OBDUKTIONSBERICHT (7 Seiten) Die Obduktion wird am 27.06.2001 in der Sektionshalle des Instituts für VeterinärPathologie der Justus-Liebig-Universität Gießen von 09.15 Uhr bis 11.15 Uhr durchgeführt. Anwesend sind die Studenten Juliane Ott, Martina Overgahr gen. Willebrand, Daniel Mielke, Andrea Pose, Barbara Schneider, Melanie Pfaff und Ute Zwölfer. Die Obduktion leitet Andreas Beinecke; Auftraggeber ist der Tierbesitzer, Herr X aus Y. Das Obduktionsobjekt ist eine männliche Wildkatze aus dem Zoo. Sein Fell ist rassetypisch braun-schwarz getigert. Der Kater wiegt 4,2 kg und ist 16 Jahre alt. Der Kater zeigte Abmagerung, gelegentliches Husten, eine Woche vor der Euthanasie einen zunehmenden Bauchumfang. Bei der Ultraschalluntersuchung zeigte sich ein hochgradiger Aszites. Daraufhin wurde der Kater am 20.06.2001 wegen zunehmend schlechtem Allgemeinbefinden euthanasiert. ÄUSSERE BESICHTIGUNG Die Obduktion wird mindestens 24 bis 48 Stunden nach Exitus vorgenommen. Das Tier ist abgehäutet bis auf die distalen Gliedmaßen (Tarsus, Carpus) und die Anogenitalregion. Der Kater liegt auf der linken Seite und ist gleichmäßig kalt. Alle Gelenke sind passiv beweglich. Der Augenturgor ist geringgradig herabgesetzt, und die Cornea stellt sich leicht trübe dar. Im Bereich der linken Schulter befindet sich ein Transponder im Unterhautgewebe. Der Ernährungszustand ist schlecht; der Pflegezustand ist gut. Unterhalb des ersten und zweiten Prämolaren weist das Zahnfleisch 0,5 x 0,3 cm große Beläge von dunkler rot-brauner Färbung. Diese lassen sich unter Substanzverlust ablösen. Der rechte Incisivus 1 im Oberkiefer fehlt. Die Maulschleimhaut ist weißlich-rosarot. 2 INNERE BESICHTIGUNG Die Muskulatur ist insgesamt vom Volumen her vermindert und die Knochenpunkte treten deutlich hervor. Die Muskulatur stellt sich hellrosarot dar Es ist wenig Unterhautfettgewebe vorhanden; dieses ist von einer sulzigen Konsistenz. Das Knochenmark ist rötlich verfärbt und ist gallertartig. I. BAUCH-UND BECKENHÖHLE Im kranialen Abdomen sind die Organe durch ein weißes fadenziehendes Material miteinander verklebt. Die Leber zeigt eine Verklebung mit der Bauchwand. Im gesamten Bauchraum befinden sich ca. 300 ml einer rötlich-wäßrigen Flüssigkeit. Das retroperitoneale Fettgewebe ist nur noch in Resten vorhanden und von einer sulzigen Konsistenz. Im Magen findet man ca. 3 ml einer sulzigen roten Masse vor. Die Leber ist graurot, besitzt eine derbe Konsistenz, ihre Oberfläche ist höckrig und mit ablösbaren gelblich-weißen Auflagerungen überzogen. Die Leberränder stellen sich stumpf dar. Der gesamte Darmkanal ist nur geringgradig gefüllt mit einem gelben Schleim, der im Enddarmbereich in einen braun-grünen Brei übergeht. Die Nieren weisen im gesamten Papillenbereich eine gelblich-weiße Farbe auf. Die Milz ist mit stecknadelspitz-großen weißen Herden durchsetzt, und ihre Ränder zeigen sich stumpf. II. BRUSTHÖHLE Die Lunge ist besonders an den Randbezirken gerötet. Sie ist von puddingartiger Beschaffenheit. In den Hauptbronchien befinden sich ca. 2 ml einer rötlich schaumigen Flüssigkeit. An der Schnittfläche läßt sich rötlich-braune Flüssigkeit abpressen. 3 III.. Hals, Rachen-, Mundhöhle Die Luftröhre ist mit ca. 3 ml einer rötlichen schaumigen Flüssigkeit gefüllt. Die linke Schilddrüse hat eine Größe von 2,5 x 1 x 1 cm, die rechte von 1,5 x 0,5 x 0,5 cm. PATHOLOGISCH ANATOMISCHE DIAGNOSEN 1. Kachexie 2. mittel- bis hochgradige Anämie 3. Aszites von 300 ml 4. mittelgradige Hyperplasie der linken Schilddrüse 5. mgr. Dilatation des rechten Vorhofes und der rechten Kammer 6. hochgradige chronische Stauungsleber 7. geringgradige akute diffuse Enteritis 8. fokale, hochgradige fibrinös-nekrotisierende Gingivitis 9. mittelgradige follikuläre Milzhyperplasie 10. Papillennekrose der Nieren 11. geringgradige akute Stauung der Lunge 12. geringgradiges akutes diffuses alveoläres Lungenödem EPIKRISE Vorherrschend ist in diesem Fall die Hyperplasie der linken Schilddrüse. Normalerweise hat die Schilddrüse der Katze folgende Ausdehnung: 2 cm lang, 5 mm dick und 3 mm breit. Die Hyperplasie der Schilddrüse kann mehrere Ursachen 4 haben. Eine Funktionsstörung wie die Hyperthyreose, euthyreote Strumen und Neoplasien wie das Adenom und das Karzinom. Die vorliegenden Organveränderungen sind am besten anhand er Hyperthyreose zu erklären. Die Hyperthyrose kommt vor allem bei Katzen im Alter von 10 bis 19 Jahren vor. Schilddrüsenvergrößerungen werden häufig in Verbindung mit der felinen Hyperthyreose gesehen, während Schilddrüsenadenome nur selten gefunden werden. Die Hyperthyreose beruht auf der Überproduktion von Thyroxin und Trijodthyronin. Die Stoffwechselfunktionen sind insgesamt gesteigert. Dabei ist die Synthese von Protein erhöht. Diese Neubildung wird allerdings von gleichzeitigem Abbau übertroffen, so daß insgesamt eine negative Bilanz besteht. Dies führt zu einer Verminderung körpereigener Energieträger und zu erhöhtem Sauerstoffverbrauch. Der Körper kann dies nicht mit einer vermehrten Futteraufnahme ausgleichen, und es entsteht schließlich eine Kachexie. Die Kachexie kann einen Aszites zur Folge haben. Der Aszites stellt eine Ansammlung von wäßriger klaren Flüssigkeit in der Bauchhöhle dar, wobei das spezifische Gewicht (bis 1015) demjenigen eines Transsudates entspricht. Andere Ursachen für einen Aszites sind Hypoalbuminämie, Herzinsuffizienz, Peritonitis und portale Kreislaufstörungen. Die gallertartige Atrophie des Knochenmarkes läßt sich auch mit der Kachexie erklären. Diese kommt durch einen weitgehenden Schwund des Fettmarkes und dessen Ersatz durch eine seröse gelbliche Flüssigkeit zustande. Das Fehlen des Herzkranzfettgewebes, das nur noch in Resten vorhandene retroperitoneale Fettgewebe und die gallertartige Konsistenz des Unterhautfettgewebes lassen auf eine Totalmobilisierung der Depotfette im Zuge der Kachexie schließen. Die Anämie kann auch im Zuge der Kachexie durch ein Mangel an bestimmten Spurenelementen (Eisen, Kupfer, Kobalt), Vitaminen (B6, B12, Folsäure) sowie an verschiedenen Proteinen entstehen, die zu einer Reifungsstörungen der Erythrozyten führen. Es handelt sich hierbei um eine Mangelanämie, die in den Formkreis der hypochromen Anämie fällt. Die Überproduktion von Schilddrüsenhormonen hat eine Vermehrung der adrenergen Rezeptoren in der Körperperipherie zur Folge. Die adrenerge Aktivität führt zur Tachykardie und zur reversiblen Hypertrophie der Herzmukulatur, die sich in einer hypertrophen Kardiomyopathie zeigt. Es werden zwei Formen der Herzhypertrophie unterschieden. Die konzentrische Herzhypertrophie und die 5 exzentrische, die mit einer Dilatation einhergeht. Zunächst nimmt die Anzahl der Muskelfibrillen zu. Diesem Vorgang sind Grenzen gesetzt, da beim Erreichen des kritischen Herzgewichts die Diffusionsstrecke zur Eigenversorgung der hypertrophierten Muskelfasern zu lang wird. Die nutritive Unterversorgung bedingt eine Myokarddegeneration und somit eine Herzdilatation, die makroskopisch an der Herzrundung und der Erweiterung der Innenräume zu erkennen ist. Andere Ursachen für Herzmuskelerkrankungen bei der Katze sind Taurinmangel, Neoplasien und Toxine. Sie können auch mit Thromboembolien und einer damit verbundenen Parese oder Paralyse der Nachhand einhergehen. Über längere Zeit bestehende Herzdilatationen ziehen chronische Stauungsfolgen nach sich, insbesondere in Form einer Gerüstsklerose der Leber. Es kommt zu einem Rückstau in den großen Kreislauf, da die Herzleistung aufgrund der Dilatation sinkt und das ankommende Blut nicht mehr schnell genug weitergepumpt werden kann. Die Stauung bewirkt an der Leber, daß die vorhandenen Lebergefäße (Sinusoide) an Größe zunehmen, das Parenchym verdrängt wird und die Leberbälkchen atrophieren. Im Endstadium kann es zur Kollagenisierung der Sinusoide kommen, was eine komplette Kapillarisierung, d.h. eine Zubildung von Fasern im DISSEschen Raum und eine Ausbildung einer Basalmembran zur Folge hat. Der direkte Kontakt von Blutgefäßen und Hepatozyten ist somit unterbrochen. Dies führt zu einer weiteren Funktionseinschränkung und Degeneration der Leber. Dadurch kommt es zu einer Synthesestörung und damit zur Hypalbuminämie, die zu einer Herabsetzung des onkotisch-osmotischen Drucks und damit zum Austritt von Blutflüssigkeit führt. Es entsteht ein Aszites. Die Rotfärbung des Aszites kann durch Diapedesisblutungen entstehen, die auf einer erhöhten Blutungsneigung beruhen. Die erhöhte Blutungsneigung wird durch Gerinnungsstörungen hervorgerufen, die durch die Leberfunktionsstörung entstehen. Sämtliche Gerinnungsfaktoren mit Ausnahme des Faktor XIII und IV werden in der Leber gebildet. Makroskopisch sind auf der Leberoberfläche Fibrinausschwitzungen zu finden, die sich als Membranen über die gesamte Leberoberfläche legen und auch die vorliegenden Verwachsungen bedingen. Mit nachlassender Herzleistung ist auch die Flüssigkeitabsorption aus den Körperhöhlen gestört. Durch Linksherzinsuffizienz steigt der intravasale hydrostatische Druck im kleinen Kreislauf, bis er schließlich den onkotischen Druck übertrifft. Die Folge ist ein 6 Austritt von Plasmaflüssigkeit in das Interstitium und schließlich in die Alveolen: ein interstitielles bzw. alveoläres Lungenödem. An vorliegendem Patienten sind makroskopisch nur Veränderungen der rechten Herzhälfte festzustellen. Es ist aber zu bedenken, daß durch das Einfrieren die Befunde verändert sein können. Häufig geht mit einer Hyperthyreose eine Enteritis mit voluminösem und sehr weichem Stuhl einher. Das wichtigste Symptom einer Darmerkrankung ist der Durchfall. Es kommt zu einer Hypersekretion von Flüssigkeit und Ionen in das Darmlumen. Die Ursachen hierfür sind manngifaltig. Auf eine ausführliche Darstellung wird hier verzichtet, da dies den Rahmen dieses Berichts sprengen würde, zumal die Enteritis auch nur einen Nebenbefund darstellt. Eine Milzhyperplasie ist Ausdruck von immunologischen Prozessen. Die Milz ist direkt in die Blutbahn eingeschaltet: sie hat also direkten Kontakt mit den Antigenen. Man unterscheidet morphologisch zwischen der pulpösen und der follikulären Milzhyperplasie, wobei die follikuläre Milzhyperplasie eher an einen chronischen infektiösen Prozeß denken läßt (durch Arthropoden übertragene Protozoonosen, Virusinfektionen und Ricketsien). Die Papillennekrose der Nieren kann durch eine längerandauernde Ischämie (Schockgeschehen), bei Dehydration und bei längerer Verabreichung nichtsteroidaler Antiphlogistika entstehen. Nichtsteroidale Antiphlogistika führen zu einer Verminderung der Produktion von Prostaglandinen im Nierenmark, wodurch es durch eine ungenügende Vasoldilatation der Arteriolen der juxtaglomerulären Nephrone zur ischämischen Nekrose kommt. Entzündungen des Zahnfleisches haben häufig schmierige Beläge auf den Zähnen und Zahnfleisch zur Ursache. Die Gingivitis necroticans tritt häufig am buccalen Zahnfleischrand auf. Es finden sich primär Bakterien aus dem Mundhöhlenbereich, die an den entzündlichen Veränderungen beteiligt sind. Begünstigend wirken Zahnplaque, Karies, Zahnstein, eingespießte Futterreste, aber auch Resistenzschwäche. Differntialdiagnostisch müßte man bei den vorliegenden Organveränderungen auch an eine der Infektionskrankheiten der Katze denken (FIP, FeLV). Die genaue Ursachen wären durch weiterführende Untersuchungen abzuklären (ELISA, histologische Untersuchung). Zusätzlich sollten der Aszites v.a. auf Zell- und Eiweißgehalt untersucht werden. Diese Untersuchung grenzt dann gleichzeitig noch 7 das Transsudat, das infolge einer Herzinsuffizienz entsteht, gegenüber dem Exsudat einer FIP ab. Eine andere Erkärung für die Rotfärbung des Aszites wären postmortale Veränderungen: durch autolytische Vorgänge diffundiert der Blutfarbstoff durch die Gefäßwände, vor allem von Venen, in benachbartes Gewebe oder Flüssigkeit. Durch Hypostase nehmen ventral gelegene Darmabschnitte eine blutigrote Farbe an und täuschen so entzündliche Prozesse vor. Das mittelgradige alveoläre Lungenödem kann auch während der Agonie durch Hypostase entstehen. Dabei treten nach einiger Zeit post mortem Blutflüssigkeit und Blutkörperchen in die Alveolar- und Bronchialbäume aus. Das Totenauge entsteht durch Verlust des Augenturgors infolge des Wasserverlustes (Verdunstung). Die Cornea wird durch die Einstellung der Tränensekretion glanzlos und trübe. Die biochemischen Vorgänge, die zur Totenstarre führen, entsprechen weitgehend denen, die bei der Kontraktion des lebenden Muskels ablaufen. Jedoch fehlt die „Weichmacherwirkung“ des ATP postmortal. TODESURSACHE Die Todesursache ist akutes Herz-Kreilauf Versagen infolge von Euthanasie. . xxx