf 50 ml bei einer Gabe von 2 ml/h. Täglich PTT Kontrolle. (Ziel: Verdopplung der PTT auf das doppelte des Normbereiches.) Die PTT gibt Aufschluss über den endogenen Anteil der Blutgerinnung. Dieser läuft langsamer ab als der mit dem Quickwert gemessene exogene Anteil und dauert im Körper sechs bis acht Minuten, im Reagenzglas jedoch nur weniger als 40 Sekunden. Abnormalitäten und Verminderungen verschiedener Gerinnungsfaktoren in der Blutgerinnung verursachen eine Verlängerung der PTT. Daher ist die PTT-Bestimmung eine allgemeine Untersuchungsmethode zur Kontrolle des endogenen Gerinnungssystems. 7 Dem Patienten sollte Sauerstoff angeboten werden. Zunächst ca. 3 l /O2 pro Minute oder auch mehr. Eine Intubation und Beatmung kann notwendig werden, wenn das Blut des Patienten nicht ausreichend mit Sauerstoff gesättigt wird. Die gerinnungshemmenden Stoffe (Marcumar) müssen in der Regel nach erfolgter Lungenembolie für einige Zeit, in manchen Fällen (bei angeborener Störung des Gerinnungssystems und Neigung zu Thrombosen, sowie wiederholten Lungenembolien) lebenslang weiter genommen werden. Damit sollen erneute Lungenembolien verhindert werden. Im Extremfall kann versucht werden das Blutgerinnsel operativ zu entfernen (eine Thrombektomie). Prophylaxe Verwendung gerinnungshemmender Medikamente (Heparin s.c.) orale Antikoagulanzien Azethylsalizylsäure (ASS) bei arteriellen Thromboemebolien bei wiederkehrenden Lungenembolien Einsetzen eines sogenannten Kava-Schirmes - dabei wird eine Art Sieb in die Vena cava implantiert. Dieses Sieb oder Schirm fängt die anschwimmenden Thromben aus Beinvenenthrombosen und Beckenvenenthrombosen ab, so dass sie nicht in die Lunge geraten können Anwendung von Stützstrümpfen vor Operationen oder nach Entbindungen frühe Mobilisation der Patienten (!) allgemein Vermeidung von Risikofaktoren ausreichende Flüssigkeitszunahme bei längeren Flügen oder Autofahrten möglichst einmal in der Stunde aufstehen und umher gehen Prognose Die Prognose der Lungenembolie ist abhängig vom Ausmaß der Obstruktion bzw. der Anzahl von Rezidiven und den eingetretenen Komplikationen. Die Prognose der Akutphase ist ernst (Letalität 20-40%) Die Langzeitprognose ist umso besser, wenn nach der Akutphase keine pulmonale Hypertension aufgetreten ist. Besonders wichtig für die Langzeitprognose ist aber die Rezidivprophylaxe (Rezidivneigung 30-50%). 8 9