Subjekt - Prädikat - weitere Satzglieder

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Lernergrammatiken und Grammatikprogression.
erschienen als Tschirner, Erwin. (1999). Lernergrammatiken und Grammatikprogression. In:
Skibitzki, Bernd / Wotjak, Barbara (Hrsg.) Linguistik und Deutsch als Fremdsprache.
Festschrift für Gerhard Helbig (227-240). Tübingen: Niemeyer.
Der Begriff Lernergrammatik hat mindestens zwei unterschiedliche Bedeutungen. Zum einen
verweist er auf die mentale linguistische Kompetenz von Fremdsprachensprechern, mit der in
spontanen mündlichen Situationen mehr oder weniger zielsprachliche Äußerungen produziert
werden, zum anderen verweist er auf pädagogische Grammatikbeschreibungen, mit deren
Hilfe diese Kompetenz erworben bzw. erlernt werden soll. Die erste Bedeutung leitet sich aus
der Forschung zum gesteuerten und ungesteuerten Zweitspracherwerb ab (Vogel 1990), die
zweite aus den Bemühungen, lernerfreundliche fremdsprachliche Grammatiken zu schreiben
(Helbig 1999). Es ist anzunehmen, dass eine Lernergrammatik im letzteren Sinne
(Grammatikbuch) besonders nützlich ist, wenn sie mit Ergebnissen der
Zweitspracherwerbsforschung korrespondiert, insbesondere mit Ergebnissen, die sich auf
Erwerbsreihenfolgen beziehen, also darauf, welche grammatischen Strukturen zuerst gelernt
werden, welche später, und welche Strukturen Voraussetzung dafür sind, dass andere
Strukturen gelernt werden können. Eine gegenseitige Befruchtung von empirischer
Spracherwerbsforschung und didaktischer Progressionsforschung steht allerdings noch aus,
zum Teil sicherlich, weil sich die empirische Forschung meist auf den ungesteuerten
Zweitspracherwerb bezieht, aber auch, weil ihre Ergebnisse zu vereinzelt und lückenhaft
sind, um eine umfassende Grundlage für die Arbeit z.B. an Lehrwerkprogressionen zu liefern.
Ein weiterer Grund mag auch der sein, dass Spracherwerbsforscher und
Fremdsprachendidaktiker oft getrennte Wege gehen und die Forschung des jeweiligen
anderen Lagers nicht hinreichend genug wahrnehmen. Dieser Beitrag versucht anhand des
Erwerbs der Verbstellung im Deutschen zu zeigen, dass ein Austausch zwischen der
Spracherwerbsforschung und der Didaktik des Deutschen als Fremdsprache gewinnbringend
sein kann, insbesondere wenn es um Fragen der Grammatikprogression in Curricula und
Lehrwerken geht.
Der Erwerb der Stellung des finiten Verbs ist eine der bestuntersuchten Erwerbssequenzen
des Deutschen, die sich über eine Reihe von Studien bei unterschiedlichen Ausgangssprachen
sowohl im gesteuerten wie im ungesteuerten Zweitspracherwerb als eine sehr robuste
Erwerbssequenz gezeigt hat (Clahsen/Meisel/Pienemann 1983). Die vorliegende Studie setzt
sich zum Ziel, die Untersuchung von Ellis (1989) zum gesteuerten Zweitspracherwerb zu
wiederholen und neben der Variable Zeit auch die Variable Lernleistung zu erfassen, die bei
Ellis nicht mit untersucht wurde. Die Variable Lernleistung wird mit dem Oral Proficiency
Interview (OPI) des American Council of Foreign Languages (ACTFL) operationalisiert
(Buck/Byrnes/Thompson 1989). Ein weiteres Erkenntnisinteresse der vorliegenden Studie ist
dabei die Frage, ob das OPI als Sprachstandsprüfung, wie anzunehmen wäre, besser mit
Erwerbssequenzen korreliert als die reine Unterrichtszeit.
Der Erwerb der Stellung des finiten Verbs im Deutschen
Im Anschluss an die ursprüngliche Studie von Clahsen, Meisel und Pienemann (1983) zum
Erwerb der Stellung des finiten Verbs bei spanischen, italienischen und portugiesischen
Arbeitnehmern in Deutschland stellte sich in zahlreichen weiteren Untersuchungen bei
unterschiedlichen Ausgangssprachen und im gesteuerten und ungesteuerten
Zweitspracherwerb immer wieder die folgende robuste Erwerbssequenz ein (Clahsen 1984;
1990; Clahsen/Muysken 1986; duPlessis/Solin/Travis/White 1987; Ellis 1989; Jordens 1990;
Pienemann 1984, 1987; 1989):
Stufe I: Kanonische Wortstellung
Subjekt - Prädikat - weitere Satzglieder
*Er ist geboren in Rockford.i
Stufe II: Voranstellung adverbialer Ausdrücke
Umstandsangabe - Subjekt - Prädikat - weitere Satzglieder
*In Sommer ich arbeite in *die Restaurant.
Stufe III: Trennung von finiten und infiniten Teilen des Prädikats
Subjekt - finites Verb - weitere Satzglieder - infinite Teile
Ich habe meinen Vater *besuchen.
Stufe IV: Inversion
Umstandsangabe - finites Verb - Subjekt - weitere Satzglieder - infinite Teile
Unter *die Betten haben wir die Schreibtische.
Stufe V: Endstellung des finiten Verbs in Nebensätzen
Konjunktion - Subjekt - weitere Satzglieder - infinite Teile - finites Verb
Ich möchte studieren, weil ich zwei Prüfungen diese Woche habe.
Sprecher der Stufe I haben noch keine Verbstellungsregel des Deutschen erworben und
verwenden eine neutrale (kanonische) Wortstellung, der wohl eine semantische Reihung
zugrunde liegt. Das wichtigste Merkmal dieser Stufe ist das Auftreten des Prädikats als
zusammenstehende Einheit, auch wenn es aus zwei oder mehr Bestandteilen besteht. Dies
führt zu einer zielsprachlich ungrammatischen Äußerung, da das Deutsche in diesem Fall die
Zweiteilung des Prädikats verlangt, mit den infiniten Teilen am Ende des Satzes
(Satzklammer).
Sprecher der Stufe II haben eine Diskursstrategie erworben, nämlich die temporale bzw.
lokale Situierung einer Proposition mit Hilfe eines der eigentlichen Äußerung vorangestellten
Adverbs bzw. eines adverbialen Ausdrucks (Umstandsangabe). Das wichtigste Merkmal
dieser Stufe ist, dass die Voranstellung der Umstandsangabe die kanonische Reihenfolge der
folgenden Elemente nicht verändert. Dies führt wiederum zu einem ungrammatischen Satz,
da im Deutschen in solchen Fällen die Zweitstellungsregel des fniten Verbs die
Subjekt-Verb-Inversion nach sich zieht.
Auf der Stufe III ist die Satzklammer erworben und auf der Stufe IV die Inversion. Auf der
Stufe V schließlich ist auch die Nebensatzstellung erworben. Vor dem Erwerb dieser letzten
Stufe werden Hauptsätze und Nebensätze syntaktisch nicht voneinander unterschieden.
Ellis (1989) und Pienemann (1987; 1989) zeigen, dass sich diese Erwerbsreihenfolge auch
einstellt, selbst wenn die relevanten grammatischen Regeln im Unterricht in einer ganz
anderen Reihenfolge eingeführt und eingeübt werden. Pienemann (1989) weist darauf hin,
dass es zu Lernhemmungen kommen kann, wenn der natürlichen Erwerbsreihenfolge durch
den Unterricht entgegengesteuert wird. In seiner Studie fielen Schüler auf eine frühere Stufe
zurück, als sie mit Grammatikerklärungen und -übungen konfrontiert wurden, die zwei Stufen
über ihrer Erwerbsstufe lagen und damit für sie unlernbar waren.
Zur Zeitspanne der Erwerbsstufen
Pienemann (1987; 1989) untersuchte in einer Longitudinalstudie den Erwerb der
Verbstellungsregeln bei zwei Ab-initio-Lernern an der University of Sydney, die an einem
Grundkurs Deutsch teilnahmen.ii Die Daten wurden in zweiwöchigen Abständen mit Hilfe
von 30- bis 40-minütigen, unstrukturierten Interviewgesprächen gesammelt. Die jeweils letzte
Datensammlung fand bei einem der beiden Studenten nach 114 Stunden statt, beim anderen
nach 162 Stunden. Beide Teilnehmer hatten die Stufe III nach 90 bzw. 102 Kontaktstunden
erworben, wobei Erwerb definiert wurde als das Erreichen einer Korrektheitsrate von 75%
beim Gebrauch der jeweiligen Regel in obligatorischen Kontexten.iii Keiner der Teilnehmer
erwarb im Laufe der Untersuchung eine weitere Stufe. Ein Teilnehmer verwendete die
Inversion (Stufe IV) zu 36% korrekt nach 114 Stunden (Zeitpunkt der letzten
Datensammlung für diesen Informanten). Der andere verwendete sie selbst nach 162 Stunden
kein einziges Mal korrekt, obwohl er genügend obligatorische Kontexte für die Verwendung
dieser Regel produzierte.
Ellis (1989) untersuchte 39 sehr erfahrene Fremdsprachenlerner, die an einem Grundkurs
Deutsch an zwei Londoner Hochschulen teilnahmen. Alle bis auf einen hatten Kenntnisse in
mindestens zwei zusätzlichen Fremdsprachen, 14 davon hatten Deutschkenntnisse bereits vor
dem Kurs. Die Lerner wurden in fünf Gruppen eingeteilt. Bei allen fünf Gruppen wurden zu
zwei Zeitpunkten Daten erhoben, einmal nach 11 Wochen, das zweite Mal nach 22 Wochen.
Zwei Gruppen hatten 12 Kontaktstunden pro Woche, zwei weitere 9. Zum Zeitpunkt Eins
hatten diese Gruppen also zwischen 99 und 131 Stunden Unterricht, zum Zeitpunkt Zwei
zwischen 198 und 262. Die fünfte Gruppe hatte zum Zeitpunkt Eins 106 Kontaktstunden (40
Stunden Intensivkurs plus 6 Stunden pro Woche) und zum Zeitpunkt Zwei 172 (weitere 6
Stunden pro Woche). Die Daten wurden durch spontan gesprochene kommunikative
Aufgaben (Bildbeschreibungen und kurze Erzählungen) erhoben.
Die Satzklammer (Stufe III) wurde in obligatorischen Kontexten im Durchschnitt aller
Gruppen zum Zeitpunkt Eins, also nach durchschnittlich 113 Stunden, zu 78% korrekt
verwendet und war damit nach der Definition von Pienemann (1989), die Ellis übernahm,
erworben. Die Inversion (Stufe IV) wurde nach 172 Stunden zu 43% korrekt benutzt, nach
198 Stunden zu 23% korrekt und nach 262 Stunden zu 71% korrekt.iv Damit war sie zwar der
Definition nach nicht erworben, aber bereits sehr nahe dran. Die Nebensatzstellung (Stufe V)
schließlich wurde nach durchschnittlich 113 Stunden zu 34% korrekt verwendet, nach 172
Stunden zu 25%, nach 198 Stunden zu 53% und nach 262 Stunden zu 52%. Damit wurde
diese Stufe im untersuchten Zeitraum nicht erworben.
Setzt man den Erwerb einer Verbstellungsregel, wie Pienemann und Ellis, gleich mit ihrer zu
75% korrekten Verwendung in obligatorischen Kontexten, ergeben sich damit die folgenden
Zeitstufen. Die Satzklammer (Stufe III) wird nach ca. 100 Stunden Unterricht erworben, die
Inversion (Stufe IV) und die Nebensatzstellung (Stufe V) jedoch selbst nach ca. 250 Stunden
noch nicht.
Verbstellung und Kongruenz
Pienemann (1987) und Eubank/Beck (1993) bringen den Erwerb der Verbstellungsregeln mit
dem Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz in Verbindung. Pienemann (1987) spekuliert, dass
die Kongruenz auf der Stufe IV erworben wird, da erst auf dieser Stufe Informationen
satzintern bewegt und damit genutzt werden können.v Eubank und Beck (1993) dagegen
gehen im Rahmen ihres generativen Ansatzes davon aus, dass Inflektion Verbbewegungen
verursacht und nicht umgekehrt. Damit hätte der Erwerb der Inflektion gleichzeitig mit dem
Erwerb der ersten nicht-neutralen Verbstellungsregel zu erfolgen, nämlich der Stufe III. Der
Erwerb der Kongruenz wird deshalb in der vorliegenden Studie mit untersucht und mit dem
Erwerb der einzelnen Verbstellungsstufen korrelliert.
Forschungsfragen
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit den folgenden Forschungsfragen:
1.
2.
3.
4.
Stellt sich die aus dem ungesteuerten Zweitspracherwerb gewonnene
Erwerbsreihenfolge der Verbstellungsregeln auch im gesteuerten Zweitspracherwerb
ein?
Korreliert der Erwerb der Verbstellungsregeln und der Kongruenz besser mit der
Anzahl der Unterrichtstunden oder mit der Sprachstandsprüfung Oral Proficiency
Interview.
Wie lange dauert es im gesteuerten Zweitspracherwerb, bis die Verbstellungsregeln
und die Subjekt-Verb-Kongruenz erworben sind? Welche Korrelationen gibt es dabei
zwischen dem Erwerb der einzelnen Regeln und der Unterrichtsdauer bzw. dem
Sprachstandsniveau?
Welche Beziehungen treten zwischen dem Erwerb der Verbstellungsregeln und dem
Erwerb der Subjekt-Verb-Kongruenz auf?
Methode
Versuchspersonen
Die vorliegende Studie fand an der University of Iowa statt, einer der großen Universitäten
des amerikanischen Mittelwestens, an der alle Studierenden viersemestrige Pflichtkurse in
einer Fremdsprache belegen. Die Fremdsprache Deutsch wird dabei jährlich von mehreren
hundert Studierenden gewählt. Aus der Gruppe der Studierenden der ersten vier Semester
wurden für jede Semesterstufe 10 Teilnehmer ausgewählt, die den folgenden Bedingungen
genügen sollten.
1.
2.
3.
4.
Sie waren monolinguale Sprecher des amerikanischen Englisch.
Sie hatten keinen Kontakt mit Muttersprachlern des Deutschen und hatten noch kein
deutschsprachiges Land besucht.
Sie hatten maximal drei Jahre Deutschunterricht an der High School.
Sie waren jünger als 30 Jahre.
Das Durchschnittsalter der Teilnehmer war 20,27 Jahre (Min. 18, Max. 27). Alle
Erstsemesterstudenten waren Nullanfänger des Deutschen, ebenso neun der
Zweitsemesterstudenten (ein Student hatte vor Beginn seines Studiums ein Jahr Deutsch an
der High School), drei der Drittsemesterstudenten (fünf hatten bis zu zwei Jahre Deutsch an
der High School, zwei hatten drei Jahre), und drei der Viertsemesterstudenten (sechs davon
hatten bis zu zwei Jahre Deutsch an der High School und einer hatte drei Jahre Deutsch).
Zur Zeit der Datenerfassung waren im Durchschnitt 45 Kontaktstunden (zu je 50 Minuten)
des jeweiligen Kurses vergangen. Bei einer durchschnittlichen Anzahl von 60
Kontaktstunden pro Semester bedeutete das, dass die Erstsemesterstudenten ca. 45 Stunden
Deutsch hatten, die Zweisemesterstudenten ca. 105 Stunden, Drittsemesterstudenten ca. 165
Stunden und Viertsemesterstudenten ca. 225 Stunden.
Messinstrument
Die Daten wurden mit Hilfe des ACTFL Oral Proficiency Interviews (OPI) gesammelt, einer
mündlichen Sprachstandsprüfung, die hohe Reliabilität und Validität aufweist (Clark 1986;
Dandonoli/Henning 1990; Halleck 1995; 1996; Magnan 1987; Norris 1996; Thompson
1995). Das OPI ist eine direkte Prüfung fremdsprachlicher Sprechkompetenz, in der ein
Prüfer anhand eines detailliert vorgeschriebenen Prüfverfahrens die mündliche
Handlungsfähigkeit eines Kandidaten erfasst und bewertet. Ein von ACTFL ausgebildeter
und zertifizierter Prüfer stellt einem Prüfungskandidaten eine Reihe unterschiedlicher Fragen
und Aufgaben, deren Ziel es ist, eine repräsentative Auswahl an Beispielen seiner
Sprechfähigkeit einzuholen. Die Prüfung ist adaptiv und lernerzentriert, d.h. sie passt sich an
das Niveau des Kandidaten an und lässt sich in der Themenauswahl von den Vorlieben und
Interessen des Kandidaten leiten. Die Prüfung wird auf Band aufgenommen, um von
mehreren Prüfern unabhängig voneinander bewertet werden zu können. Grundlage der
Beurteilung sind die ACTFL Oral Proficiency Guidelines (ACTFL 1986).
Es werden insgesamt neun Niveaus unterschieden, die zu vier Hauptniveaus
zusammengefasst werden. Das unterste Niveau wird Novice genannt, ein Einstiegsniveau für
Anfänger, mit den drei Unterniveaus Low, Mid und High. Das nächsthöhere Niveau, auf dem
viele alltägliche Gespräche geführt werden können, nennt sich Intermediate, ebenfalls mit
den drei Unterniveaus Low, Mid und High. Das nächste Niveau, das eine professionelle
Verwendung der Fremdsprache erlaubt, nennt sich Advanced. Dieses Niveau hat nur zwei
Unterniveaus, nämlich Advanced und Advanced High.vi Das höchste Niveau schließlich, das
der Zweisprachigkeit, nennt sich Superior. Dieses Niveau ist nicht weiter unterteilt.
Das Prüfungsverfahren verläuft folgenderweise. Nach einer Aufwärmphase stellt der Prüfer
Fragen und Aufgaben, die die Funktionen, Texttypen, Themenbereiche und sozialen Kontexte
ermitteln, die ein Kandidat sprachlich und kulturell adäquat bewältigen kann, sowie
diejenigen, die er nicht mehr bewältigen kann. Auch die sprachliche Präzision und
Korrektheit, mit der die einzelnen Aufgaben gelöst werden, fließt in die Beurteilung mit ein.
Wenn ein Prüfer genügend Beispiele für die Platzierung eines Kandidaten gesammelt hat,
wird die Prüfung mit einer Abkühlphase beendet. Im Allgemeinen werden mindestens fünf
unterschiedliche Themenbereiche angesprochen, die sich aus den Interessen und Neigungen
des Kandidaten ergeben, wobei für jedes Thema die Funktionen, Texttypen und
Adäquatheitsbedingungen etabliert werden, die ein Kandidat erfüllen kann, wie auch die, die
nicht mehr erfüllt werden. Auf allen Niveaus außer dem höchsten (Superior) wird zusätzlich
ein Rollenspiel gemacht, in dem eine einfache oder komplizierte Alltagssituation simuliert
wird, um sprachliche Funktionen abzudecken, die in einem reinen Interview nicht abgedeckt
werden können. Nach Beendigung der Prüfung ist der Prüfer gehalten, das Band mindestens
einmal anzuhören, bevor das Interview bewertet wird. Nach der ersten Bewertung wird das
Band an einen zweiten zertifizierten Prüfer weitergeleitet, der es ohne die erste Bewertung zu
kennen beurteilt. Sollten diese zwei Bewertungen nicht übereinstimmen, wird das Band an
einen dritten Prüfer, meist einen Prüferausbilder gesandt, der mit seinem Urteil die endgültige
Entscheidung trifft. Auch dieses Urteil wird gegeben, ohne dass der Prüfer die früheren
Urteile kennt.
Datenerfassung
Gegen Ende des Frühjahrsemesters unterzogen sich jeweils 10 Studierende einer
Semesterstufe einem OPI. Da sich die Interviews über einen Zeitraum von einem Monat
hinzogen, variierte die Anzahl der Semesterstunden der einzelnen Studierenden zwischen 35
und 55 Unterrichtstunden. Die Prüfungen wurden von zwei offiziellen ACTFL-Prüfern
abgenommen und auf Tonband aufgenommen. Sie dauerten je nach Sprachstandsniveau
zwischen 10 und 20 Minuten. Alle Prüfungen wurden zweimal bewertet, einmal von dem
Prüfer, der das OPI abnahm, das zweite Mal von dem anderen Prüfer, der an der Studie
teilnahm. Ein Prüfer übernahm jeweils eine Hälfte der Prüfungen und gab zur anderen Hälfte
das Zweitgutachten ab. Abgewichen wurde von dem von ACTFL vorgeschriebenen
Prüfverfahren nur bei den Fällen, in denen die beiden Prüfer zu unterschiedlichen
Ergebnissen gekommen waren. In solchen Fällen schreibt das ACTFL-Protokoll das
Einschalten eines dritten Prüfers vor. In der vorliegenden Studie jedoch hörten sich beide
Prüfer das umstrittene Interview noch einmal gemeinsam an und kamen dann zu einer
gemeinsamen Bewertung.
Datenanalyse
Die 40 Interviews wurden transkribiert. Für jedes Interview wurde die Anzahl der
obligatorischen Kontexte ermittelt, in denen die untersuchten Verbstellungsregeln
anzuwenden waren, und die Anzahl dieser Kontexte, in denen die Regel korrekt angewendet
wurde. Dies geschah nur für die Stufen III, IV und V, da es für die anderen beiden Stufen, die
ja zu ungrammatischen Sätzen führen, keine obligatorischen Kontexte gibt. Für die
Kongruenz wurde ebenfalls die Anzahl der obligatorischen Kontexte ermittelt und die Anzahl
der dabei korrekt konjugierten Verben.
Pearsons Korrelationskoeffizienten wurden für die folgenden Variablen berechnet:
Semesterstufen und Wortstellungsstufen, OPI-Niveaus und Wortstellungsstufen,
OPI-Niveaus und Anzahl obligatorischer Kontexte für die einzelnen Verbstellungsregeln, und
schließlich Verbstellungsregeln und Kongruenz.
Ergebnisse und Diskussion
Verbstellungsregeln nach 225 Stunden Deutschunterricht
Nach 225 Stunden Deutschunterricht waren die am weitesten fortgeschrittenen Studenten auf
dem Niveau Intermediate Mid (IM). Nach Pienemann (1987) und Ellis (1989) kann nach
dieser Stundenzahl die Satzklammer als erworben betrachtet werden, nicht jedoch die
Inversion in Aussagesätzen oder die Verbendstellung in Nebensätzen. Die Ergebnisse der
vorliegenden Studie unterstützen dies ebenfalls. Wie Tabelle 1 zeigt wurde auf dem Niveau
IM die Satzklammer zu 92% korrekt verwendet, die Inversion in Aussagesätzen zu 34% und
die Nebensatzstellung zu 24%. Bezeichnend ist ebenfalls die Anzahl der obligatorischen
Kontexte für die Verbstellungsregeln. Für die Regel der Stufe III wurden pro Teilnehmer im
Durchschnitt 16,75 obligatorische Kontexte produziert, für die Regel der Stufe IV 9,15 und
für die Regel der Stufe V nur 4,15. Die geringe Menge an obligatorischen Kontexten für die
Stufe V scheint darauf hinzudeuten, dass mit dem Erwerb der Nebensatzstellung auf dem
Niveau IM erst angefangen wird.
Satzklammer
Inversion
Nebensatzstellung
Korrektheit
92%
34%
24%
Anzahl oblig. Kontexte
16,75
9,15
4,15
Tabelle 1: Durchschnittliche Anzahl der obligatorischen Kontexte und durchschnittlicher Prozentsatz korrekt angewendeter Regel pro
Versuchsperson für drei Verbstellungsregeln: Satzklammer (Stufe III), Inversion (Stufe IV) und Nebensatzstellung (Stufe V) auf dem
Niveau Intermediate Mid.
Pearsons Korrelationskoeffizient wurde für OPI-Niveau bzw. Stundenzahl und den einzelnen
Wortstellungsstufen berechnet. Dabei stellten sich signifikante Korrelationen nur zwischen
OPI-Niveau bzw. Stundenzahl und der Stufe III heraus. Wie Tabelle 2 zeigt beträgt der
Koeffizient für OPI und Stufe III 0,69 und für Stundenzahl und Stufe III 0,57, beides moderat
hohe Korrelationen.vii Auf den beiden anderen Stufen lassen sich keine signifikanten
Korrelationen zwischen Stufen und Stundenzahl bzw. OPI-Niveau feststellen. Allerdings
korreliert OPI-Niveau signifikant mit der Anzahl obligatorischer Kontexte für alle drei
Verbstellungsregeln, was anzudeuten scheint, dass zumindest die Voraussetzung für den
Erwerb der in diesen Kontexten verlangten Verbstellungsregeln vorhanden ist. Die
Korrelation zwischen OPI-Niveau und der Anzahl obligatorischer Kontexte ist für alle
Wortstellungsstufen moderat hoch: r = 0,67 für Stufe III, r = 0,60 für Stufe IV und r = 0,51
für Stufe V.
Unterrichtszeit und Oral Proficiency Interview
Die Stundenzahl korreliert signifikant (p < 0,001) und moderat hoch mit OPI-Niveau: r =
0,68. Im Detail ergibt sich folgendes Bild. Nach 45 Kontaktstunden sind die Lerner im
Durchschnitt Novice High (NH), nach 105 Stunden Intermediate Low (IL), nach 165 und
nach 225 Stunden Intermediate Mid (IM), wobei das letzte Niveau gleichzeitig das höchste
erreichte Niveau dieser Lernergruppe darstellte.viii
Wie erwartet korreliert OPI-Niveau besser mit dem Erwerb der Verbstellungsregeln als reine
Unterrichtszeit. Ein Vergleich der Koeffizienten zwischen Wortstellung, Kongruenz,
Stundenanzahl und OPI-Niveau ergibt folgendes Bild (siehe Tabelle 2). Stufe III korreliert
signifikant sowohl mit Stundenanzahl als auch mit OPI-Niveau, allerdings deutlich besser mit
OPI-Niveau: r = 0,69 als mit Stundenanzahl: r = 0,57. Kongruenz korreliert signifikant nur
mit OPI-Niveau: r = 0,61 (p < 0,001), nicht mit Stundenzahl.ix Wie bereits bemerkt
korrelieren weder die Stufen IV noch V mit Stundenzahl oder OPI-Niveau, was darauf
hindeutet, dass keine dieser Stufen in den untersuchten Zeit- und Leistungsräumen erworben
ist.
Stufe III
Stufe IV
Stufe V
Kongruenz
OPI/Prozent korrekt
r = 0,69
nicht sign.
nicht sign.
r = 0,61
Stunden/Prozent korrekt
r = 0,57
nicht sign.
nicht sign.
nicht sign.
OPI/oblig. Kontexte
r = 0,67
r = 0,60
r = 0,51
Tabelle 2: Pearsons Korrelationskoeffizient für OPI-Niveau bzw. Stundenzahl und Prozent korrekter Verwendung dreier
Verbstellungsregeln und der Subjekt-Verb-Kongruenz ebenso wie für OPI-Niveau und Anzahl obligatorischer Kontexte für diese
Verbstellungsregeln bei einem Wahrscheinlichkeitswert von p < 0,001.
Die Entwicklung der Verbstellungsregeln und der Kongruenz
Im untersuchten Zeitraum kann von den Verbstellungsregeln nur der Erwerb der
Satzklammer als gesichert angesehen werden. Wie Tabelle 3 zeigt, wurden auf dem Niveau
NM insgesamt nur 3 obligatorische Kontexte produziert, wobei die Regel der Stufe III kein
einziges Mal angewendet wurde. Auf dem Niveau NH wurden insgesamt 42 obligatorische
Kontexte produziert, wobei die Regel in 40% der Fälle korrekt angewendet wurde. Auf dem
Niveau IL gab es 97 obligatorische Kontexte und die Regel wurde in 64% aller Fälle
angewandt. Auf dem Niveau IM schließlich traten 335 obligatorische Kontexte auf und die
Regel wurde zu 92% korrekt angewendet.
Die Subjekt-Verb-Kongruenz scheint in der untersuchten Lernergruppe relativ früh erworben
zu werden. Tabelle 3 zeigt, dass selbst auf dem Niveau NM die Kongruenz zu 56% richtig
verwendet wird, bei einer Gesamtanzahl von 31 obligatorischen Kontexten.x Auf dem Niveau
NH wurden 206 obligatorische Kontexte produziert, die Kongruenz wurde zu 64% richtig
verwendet, auf dem Niveau IL gab es 322 obligatorische Kontexte bei einer korrekten
Verwendung der Kongruenz von 75% und auf dem Niveau IM traten 803 obligatorische
Kontexte auf mit einer Trefferquote von 88%.
NM
NH
IL
IM
Stufe III: Kontexte
3
42
97
335
Stufe III: korrekt
0%
40%
64%
92%
Kongruenz: Kontexte
31
206
322
803
Kongruenz: korrekt
56%
64%
75%
88%
Tabelle 3: Gesamtzahl obligatorischer Kontexte und Prozentsatz korrekt verwendeter Regel für Stufe III (Satzklammer) und
Subjekt-Verb-Kongruenz auf den OPI-Niveaus Novice Mid (NM), Novice High (NH), Intermediate Low (IL) und Intermediate Mid (IM).
Diese erstaunlich hohe Korrektheit auf fast allen Niveaus könnte darauf hindeuten, dass die
Kongruenz in hohem Maße auf lexikalische Weise gelernt wird, d.h. dass
Subjekt-Verb-Verbindungen als Holophrasen gespeichert und wieder abgerufen werden (Ellis
1996). Ein Fremdsprachenunterricht, der neben mündlicher Handlungskompetenz auch den
Erwerb korrekter Strukturen fördert, kann damit durchaus den Erwerb der Kongruenz
schneller vorantreiben als dies im natürlichen Zweitspracherwerb möglich sein mag
(Tschirner 1998). Wie die Daten zu Wortstellungsstufen allerdings zeigen, scheinen nicht alle
Bereiche der Grammatik durch Üben lernbar zu sein.
Kongruenz und Verbstellungsregeln
Die letzte Frage befasste sich damit, auf welcher Stufe die Kongruenz erworben wird. Dabei
ergab sich für keine der Verbstellungsstufen eine signifikante Korrelation mit der
Kongruenz.xi Der Erwerb der Kongruenz scheint damit unabhängig sowohl vom Erwerb der
Stufe III als auch der Stufe IV zu erfolgen und, wie Tabelle 3 zeigt, deutlich früher zu
beginnen.
Zusammenfassung und Ausblick
Die vorliegende Studie zeigt, ähnlich wie frühere Studien, dass auch beim gesteuerten
Fremdsprachenlernen Erwerbssequenzen auftreten, die unabhängig von
Unterrichtsprogressionen ablaufen und die durch die Unterrichtsprogression nicht beeinflusst
werden können. Gegenstand der Untersuchung waren drei Verbstellungsregeln, die
zusammen eine robuste Erwerbssequenz bilden, nämlich der Erwerb der Satzklammer, der
Inversion und der Nebensatzstellung. Während die Satzklammer bereits auf dem Niveau
Intermediate Low (ACTFL Oral Proficiency Guidelines) bzw. nach durchschnittlich 100
Unterrichtstunden erworben zu sein scheint, waren selbst auf dem Niveau Intermediate Mid
bzw. nach gut 200 Stunden weder die Inversion noch die Nebensatzstellung erworben.
Nicht unterstützt wird die in früheren Studien aufgestellten Hypothese, dass die
Subjekt-Verb-Kongruenz mit der Stufe III oder IV korreliert. Im Gegenteil, es scheint
durchaus möglich, dass die Kongruenz sich unabhängig von der Reifung der Syntax
entwickelt und damit auch unabhängig von Erwerbssequenzen ist. Selbst auf den untersten
Niveaus wurden bereits hohe Korrektheitsraten für die Kongruenz festgestellt und damit die
Hypothese formuliert, dass die Kongruenz eher lexikalisch gelernt wird. Damit wäre sie ein
Beispiel für grammatische Strukturen, die keinen Erwerbssequenzen unterliegen und die
durch Unterricht beeinflussbar sind.
Damit scheint es zwei Arten von grammatischen Strukturen zu geben: eine Art, die nicht
bewusst gelernt werden kann, die sich wie die Satzklammer, die Inversion oder
Nebensatzstellung durch kommunikative Erfahrungen über einen längeren Zeitraum hinweg
entwickeln muss und eine zweite Art, die wie die Kongruenz bewusst gelernt und geübt
werden und bei der eine direkte Fehlerkorrektur einen durchaus positiven Einfluss haben
kann. Welche der grammatischen Strukturen, die traditionsgemäß bereits in Anfängerkursen
für mündliche Zwecke eingeführt und eingeübt werden, dabei in welche Gruppe fallen, ist
eine Frage, die von höchstem Interesse für grammatische Progressionsentwürfe ist. Diese
Frage lässt sich allerdings nur empirisch beantworten und erfordert daher eine
Zusammenarbeit zwischen Spracherwerbsforschern und Fremdsprachendidaktikern. Dass
eine solche Zusammenarbeit fruchtbringend sein kann, hat dieser Beitrag zu zeigen versucht.
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Tschirner, Erwin: From lexicon to grammar, in: The coming of age of the profession. Issues
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Tschirner, Erwin, L. Kathy Heilenman: Reasonable expectations. Oral proficiency goals for
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Vogel, Klaus: Lernersprache. Linguistische und psycholinguistische Grundlagen zu ihrer
Erforschung. Tübingen 1990.
Die Beispielsätze entstammen den Interviews der vorliegenden Studie.
i
Die Studie wurde mit drei Informanten begonnen. Ein Informant, eine Studentin, brach den
Kurs nach 54 Kontaktstunden ab. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch keine der
obligatorischen Verbstellungsregeln des Deutschen erworben (Pienemann 1989).
ii
Obligatorische Kontexte der Stufe III treten in Hauptsätzen auf, in denen neben den infiniten
Teilen des Prädikats mindestens ein weiteres postverbales Element vorkommt. Obligatorische
Kontexte der Stufe IV treten in Hauptsätzen auf, in denen der Satz mit einem anderen
Satzglied als dem Subjekt beginnt. Obligatorische Kontexte für die Stufe V werden durch
subordinierende Konjunktionen geschaffen.
iii
Die Daten zur Inversion sind mit Vorsicht zu betrachten. Ellis unterscheidet nicht zwischen
Inversion in Wortfragen und in Aussagesätzen. Sowohl Pienemanns Daten (1987; 1989) als
iv
auch die Daten der vorliegenden Studie deuten darauf hin, dass bei Lernern mit Englisch als
Ausgangssprache die Inversion in Wortfragen von Anfang an korrekt verwendet wird. Die
Verwendung der Inversion in Wortfragen und Aussagesätzen scheint daher, zumindest bei
Sprechern des Englischen, auf unterschiedlichen lernersprachlichen Regeln zu beruhen. Die
Stufe IV sollte deshalb für die Inversion in Aussagesätzen reserviert werden.
Nach Pienemann (1989) beruht die Entwicklung der Verbstellung auf einer jeweils höheren
mentalen Satzverarbeitungskapazität. Die Stufen I und II verlangen keine syntaktischen
Veränderungen auf ihrem Weg von Intention zu Artikulation. Stufe III verlangt die
Bewegung satzinterner Elemente, der infiniten Teile des Prädikats, an die auffällige Position
am Satzrand, in diesem Fall das Satzende. Stufe IV dagegen verlangt die Bewegung eines
satzinternen Elements, das finite Verb, an die ebenfalls satzinterne zweite Position im Satz.
Pienemann spekuliert, dass eine Bewegung von einer satzinternen Position in eine andere
satzinterne Position komplexer ist und eine höhere mentale Verarbeitungskapazität erfordert
als die Bewegung an den Satzanfang bzw. das Satzende. Unerklärt dabei bleibt allerdings die
Bewegung des finiten Verbs ans Satzende in untergeordneten Nebensätzen, die ebenfalls eine
geringere mentale Verarbeitungskapazität erfordern sollte, dies aber anscheinend nicht tut.
v
In der neuen, überarbeiteten Fassung der Oral Proficiency Guidelines wird auch auf dem
Advanced-Niveau zwischen Low, Mid und High unterschieden, womit insgesamt zwischen 10
Niveaustufen unterschieden wird (ACTFL 1999).
vi
Eine Korrelation unter 0,40 ist eher schwach, zwischen 0,40 und 0,80 ist sie moderat, und
ab 0,80 ist sie stark. Der Wert in Klammern (p < 0,001) gibt an, mit welcher Zuversicht diese
Korrelation betrachtet werden kann. Der Wert p < 0,001 bedeutet, dass die
Wahrscheinlichkeit, dass diese Korrelation zufällig so auftauchen könnte, weniger als 0,1%
beträgt, oder anders ausgedrückt, dass es zu 99,9% wahrscheinlich ist, dass es diese
Korrelation zwischen OPI und Stufe III gibt.
vii
Tschirner und Heilenman (1998) fanden deutlich niedrigere OPI-Niveaus nach 225
Kontaktstunden vor, nämlich 25% NH, 45% IL und lediglich 30% IM.
viii
Auch bei einem Wahrscheinlichkeitswert p < 0,01 ergibt sich keine signifikante Korrelation.
Erst bei dem nicht sehr hohen Wert p < 0,05 ergibt sich eine signifikante, wenn auch nur sehr
schwache Korrelation: r = 0,35.
ix
Als obligatorischer Kontext wurde die Verwendung eines Verbs mit einem Subjekt gewertet.
Nicht gezählt wurden die Hilfs- und Modalverben, da hier davon ausgegangen wurde, dass
diese hoch frequenten und unregelmäßigen Verben als lexikalische Einheiten gelernt werden
und im spontanen Gespräch als Einheit abgerufen und nicht eigens konjugiert werden.
x
Mit den Wahrscheinlichkeitswerten p < 0,001 und p < 0,01 ergeben sich keine signifikanten
Korrelationen. Bei einem Wert von p < 0,05 ergibt sich eine schwache und fast identische
Korrelation der Kongruenz sowohl mit der Stufe III: r = 0,40 wie auch mit der Stufe IV: r =
0,39.
xi
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