Allergisch auf

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Allergisch
auf …
von Bärbel Hirrle*
«
Bloss keine Milch! Darauf reagiere ich allergisch! Schon als
Kind bekam ich immer Bauchkrämpfe, wenn ich Milch trinken musste», erzählt Annette, als man ihr ein
Glas Milch vorsetzen will. Regina
machte ähnliche Erfahrungen: «Ich
kann keine Nüsse vertragen. Mein
Mund schwillt an, Lippen, Zunge und
Rachen fühlen sich pelzig an und
jucken furchtbar.»
Was die beiden Schwestern da erzählen, weist auf eine Nahrungsmittelintoleranz oder auf eine Nahrungsmittelallergie hin. Zwei unterschiedliche
Erkrankungen mit verschiedenen Ursachen, welche, vor allem wenn die
Beschwerden stark sind und den
ganzen Körper betreffen, beim Arzt
oder bei der Ärztin abgeklärt werden
müssen. «Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen einer Intoleranz gegenüber bestimmten Lebensmitteln
und einer Nahrungsmittelallergie», erklärt der Zürcher Professor Brunello
Wüthrich, Facharzt für Allergologie.
Und manchmal zeige sich, dass Leute,
die behaupten, etwa auf Milch, Fisch
oder anderes «allergisch» zu sein, dieses Nahrungsmittel einfach nicht mögen, obwohl sie es eigentlich vertragen
würden. Erfahrungen aus der Kindheit
– der Bruder mochte keinen Fisch –
oder als unangenehm empfundende
Gerüche können da eine Rolle spielen.
Ein komisches Gefühl im Mund
nach einem Biss in eine grüne,
saf tige Kiwi? Wenn an sich
harmlose Speisen körperliche
Symptome wie Jucken oder
Schwellungen auslösen,
könnte es sich um eine
FOTO: MEV
Lebensmittelallergie handeln.
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ALLERGIEN
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So entstehen Allergien:
arm gespritzt, und
es wird abgewartet, ob nach zirka
20 Minuten Hautreaktionen auftreten. Bei Menschen, die seit
einiger Zeit Symptome beklagen,
ist die Allergie bei
einem «positiven»
Testergebnis nachgewiesen.
Allergien auf Pollen und Lebensmittel können zusammenhängen
auf Lebensmitteleiweisse reagieren, da
das Immunsystem Strukturen in den
Allergenen erkennt, die in Pollen und
Lebensmitteln gleich oder ähnlich
sind. «Allergien auf Kernobst in Zusammenhang mit Birkenpollenallergien sehen wir besonders häufig, das
heisst in etwa der Hälfte aller Fälle»,
betont der Berner Allergologe Professor Werner Pichler. «Etwa 5 Prozent der
Schweizer Bevölkerung sind davon betroffen.»
Auf Kreuzreaktionen beruhende Nahrungsmittelallergien haben zugenommen, weil vor allem Pollenallergien bei
uns seit Jahrzehnten zunehmen. Dies
Am häufigsten entwickeln Säuglinge
und Kleinkinder Nahrungsmittelallergien, meistens gegen Kuhmilch und
Hühnereier. Sie reagieren mit Darmkoliken, Durchfall, Erbrechen, Hautausschlägen (Neurodermitis), gelegentlich auch mit Atemproblemen.
Erwachsene leiden seltener unter einer
reinen Nahrungsmittelallergie, reagieren eher auf Äpfel, Sellerie, Karotten,
Fisch, Baum- und Erdnüsse. Immer
häufiger ist bei älteren Kindern und Erwachsenen eine Nahrungsmittelallergie mit einem HeuKorbblütler
Nachtschattengewächse
schnupfen oder auch
Artischocke • Ragweed
Chilipfeffer
mit Asthma verbunEstragon • Löwenzahn
Paprika
Kamille • Sonnenblume
Tomaten
den: Beschwerden,
Wermut • Chrysantheme
Kartoffel
Beifuss
die auf einer Kreuzreaktion zwischen
Pfeffergewächse
Kürbisgewächse
InhalationsallergeGrüner Pfeffer
Melone
Schwarzer Pfeffer
Gurke
nen wie Pollen und
Sellerie
den Nahrungsmitteln Kernobst und
Doldenblütler
Lippenblütler
Gemüse beruhen.
Anis • Koriander
Basilikum • Majoran
Dill
•
Liebstöckel
Solche KreuzreakOregano • Thymian
Birke
Fenchel • Karotte
tionen
entstehen
so: Bei PollenallergiRosengewächse
kerInnen wird die
Apfel • Pfirsich
Haselgewächse
Birne • Mandel
Haselnuss
Exotische Früchte
Sensibilisierung des
Zwetschge • Kirsche
Litschi • Kiwi
Immunsystems
Avocado
durch Allergene ausEs gibt zahlreiche Möglichkeiten für Kreuzreaktionen zwischen Pollen und Lebensgelöst, die eingeatmitteln. Einige treten häuf iger auf, zum Beispiel Allergien auf Birkenpollen und
met werden.
Kernobst.
Typisch ist der jahfand die Arbeitsgruppe um Professor
reszeitlich auftretende Heuschnupfen
Wüthrich heraus. Litt um 1920 knapp
nach Sensibilisierung durch Baumpol1 Prozent der Bevölkerung hierzulande
len im zeitigen Frühling, Gräserpollen
unter Heuschnupfen, waren es 1985
im Frühsommer oder Beifuss- und Geetwa 10 und 1991 über 14 Prozent.
treidepollen im Sommer. Wer betrofSchulkinder und Jugendliche sind befen ist, kann nun aber auch allergisch
GR AFIK: NACH WÜTHRICH
Eine Intoleranz beispielsweise gegenüber Milch, Rotwein oder Erdbeeren
oder gegenüber chemischen Zusatzstoffen in Fertignahrungsmitteln beruht oft auf einem vererbten Mangel
an bestimmten Enzymen (Eiweissstoffen). Nach dem Verzehr von Milchprodukten etwa treten bei einem LaktaseMangel (Milchzuckerunverträglichkeit)
Durchfall und Bauchkrämpfe auf. Eine
solche Intoleranz gegenüber bestimmten Lebensmitteln aufgrund eines
Enzymmangels bleibt lebenslang bestehen.
Bei einer echten Nahrungsmittelallergie handelt es sich hingegen um eine
spezifische Reaktion des Immunsystems. Die gleichen Symptome wie bei
der Intoleranz, etwa Durchfall nach
dem Schoppen oder dem Glas Milch,
können sich auch bei einer Allergie
zeigen. Der Unterschied: Das Immunsystem von AllergikerInnen bildet Antikörper – Immunglobuline vom Typ
E (IgE) – gegen eigentlich harmlose
Substanzen wie pflanzliche oder tierische Eiweisse, die als «Allergene» bezeichnet werden. Beim ersten Kontakt reagiert der Körper auf solche
Allergeneiweisse (z.B. in der Milch oder
in Nüssen) mit einer Überproduktion
von Antikörpern, welche so genannte
Mastzellen (z.B. in der Schleimhaut)
aktivieren. Dieser Prozess wird Sensibilisierung genannt und verläuft
«stumm», das heisst unerkannt. Beim
erneuten Kontakt mit diesen Allergenen – wenn Regina wieder Nüsse isst –
setzt das Immunsystem biochemische
Stoffe, vor allem Histamin frei, was
die allergische Reaktion verursacht:
Bei Regina schwellen Mund- und Rachenschleimhaut stark an und verursachen den unangenehmen Juckreiz.
Ob tatsächlich eine Allergie auf bestimmte Nahrungsmittel, möglicherweise auch auf Zusatzstoffe, Medikamente oder eingeatmete Allergene wie
Pflanzenpollen, Tierhaare oder Hausstaubmilben besteht, kann die Ärztin
oder der Arzt mit einem so genannten
Haut-Pricktest oder einer Blutuntersuchung feststellen. Beim Hauttest werden kleinste Mengen häufiger oder
verdächtiger Allergene in den Unter-
GRAFIK: SCHERAX
Tatsächlich eine Allergie?
Fortsetzung auf Seite 17
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Was ist zu tun …
… bei einem Verdacht auf Nahrungsmittelallergie, oder wenn eine
Die meisten betroffenen Menschen
reagieren wie Regina mit unangenehmen, aber harmlosen Beschwerden im
Mundbereich. Ein solches «orales Allergiesyndrom» kann aber ein Warnzeichen sein, vor allem, wenn früher
schon Symptome wie Nesselfieber,
Asthmaanfälle oder gar Kollaps aufgetreten sind. Werden im Mundbereich
erste Symptome verspürt, gilt: betreffendes Lebensmittel nicht schlucken!
Gefährlich in diesem Sinne können
neben Baumnüssen vor allem Erdnüsse, Sellerie, spezifische Gewürze,
Bananen und Avocado sein. Wenn
Kreuzreaktionen bekannt sind und
schon mit Allgemeinsymptomen, vor
allem mit Nesselfieber, Asthma oder
gar einem Schwächeanfall, reagiert
wurde, ist es unbedingt empfehlenswert, ein ärztlich verordnetes Notfallset mit Notfallausweis bei sich zu tragen. Auch PartnerInnen, Eltern und
Lehrpersonen sollten wissen, was im
«Fall des Falles» zu tun ist.
… den «Störefried» künftig
meiden!
«Wer weiss, dass er auf ein bestimmtes
Nahrungsmittel allergisch reagiert,
kann nur eines tun: dieses künftig
meiden», beschreibt der Allergologe
Pichler die einzig wirksame Massnahme. Manchmal wird das gleiche
Lebensmittel im gekochten Zustand
PP
Wenn Symptome auftreten …
vertragen, beispielssolche bereits ärztlich bestätigt worden ist?
weise Äpfel als Apfelmus.
• Wer nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel mehr als eiAllergiegefährdete
nen Juckreiz verspürt, sollte sich von einer Ärztin oder einem Arzt
Säuglinge sind vor
untersuchen lassen.
allem jene, von de• Diese Nahrungsmittel sollten fortan gemieden werden. Hingegen
nen ein oder gar
braucht man keine Angst zu haben vor Lebensmitteln, die man
beide Elternteile Albisher gut vertragen hat, selbst wenn diese auf der Liste kreuzlergien entwickelt
reaktiver Lebensmittel stehen.
haben. Diese soll• Wer an einer schweren Nahrungsmittelallergie leidet, sollte imten sechs Monate
mer einen Notfallausweis und ein Notfallset mit sich tragen und
gestillt werden. FesPartnerInnen oder Eltern über die erforderlichen Massnahmen im
te Nahrung sollte
Notfall informieren.
erst danach schrittweise
eingeführt
Annette nicht unter einer Laktoseintowerden, wobei Nahrungsmittel mit
leranz leidet, sondern «nur» als Kind
hohem allergenen Potenzial wie Kiwi
eine Nahrungsmittelallergie gegen
und Erdnüsse vorläufig gemieden werKuhmilch hatte, muss sie als Erwachden sollten. Hypoallergene Fertigsene nach einem Glas Milch keine
milch («HA-Milch») kann helfen,
Bauchschmerzen mehr fürchten: Ihr
wenn Stillen nicht möglich ist. Zum
reifes Immunsystem wird mit Milch
Glück wächst sich eine Milchallergie
inzwischen «fertig», zumal sie heute
in der Regel bis zum zweiten Geburtsauch Yogurt, Rahm und Quark vertag aus. Dennoch: Hat ein Säugling beträgt. Regina wird in Zukunft auf
reits überempfindlich reagiert, kann
Nüsse lieber verzichten und besonders
sich daraus eine so genannte «Allergievorsichtig sein, wenn bei ihr Bekarriere» entwickeln. Typisch ist, dass
schwerden am ganzen Körper auftredie Allergie, die sich im Säuglingsalter
ten oder sich eine Pollenallergie entmit Bauchweh- und Erbrechen äussert,
wickelt.
sich später als Neurodermitis, dann als
Heuschnupfen und später als Asthma
*Bärbel Hirrle ist Redaktorin beim Rosenfluh-Verpräsentiert.
lag und lebt in Feuerthalen (ZH).
Bei Neurodermitis, Heuschnupfen und
Asthma verschreibt die Ärztin oder der
Arzt Medikamente, die aber grundsätzlich nur lindernd wirken können.
Wenn bei einer Nahrungsmittelallergie Kreuzreaktionen nachgewiesen
sind und eine Pollenallergie besonders
Beschwerden macht, kann – nebst
Schweizerische Elternvereidem Meiden des Nahrungsmittels als
nigung asthma- und allerwichtigste Massnahme – versucht werI N F O giekranker Kinder (SEAAK).
den, mit einer spezifischen ImmunTel. 031-378 20 10
therapie den «allergischen Marsch»
E-Mail: [email protected]
aufzuhalten. Hierzu müssen aber über
Internet: www.seaak.ch
drei Jahre in den Wintermonaten in
etwa monatlichen Abständen speziell
Broschüre: «Nahrungsmittelallergie».
ausgewählte Extrakte gespritzt werKostenlos erhältlich beim Schweizeriden. Besonders bei gefährdeten Kinschen Zentrum für Allergie, Haut und
dern und Jugendlichen, die noch
Asthma (aha!). Tel. 031-359 90 50
nicht allzu lange unter Heuschnupfen
E-Mail: [email protected]
leiden, wird zu dieser Therapie geraInternet: www.ahaswiss.ch.
ten. Bei einer reinen Nahrungsmittelallergie hat diese Massnahme allerSchweizerisches Pollenbulletin im Indings wenig Erfolg.
ternet: http://pollen.bulletin.ch
Zurück zu den Schwestern: Falls nun
TI
sonders betroffen. Geschätzt wird, dass
fast eine halbe Million der Menschen
in der Schweiz solche Kreuzreaktionen
entwickeln. Interessanterweise scheint
unsere westliche, städtische Lebensweise mit Kleinfamilienstruktur und
Fertignahrung einschliesslich Belastung durch aktives und passives Rauchen sowie durch Autoabgase daran
beteiligt zu sein, dass unser Immunsystem vermehrt Allergien entwickelt,
während es mit vielen der alten, jahrhundertelang gefürchteten Infektionskrankheiten wie Diphtherie und
Wundstarrkrampf immer weniger zu
kämpfen hat. Was niemals bedeuten
darf, auf die empfohlenen Schutzimpfungen oder gewohnten Hygienemassnahmen zu verzichten!
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