Akute Lungenembolie Definition: „Akute Lungenembolie“ Ursachen

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Lernhilfen zur Hauptvorlesung „Kardiologie“ WS 2015/2016 Schmidt/Baars
Akute Lungenembolie
Definition: „Akute Lungenembolie“
Akute, meist thrombembolisch, selten durch Fett oder Luft bedingte partielle oder vollständige Verlegung der arteriellen Lungenstrombahn
Folgen:
• Akute Druckbelastung des rechten Ventrikels
• Plötzlich einsetzende Gasaustauschstörung
• Potentiell lebensbedrohliche Erkrankung
Ursachen:
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Thrombembolisch (> 95%):
- 90%: Einzugsbereich der V. cava inferior
• Becken: 30%
• Oberschenkel: 60%
• US: 10%
- 10%: Einzugsbereich der V. cava superior o. rechtes Herz
Nicht-thrombembolisch (< 5%):
- Fettembolien (Unfälle, OP)
- Luftembolie (iatrogen, ZVK)
- Fruchtwasser
- Tumorzellen
Risikofaktoren:
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Hospitalisation, Bettlägrigkeit, Flugreisen und langes Sitzen
Hohes Alter
Herzinsuffizienz
maligne Erkrankungen
Adipositas
Diabetes mellitus
Schwangerschaft
Kontrazeptiva und Hormonersatztherapie
Symptome:
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Die Diagnose einer Lungenembolie ist häufig schwierig, da klassische Zeichen und
Symptome bei der Mehrzahl der Patienten nicht auftreten
häufige unspezifische Symptome:
- Akute Dyspnoe/Tachypnoe
- Atemabhängiger Thoraxschmerz
- Husten, Hämoptysen
- Tachykardie
- Synkope/Schock
- Unklares Fieber (= Resorptionsfieber); d.h. bei unklarem Fieber immer DD an
LE denken
MERKE: bei Patienten mit Dyspnoe und einer der „3x Ts“: Tachypnoe, Thoraxschmerz und
Tachykardie -> immer an Lungenembolie denken!
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Komplikationen:
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Akut: Rechtsherzversagen
Chronisch: Pulmonale Hypertonie
Klinischer Fall:
Sie werden in die Notaufnahme gerufen, wo ein 53-jähriger Mann plötzlich bewusstlos
zusammengebrochen ist. Der Patient ist wieder wach und reagiert auf Ansprache. Der Patient
berichtet über seit ca. 6 Wochen bestehenden Atembeschwerden und Brustschmerzen
(Thoraxschmerz) zu berichten. Seit eben so langer Zeit bestehen belastungsabhängige
Schmerzen in der linken Wade. Das EKG zeigt folgenden Befund: Tachykarder
Sinusrhythmus, SI-QIII-Typ, R-Verlust in V1-4, deutliche R-Reduktion in V5, P in Ableitung II
grenzwertig hoch (ca. 0,25 mV, P-Pulmonale). In der BGA fällt eine Hypoxämie (pO2
erniedrigt) und eine Hypokapnie (pCO2 erniedrigt) auf.
Diagnostik:
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Methoden der Basisdiagnostik:
- Klinik: Dyspnoe mit plötzlichem Beginn, Thoraxschmerz, Tachykardie, Synkope,
V.a. TVT (-> Sono)
- EKG: Sinustachykardie (90%), ST-Hebung in Ableitung III, SIQIII-Typ (= Mc
Ginn-White-Syndrom), RSB, T-Negativierung in V1-V3 rechtspräkordial.
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Rö.-Thorax: meist unauffällig (75%); Transparenzerhöhung im betroffenen Versorgungsgebiet der Lunge (= Westermarkzeichen); dreieckige Verdichtung als Hinweis
auf einen Lungeninfarkt (= Hampton Hump); entsteht, wenn kleine Embolisate die
Gefäßperipherie nach Vereinigung der Arteriolen der Pulmonalarterie mit den
Arteriolen der Propria (-> versorgen Lunge selbst mit sauerstoffreichem Blut aus der
Aorta) verlegt
BGA: Hypoxämie und Hypokapnie
Risikofaktoren: längere Immobilität, weibliches Geschlecht, Schwangerschaft, Östrogene, Nikotinabusus, Übergewicht, Varikosis, Trauma/OP, Tumorerkrankung
MERKE: die Methoden der Basisdiagnostik (-> z.B. EKG, Rö.-Thorax oder
Blutgasanalyse) können zwar zur Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit für eine
Lungenembolie herangezogen werden, liefern jedoch keine Befunde, die beweisend für
eine Lungenembolie sind.
Diagnostischer Algorithmus:
1.
Initiale Risikostratifizierung
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Die aktuellen ESC-Leitlinie schlagen einen diagnostischen Algorithmus vor; dieser
sieht vor, dass initial eine klinische Risikostratifikation der Patienten in eine
Hochrisiko-Gruppe und eine Nicht-Hochrisiko-Gruppe durchgeführt wird
Diese erfolgt durch Messung des systolischen Blutdrucks:
Es wird das voraussichtliche Risiko abgeschätzt, dass der Patient während der
Akutphase im Krankenhaus oder innerhalb von 30 Tagen an der Lungenembolie
verstirbt.
2. Algorithmus der Hochrisiko-Gruppe
• Bei Verdacht auf eine Hochrisiko-Lungenembolie handelt es sich um einen akutlebensbedrohlichen medizinischen Notfall:
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3.
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4.
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Nicht-Hochrisiko-Gruppe: Erweiterte Risikostratifizierung
Für die Nicht-Hochrisiko-Gruppe empfiehlt die ESC-Leitlinie die Durchführung einer
erweiterten Risikostratifizierung.
Anhand laborchemischer und bildgebender Marker der rechtsventrikulären Dysfunktion (BNP, CT, TTE) sowie der myokardialen Schädigung (Troponin I und T) werden
die Patienten in eine Gruppe mit mittlerem Risiko und einer Gruppe mit niedrigem
Risiko eingeteilt:
Algorithmus der Nicht-Hochrisiko-Gruppe
Der diagnostische Algorithmus für hämodynamisch-stabile Patienten (Nicht-Hochrisiko-Gruppe) sieht als erstes die Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit für
eine Lungenembolie vor.
Hierbei kann die Anwendung etablierter Score-Systeme (z.B. Wells-Score) hilfreich
sein; beim Wells-Score wird den klinischen Kennzeichen ein bestimmter Score
zugeteilt; aus der Gesamtsumme wird dann der Grad der klinischen Wahrscheinlichkeit ermittelt:
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Ist der ermittelte Wells-Score ≤ 6, sollten D-Dimere bestimmt werden:
- Hoher negativ-prädikativer Wert (99-100%): eine normale D-Dimer-Konzentration schließt eine Lungenembolie mit großer Wahrscheinlichkeit aus
- Niedrige Spezifität: erhöhte D-Dimer-Konzentrationen sind auch bei Patienten
nachweisbar, die innerhalb der letzten 7 Tage operiert wurden oder einen
Myokardinfarkt, Malignom oder Trauma aufweisen, d.h. sind nicht beweisend
für eine Lungenembolie
Sind die D-Dimere erhöht, bedarf es der weiteren Abklärung mittels Angio-CT der
Pulmonalarterie:
•
Angio-CT der Pulmonalarterie:
- Goldstandard für die Diagnostik der LE: hohe Sensitivität (83%) und Spezifität
(96%)
- Darstellung proximaler Beinvenen
- Beurteilung des rechten Herzens zur Risikostratifizierung
- Differentialdiagnostische Abklärung anderer Ursachen
- Alternativ: Lungenszintigraphie
•
Ist der ermittelte Wells-Score > 6, so ist bei hochgradigem Verdacht auf eine
Lungenembolie ein MDSCT der Lunge indiziert
Bei negativem MDSCT-Befund trotz hoher Wahrscheinlichkeit kann eine weitere
diagnostische Abklärung mittels Ventilationsszintigraphie sinnvoll sein.
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Marker zur Risikostratifizierung
Therapie:
1. Erstmassnahmen:
- Immobilisation -> strikte Bettruhe
- Oberkörperhochlagerung -> Entlastung des Herzens
- O2-Maske: 6-10 l/min, ggf. Intubation und invasive Beatmung
- Sicherer venöser Zugang
- Sedierung: DormicumR 5 mg i.v. oder Diazepam 5 mg i.v.
- Analgesie: Morphin 5-10 mg fraktioniert i.v. oder Fentanyl 0,1 mg i.v. + 10 mg
Metoclopramid (PaspertinR)
- Vollheparinisierung: Heparin-Bolus 5000 IE i.v., dann über Perfusor 1000 IE/h
i.v.; PTT-Kontrolle nach 4-6 h; Ziel-PTT 70-90 s.
2. Weitere therapeutische Vorgehensweise je nach hämodynamischer Stabilität des
Patienten:
2.1 Therapeutische hämodynamisch instabiler Patienten:
• Reanimation (vgl. oben)
• Hämodynamische Stabilisierung:
- mittels Kreislauf-unterstützender Katecholamintherapie:
- Hypotension: Noradrenalin (Katecholamin der Wahl)
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Normotension + niedriges HZV: Dobutamin; da Dopamin und andere ßSympathomimetika den Druck im Lungenkreislauf weiter erhöhen können
Hypotension im kardiogenen Schock: Epinephrin
MERKE: bei Volumengabe -> zusätzliche Volumenbelastung des rechten Herzens ->
Kompression des linken Ventrikels -> Verminderung des linksventrikulären Schlagvolumens
•
Systemische Thrombolyse
- Klären, ob Lysetherapie indiziert ist und keine Kontraindikationen bestehen:
- Indikationen:
o Reanimation infolge massiver LE
o Kardiogener Schock infolge massiver LE
o Hämodynamische Instabilität mit Notwendigkeit von Katecholaminen
und druckstabilisierender Infusion
o Intrakardiale Thromben bei LE
o BNP- und Troponin-Erhöhung und echokardiographische Zeichen der
Rechtsherzbelastung
- Zeitintervall: Beginn innerhalb der ersten 24h!
2.3 Therapeutische hämodynamisch stabiler Patienten:
• Therapeutische Antikoagulation:
- Heparinisierung: NMH vs. UFH -> Niedermolekulares Heparin (NMH, z.B.
Enoxaparin, ClexaneR) bevorzugt vor unfraktioniertem Heparin (UFH)
 Ausnahme: Patienten mit Nierenversagen -> Gefahr der Akkumulation
von NMH
 NMH: gewichtsadaptiert: 2x1 mg/kg KG/d s.c.
• Zielbereich: Anti-Xa-Aktivität 0.3-0.7 IU/ml
• Keine routinemäßige Messung empfohlen
 UFH: Bolus 5000-10000 IE i.v., dann Dauerinfusion:
• Beginn mit 18 IE/kg KG
• Zielbereich: aPTT 70-90s; bei Heparinresistenz (= Bedarf >
1500 IE/h oder > 35.000 IE/d) wird die Bestimmung der AntiXa-Aktivität (Ziel 0.3-0.7 IU/ml) zum Dosierungsmonitoring
empfohlen
 Dauer: mindestens 5 Tage
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Orale Antikoagulation: Phenprocoumon (MacumarR)
- nach Diagnosesicherung sollte bereits 1-2 Tagen nach Beginn der
Antikoagulation mit der Einnahme einer oralen Antikoagulation mit
Vitamin-K-Antagonisten (Macumar oder Cumarin) begonnen werden > Grund: Gefahr des Auftretens einer heparininduzierten Thrombozyopenie Typ II 5-8 Tage nach Therapie-beginn
- Ziel-INR-Wert: 2.0-3.0 => die überlappende Heparin-Therapie sollte
für mindestens 5 Tage oder zusätzlich so lange beibehalten werden, bis
der INR-Wert von > 2.0 an 2 aufeinanderfolgenden Tagen stabil bleibt
-
Alternative: Neue orale Antikoagulantien (NOAKs)
 Rivaroxaban
 Dabigatran
 Apixaban
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