Klinisch-diagnostische Leitlinien und Forschungskriterien

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Scheue Kinder – mutige Kinder
Veränderung scheuer Kinder durch Theraplay
Ulrike Franke und Herbert H. G. Wettig
Cornelius C. (Name geändert) war 4 Jahre alt, als er im Phoniatrisch Pädaudiologischen
Zentrum vorgestellt wurde. Er ist der jüngere von zwei Brüdern. Die Familie ist aus Russland
zugewandert. Zu Hause wird russisch gesprochen, im Kindergarten und zwischen den
Brüdern dagegen Deutsch.
Die Mutter äußert sich gegenüber dem Arzt besorgt, weil Cornelius so gut wie nicht spreche,
sich nicht zu sprechen traue, wie sie meint. „Er versucht gar nicht, etwas nachzusprechen“,
sagt sie. Im Beisein von anderen sei er besonders scheu. Im Kindergarten werde er wegen
seines Verhaltens gehänselt, werde „Baby“ genannt. Das kränke ihn, vermutet die Mutter und
mache ihn noch scheuer. Er habe kein gutes Selbstwertgefühl. Zu Hause bohre sie, wenn er
nicht spreche, solange bis sie verstehe, was er sagen wolle. Dabei sei er klug, meint sie. Die
Erzieherin habe gesagt, dass er manchmal mehr wisse als andere Gleichaltrige, aber er könne
es nicht mit Sprache ausdrücken. Bei nonverbalen Aufgaben würde er jedoch verstehen und
auch mit den anderen Kindern kooperieren.
Seine offensichtliche Scheu hatte die Mutter bis dahin kaum beunruhigt. Er ist zurückhaltend,
ruhig, er stört nicht. Es gab für sie keinen Anlass, sich zu beunruhigen. Folglich sahen sie und
ihr Mann auch keinen Zusammenhang zwischen seiner Scheu und seiner verzögerten
Sprachentwicklung. Man kann den Eltern daraus keinen Vorwurf machen.
Diagostik
In der Diagnostik der dyadischen Interaktion zwischen Cornelius und seiner Mutter (H-MIM /
Heidelberger Marschak Interaktions-Methode, Ritterfeld & Franke 1994) ist die Mutter dem
Jungen sehr zugewendet. Sie spricht leise mit ihm, in Russisch. Cornelius ist ebenso seiner
Mutter zugewendet, lacht gern, mag offensichtlich gern mit ihr spielen, findet Spaß an den
Aufgaben. Aber, er spricht fast nichts. Bei der Stress-Aufgabe muss die Mutter für drei
Minuten den Raum verlassen. Sie erklärt ihm, dass sie ihn jetzt einige Zeit allein lassen
müsse, streichelt ihn liebevoll, beruhigt ihn. Er akzeptiert, dass sie hinaus geht. In ihrer
Abwesenheit sieht er sich unbefangen dieses und jenes im Raum an, schaut in den Spiegel,
zeigt keine Furcht. Als seine Mutter nach einiger Zeit an die Tür klopft, macht er ihr auf,
beide lächeln sich an, setzen sich und spielen weiter. Cornelius hat mit dem Muster eines
sicher gebundenen Kindes reagiert, das gelernt hat, dass die Mutter wieder kommt.
Die Interaktion zwischen Cornelius und seinem Vater zeigt ebenfalls keine Auffälligkeiten.
Sie spielen miteinander. Auch der Vater spricht eher leise. Bei Aufgaben, die Cornelius nicht
lösen kann, nimmt er auf seine Mama Bezug: sie solle sie lösen. Die beiden sind freundlich
miteinander, aber eher zurückhaltend. Der Vater scheint manchmal nicht zu verstehen, was
sein Sohn gern tun möchte, aber beide akzeptieren das. Cornelius imitiert hin und wieder
seinen Vater, jedoch nicht dessen Sprache.
Die Diagnostik zeigt eine durchaus liebevolle und von gegenseitiger Zuwendung getragene
Interaktion sowohl zwischen Mutter und Kind als auch zwischen Vater und Kind. Cornelius
ist im Spiel mit seinen Eltern nicht so scheu wie mit den Kindern im Kindergarten. Er spricht
hier jedoch wenig, nur in Einwortsätzen. Seine Sprachentwicklung scheint zurück geblieben
zu sein. Die logopädische Untersuchung seiner Sprachentwicklung, seines
Sprachverständnisses und seiner expressiven Ausdrucksfähigkeiten bestätigt das.
Intervention
Der Arzt verordnet vor einer Sprachtherapie zunächst Theraplay. Theraplay ist eine
körpernahe, interaktive, von der Therapeutin geführte Kurzzeit-Spieltherapie. Sie hat bei
scheuen Kindern das Ziel, deren Selbstwert- und Selbstwirksamkeitsgefühl zu stärken.
Dadurch soll die soziale Kompetenz des Kindes und dessen Bereitschaft zur Interaktion mit
Dritten verbessert werden. Die Sprachprobleme sollen erst nach der Vorbereitung durch
Theraplay behandelt werden. (Zu Theraplay als Therapieform siehe Franke, U. 1990-2003;
Jernberg, A. M. 1979, 1983; Jernberg, A. M. & Booth, P. B. 1999; Ritterfeld, U. 1989)
Cornelius spricht auf Theraplay gut an. Er reagiert auf die Therapeutin und die KoTherapeutin freundlich. Er zeigt wider Erwarten Bereitschaft zur Kooperation. Nach wenigen
Sitzungen freut er sich sichtbar, wenn er wieder kommen darf. Er trennt sich leicht und
vertrauensvoll von seiner Mutter, wenn er von den beiden Therapeutinnen spielerisch in den
Therapieraum geleitet wird, und begrüßt sie freudestrahlend, wenn er zu ihr zurückkehrt. Das
Trennungs- und Wiedervereinigungsverhalten von Mutter und Kind ist problemlos.
Die Mutter sieht bei allen therapeutischen Sitzungen zu. Nach der siebten Therapiesitzung
findet ein Gespräch mit den Eltern statt. Die Mutter äußert sie sich begeistert über die
Fortschritte, die Cornelius zu Hause gemacht hat. Er spreche jetzt mehr. Er rede auch beim
Spielen, wenn auch meistens noch unverständlich. Sein Bruder sei ganz „bezaubert“ von ihm.
Auch die Erzieherin habe berichtet, dass er im Kindergarten jetzt mehr spreche: Er rede sie
nun an, beklage sich, wenn er sich ungerecht behandelt fühle. Sein Kommunikationsverhalten
hat sich offensichtlich verbessert.
Die Mutter möchte, dass die Behandlung mit Theraplay noch weitergeführt wird. Sie erhofft
sich eine weitere Verbesserung. Wieder werden Theraplay Sitzungen vereinbart.
Bereits nach der 13. Sitzung kann dieser Teil der Behandlung als erfolgreich beendet werden.
Beide Elternteile sind mit den bisher erreichten Veränderungen in Cornelius’ Verhalten sehr
zufrieden. Auch aus Sicht der Therapeutinnen hat er sich sehr positiv verändert. Die
Ergebnisse des Abschlussbefunds bestätigen das. Cornelius ist nun eine kleine Persönlichkeit,
traut sich etwas zu, ist mutiger geworden, hat seine Scheu verloren. Er ist nun gut vorbereitet
für die logopädische Behandlung seiner Sprachprobleme.
Katamnese
Zwei Jahre später erfolgt im Rahmen der Katamnese eine Nachuntersuchung. Cornelius geht
nun in die Schule. Er ist mit 11 Kindern in der 1. Klasse einer Sprachheilschule. Die Lehrer
sind optimistisch, dass Cornelius die Schule gut schaffen werde. Er sei der beste in der
Klasse. Die Eltern sagen, er sei ein guter Schüler, er rechne im Kopf, schreibe und lese gut. Er
bekomme seit einiger Zeit keine Sprachtherapie mehr.
Auf die Frage nach Veränderungen, die sie an Cornelius beobachtet habe, ist das erste, was
der Mutter einfällt, dessen Offenheit, seine Fähigkeit, Freunde zu finden. Der Vater
bezeichnet ihn als „warm“ im Umgang mit anderen. Er rede mit den Nachbarskindern. Er
werde oft von anderen Kindern eingeladen. Er sei auch mutiger geworden. Gleichaltrige, auch
unbekannte, frage er: „Darf ich mitmachen?“ Er bleibe inzwischen ohne die Eltern abends zu
Hause. Mit dem größeren Bruder komme er sehr gut aus. Der sage ihm, was „man“ macht und
was man nicht tut. Sport treibe er auch: Fußball, Handball, Turnen, Judo. Das sind Sportarten,
in denen er nicht scheu sein darf.
In der Sprache mache ihm jedoch die Zweisprachigkeit Russisch – Deutsch noch
Schwierigkeiten. Er baue deutsche Sätze genau so wie in der russischen Sprache - und daher
falsch. Er verwechsele noch Laute (w mit n) und spreche verwaschen und schnell. Er spreche
jedoch immer weniger russisch. Verstehen sei kein Problem mehr.
Die Therapeutin macht sich ein eigenes Bild. In der Diagnostik erlebt sie: seine sozialen
Fähigkeiten haben sich beeindruckend entwickelt. Er hat kein Störungsbewusstsein mehr. Er
ist stolz, dass er in den Tests (WET/Wiener Entwicklungstest, Sprachverständnistest etc.)
Alles gewusst habe. Er ist kreativ, kann mit den vorhandenen Dingen etwas anfangen. Seine
zu Beginn der Therapie stark ausgeprägten psychopathologischen Symptome werden nun als
klinisch nahezu unauffällig eingeschätzt (Döpfner et al, 1999, CASCAP-D, deutsche Version
der Clinical Assessment Scale of Child and Adolescent Psychopathology).
Cornelius’ Sprache ist aber nach Einschätzung der Therapeutin noch behandlungsbedürftig.
Neben der verzögerten Sprachentwicklung hat Cornelius eine Dyslalie und deutliche
Dyssyntaxie. Auch wenn er der beste Schüler ist, kann seine schlechte Sprache seine
schulische und berufliche Entwicklung erschweren. Wirklich beeindruckend sind seine
sozialen Fähigkeiten.
Systematische Forschung mit sprachentwicklungsgestörten, scheuen Kindern
Cornelius ist nur eines unter vielen Kindern, die unter Scheu und deren Folgewirkungen
leiden. In Deutschland wurden in den letzten Jahren zwei Studien mit sprach- oder sprechbzw. sprachentwicklungsgestörten und zugleich scheuen, sozial zurückgezogenen Kindern
durchgeführt:
 eine Multi-Zentren-Studie zur Qualitätssicherung von Theraplay,
 eine kontrollierte Langzeitstudie zur Evaluation der Wirkung von Theraplay.
Multi-Zentren-Studie
Von 2000-2002 wurde in acht logopädischen Einrichtungen im Rahmen der
Qualitätssicherung die Anfangs- und Abschlussdiagnostik von 205 Kindern erfasst, die in
diesem Zeitraum wegen unterschiedlicher Störungsbilder mit Theraplay behandelt wurden.
(Wettig et al, 2003, in Vorbereitung) 62 dieser 205 Kinder zeigten pathologische Symptome
von Scheu, sozialer Zurückgezogenheit und Vermeidung. Das sind rund 30% der 205 mit
Theraplay behandelten Kinder. Diese Kinder waren durchschnittlich 4 Jahre und sieben
Monate alt, 70% davon Jungen. Die Behandlung mit Theraplay dauerte durchschnittlich 20
Sitzungen. Danach konnten die Sprach- oder Sprechprobleme der Kinder wesentlich
effektiver therapiert werden. (Vergleiche Kasten 1)
Prospektive kontrollierte Langzeitstudie
1998 wurde eine prospektive kontrollierte Langzeitstudie zur Evaluation der Wirkung von
Theraplay begonnen, die noch bis 2008 fortdauern wird. In dieser Studie wird der Verlauf der
Symptomveränderungen der mit Theraplay behandelten Kinder verfolgt. Bei einer nach Zufall
ausgewählten Patiententeilstichprobe werden Daten bereits ab Beginn der Wartezeit ohne
Theraplay erhoben, bei allen Kindern der Therapiegruppen zu Beginn der Behandlung,
während des Therapieverlaufs, nach Abschluss der Therapie und bis fünf Jahre nach Ende der
Behandlung mit Theraplay, bei den Kontrollgruppen ohne Theraplay nur zu Beginn und am
Ende des Kontrollzeitraums. Die mit Theraplay behandelten Kindern wurden im Phoniatrisch
Pädaudiologischen Zentrum in Heidelberg dem Arzt wegen Sprachentwicklungsstörungen
vorgestellt. Da diese Kinder zugleich die Sprachtherapie behindernde Verhaltensstörungen
zeigten, wurde zunächst Theraplay als Vorbehandlung verordnet.
Diese Langzeituntersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Hier werden nur bisher vorliegende
Daten der Therapiegruppen und der Kontrollgruppe der Kindergartenkinder berichtet. Für den
Zeitraum der Katamnese liegen noch nicht genügend Daten vor. Bis zum gegenwärtigen
Zeitpunkt wurde bei 59 Kindern die Behandlung mit Theraplay abgeschlossen. 21 der 59
Kinder, also rund ein Drittel wurde im Anfangsbefund als scheu, sozial zurückgezogen und
wegen fehlender Interaktionsbereitschaft als schwierig zu behandeln diagnostiziert. Etwa zwei
Drittel waren Jungen. Die Kontrollgruppe der störungs-unauffälligen Kindergartenkinder war
nach Geschlecht und Alter vergleichbar strukturiert. (Vergleiche Kasten 2)
Ergebnisse
Die Ergebnisse beider Studien zeigen klinisch bedeutsame Veränderungen der sozialen
Kompetenz und des Interaktionsverhaltens der mit Theraplay behandelten, ursprünglich
scheuen, sozial zurückgezogenen Kinder. Die Ergebnisse beider Studien sind sich auch in
vielen Aspekten ähnlich, bestätigen sich gewissermaßen gegenseitig. Die der Multi-ZentrenStudie sind aufgrund der größeren Anzahl der mit Theraplay behandelten scheuen Kinder
(N=62) sowohl klinisch bedeutsam, als auch statistisch signifikant. Die Ergebnisse der
prospektiven kontrollierten Langzeitstudie 1998-2008 sind wegen der noch nicht
abgeschlossenen, in der Anzahl kleineren Stichprobe (N=21) zwar klinisch bedeutsam, aber
nur selten schon statistisch signifikant.
Kommunikationsprobleme bei Therapiebeginn
Tatsächlich sind die Kommunikationsprobleme der wegen Sprachentwicklungsstörungen
vorgestellten scheuen Kinder (vgl. Langzeitstudie 1998-2008) noch ausgeprägter als die der
wegen Sprach- und Sprechproblemen in logopädischen Praxen behandelten. Aber erst der
Vergleich mit den störungs-unauffälligen Kindergartenkindern, die weder rezeptive Sprachnoch Artikulationsstörungen zeigen, macht deutlich, wie bedeutsam und ausgeprägt die
Sprachstörungen der Kinder der Therapiegruppen in beiden Studien sind. (Abbildung 1)
Ausprägungsgrad der Symptome
der Kommunikationsstörungen bei Therapiebeginn
Expressive
Sprachstörungen
(SD=0.9)
1,1
2,7
3,1
Rezeptive
Sprachstörungen
(SD=0.9)
2,7
2,8
Artikulationsstörungen
(SD=0.7)
Elektiver Mutismus
(SD=0.9)
2,4
2,7
1,6
1,6
Kontrollgruppe N=30 störungs-unauffällige
Kindergartenkinder
1
2
3
4
Mittelwert
der Symptomausprägung
Therapiebeginn: 1=unauffällig - stark ausgeprägt=4
Therapiegruppe
Multi-Zentren-Studie
N=62 scheue bei
Kinder
Therapiegruppe Langzeitstudie N=21 scheue, sprachentwicklungsgestörte Kinder
Abbildung 1. Ausprägungsgrad der Symptome der Kommunikationsstörungen bei Therapiebeginn
Drei Gruppen im Vergleich
Kontrollgruppe: N=30 störungs-unauffällige Kindergartenkinder ohne Sprach- oder Sprechprobleme.
Therapiegruppe der Multi-Zentren-Studie: N=62 scheue Kinder mit Sprach- und Sprechproblemen.
Therapiegruppe der Langzeitstudie 1998-2008: N=21 scheue Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen.
Diagnostik der Symptome nach CASCAP-D (Döpfner et al, 1999)
Es stellt sich die Frage, ob möglicherweise zwischen der beeinträchtigten Sprachentwicklung
und der Scheu dieser Kinder ein Zusammenhang oder eine Wechselbeziehung besteht. Leider
lässt sich diese Frage mit den Daten dieser beiden Studien noch nicht beantworten.
Verhaltensstörungen bei Therapiebeginn
Neben ihren Kommunikationsstörungen zeigten diese Kinder deutlich bis stark ausgeprägte
Verhaltensauffälligkeiten: soziale Scheu, geringes Selbstvertrauen, fehlende Aufmerksamkeit
und mangelnde Bereitschaft zur sozialen Kooperation, z. T. Neigung, sich sozial zurück zu
ziehen verbunden mit Misstrauen gegenüber anderen Menschen. (Abbildung 2)
Ausprägungsgrad der Symptome
der Verhaltensauffälligkeiten bei Therapiebeginn
Scheu, soziale Unsicherheit
(SD=0.7)
1,1
fehlendes Selbstvertrauen
(SD=0.4)
Unwillen zur Kooperation
(SD=1.1)
1,1
2,5
2,1
1,2
soziale Zurückgezogenheit
(SD=0.8)
still oppositionell
verweigernd (SD=0.7)
2,6
2,6
Aufmerksamkeitsdefizite
(SD=0.9)
misstrauisch (SD=0.7)
3,4
2,5
1,7
1,3
1,2
2,42,4
2,2
2,2
2,1
Kontrollgruppe N=30 störungs-unauffällige Kindergartenkinder
1
2 Kinder mit Sprach- und
3 Sprechproblemen
Therapiegruppe Multi-Zentren-Studie
N=62 scheue
Mittelwert derLangzeitstudie
Symptomausprägung
bei Therapiebeginn:
1=unauffälligKinder
- stark ausgeprägt=4
Therapiegruppe
N=21 scheue,
sprachentwicklungsgestörte
4
Abbildung 2: Ausprägungsgrad der Symptome der Verhaltensauffälligkeiten bei Therapiebeginn.
Drei Gruppen im Vergleich
Kontrollgruppe: N=30 störungs-unauffällige Kindergartenkinder ohne Sprach- oder Sprechprobleme.
Therapiegruppe der Multi-Zentren-Studie: N=62 scheue Kinder mit Sprach- und Sprechproblemen.
Therapiegruppe der Langzeitstudie 1998-2008: N=21 scheue Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen.
Diagnostik der Symptome nach CASCAP-D (Döpfner et al, 1999)
Scheu, soziale Zurückgezogenheit und geringes Selbstvertrauen können als pathologisches
Syndrom angesehen werden. Mangelnde Kooperationsbereitschaft, oppositionell
verweigerndes Verhalten und fehlende Aufmerksamkeit ist es jedoch, die eine therapeutische
Interaktion erschweren, nicht selten die Behandlung der Sprach- und Sprechprobleme
erheblich verlängern. Wieder stellen sich einige Fragen: Können möglicherweise das scheue,
zurückgezogene Verhalten und das fehlende Selbstvertrauen zu Aufmerksamkeitsdefizit und
mangelnder Kooperationsbereitschaft geführt haben? Können die Verhaltensauffälligkeiten
dazu beigetragen haben, die Sprachentwicklung zu verzögern – oder umgekehrt? Diese
Fragen lassen sich aus den vorliegenden Studien leider auch nicht beantworten, deren Ziel es
war, zunächst einmal zu prüfen, ob und wie Theraplay solches Verhalten zu ändern vermag.
Die Veränderung der Aufmerksamkeit und Interaktion scheuer Kinder
Theraplay ist eine Therapieform zur Verringerung sozial störender Verhaltensauffälligkeiten
und zur Verbesserung des sozialen Interaktionsverhaltens der Kinder. In den hier berichteten
Studien war zu prüfen, ob Theraplay das scheue, sozial zurückgezogene Verhalten und den
Mangel an Selbstvertrauen der Kinder so zu ändern vermag, dass sich deren Bereitschaft zur
Kooperation und deren Aufmerksamkeit verbessert.
Klinische Ergebnisse
Die Ergebnisse beider Studien bestätigen diese Wirkung von Theraplay. Die Ergebnisse der
Multi-Zentren-Studie (MZSt) zeigen, dass die ursprünglich stark ausgeprägte Scheu dieser
Kinder (Mittelwert M=3,4 auf der 4-stufigen Ratingskala, Standardabweichung vom
Mittelwert SD=0.7) und der ursprünglich deutlich ausgeprägte Mangel an Selbstvertrauen
(M=2,6; SD=1,2) sich nahezu bis zur Unauffälligkeit (1=unauffällig) verringert haben.
Zugleich haben sich das Aufmerksamkeitsdefizit und die fehlende Kooperationsbereitschaft
reduziert, oder positiv formuliert: Aufmerksamkeit und Bereitschaft zur Kooperation haben
sich deutlich verbessert. Diese Veränderungen sind statistisch hoch signifikant mit einer
erwartbaren Fehlerwahrscheinlichkeit von nur p=.0001 (Abbildung 3, dunkle Symbole). Die
vorläufigen Ergebnisse der kontrollierten Langzeitstudie (KLSt) zeigen die gleiche Tendenz
einer Verringerung der Symptome, die ursprünglich das Interaktionsverhalten der scheuen
Kinder eingeschränkt haben. Allerdings ist der anfängliche Ausprägungsgrad dieser
Symptome geringer, verbessert sich jedoch im Verlauf der Behandlung mit Theraplay ebenso
nahezu bis zur Unauffälligkeit, wie sie für normale Kinder erwartet wird. Auch die vorläufig
festgestellten Veränderungen in dieser Studie sind bereits statistisch signifikant (Abbildung 3,
helle Symbole).
MZSt: Scheu der 62 Kinder
(SD=0.7) (p=,0001)
4
Grad der Symptomveränderung
4 = stark ausgeprägt - 1 = unauffällig
3,4
KLSt: Scheu der 21 Kinder
(SD=0.9) (p=.0001)
MZSt: fehlendes Selbstvertrauen
(SD=1.2) (p=.0001)
3
KLSt: fehlendes Selbstvertrauen
(SD=0.4) (p=.0001)
MZSt: Kooperationsbereitsschaft
(SD=1.2) (p=.0001)
KLSt: Kooperationsbereitschaft
(SD=0.9) (p<,005)
2
2,6
2,5
2,4
2,3
2,1
1,9
1,8
MZSt: Aufmerksamkeitsdefizit
(SD=1.1) (p=.0001)
KlSt: Aufmerksamkeitsdefizit
(Sd=0.8) (p<.001)
1
Therapiebeginn
1,4
1,3
1,1
1
Therapieende
....
Abbildung 3: Grad der Veränderung wesentlicher Symptome der scheuen, selbstunsicheren Kinder.
Therapiegruppe der Multi-Zentren-Studie (MZSt): N=62 scheue Kinder mit Sprach- und Sprechproblemen.
Therapiegruppe
... der kontrolliert. Langzeitstudie (KLSt): N=21 scheue Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen.
Diagnostik der Symptome nach CASCAP-D (Döpfner et al, 1999); Mehrfache Erhebung Prä - Post
Sicht der Eltern
Auch aus der Sicht der Eltern haben sich die Symptome ihrer Kinder durch die Therapie
verringert. Das Selbstvertrauen der Kinder sei bedeutsam gewachsen, sagen sie. Diese
Veränderung ist trotz der kleinen, noch nicht vollzähligen Stichprobe von N=21 scheuen
Kindern bereits statistisch signifikant mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von weniger als 1%
(p<.01). Zugleich habe sich das Kooperationsverhalten ihrer Kinder verbessert, berichten
sowohl Mütter als auch Väter ziemlich übereinstimmend (Korrelationskoeffizient r=.62).
Diese Veränderung ist statistisch signifikant mit einer Fehlerwahrscheinlichkeit von weniger
als 5% (p<.05). Die Mütter haben auch gesagt, dass ihre Kinder bereitwilliger zur
Kommunikation mit anderen geworden seien, die Konzentration und Aufmerksamkeit ihrer
Kinder habe sich verbessert. Hinsichtlich dieser Kriterien stimmen allerdings die Meinungen
der Mütter und Väter kaum überein (Korrelationskoeffizienten r=.04, r=.17, r=.19). Die
Äußerungen der Mütter (Abbildung 4) können als zuverlässiger als die der Väter eingeschätzt
werden, weil sie überwiegend fast die ganze Therapie ihrer Kinder beobachtet haben, d. h.
fast immer zugegen waren. Dagegen konnten die meisten Väter nur zu Elterngesprächen und
Befragungen kommen. Ihre Eindrücke von der Veränderung ihrer Kinder gründen sich also
vorwiegend auf die häuslichen Erfahrungen mit ihren Kindern.
Langzeitstudie: aus Sicht der Mütter
Grad der Veränderung der 21 scheuen Kinder
Methode: 6-stufige Ratingskala 1 = sehr negativ - 6 = sehr positiv
Selbstvertrauen des Kindes
(Signifikanz p<.01)
Kooperationsbereitschaft
(Korrelation Mütter:Väter
r=.62) (Signifikanz p<.05)
Kommunikationsbereitschaft
(Korrelation Mütter:Väter
r=.04)
Konzentrationsfähigkeit
(Korrelation Mütter:Väter
r=.17)
Aufmerksamkeit des Kindes
(Korrelation Mütter:Väter
r=.19)
6
5
4,7
4,2
4
3,6
3,1
2,9
3
5,1
4,9
4,3
4
3,8
2
1
Therapiebeginn
Therapieende
Abbildung 4: Grad der Veränderung der Symptome ihrer Kinder aus Sicht der Mütter
Stichprobe: N=21 bei Therapiebeginn als scheu diagnostizierte Kinder der kontrollierten Langzeitstudie.
Methode: 6-stufige Ratingskala. Skalierung vorgegebener Items zwischen 1=sehr negativ – 6=sehr positiv
Soziale Interaktion und Sprachverständnis
Theraplay gilt als eine Therapieform zur Steigerung des Selbstvertrauens verhaltensauffälliger
Kinder und zur Verbesserung ihres sozialen Interaktionsverhaltens. Mit der Verringerung der
Verhaltensstörungen sind jedoch zugleich auch Symptome der Sprachentwicklungsstörung
kleiner geworden. Besonders die rezeptive Sprachstörung hat sich verringert, bzw. das
Sprachverständnis hat sich bedeutsam verbessert. In beiden Studien sind die Verbesserungen
des Sprachverständnisse auch statistisch signifikant. (Multi-Zentren-Studie mit N=62
ursprünglich scheuen Kindern p=.0001; kontrollierte Langzeitstudie mit nur N=21 scheuen
Kindern p<.01)) Auch die expressiven Sprach- und Artikulationsstörungen haben sich
reduziert. In der Multi-Zentren-Studie mit N=62 ursprünglich scheuen Kindern sind diese
Sprachveränderungen bereits statistisch signifikant. In der kleineren Stichprobe der
kontrollierten Langzeitstudie haben sich diese Sprachstörungen zwar klinisch bedeutsam
verbessert, sind aber statistisch noch nicht signifikant. (Abbildung 5) Auch ist auffallend, dass
die Kinder mit selektivem Mutismus (Mittelwert M=1,6 zu Therapiebeginn) während der
Behandlung ihre mutistische Neigung aufgegeben haben.
Ve rände rung de r Sprachentwicklungsstörung
bei Ve rringe rung de r Verhalte nsauffälligkeite n
N=62 scheue Kinder der Multi-Zentren-Studie; N=21 Kinder der Langzeitstudie
KLSt: expressive
Sprachstörung (n. s.)
MZSt: expressive
Sprachstörung (p<.001)
KLSt: Artikulationsstörung (n.
s.)
MZSt: Artikulationsstörung
(p<.01)
KLSt: rezeptive Sprachstörung
(p<.01)
MZSt: rezeptive Sprachstörung
(p=.0001)
KLSt: selektiver Mutismus (n.
s.)
MZSt: selektiver Mutismus
(p=.0001)
4,0
3,0
3,1
2,9
2,8
2,7
2,4
2,8
2,4
2,1
2,0
1,6
1,6
1,2
1,1
1,0
Therapiebeginn
Therapieende
Abbildung 5: Veränderung der Sprachentwicklungsstörung bei Verringerung der Verhaltensauffälligkeiten.
Therapiegruppe der Multi-Zentren-Studie (MZSt): N=62 scheue Kinder mit Sprach- und Sprechproblemen.
Therapiegruppe der kontrolliert. Langzeitstudie (KLSt): N=21 scheue Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen.
Diagnostik der Symptome nach CASCAP-D (Döpfner et al, 1999); Mehrfache Erhebung Prä - Post
Diese sogenannte Kovariation der Symptome war nicht das direkte Ziel der Behandlung mit
Theraplay, aber ein willkommener Nebeneffekt. Allerdings lassen die Ergebnisse der
Langzeitstudie keine theoretische Erklärung dieses Effekts zu.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Theraplay bei Kindern mit pathologischen
Symptomen von Scheu und mangelndem Selbstvertrauen deren Verhaltensstörung im Sinne
der beabsichtigten Intervention bedeutsam zu verringern scheint. Damit ist eine signifikante
Verbesserung des sozialen Interaktionsverhaltens, der Kooperationsbereitschaft,
Konzentration und Aufmerksamkeit solcher Kinder verbunden. Aus diesen Ergebnissen
zweier sich gegenseitig bestätigender Studien lässt sich schließen, dass eine Vorbehandlung
verhaltensgestörter scheuer Kinder mit Theraplay die nachfolgende funktional notwendige
logopädische Behandlung der Sprach- oder Sprechprobleme wesentlich effektiver gestalten
lässt.
Kasten 1
Multi-Zentren-Studie
Ziel: Qualitätssicherung der in Institutionen und Praxen mit Theraplay behandelten Kinder.
Erhebungszeit und -ort: 2000-2002, acht verschiedene Orte
Stichprobe:
N=62 scheue, sozial zurückgezogene Kinder mit Sprach- oder Sprechproblemen
= 30,2 % einer Gesamtstichprobe von N=205 Kindern (wird fortlaufend weiter erhoben).
Nur Kinder, deren Behandlung mit Theraplay im Erhebungszeitraum abgeschlossen wurde.
Alter der Kinder durchschnittlich 4 Jahre, 7 Monate, das älteste Kind 8;1 Jahre.
Geschlechterverhältnis 40 Jungen : 22 Mädchen. Relation etwa 1,8 : 1.
Therapiedauer: durchschnittlich 20 Sitzungen à 30 Minuten, längste Therapie 41 Sitzungen.
Methoden:
Prä-Post-Design mit Erhebungen vor Therapiebeginn und nach Ende der Therapie.
Erhebung der Anamnese, Erhebung sozio-demographischer Merkmale der Familie,
Eingangs- und Abschlussdiagnostik der Symptome nach CASCAP-D, deutsche Version der
Clinical Assessment Scale for Child and Adolescent Psychopathology (Döpfner et al., 1999),
Erhebung des Therapieerfolgs aus Sicht der Eltern und der Therapeutin, 6-stufige Ratingskala.
Kasten 2
Heidelberger prospektive kontrollierte Langzeitstudie 1998-2008
Ziel: Evaluation der Wirkung von Theraplay bei mulimorbid gestörten Kindern,
Erhebungszeit: April 1998 – März 2003
Stichprobe:
N=21 scheue, sozial zurückgezogene Kinder = 35,6 % einer Stichprobe von N=59 Kindern.
Die Kinder waren dem Arzt wegen Sprachentwicklungsstörungen vorgestellt, es wurde
zusätzlich eine die logopädische Therapie behindernde Verhaltensstörung diagnostiziert.
Nur Kinder, deren Behandlung mit Theraplay bis Anfang 2003 abgeschlossen wurde.
Alter der Kinder durchschnittlich 4;8 Jahre, jüngstes Kind 2;3 Jahre, ältestes Kind 6;8 Jahre.
Geschlechterverhältnis 14 Jungen : 7 Mädchen. Relation 2 : 1.
Therapiedauer: durchschnittlich 18 Sitzungen `30 Minuten, längste Therapie 26 Sitzungen.
Methoden:
Längsschnittstudie mit mehrfacher Erhebungswiederholung bei jedem der Kinder.
Erhebungszeitpunkte: Beginn der 16-wöchigen Wartezeit, Beginn der Therapie, 21 Sequenzen
im Therapieverlauf, Ende der Therapie, zwei und fünf Jahre nach Abschluss der Therapie.
Zufallsgesteuerte Zuweisung der indizierten Patient/innen zu zwei Therapiegruppen.
Geplante Stichprobengrößen: zwei Therapiegruppen à je 30 Kinder (ohne Therapieabbrüche),
drei Kontrollgruppen à 30 Kinder, Wartezeitgruppe, Logopädiegruppe, Kindergartengruppe.
Beobachtung, Befragung, Tests und Einschätzung von Eltern, Arzt, Logopädin, Psychologin.
Kasten 3
Klinisch-diagnostische Leitlinien und Forschungskriterien
der Internationalen Klassifikation psychischer und Verhaltensstörungen (ICD-10)
Achtung: Jede Patientin und jeder Patient hat seine individuelle Symptomatik. Keine gleicht genau der anderen.
Die Forschungskriterien der ICD-10 sind lediglich eine kategoriale Klassifikationen der Erkrankungen und der
psychischen Störungen, die zwischen Wissenschaftlern unterschiedlicher Sprachen und Kulturen gemeinsame,
von allen akzeptierte Leitlinien und Kriterien festlegen, um Missverständnisse weitgehend auszuschließen.
F80.2 Rezeptive bzw. gemischt rezeptive/expressive Sprachstörung
Klinische Leitlinie: Bei dieser Entwicklungsstörung liegt das Sprachverständnis des Kindes unterhalb
des seinem Intelligenzalter angemessenen Niveaus. Diese Diagnose ist nur zu stellen, wenn (...) die
Kriterien für eine tiefgreifende Entwicklungsstörung nicht erfüllt sind. In beinahe allen Fällen ist die
Entwicklung der expressiven Sprache ebenfalls stark verzögert, und Störungen in der Wort-LautProduktion sind üblich. Unter allen umschriebenen Entwicklungsstörungen des Sprechens und der
Sprache geht diese Störung mit der höchsten Rate begleitender sozialer, emotionaler und
Verhaltensstörungen einher. Solche Störungen sind nicht spezifisch, es finden sich jedoch relativ
häufig (...) Aufmerksamkeitsstörungen, soziale Unangepasstheit und Isolation von der Gruppe der
Gleichaltrigen sowie Ängstlichkeit, Überempfindlichkeit oder unangepasste Scheu.
Ausschluss: Autismus (F84.0, F84.1), elektiver Mutismus (F94.0), erworbene Aphasie mit Epilepsie
(F80.3).
Forschungskriterien: (A) Mit standardisiertem Test erfasstes Sprachverständnis, das unterhalb der
Grenze von zwei Standardabweichungen für das Alter des Kindes liegt. (B) Das so erfasste
Sprachverständnis liegt mindestens eine Standardabweichung unter dem non-verbalen IQ. (C)
Neurologische, sensorische oder körperliche Beeinträchtigungen, die den direkten Gebrauch der
gesprochenen Sprache betreffen, fehlen. Keine Tiefgreifende Entwicklungsstörungen. (D) Nonverbaler IQ im standardisierten Test nicht unter 70.
F93.2 Emotionale Störung des Kindesalters mit sozialer Ängstlichkeit bzw. Vermeidung
Klinische Leitlinie: Die emotionalen Störungen des Kindesalters lassen sich weniger eindeutig als
andere psychische Störungen spezifisch einteilen. Viele emotionale Störungen des Kindesalters
scheinen eher Verstärkungen normaler Entwicklungstrends als eigenständige, qualitativ auffällige
Phänomene zu sein. Ein gewisses Ausmaß sozialer Unsicherheit oder Angst ist während der gesamten
frühen Kindheit normal. Diese Kategorie soll nur für emotionale Störungen verwendet werden, die vor
dem 6. Lebensjahr beginnen, die das übliche Maß überschreiten und von Schwierigkeiten im
Sozialverhalten begleitet sind und die nicht Teil einer generellen emotionalen Störung sind. Kinder mit
dieser Störung zeigen durchgängig oder wiederkehrend Furcht vor Fremden, erwachsenen oder
gleichaltrigen oder beiden, oder meiden diese. Die Vermeidung oder Furcht vor sozialen Begegnungen
erreicht ein Ausmaß, dass außerhalb der altersspezifischen üblichen Grenzen liegt und von einer
bedeutsamen sozialen Beeinträchtigung begleitet ist.
Forschungskriterien: (A) Anhaltende Ängstlichkeit in sozialen Situationen, in denen das Kind auf
fremde Personen, auch Gleichaltrige, trifft. Vermeidendes Verhalten. (B) Befangenheit, Verlegenheit
oder übertriebene Sorge über die Angemessenheit des Verhaltens Fremden gegenüber. (C) Deutliche
Beeinträchtigung und Reduktion sozialer Beziehungen (auch zu Gleichaltrigen), die infolgedessen
vermindert sind. Deutliches Leiden und Unglücklichsein mit Weinen, Schweigen oder Rückzug in
neuen oder erzwungenen sozialen Situationen. (D) Befriedigende soziale Beziehungen zu
Familienmitgliedern und zu gut bekannten Gleichaltrigen. (E) Die Störung beginnt im allgemeinen in
der Entwicklungsphase der Kindheit, in der diese ängstlichen Reaktionen als angemessen angesehen
werden. Die übermäßige Ausprägung, das zeitliche Überdauern und die begleitenden
Beeinträchtigungen müssen vor dem 6. Lebensjahr manifest werden. (F) Generalisierte
Angststörungen (F93.80) fehlen. (G) Die Störung tritt nicht im Rahmen einer umfassenden Störung
der Emotionen, des Sozialverhaltens oder der Persönlichkeit oder bei einer tiefgreifenden
Entwicklungsstörung, einer psychotischen oder einer substanzbedingten Störung auf. (H) Die
emotionale Störung mit sozialer Ängstlichkeit bzw. Vermeidung dauert mindestens vier Wochen.
Literatur
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Autoren
Ulrike Franke, SLP, RPT-S
D-68723 Oftersheim
Telefon ++49-(0)6202-54051
Telefax ++49-(0)6202-54958
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Herbert H. G. Wettig, Diplompsychologe
D-71229 Leonberg, Obere Burghalde 42
Telefon ++49-(0)7152-27061
Telefax ++49-(0)7152-22602
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