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ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 25.03.2014
THEMA:
Autorin:
EXPERTE IM STUDIO:
Funktion:
HOCHSAISON FÜR ALLERGIKER
Uschi Müller
NORBERT MÜLLENEISEN
Allergologe
Etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Heuschnupfen – Tendenz steigend.
Bereits jeder vierte Schulanfänger ist nach neuesten Schätzungen betroffen.
Heuschnupfenpatienten müssen sich mittlerweile auf eine längere Leidenszeit einstellen, denn
auf Grund der globalen Klimaerwärmung beginnt die Blütezeit vieler Pflanzen hierzulande
bereits im Januar. Auch breiten sich Pflanzen, die ursprünglich in wärmeren Ländern
beheimatet waren, vermehrt auch in Deutschland aus, was die Pollenflugzeit bis in den Herbst
hinein verlängert. Zudem setzen Pollen in Regionen mit hoher Schadstoffbelastung durch
Autoabgase besonders viele entzündungsfördernde Fettsäuren frei. Dies könnte eine Erklärung
dafür liefern, warum Pollen in den vergangenen Jahrzehnten scheinbar aggressiver geworden
sind. Die Belastung mit Baum- und Gräserpollen hat in unseren Breiten in den vergangenen
sechs Jahren nachweislich zugenommen – zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie, die
in Italien durchgeführt wurde. Eine ältere Studie hat auch gezeigt, dass Pollen in Regionen mit
hoher Schadstoffbelastung durch Autoabgase zudem besonders viele entzündungsfördernde
Fettsäuren (so genannte Pollen-assoziierte Lipidmediatoren = PALM) freisetzen. Dies könnte
eine Erklärung dafür liefern, warum Pollen in den vergangenen Jahrzehnten scheinbar
aggressiver geworden sind.
Pollenflug
Mit dem Beginn des Frühlings schlagen die Pollen wieder zu. Birke-, Hasel- und Erlenpollen
sind wegen des lauen Winters in ansteigenden Konzentrationen unterwegs. Aber neuerdings
machen auch Brennnessel und Eibe Allergikern zu schaffen .
Auslöser
Die sich in der Luft befindlichen Pollen treffen auf die Nasenschleimhäute, wo sie aufquellen
und platzen. Der Körper kommt in Kontakt mit dem artfremden Blüteneiweiß und startet eine
körpereigene Abwehrreaktion, da Pollen eine große Ähnlichkeit mit klassischen
Krankheitserregern aufweisen. Sie sind etwa gleich groß (0,0002 Millimeter), enthalten viel
Eiweiß und dringen über die Atemwege in den Organismus ein. Das menschliche
Immunsystem schätzt die Invasoren falsch ein, wird wie bei echten Krankheitserregern aktiv
und produziert verstärkt Antikörper. Treffen diese auf die Pollen, werden verschiedene
Mediatoren freigesetzt. Diese lösen Entzündungen aus. Die bekannteste Substanz ist Histamin
– verantwortlich für Augenjucken, Schnupfen und Asthma. Der Überschuss an Histamin löst im
Organismus die bekannten Beschwerden aus.
Symptome und Beschwerden
Die typischen Symptome für Heuschnupfen: anfänglicher Juckreiz in der Nase, den Augen, auf
der Mundschleimhaut, im Rachen und manchmal auch in den Ohren, später dann laufende
Nase, starker Niesreiz, juckende, tränende und gerötete Augen, Hustenanfälle, manchmal
entwickelt sich auch eine Bindehautentzündung. Oft tritt ein Müdigkeits-, Schlappheits- und
allgemeines Krankheitsgefühl auf, manchmal sind auch Geschmacks- und Geruchssinn
eingeschränkt. Auch Hautausschläge oder Atembeschwerden können Pollenallergikern das
Leben schwer machen. Stress kann die Symptome noch verstärken. Die Beschwerden können
auf die Stimmung schlagen und auch Depressionen auslösen. Viele Betroffene können nicht
richtig schlafen.
Die Lebensqualität kann bei vielen Patienten durch das gesamte Frühjahr, den Sommer oder,
je nach Allergen, das ganze Jahr über schwer beeinträchtigt sein.
Erkältung oder Heuschnupfen?
Auch ein medizinischer Laie kann den Unterschied schnell erkennen: Ist das Sekret aus Nase
und Bronchien wässrig und klar, sind die Augen gerötet und tränen und jucken sie, dann
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handelt es sich um eine Allergie. Ist das Sekret trübe, eitrig, schleimig und verfärbt, dann
handelt es sich fast immer um eine Erkältung. Viele Betroffene achten nicht auf ihre Symptome
und glauben jahrelang, sie leiden an einem Schnupfen. Der allergologisch versierte Arzt wird
dann einen Allergietest durchführen. Dieser besteht zunächst aus einem Pricktest bei dem die
häufigsten Allergene in die Haut eingeritzt werden. Juckt und rötet es sich an dieser Stelle ist
der Test positiv. Es gibt auch Bluttests und andere Testverfahren, die je nach Beschwerden
oder Allergenverdacht angewendet werden. Besteht der Verdacht auf ein Asthma, muss eine
Lungenfunktionsprüfung durchgeführt werden. Erst wenn die Diagnose zweifelsfrei festgestellt
ist, kann der Arzt eine spezifische Therapie einleiten.
Betroffene Altersgruppen
Bei den meisten Pollenallergikern treten die Symptome beginnend mit dem Kindes- und
Jugendalter bis ca. dem 50. Lebensjahr auf. Danach nimmt die Allergieanfälligkeit unter
Umständen wieder ab. Vielfach ist ein Anstieg von Allergien gerade bei Kindern und
Jugendlichen zu beobachten. Aber auch Menschen zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr
leiden urplötzlich unter allergischen Reaktionen. In vielen Allergie-Ambulanzen wurde
festgestellt, dass sogar Senioren um die 70 erstmals erkranken. In den letzten zehn Jahren ist
die Zahl der Pollenallergiker so drastisch angestiegen wie keine andere Krankheit in unseren
Breiten. Und es trifft immer mehr Kinder und Jugendliche.
Warum immer mehr Menschen an der Pollen-Allergie erkranken
Wahrscheinlich gibt es keinen singulären Grund für den beobachteten Allergieanstieg in der
Bevölkerung, sondern es ist die Fülle an Einflussfaktoren, die dieses Phänomen bewirken. Zum
einen ist unser Organismus einer Fülle von immer wieder neuen Allergenen, die unsere
Zivilisationsgesellschaft produziert und freisetzt, ausgesetzt. Zum anderen führt das
Aufwachsen in einer allergenarmen und geschützten Umgebung zu einer Überreaktion des
Immunsystems gegenüber Stoffen, die bei einem Leben auf dem Lande vom Immunsystem als
normal erkannt worden wären. Es hat sich gezeigt, dass Kinder, die besonders hygienisch
abgeschirmt aufwachsen, auch besonders allergieanfällig sind. Eine hohe Allergenexposition
während des ersten Lebensjahres, z.B. beim Aufwachsen auf einem Bauernhof, scheint
dagegen vor späteren Allergien zu schützen. Dieses Phänomen wird Hygienehypothese
genannt. Vereinfacht kann man sagen, wenn das Immunsystem im ersten Lebensjahr gefordert
ist, wird eine spätere Überreaktion (= Allergie) vermieden. Auch längeres Stillen soll vor der
Entwicklung von Allergien schützen. Umwelteinflüsse, wie z.B. Autoabgase, führen zu einer
Steigerung der allergisierenden Wirksamkeit von z.B. Pollen und damit zu einer Steigerung der
allergischen Reizung.
In der bereits erwähnten italienischen Studie wurde auch beobachtet, dass der Prozentsatz an
Patienten, die allergische Reaktionen zeigten, während der sechsjährigen Studiendauer
anstieg. Unklar ist aber noch, ob eine Ausweitung der Pollenflugzeiten tatsächlich auch das
Risiko erhöht, an einer Allergie zu erkranken. Zweifellos kann aber eine höhere Pollenbelastung
bei Menschen, die bereits eine Pollenallergie haben, eine Verschlimmerung und eine
Verlängerung der Beschwerden hervorrufen.
Wie können Allergiker sich schützen?
Betroffene, die wissen, dass sie auf Frühblüher überempfindlich reagieren, können versuchen,
ihre allergische Bereitschaft mit einem verschreibungspflichtigen Nasenspray zu mindern,
indem sie dieses prophylaktisch (also vorbeugend) für eine Dauer von etwa zwei bis vier
Wochen vor dem Pollenflug einsetzen. Neben dem Nasenspray stehen weitere Präparate und
Wirkstoffkombinationen zur Verfügung – wie antiallergische Tabletten (so genannte
Antihistaminika) oder Nasensprays mit entzündungshemmendem Inhalt (kortisonhaltig) – um
die Beschwerden zu lindern. Sind die Krankheitssymptome in diesem Jahr besonders
ausgeprägt, kann dann im Herbst auch über eine Hyposensibilisierungstherapie (spezifische
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Immuntherapie) nachgedacht werden. Das ist die einzige Methode, um eine Allergie nicht nur
symptomatisch sondern ursächlich zu behandeln und weitere Allergien zu vermeiden.
Fachärztliche Behandlung kann Etagenwechsel verhindern
Unbehandelte Allergien bergen das Risiko eines Etagenwechsels. Bei einer Pollenallergie
kann sich die Allergie von den oberen auf die auf die unteren Atemwege ausbreiten – fast
jeder dritte unbehandelte Pollenallergiker entwickelt dann ein allergisches Asthma, warnen die
Lungenfachärzte. Trotz dieses Risikos eines Etagenwechsels mit Ausbildung eines allergischen
Asthmas lässt sich aber nur etwa jeder vierte von den rund 20 Millionen Deutschen, die unter
Heuschnupfen leiden, von einem Facharzt behandeln. Und nur jeder zehnte
Heuschnupfenpatient erhält eine spezifische Immuntherapie.
Behandlung
Treten bei Ihnen die typischen Symptome auf, ist ein Arztbesuch unerlässlich. Nur der Arzt
kann die richtige Diagnose stellen und somit die auf Ihre Erkrankung abgestimmte Behandlung
einleiten bzw. Sie gegebenenfalls an einen Allergologen überweisen.
 Gegen die typischen Symptome wie Niesen und Augenjucken helfen so genannte AntiHistaminika, die es in Tabletten-, Spray- oder Tropfenform frei erhältlich in jeder Apotheke
gibt. Früher machten sie sehr müde. Diese ungewollte Nebenwirkung weisen – laut Stiftung
Warentest – die neueren Präparate jedoch nicht mehr auf.
 Bei sehr starken allergischen Reaktionen kann der Arzt auch kortisonhaltige Präparate
verschreiben. Diese gibt es z.B. als Nasenspray oder zur Inhalationsbehandlung beim
Asthma. Der Wirkungsbeginn benötigt einige Tag und erst nach einer guten Woche entfaltet
sich der volle antientzündliche Schutz.
 Juckende Augen lassen sich durch anti-allergische Augentropfen beruhigen.
 Die verstopfte Nase wird durch abschwellende Nasentropfen wieder frei. ACHTUNG: Die
Tropfen dürfen wegen der Gefahr eines Gewöhnungseffektes nicht länger als 10 Tage
angewendet werden!
 Zur Vorsorge können so genannte Mastzellstabilisatoren zwei bis drei Wochen im Voraus
genommen werden, um die Symptome zu lindern. ACHTUNG: Wie bei den kortisonhaltigen
Mitteln sind diese nicht geeignet, um aktuelle Beschwerden zu lindern!
 Auf lange Sicht hilft jedoch nur die Hyposensibilisierung oder spezifische Immuntherapie –
die einzige Methode, um eine Allergie nicht nur symptomatisch, sondern ursächlich zu
behandeln. Hierbei wird vorab getestet, auf welche Pollen der Patient allergisch reagiert.
Anfänglich werden ihm die Allergene wöchentlich in steigender Konzentration verabreicht,
später nur noch monatlich, bis der Körper sich ausreichend an sie gewöhnt hat. Die Therapie
dauert ca. drei Jahre, ihre Erfolgsaussichten sind hoch und die Kosten werden in der Regel
von der Krankenkasse übernommen. Es gibt auch Medikamente, die statt wöchentlich nur
monatlich verabreicht werden müssen. Während die subkutane (Spritzen unter die Haut)
Therapie unverändert der goldene Standard darstellt, gibt es für ausgewählte Allergene als
Behandlungsform auch eine Tablette, die sich unter die Zunge gelegt,
Selbsthilfe für Allergiker
 Kleidung, die im Freien getragen wurde, sollte in der Pollensaison nicht im Schlafzimmer
abgelegt werden. Wechseln Sie die Sachen am besten täglich.
 Waschen Sie vor dem Schlafengehen die Haare – das entfernt die darin gefangenen Pollen.
Am besten jeden Tag vor dem zu Bett gehen duschen. Diese Empfehlung ist nicht
wissenschaftlich bewiesen...
 Da bereits in den frühen Morgenstunden die Pollenkonzentration in der Luft sehr hoch ist,
sollten die Fenster über Nacht am besten geschlossen bleiben.
 Ein spezielles Pollengitter vor dem Schlafzimmerfenster hilft, beim Lüften einen Großteil der
Pollen aus der Luft zu filtern.
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 Tägliches Staubwischen, Bodenwischen und Staubsaugen verringert die Pollenbelastung in
der Wohnung. Für Staubsauger gibt es spezielle Pollenfilter.
 Es ist ratsam, in das Lüftungssystem des Fahrzeugs einen Pollenfilter einbauen zu lassen.
Besonders effektiv sind so genannte Kombifilter aus Aktivkohle und Vlies, die sowohl
Partikel als auch kleinste Pollen auffangen. Diese Filter müssen jährliche gewechselt
werden. Während der Fahrt sollten zudem die Fenster geschlossen bleiben.
 Vorsicht beim Autofahren, wenn Antihistaminika eingenommen werden, die zur Müdigkeit
führen.
 Zigaretten und Alkohol können – wie auch alles andere, was das Immunsystem negativ
beeinflusst – die Symptome verstärken.
Gefahren einer unbehandelten Pollen-Allergie
 Zuerst spielen sich die allergischen Reaktionen tatsächlich nur im Bereich der Augen, der
Nase und der oberen Luftröhre ab.
 Unbehandelte Allergien bergen jedoch das Risiko des so genannten Etagenwechsels in sich,
d.h. die Allergie breitet sich von den oberen auf die unteren Atemwege aus, greift die
Bronchien an.
 Daraus entwickelt sich mitunter ein allergisches Asthma mit beängstigenden Anfällen, sofern
dieses nicht richtig therapiert ist.
WEITERE INFORMATIONEN
 Ausführliches über Auslöser von Allergien sowie Möglichkeiten der Vorbeugung und
Behandlung finden Betroffene und Interessierte im Internet von Deutsche Lungenstiftung
(www.lungestiftung.de) sowie unter www.lungenaerzte-im-netz.de
 Unter www.dwd.de/pollenflug bietet das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung den Service der Pollenflug-Vorhersage für das Bundesgebiet an.
 Auch in den meisten Tageszeitungen finden sich tagesaktuell Hinweise über den
vorherrschenden Pollenflug und dessen Intensität.
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